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Qualitätsjournalismus? My ass

Kurt W. Zimmermann knöpft sich den Qualitätsanspruch von Tamedia vor.

Eine Massenentlassung, die mehr als 100 Journalisten bei Tamedia die Stelle kosten wird. Gleichzeitig blamierte sich die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi mit einem Kommentar in «eigener Sache» unsterblich.

Oder wie Zimmi in der «Weltwoche» schreibt:
«Die aberwitzigste Begründung für die Sparübung kam vom obersten publizistischen Leiter des Verlags. Die Massenentlassung, schrieb er, sei ein Glücksfall. Es sei eine «Weichenstellung für den unabhängigen Qualitätsjournalismus».
Qualitätsjournalismus durch Massenentlassung? Weichenstellung? Die Branche brüllte vor Lachen, von der nahen NZZ bis zu den ferneren Le Monde in Paris und der Frankfurter Allgemeinen.»
Seither gibt es endlich einen Masstab zur Messung von Peinlichkeit im Journalismus. Es ist die Bärtschi-Skala. Mit dieser Lachnummer legte er die Benchmark vor: 10 Bärtschis. Sie wird selten übertroffen, häufig unterboten.
Diese lachhafte Behauptung, die wohl nicht einmal karrierefördernd war, nimmt Zimmi zum Anlass, selbst Kriterien aufzustellen, nach denen sich «Qualitätsjournalismus» messen lässt. Nein, Massenentlassungen gehören nicht dazu. Dafür aber vier Dinge, die eben eine NZZ, eine Le Monde, eine FAZ oder eine NYT zu Qualitätsmedien machen.

Wie bei Bärtschi kann man das ganz einfach messen, es sind nur vier Kriterien:

– Auslandberichterstattung
– Feuilleton
–Wirtschaftsberichterstattung
– offene Meinungsbildung

Nun könnte man noch diskutieren, wenn ein Blatt nicht alle vier Kriterien erfüllt. Bei Tamedia hingegen ist es ganz einfach: hier wird Qualität nur behauptet, nicht geliefert. Das Medienhaus fällt bei allen vier Kriterien durch.

Statt eigener Auslandberichterstattung mit eigenen Korrespondenten übernimmt es flächendeckend die Berichterstattung der «Süddeutschen Zeitung», die mit sehr linker, teutonischer Sicht die Welt betrachtet und mit typisch deutscher Rechthaberei bewertet und benotet. Nicht nur hier, nebenbei, der halbe Tagi ist voll von Artikeln aus der SZ, wenn sie nicht von der DPA, SDA oder AFP stammen.

So etwas wie ein Feuilleton oder eine Kulturberichterstattung gibt es nicht mehr. Es gibt zwar noch ein Team «Kultur», das diesem Namen aber Schande macht. Man kann ja nicht im Ernst behaupten, dass Andreas Tobler oder Nora Zukker etwas mit Kultur zu tun hätten.

Tamedia hat sich gerade rumpelig von seinem Wirtschafts-Chef getrennt; niemand weiss, warum. Was früher mal eigenständig war, ist inzwischen ein Mischmasch von «Politik & Wirtschaft». Der einzig ernst zu nehmende Wirtschaftsjournalist Arthur Rutishauser kann das im Alleingang auch nicht rausreissen.

Debattenkultur ist das letzte Kriterium. Alle grossen Qualitätszeitungen pflegen den Gastkommentar, die andere Meinung, den Widerspruch. Bei Tamedia kommentieren meistens die eigenen Schreiber. Am liebsten auch noch sich selbst und ihren Bauchnabel. Will aber zum Beispiel René Zeyer einen Gastkommentar als Erwiderung zu einer unerträglichen Kriegstreiberei schreiben, dann wird ihm mitgeteilt, er habe «Schreibverbot». Ausgesprochen von zwei unsicheren Weibern der Chefredaktion, die sich durch ihn «diffamiert» fühlen.

Auf die Frage, ob sie dafür vielleicht ein, zwei Beispiele nennen könnten, verstummt die Chefredaktion. Das ist mal echte Debattenkultur.

Es ist schon lachhaft, ein grosses Rausschmeissen als Weichenstellung für Qualitätsjournalismus verkaufen zu wollen. Schlimmer noch, selbst der dümmste Leser merkt, dass er hier verarscht wird, auf den Arm genommen, über den Löffel balbiert.

Aber auch unabhängig davon ist Tamedia schon lange nicht mehr ein Qualitätsorgan. Der Tagi ist in weiten Teilen eine (oft schlechte) Kopie von «20 Minuten». Mit zwei Unterschieden: der Tagi ist nicht gratis, und er ist vollgesosst mit Meinungen und Kommentaren der Redaktoren, die meistens keinen Menschen interessieren.

Kein Qualitätsorgan käme auf die Idee, die Autoren eines angeblichen Scoops sich selber produzieren zu lassen, mit stolzgeschwellter Brust über ihre übermenschliche Leistung zu schwadronieren. Das dürfen auch die Autoren einer Podcast-Serie über eine Sprinterin, die vor langer Zeit gestorben ist und keinen Menschen mehr interessiert.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, heisst es. Den will Tamedia offenbar nicht tun. Ein erstes Zeichen wäre es, wenn sich das Medienhaus von seinem publizistischen Leiter trennen würde. Denn mit einer solchen Lachnummer kann es nicht besser werden.

Hysterie? Hysterie

Wie reagieren die Qualitätsmedien auf den Ex-Bundesrat Maurer?

Offensichtlich fühlt sich Ueli Maurer pudelwohl als ehemaliger Bundesrat. Endlich kann er klarstellen, wieso er bei der Credit Suisse nicht eingriff – wofür er kräftig Prügel bezog. Aber sein Argument, dass er gegen den Willen des damaligen Oberversagerrats Axel Lehmann nun schlecht einen Multimilliardenkredit beim Parlament habe verlangen können, leuchtet ein.

