Auch auf die Gefahr hin, als Extremist beschimpft zu werden: das ist dummes Geschwätz.
Fabian Renz leitet das Ressort «Analysen und Meinungen» von Tamedia. Das ist der Kopfblattsalat, bei dem schon mal die Todesanzeigen von Zürich in der «Basler Zeitung» erscheinen. Höchste Qualität eben.
Analysen sind hier eher selten, Meinungen kommen gehäuft vor, meistens aus München übernommen. Renz ist so ein Meinungsträger, und daran trägt er schwer.
Er wurde schon mehrfach verhaltensauffällig. Nun ist er aber über ein gefundenes Fressen gestolpert:
Niemand muss darüber reden, Renz will aber. Das darf er natürlich, nur sollte er mit seinem «Leitartikel» den Leser nicht leiden lassen. Aber solche Rücksichtnahme ist im modernen Mainstreamjournalismus unbekannt.
Hier geht es weder darum, originelle Gedanken zu formulieren, erhellende Analysen, erkenntniserweiternde Erläuterungen. Noch darum, differenziert eine Meinung zu einem Ersturteil einer unteren Instanz abzugeben, das wie angekündigt weitergezogen wird und daher nur zeitlich sehr begrenzte Bedeutung hat.
Dass der Richter immerhin völlig richtig erwähnte, dass eigentlich die Beurteilung, ob jemand als «Gaga-Rechtsextremer» bezeichnet werden darf oder ob das eine Persönlichkeitsverletzung sei, eigentlich mehr eine politische Frage sei, die nicht unbedingt vor Gericht ausgetragen werden sollte, auf diesen Hinweis verzichtet Renz.
Er rempelt den SVP-Nationalrat Andreas Glarner lieber als «Kneipenschläger der Schweizer Politik» an. Und mokiert sich: «Andreas Glarner, SVP-Nationalrat aus Oberwil-Lieli AG, ist fürwahr kein Mann des gehobenen Salondiskurses». Bis hierher ist es nicht falsch, was Renz schreibt. Ab hier dafür extrem: «doch diesmal hat er, wenn auch unfreiwillig, eine wichtige Debatte in Gang gebracht».
Debatte? Wichtig? Wer «debattiert» eigentlich, ausser Renz? Dabei debattiert nicht mal der, sondern arbeitet mit Pseudofragen: «Ist, erstens, das Urteil zu begrüssen? Und ist, zweitens, Andreas Glarner also ein Rechtsextremist? Sollen wir ihn so betiteln – hier, jetzt und an dieser Stelle?» In logischer Reihenfolge fährt Renz fort: «Die Antwort auf die zweite Frage lautet: nein.»
Aber: «Es geht im Kern um den Politikstil, den wir uns wünschen. Krawallanten wie Glarner sind hierzulande zum Glück die Ausnahme.»
Dass Renz es nicht so mit Genauigkeit und Kenntnis und Kompetenz hält, beweist er hier: «Glarner will das Urteil weiterziehen – doch solange ihm eine höhere Instanz nicht recht gibt, darf er offiziell als Rechtsextremist tituliert werden.» Quatsch, nicht «offiziell», wenn schon amtlich, und nicht strafbar ist nicht dasselbe wie öffentlich, und öffentlich wäre nicht deckungsgleich mit offiziell. Aber korrekter Gebrauch von Sprache und Begrifflichkeiten, Himmels willen, Renz doch nicht.
Nun fliegt Renz einen logischen Looping nach dem anderen: «Gerade weil wir mit dem Vorwurf des Rechtsextremismus überaus zurückhaltend umgehen, tendieren wir zum Selbstbetrug: Das Problem existiert bei anderen, nicht aber bei uns.» Es existiere also in der Schweiz kein wahrgenommenes Problem namens Rechtsextremismus? Gaga.
Zweiter Looping: «Ins Bewusstsein ruft das Urteil hoffentlich auch beunruhigende Tendenzen innerhalb der grössten Schweizer Rechtspartei: Andreas Glarners SVP. Viele Jahre lang hat die SVP, was ihr hoch anzurechnen ist, zu zweifelhaften Kräften im Ausland sorgfältig Distanz gehalten. Diese Vorsicht ist geschwunden, seit einigen Jahren knüpft man Netzwerke über die Grenzen hinweg. Als Ungarns ultrarechter Autokrat Viktor Orban jüngst auf Einladung von SVP-Publizist Roger Köppel in Zürich referierte, machten ihm die Parteioberen fast in corpore die Aufwartung.»