Noch prononcierter äussert sich Maurer zur überstandenen Pandemie: Die Reaktion darauf sei hysterisch gewesen, stellt er fest. Die «Sonntagszeitung» gab ihm Gelegenheit für ein langes Interview: «Wer eine kritische Frage stellte, wurde aussortiert, indem man ihn als ‹Verschwörer› oder als ‹Rechtsextremen› brandmarkte».

Nun ist Maurer nicht nur ähnlich beliebt wie Bundesrat Rösti, sondern gehört wie der für viele Mainstream-Medien der falschen Partei an. Der SVP.

Also keift die NZZ, das andere Organ aus dem eigenen Hause sozusagen als «Beweis» zitierend: «Ueli Maurer werde, befreit von den Zwängen bundesrätlicher Kollegialität, immer radikaler. Das schrieb die «NZZ am Sonntag» vor zwei Wochen – und führte zahlreiche Beispiele von provokativen Aussagen Maurers zur Schweizer Corona-Politik an

Noch schlimmer, ein anonymer «Soziologe» diagnostiziere: «In den Aussagen von Maurer fänden sich «gezielt gesetzte Versatzstücke vieler verschwörungstheoretischer Erzählmuster»».

Dann schwant der NZZ noch mehr Übles. Der alt Bundesrat sei zwar 73-jährig. «Doch der frühere Präsident der SVP zeigt keine Lust, in aller Ruhe die Rente zu geniessen und – wie andere frühere Bundesräte – der Maxime «servir et disparaître» zu folgen. Er erklärt bereits, gegen «einen möglichen schlechten Rahmenvertrag» an vorderster Front kämpfen zu wollen.»

Auf Radio 1 hetzt der ehemalige SP-Stapi von Zürich Elmar Ledergerber, Maurer sei «schon immer ein illoyaler Bundesrat gewesen», habe «gehetzt» und Parteipolitik betrieben. Offenbar meint der Schwätzer, das versende sich doch schnell.

Schon am 20 Januar hatte die NZZ gerüpelt: «Ueli Maurer stösst mit kruden Aussagen selbst Parteifreunde vor den Kopf»; Simon Marti und Georg Humbel, brav im Dienste der FDP, schreiben von einem «Entfesselten». Auch der «Blick» stösst ins gleiche Horn: «Alt Bundesrat Maurer verbreitet krude Thesen». Das ist besonders mutig von einem Blatt, dessen CEO ein perfektes Beispiel für die Corona-Hysterie abgibt und seine Redaktionen anwies, brav die Regierungspolitik in der Pandemie zu unterstützen. Von seiner Standleitung zum damaligen Gesundheitsminister Berset ganz zu schweigen.

Etwas vornehmer formulierte Tamedia: «Ueli Maurer irritiert mit neuen Aussagen zur Pandemie selbst SVPler». Abgesehen davon, dass diese Aussagen keineswegs neu waren oder sind, und ein irritiertes Parteimitglied, das so gerne in die Medien kommen möchte, findet sich immer.

Viktor Giacobbo, dem es auch immer mehr egal ist, wie er in die Medien kommt, damit seinem Ex-Kollegen Mike «Arschloch»-Müller ähnlich, erinnert an sich selbst, als Maurer-Imitator mit Clownnase:

Nun kann man zu Maurers pointierter Position durchaus geteilter Meinung sein. Allerdings wäre es dann zumindest redlich, auf die Begründungen des alt Bundesrats einzugehen. Immerhin hat ihm die SoZ dazu Gelegenheit gegeben, was aber innerhalb von Tamedia sicherlich nicht gerne gesehen wurde.

Aber die fundierteste Kritik kommt vom Weltorgan «Zofinger Tagblatt», im Verbund der CH Media Presse. Das druckt einen Kommentar des Chefredaktors der «Aargauer Zeitung» nach. Fabian Hägler war lange Jahre Leiter des «Ressort Aargau», und dermassen qualifiziert weiss er: «Corona war keine bewusst geschürte Hysterie, die Massnahmen dagegen keine Massenhypnose. Die Impfung dagegen ist nicht heisse Luft, sondern hat unzählige Menschen vor einem schweren Krankheitsverlauf bewahrt. Das sind die Fakten und der wissenschaftliche Konsens zur Pandemie.»

Abgesehen davon, dass Maurer das so nicht formuliert hat: es ist immer beruhigend, wenn ein Lokalredaktor sich als Virologe, Immunologe und Kenner der Sachlage outet. Aber vielleicht hätte er doch bei der Berichterstattung über das Jubiläum des Kleintierzüchtervereins Oberentfelden bleiben sollen.

Denn das kann er; wir geben ein Müsterchen aus seinem jüngeren Schaffen: «Wenig ist so eng mit Lenzburg verknüpft wie die ehemalige Spielwarenfabrik Wisa Gloria. Und kaum etwas aus deren Sortiment war und ist bekannter als die ikonischen Kinderwagen. Florina Haderer hat beides verknüpft, ein 140-Jahr-Jubiläum draufgelegt und herausgekommen ist: eine Neulancierung der Kinderwagen von anno dazumal

Das kann er. Er kann aber auch die ganz grossen Bögen: «Wie der Kanton Aargau die Schweizer Traditionsanlässe mitprägt. Fête des Vignerons 2019 in Vevey, Olma 2015 in St. Gallen und Expo.02 in Neuenburg: Das waren die letzten Auftritte als Gastkanton.»

Ach ja, das Peter-Prinzip hat wieder zugeschlagen.

 

Lalü, lala. Läderach …

Ein Medien-Trauerspiel.

Die über 1800 Mitarbeiter des Schoggi-Herstellers Läderach können nichts für die religiösen Abirrungen ihres ehemaligen Patrons. Die jetzt amtierende dritte Generation Läderach auch nicht. Sowohl Läderach Senior wie seine Söhne haben sich vom Wirken der Sekte distanziert, in deren Geist ein Internat mit rund 50 Schülern betrieben wurde.

Die Übergriffe, die dort stattfanden, sind längst durch einen vom Internat selbst in Auftrag gegebenen und radikal-offenen Untersuchungsbericht belegt, bereut, klargestellt. Weil sich bislang kein einziger Schüler fand, der nicht nur von einem Regime der Angst und körperlichen Züchtigungen berichtete, sondern deswegen Strafanzeige eingereicht hätte, gibt es keine Strafuntersuchung. Wobei davon auszugehen ist, dass die meisten Vorfälle längst verjährt sind.

Gibt es also irgend einen Grund, Läderach-Schokolade zu boykottieren, noch mehr Aufklärung zu fordern, nicht nur Entschuldigungen, sondern auch Entschädigungen? Wohl kaum.

Was manche überraschen mag: Läderach-Schoggi essen oder nicht essen, ist eine völlig freie Entscheidung. Es gibt auch genügend Ausweichmöglichkeiten in jedem Preissegment.

Hat Läderach Senior nicht nur von diesen Zuständen in der Schule gewusst, sondern auch selbst geschlagen? Das behauptet ein Ex-Zögling in der SRF-Dok. Gegen ihn hat Läderach Senior Strafanzeige eingereicht; er bestreitet das vehement.

Inzwischen treiben Tamedia und «Inside Paradeplatz» den Begriff Sippenhaft in ungeahnte Tiefen. Der Tagi vermeldet, dass «zwei voneinander unabhängige Quellen» bestätigen würden, dass «drei der sechs Läderach-Kinder mit Nachkommen von Friedel Stegen verheiratet» seien. Der wiederum ist der Bruder des kürzlich verstorbenen Sektengründers Erlo Stegen, der in Südafrika wirkte. Und Lukas Hässig berichtet, dass es zwischen den Brüdern vor vier Jahren zum Bruch gekommen sei. Dennoch, oh Graus: Der Grossvater des aktuellen Läderach-Direktors für England sei ein Enkel von Friedel Stegen. Der 2021 verstorben ist.

Was wollen uns diese beiden Ahnenforscher damit sagen? Die Nachkommen von Friedel Stegen wie auch die Nachkommen von Jürg Läderach sind genetisch bedingt denen in ihren Auffassungen ähnlich? Enkel haften für die Grossväter? Wer Enkel eines Faschisten ist, steht im Verdacht, deswegen selbst Faschist zu sein? Wer mit einem Enkel eines Verbrechers verheiratet ist, begeht selbst Verbrechen? Viel übler geht’s eigentlich nicht mehr.

Die einzige wirklich offene Fragen sind:

– Wieso hat das Zurich Film Festival binnen 24 Stunden auf dem Absatz kehrt gemacht, seine Solidaritätserklärung mit Läderach vom Freitag am Samstag in eine Boykotterklärung, getarnt als «Beendigung der Partnerschaft», verwandelt?

– Wieso schrecken die SBB vor einer weiteren Anpreisung eines Ausflugs ins Läderachland zurück?

– Und die wichtigste Frage: kann SRF für den entstandenen Reputationsschaden und eine eventuelle Umsatzeinbusse haftbar gemacht werden, und wenn nein, warum nicht?

Was inzwischen auch zum Läderach-Skandal gehört, der in erster Linie ein Medienskandal ist: die katholische Kirche konnte wenigstens eine Zeitlang in aller Ruhe Schokolade lutschen, Gott sei Dank wird jemand anders geprügelt.

Und ist es nicht fast eine göttliche Fügung, dass nach dem Läderach-Skandal vor der Maximilian-Schell-Affäre ist? Dem verstorbenen grossen deutschen Schauspieler wird nach vielen Jahrzehnten vorgeworfen, er habe sich an einer Nichte, seiner eigenen Tochter und auch einem minderjährigen Kindermädchen vergangen. Auch hier waren die Opfer jahrzehntelang nicht in der Lage, darüber zu sprechen. Erst, als es darum ging, einen eher schleppenden Buchverkauf anzukurbeln, wurde es möglich.

Aufmerksamkeit erregen, auch um jeden Preis, das ist erlaubt. Wer schamfrei dabei ist, ist sicher im Vorteil. Wieso aber die Medien nichts aus den Fällen Kevin Spacey und Till Lindemann (und diversen anderen) lernen? Die einzige sinnvolle Konsequenz wird vom bekannten deutschen Juristen und Bestsellerautor Ferdinand von Schirach gefordert: drakonische Strafen für Medien, die eine solche Anschuldigung veröffentlichen, wenn die sich im Nachhinein als falsch herausstellt.

Denn bislang erfolgen diese Rufmorde verantwortungs-, haftungs- und kostenfrei. Im schlimmsten Fall enden sie mit einer möglichst kleinen Meldung, dass alle Strafuntersuchungen eingestellt worden seien, Gerichtsverfahren zu Gunsten des Angeklagten. Damit es nicht zu peinlich wird, entblöden sich die Hetzmedien nicht, an diesen Urteilen oder Entscheidungen Zweifel zu äussern.

Nach der Devise: mit viel Geld und guten Anwälten davongekommen. Aber im Zweifel gegen den Angeschuldigten: dennoch wird doch wohl was dran sein an den Vorwürfen, diese Scharen von Denunzianten oder Denunziantinnen können sich doch nicht alle geirrt haben.