Der «ultrarechte Autokrat» kann im Rahmen der Meinungsfreiheit durchaus so bezeichnet werden. Gleichzeitig ist er aber der gewählte Ministerpräsident Ungarns. Auch im Rahmen der Meinungsfreiheit darf man den in die Schweiz einladen, ihn eine Rede halten lassen und ihr sogar zuhören, was nicht mit «die Aufwartung machen» zu verwechseln ist, wenn man kommentieren und nicht polemisieren wollte.
Dritter Looping mit krachender Bruchlandung: «Rechtsextremismus höhlt die Demokratie aus und beraubt Minderheiten ihrer Rechte. In seinen krassesten Ausprägungen wird er zur Mordideologie.» Die Bruchlandung erfolgt, weil Renz einäugig lediglich auf Rechtsextremismus einprügelt. Seine Zwillingsschwester, den Linksradikalismus, blendet er dabei völlig aus. Der wird und wurde auch schon zur Mordideologie, oder hat Renz so ein Kurzzeitgedächtnis, dass er die Morde von Linksterroristen wie der RAF bereits vergessen hat?
Dass er vergessen hat, dass die auch in der Schweiz ihre linksradikalen Unterstützer hatte? Vergisst er die Gewalttaten von Linksradikalen in der Schweiz? Ihre ausartenden Demonstrationen, physische Angriffe auf ihrer Meinung nach zu rechte Politiker? Noch nie etwas vom Schwarzen Block gehört?
Wieso erwähnt Renz nicht wenigstens, dass der Herr, gegen den Anzeige erstattet wurde, auch schon Gegner der von ihm erhofften Subventionsmilliarde für reiche Medienclans (und auch ein wenig für seine absaufenden Projekte) als «Freunde des Faschismus» verunglimpfte?
Ist das zumindest nicht auch ein Umgangston, den sich Renz verbitten sollte? Von Schwachmaten in seiner eigenen Redaktion wie Philipp Loser ganz zu schweigen, dessen Wirken wir hier aus hygienischen Gründen nicht mehr kommentieren.
Man kann Glarner und seine verbalen Zweihänder mit Fug und Recht kritisieren. Man kann sich auch fragen, ob er sich einen Gefallen getan hat, den Wüterich Hansi Voigt, den ja ausserhalb seiner klitzekleinen Gesinnungsblase niemand mehr ernst nimmt, einzuklagen.
Aber dermassen einseitig und an diesem Beispiel auf die Gefahren des Rechtsradikalismus hinzuweisen, dabei gar eine freie Meinungsäusserung eines gewählten Politikers als Beispiel für seine Gefährlichkeit herbeizuziehen, das ist erbärmlich. Einseitig. Unredlich. Hat ein bedenkliches intellektuelles Niveau, quält den denkenden Leser (ausser, er gehört zur auch nicht viel grösseren Gesinnungsblase von Renz). Es ist noch schlimmer. Es ist flach und dumm, nutzlos, leblos, ein Buchstabenfriedhof. Schadenersatzpflichtig.
Ganz richtig peinlich wird es, wenn man dieses Gewäsch mit dem Kommentar zum gleichen Thema in der NZZ kontrastiert:
Hier ist in wenigen Worten mehr Gehalt und Denkstoff als in einer ganzen Ausgabe des «Tages-Anzeiger». Zwei kurze Auszüge:
«Gerade die sonst ach so sprachsensiblen linken Aktivisten verzichten mit Absicht auf Differenzierung. Die Kampagnenorganisation Campax, die in Zürich für Demokratie auf die Strasse ging, setzte vor ein paar Monaten sogar die FDP indirekt mit Nazis gleich. Als Strafe dafür, dass sie vor den nationalen Wahlen Listenverbindungen mit der SVP eingegangen war.»
«Wenn Bürgerliche zu Rechten, Rechte zu Rechtspopulisten, Rechtspopulisten zu Rechtsextremen und schliesslich alle zu Nazis werden, werden nicht nur die Verbrechen der Nationalsozialisten und Neonazis verharmlost, sondern ganze Wählerschichten schrittweise beleidigt, diskreditiert und schliesslich delegitimiert. Spätestens dann gilt Demokratie nur noch für Menschen links der politischen Mitte.»
Auch diese Position muss man nicht teilen. Aber statt Gedöns gibt es hier Argumente, elegant formuliert.