Mittelalterliche Zustände, wo der Mob oft entscheiden durfte, ob jemand schuldig sei oder nicht. Und dann auch gleich das Handwerk des Scharfrichters übernahm. Damals wurde geschlagen, gesteinigt, gelyncht, in Stücke gerissen. Das wird heute unblutig medial erledigt. Allerdings mit den gleichen Folgen für den Betroffenen. Er lebt zwar noch, ist aber ruiniert, ausgegrenzt, stigmatisiert und auf ewig mit diesen falschen Anschuldigungen verknüpft.

Wie wäre es, wenn die sogenannten Qualitätsmedien nicht immer nur von Verantwortung, Wächterfunktion, Kontrolle und ähnlichem aufgeblasen Zeugs reden würden – sondern das mal ernst nähmen?

Evergrande? Ach ja

Fällt da gerade ein Reissack in China um? Oder geht es um Grösseres?

Wir alle kennen die Fotos von Hochhäusern in unüberblickbarer Zahl, die in China überall aus dem Boden gestampft werden. Evergrande Group ist der zweitgrösste Immobilienkonzern im Reich der Mitte. Rund 125’000 Mitarbeiter, 60 Milliarden Franken Umsatz. Schon vor zwei Jahren wies das Unternehmen Schulden in der Höhe von 247 Milliarden Euro aus. Der Berg ist inzwischen auf über 300 Milliarden Euro gestiegen.

Eine tickende Zeitbombe. Seit zwei Jahren krebst der Gigant vor sich hin, hangelt sich von einer Bankrottvermeidung zur nächsten. Er ist zum Symbol für die strukturellen Probleme der chinesischen Wirtschaft geworden. Es wurden Wohnungen verkauft, die noch gar nicht gebaut waren. Mit diesem Geld wurden Löcher in aktuellen Projekten gestopft, Neugeld wurde mit Kreditaufnahme hereingeschaufelt. Sollte der Koloss zusammenbrechen, würde das Schockwellen durch die chinesische Wirtschaft senden, hätte das weltweite Auswirkungen, hätte das Auswirkungen auf die chinesische Gesellschaft, weil Abertausende damit ihre Vorauszahlung für eine Wohnung loswären.

Also ein Problem, das in seiner Dimension nicht weit von der Klimaerwärmung entfernt ist. Aber ausser der «Financial Times» und anderen angelsächsischen Qualitätstiteln interessiert das im Normalfall niemanden so wirklich.

Nun hat Evergrande in den USA Gläubigerschutz beantragt, nach Chapter 15. Das dient normalerweise dazu, einem kriselnden Unternehmen Luft zu verschaffen, damit es sich allenfalls wieder aufrappeln kann.

Das wiederum hat zur Voraussetzung, dass es sich um einen Liquiditätsengpass handelt, nicht um ein Solvenzproblem. Aber nach eigenem Bekunden hat Evergrande – nicht zuletzt wegen Corona – in den letzten Jahren 81 Milliarden Dollar Verlust gemacht. Das, die gigantischen Schulden im Vergleich zum Umsatz, und vor allem diese Art von Schneeballsystem als Geschäftsmodell machen eine Rettung von Evergrande sehr unwahrscheinlich. Sollte nicht der chinesische Staat eingreifen, was er schon mehrfach ausgeschlossen hat.

Also Anlass zu tiefer Besorgnis, welche Auswirkungen ein Bankrott haben könnte, welchen Krater der Fall in China, in der ganzen Weltwirtschaft verursachen würde.

Im stetigen Bemühen der Qualitätstitel nach Einordnung und Unterscheidung von Wichtigem gegen Unwichtiges sollte sich das sicherlich widerspiegeln. In der Mediendatenbank für die Schweiz findet man auch in den letzten 2 Jahren 3600 Treffer für Evergrande.

Allerdings: 12’000 für «Klimaerwärmung». 47’000 für «Hitze». Und 100’000 für «Klima». Der Journalismus geht vor die Hunde. Oder sagten wir das schon? Aber halt: das «Klimalabor» der «Republik» wird’s dann rausreissen. Garantiert. Irgendwann. Irgendwie.

Blick in die Zukunft

«Die Ukraine muss siegen.» Und wie wird’s wirklich?

Beim Blick in die Zukunft herrscht weitgehend Einfallslosigkeit. Geboren aus Schwarzweissdenken kann man sich Prognosen nur in Schwarzweiss vorstellen. Dadurch wird das Zerrbild der Gegenwart in die Zukunft extrapoliert.

Da aber ein militärischer Sieg der Ukraine doch allgemein als unwahrscheinlich gilt, wird halt gerudert. Der Heldenpräsident Selenskij wird unbedingt mit allen nötigen Waffen versorgt, um den russischen Invasoren möglichst schmerzlich Widerstand leisten zu können – und sie zu guter Letzt aus dem Land zu werfen.

Das führt zwar zu bedauerlichen Kollateralschäden in der ukrainischen Bevölkerung und Infrastruktur, zu unermesslichem Leid und Zerstörung, aber die Alternative wäre nur, wie das ein Historiker in unnachahmlicher Dummheit behauptet, dem Präsidenten zu raten, er solle aufgeben.

Und das wiederum würde den Appetit des wahnsinnigen Verbrechers im Kreml stimulieren, der sich anschliessend noch Transnistrien, vielleicht Moldau, warum nicht Polen unter den Nagel reissen will. Deshalb muss der zur lokalen Militärmacht abgerüstet werden, was dadurch gelingt, dass möglichst viel von seinem Kriegsgerät vernichtet wird.

Das zukünftige Ziel muss unbedingt sein, dass die territoriale Integrität der Ukraine erhalten bleibt und sich Russland völlig zurückzieht, auch von der Krim. Anschliessend wird die Ukraine in die EU und die NATO eintreten, womit weitere Überfälle durch Russland ausgeschlossen sind.

Weiter im rosaroten Bild

Als Zeichen der europäischen Solidarität werden nicht nur Waffenlieferungen getätigt und geschenkt, es werden auch bedingungslos ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Die Schweiz sollte angesichts besonderer Umstände nicht so zickig auf ihrer Neutralität bestehen. Immerhin hat sie sich allen Sanktionen angeschlossen und nimmt auch freiwillig wohl bis zu 200’000 Flüchtlinge mit dem Sonderstatus S auf.

Die werden von der Schweizer Bevölkerung begeistert empfangen, wie nie zuvor zu Hause aufgenommen und fast als Familienmitglieder akzeptiert. Schliesslich handelt es sich um Miteuropäer, hochqualifiziert und überwiegend weiblich, meistens von einer kleineren oder grösseren Kinderschar begleitet. Dem entsprechenden Ansturm muss natürlich das Schul- sowie das Sozialsystem der Schweiz gewachsen sein. Ein Unmensch, der da von Kosten und Sekundärfolgen in der reichen Schweiz spricht.

Sobald der Endsieg über Russland errungen ist, werden grössere Teile der Flüchtlinge wieder in die Ukraine zurückströmen, so wie das ja auch bei den Ungarn und den Tschechen der Fall war. Der Wiederaufbau des Landes wird zu grossen Stücken durch beschlagnahmte Vermögenswerte reicher Russen im Ausland finanziert, zudem muss sich natürlich Russland daran beteiligen.

Als Gegenleistung hat die Ukraine schon versprochen, dass sie dann die letzten Reste von Korruption, Oligarchenherrschaft, pseudodemokratischen Veranstaltungen, willkürlicher Machtausübung beseitigen wird. Selbst Präsident Selinksij wird mit gutem Beispiel vorangehen und seine Millionenbesitztümer im Ausland offenlegen, vielleicht sogar verkaufen, um das Geld dann zu spenden.

Das ist der märchenhafte Ausblick des Mainstreams. Die Wunschvorstellung aller kalten Krieger und Kriegsgurgeln, die dafür grosse Teile der aktuellen Wirklichkeit einfach ausblenden.

Zurück in die realistische Zukunft

Denn das alles wird natürlich nicht passieren. Ein realistisches Zukunftsbild sieht so aus: als ersten Schritt wird es einen Waffenstillstand geben. Umso schneller, desto besser für die Zivilbevölkerung der Ukraine. Danach werden Verhandlungen beginnen, ohne Vorbedingungen. Wie vom Altmeister der amoralischen Realpolitik Henry Kissinger – und nicht nur von ihm – bereits skizziert, werden diese Verhandlungen damit enden, dass die Krim und die beiden Donbass-Provinzen russisch bleiben, sowie ein Landzugang zur Krim. Die Ukraine wird zumindest auf absehbare Zeit nicht in die NATO eintreten und höchstens den normalen, zeitraubenden Weg in die EU einschlagen.

Da Russland mehrfach wortbrüchig geworden ist, was seine Versprechen betrifft, die Grenzen der Ukraine anzuerkennen und zu respektieren, wird die territoriale Integrität der Ukraine von der NATO garantiert werden. Diese Kröte muss Putin schlucken, der sich ohne Not in eine Position manövriert hat, in der er nur verlieren kann. Die Frage ist nur, wo die Schwelle zum für ihn erträglichen Verlieren liegt.

Die anfängliche Begeisterung über und die Solidarität mit ukrainischen Flüchtlingen wird – wie bei früheren Flüchtlingswellen mit Willkommenskultur und allem – schnell nachlassen. Beispiele von Missbrauch, von Ausnützen, von Betrug, von Unwilligkeit, sich zu integrieren und auch bescheidene Angebote zu akzeptieren, werden zunächst als fremdenfeindliche SVP-Propaganda denunziert, sickern aber zunehmend in die öffentliche Meinungsbildung ein. Wie meist hat hier «Inside Paradeplatz» ein feines Näschen für die Vorboten zukünftiger Entwicklungen.

Die Belastungen der Schweizer Solzialsysteme werden diskutiert, die Bevorteilung von Flüchtlingen gegenüber notleidenden Schweizern kritisiert. Absurde Forderungen wie die, dass in der Schweiz Sondersteuern für sogenannte Kriegsgewinner erhoben werden sollen, deren Ertrag dann der Ukraine zugute kommen muss, fachen die kritische Debatte zusätzlich an.

Eine Wende wird sich immer deutlicher abzeichnen

Viele Familien, die gutgläubig Plätze angeboten haben, werden sich immer lautstärker darüber beschweren, dass sie versprochene Unterstützung nicht erhalten und stattdessen im Stacheldraht von Behörden und Bürokratie verröcheln, bzw. selbst in gröbere finanzielle Probleme geraten.

Die Meinungsträger, die von jeglichem Nachgeben abraten und die ewigen schiefen Vergleiche mit dem Appeasement gegenüber Hitler ziehen, werden zunehmend verstummen. Insbesondere, da Russland, in die Ecke gedrängt, immer unverhohlener mit dem Einsatz von zumindest taktischen Atomwaffen droht. Und immer deutlicher macht, dass es die Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte mit westlichem Militärgerät als Annäherung an eine direkte Intervention der NATO in der Ukraine empfindet.

Immerhin sind die Dummschwätzer verstummt, die noch vor Kurzem die Errichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine, garantiert durch die NATO, oder gar ein direktes militärisches Eingriffen des Bündnisses forderten.

Es gibt die Zukunftsprognose, die auf der fantasievollen Weltsicht beruht: wenn Wünsche wahr werden. Es gibt die Zukunftsprognose, die sich nach einer heilen, gerechten, moralisch intakten Weltvorstellung ausrichtet. Es gibt die Zukunftsprognose, die in typisch eurozentristischer Selbstfixierung davon ausgeht, dass die ganze Welt nicht nur den Einmarsch verurteilt, sondern auch bei wirtschaftlichen oder politischen Sanktionen gegen Russland dabei sei. Dabei stehen hier den europäischen Staaten plus USA, Japan, Australien und Neuseeland die überwältigende Mehrheit von über 150 Nationen gegenüber, die sich in keiner Form an Sanktionen beteiligen. Darunter Schwergewichte wie China und Indien.

Medien machen immer wieder die gleichen Fehler

Auch das Denunzieren von realistischen Zukunftsprognosen als zu nachgiebig, feige, gar als Ausdruck der Übernahme russischer Positionen, als Einladung für den Kreml, weitere Eroberungszüge zu riskieren, ist unnütz. Damit werden zwar weiterhin die Mainstreammedien bespielt, aber die machen den gleichen Fehler wie in ihrer Berichterstattung über die Pandemie.

Eine zu einseitige, zu meinungsstarke, zu wenig faktenbasierte, ausgewogene und umfassende Berichterstattung stösst den Konsumenten ab. Muss er dafür noch bezahlen, fragt er sich zunehmend, welchen Gegenwert er in Form von Einheitsbrei, ewig gleichen Kommentaren, markigen Kriegsrufen und unablässigen Verurteilungen Russlands bekommt.

Wie bei der Pandemie übergehen die Mainstreammedien gefloppte Prognosen kleinlaut. Die russische Wirtschaft wird demnächst zusammenbrechen. Der Rubel wird ins Bodenlose fallen. Russland wird schwerste Verluste mit seinen Rohstoffexporten erleiden. Die russische Bevölkerung wird in zunehmendem Leidensdruck beginnen, massiv gegen ihre Regierung zu protestieren. Der Veretdigungsminister ist abgetaucht, vielleicht schon abgesetzt, oder im Straflager. Oder liquidiert. Putin ist nicht nur wahnsinnig, sondern auch krank. Geschwächt. Innerhalb des Kremls wird bereits über seine Nachfolge nachgedacht. Nur ein ausgeklügeltes Sicherheitsdispositiv hat bislang verhindert, dass ein erfolgreiches Attentat verübt wurde.

Früher gab es die journalistische Berufsgattung des Kremlastrologen. Das waren die Kenner und Spezialisten, die aus kleinsten Anzeichen (wer steht wo bei Paraden, hustet der Generalsekretär, wieso wurde das Politbüromitglied schon seit zwei Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen) die ganz grossen Linien zogen. Nur war damals der Ruf der Medien noch viel weniger als heute ramponiert.

Neben Putin steht nun allerdings schon der zweite Verlierer eindeutig fest. Wieder einmal die sogenannten Qualitäts- und Bezahltitel, die für gutes Geld schlechte Ware liefern.

 

 

Im Medienhimmel

Auffahrt ist’s; Zeit für leichtere Kost.

Himmlische Spitzenleistungen aus dem Schaffen unserer Qualitätsmedien.

Arbeiten wir uns von ganz unten nach oben. Wie «watson» scharf beobachtete, gingen Pixelmännchen (oder -frauen) an diesen Wettbewerb. Wo der Geschmack einen weiten Bogen macht, da ist das Organ mittendrin. Traut sich aber nix.

Was soll denn das zu meckern geben? Ist doch super, dass der «Blick» seinem Regenrohr im Logo nachlebt und nun auch Gartentipps gibt. Gehört sicherlich zur Resilienz. Allerdings: diese Story ist sehr, sehr resilient. Sie begleitet den Leser schon seit Tagen online. Seit Wochen. Bald einmal seit Monaten. Irgendwann seit Jahren. Bis es keine Brennnesseln mehr gibt.

Eigentlich ist das die alte Masche des Boulevards. Nur wen man vorher gehypt hat, kann man anschliessend richtig schön in die Pfanne hauen. Macht doch nix, dass auch Tamedia «Mr. Corona» lobhudelte. Welche Gelassenheit. Welches Vertrauen. Welche Geduld. Welche Stimme. Was für ein Mann. Und arbeitet (als Beamter!) sogar noch über seine Pensionierung hinaus. Ohne ihn hätten wir Corona sicher nicht überlebt. Und jetzt? Versäumnisse, Versager, verpeilt, wie konnte er nur, entrüstet sich der Tagi.

Das ist klassischer «#metoo»-Journalismus. Da gibt’s die Meldung, dass in Spanien Gesetz werden soll, dass Frauen mit starken Regelschmerzen deswegen zu Hause bleiben dürfen. Olé! Da überrascht der Chefredaktor seine Mannschaft mit einem Genieblitz: Das ist doch ein Thema. Aber wir müssen es lokal spielen. Also ran an die Umfrage, was meinen die Ostschweizer dazu? – Die Ostschweizer:Innen, korrigiert ihn seine feministische Fraktion. Natürlich, verbessert er sich, das ist ja ein Frauenthema. – Nein, das ist ein Menschenthema, kriegt er nun um die Ohren. Also gut, sagt er, nun aber ans Werk.

Das wird aber ein Werkchen, im Tagblättchen von St. Gallen: «Das sagen zwei Ostschweizer Politikerinnen, eine Feministin, der Thurgauer Gewerkschaftsbund und der St.Galler Gewerbeverband.» Minimale Pflichterfüllung, sagt ZACKBUM.

Ein (in Zahlen 1) russischer Diplomat hat einen starken Abgang hingelegt und sich mit Getöse gegen seinen Staat und seine Regierung gewandt. Das ist ausserordentlich und ausserordentlich mutig. Aber ist’s schon eine Welle? der Diplomat ging bei der Genfer UNO-Delegation Russlands von Bord. Also wie gemacht für die geballte Recherchierpower von Tamedia. Oder auch nicht. Die Artikel stammen von Frank Nienhysen, der schaffte auch ein Interview mit dem abtrünnigen Diplomaten. So arbeitet man halt bei der «Süddeutschen» immer noch. Während die Schweizer Tamedia-Redaktoren Maulaffen feilhalten und zuschauen.

Ergreift der Häuptling das Wort, geben sich die Indianer immer besonders Mühe. Eric Gujer ordnet mal wieder die Welt in der NZZ, zeichnet die ganz grossen Linien und blickt kompetent in die Zukunft. «Der Sieger im Ukraine-Krieg steht schon fest: China.» Welch ein Blick durch die Dinge hindurch. Aber wie bebildert man das nur? Krisensitzung der Bildredaktion, rote Striemen auf der Kopfhaut vor lauter Kratzen. Ernste Gesichter, leichte Schweissausbrüche, Angst um den Arbeitsplatz. Bis jemand die rettende Idee hatte: Chinesinnen. Auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Hinten Mao, vorne lacht’s. Das traf zunächst auf Unverständnis und offene Münder. Aber der clevere Entdecker legte nach: Als Bildlegende schreiben wir «China könnte zum lachenden Dritten werden.» Allgemeine Erleichterung, Applaus, tiefes Einschnaufen, anerkennendes Kopfnicken. Und keiner merkt, wie lachhaft dieses Foto zu diesem Text ist. Ob’s wenigstens der Autor rafft?

Osterweiterung der NATO

Ein militärischer Konflikt um die Ukraine ist denkbar. Wer kennt die Hintergründe?

Wir sind bis ins letzte Detail über die Spesenabrechnungen von Pierin Vincenz informiert. Wir sind einigermassen über die Schwierigkeiten der Credit Suisse informiert.

Die Debatte um die Aufhebung der Corona-Massnahmen; wann, welche, zu früh, zu spät, falsch, richtig, hängt uns allen zum Hals raus.

In 24 Stunden könnte man mit dem Auto die Strecke Bern – Kiew zurücklegen (2221 km). Die Ukraine ist flächenmässig der grösste Staat Europas. Auch nachdem das Territorium de facto um rund 27’000 km² abgenommen hat, seit sich Russland wieder die Krim einverleibte. Die 1954 von der Russischen Sowjetrepublik an den Bruderstaat übergeben worden war, die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik.

1991 erklärte sich die Ukraine während des Zerfalls der UdSSR für unabhängig. Erst 1996 wurde die Ukraine nach verschiedenen Sicherheitsabkommen atomwaffenfrei. Historisch Bewanderte erinnern sich noch an Orange Revolution, an Juschtschenko, Janukowytsch und Tymoschenko. Helden und Schurken, alle verglüht.

Seit einigen Wochen scheint Russland grössere Truppenverbände an der ukrainischen Grenze zu stationieren. Das wird von der Ukraine selbst, der NATO, den USA und diversen europäischen Staaten als bedrohlich empfunden. Die Ukraine ist aufgrund ihrer Grösse und Lage seit dem Zerfall der UdSSR ein Zankapfel zwischen der Russischen Föderation und dem Westen.

In welche Richtung sich orientieren, nach der Auflösung des Warschauer Pakts: Beitritt zur NATO oder nicht? In den turbulenten Zeiten der deutschen Wiedervereinigung, gefolgt vom Zusammenbruch der Sowjetunion, gab es lebhafte Diskussionen, ob eine Osterweiterung der NATO russische Sicherheitsinteressen tangieren könnte.

Gab es Zusicherungen gegen eine Osterweiterung der NATO?

Wurde damals dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow zugesichert, dass es keine Osterweiterung über das wiedervereinigte Deutschland hinaus geben würde? Oder bezogen sich solche Aussagen nur auf das Territorium der DDR, während der Warschauer Pakt noch existierte (er löste sich 1991 auf)?

Das westliche Militärbündnis NATO umfasst aktuell 30 Staaten. 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn bei. 2004 folgten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien, 2009 Albanien und Kroatien. Schliesslich kamen noch Montenegro und Nordmazedonien dazu.

Ausser den Staaten von Ex-Jugoslawien alles früher Mitglieder des östlichen Verteidigungspakts. Nun ist es nicht wirklich so, dass Russland oder die UdSSR einige Male Europa überfallen hätte. Umgekehrt war das schon so, herausragend Napoleon und Hitler.

Der russische Präsident spricht nun von einer Bedrohungslage und will westliche Zusicherungen, dass die Ukraine nicht in die NATO eintritt. Das ist eine Einmischung in innere Angelegenheiten des Staates, aber Grossmächte machen solche Sachen. Angesichts der Geschichte der letzten 200 Jahren ist sein Sicherheitsbedürfnis nicht ganz unverständlich.

Das ein kurzer historischer Abriss. Nun ist ZACKBUM kein Kompetenzzentrum für das Thema Ukraine. Aber: die uns zugänglichen Medien in der Schweiz, Deutschland und Österreich sind nicht in der Lage, die Komplexität dieses Konflikts den Lesern verständlich darzulegen.

Lieber Klischees als Analyse

Es wird lieber mit den üblichen Klischees des bösartigen, machtgierigen Diktators Putin gespielt. Er ist sicherlich kein lupenreiner Demokrat, wie ihn der deutsche Ex-Bundeskanzler Schröder mal bezeichnete. Aber es wäre doch die Aufgabe der ach so wichtigen Vierten Gewalt, hier Erklärung, Analyse, Einordnung zu liefern. Eine Auslegeordnung, aufgrund derer sich der Leser eine eigene Meinung bilden kann.

Sich zum Beispiel die Frage stellen dürfte, wieso es okay ist, wenn der US-Präsident Biden die Entsendung weiterer Truppen nach Polen und anderswo ankündigt. Russland aber aufgefordert wird, Truppen innerhalb des eigenen Territoriums zu verschieben. Der Leser könnte sich auch die Frage stellen, ob die harsche Kritik an der deutschen Weigerung berechtigt ist, der Ukraine Waffen zu liefern.

Holzschnittartige Schablonen haben den Vorteil, vermeintlich einfache Orientierungshilfe, Welterklärungsmodelle zu liefern. Nur haben die den kleinen Nachteil, eher wenig mit der realen Welt zu tun zu haben.

Zu erklären, dass Donald Trump ein gefährlicher Irrer als Präsident war, das war entschieden einfacher als zu erklären, wieso er denn dann gewählt wurde. Zu erklären, dass Putin ein gefährlicher Irrer ist, das ist entschieden einfacher als zu erklären, was denn seine Motive sind.

Wäre Aufgabe von Qualitätsmedien, die ihren Namen und Steuergelder verdienen.

 

 

 

Filzball-Mopser

Blütenlese der Schweizer Qualitätsmedien.

Das Thema ist weltbewegend. Darf ein Tennisspieler nach Australien einreisen oder nicht? Hat er alle Bedingungen dafür erfüllt – oder ist er ein arroganter Sack, der meint, wenn die Nummer eins des Tennis kommt, dann winke man ihn einfach durch?

Als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt, haben sich die Schweizer Qualitätsmedien darauf gestürzt. Über 1200 Treffer für den Namen Djokovic in den letzten Tagen.

Dabei haben sich die drei grossen Medienclans schlichtweg blamiert. Die Fachkoryphäen des Filzballs, die Spezialisten für Serbien und Serben waren sich einig: Der Mann rennt in ein «Fiasko» (SoZ). Er spielt «Russisches Roulett» (CH Media). Die «Chefredaktorin Sport» des «Blick» wusste: «Die Pointe in der Aussie-Open-Geschichte ist, dass Djokovic am Flughafen festsass und offenbar das Land wieder verlassen muss.» Nun rettet Steffi Buchli nur ein vorsichtiges «offenbar» vor der völligen Peinlichkeit.

Garniert wurde die objektive und nur der Wahrheit verpflichtete Berichterstattung mit demagogischen Fotos und der ganzen Latte von Vorurteilen, die man gegen Serben im Allgemeinen und Djokovic im Speziellen auffahren kann.

Gewichtung, Ausgewogenheit, Fachkompetenz, sorgfältige Abklärung der Hintergründe? Hinweis darauf, dass es insgesamt 26 Anträge auf Ausnahmebewilligungen für die Turnierteilnahme gab, die grösstenteils auch zur Einreise führten?

«Und täglich grüsst der Drama-King», verballhornte die «Blick»-Fachkraft den Titel eines schönen Films, der das nicht verdient hätte.

Ein Vollpfosten aus dem Hause Tamedia sah schon den «tiefen Fall eines grandiosen Tennisspielers» voraus, eines «Schwurblers» auch, der eine «grosse Narrenfreiheit» geniesse. Und die Serben? «Wer in diesen Tagen die serbische Krawallpresse liest, der wähnt sich kurz vor einem Weltkrieg.»

Typisch für diese -itsch. Unzivilisiert, aggressiv, grössenwahnsinnig, gefährlich halt.

Nun ist ZACKBUM  kein grosser Fan der Fähigkeit, einen Filzball so über ein Netz zu dreschen, dass er anschliessend wieder rechtzeitig runterkommt. Auch das Dreigestirn Federer, Nadal und Djokovic lässt uns ehrlich gesagt kalt.

Aber an diesem Beispiel wird wieder etwas schmerzlich bewusst: wer so berichtet, kann nicht im Ernst behaupten, Qualität abzuliefern. Wer so berichtet, kann nicht im Ernst begründen, wieso seine Tätigkeit mit einer weiteren Steuermilliarde unterstützt werden sollte.

Wer dermassen den Ball ins Aus geschlagen hat, schlichtweg mit Analyse, Prognose und Darstellung kreuzfalsch lag, könnte einfach mal kurz schweigen oder – das aber niemals! – einräumen, schwer danebengelegen zu haben.

Aber wenn die Realität, dieser Schlingel, sich nicht so benimmt, wie sie der Journalist gerne sähe – Pech für die Realität. Wie kommentiert ein weiterhin hyperventilierender Tamedia-Qualitätsjournalist das Urteil eines australischen Richters? «Wie ein Schlag ins Gesicht.» Von wem? Na, vom betroffenen Journi natürlich, von wem sonst. Das tut aber ein australischer Richter nicht ungestraft:

«Der Weltranglistenerste ist zum Symbol der Egozentrik, der Uneinsichtigkeit, der Ungleichheit und zu einem weltweiten Anführer der Impfgegner geworden.»

Aber nein, Tamedias René Stauffer ist ein Symbol der Uneinsichtigkeit geworden, nur interessiert das die Welt glücklicherweise nicht sehr. Während sein Kollege dank der dortigen Medien Serbien am Rande des Weltkriegs sieht, prognostiziert Stauffer nun, dass das Urteil «brandgefährlich für Melbourne und Australien» sei. «In der Stadt drohen nun Tumulte … Sollte er tatsächlich als Spieler in die Rod Laver Arena schreiten, ist ein Aufruhr garantiert.»

Statt Serbien am Rande des Weltkriegs nun Australien am Rande des Bürgerkriegs. Huch.

Und sollte das nicht passieren, ist Stauffer einfach nochmal stinkbeleidigt und muss ganz fest mit der Wirklichkeit schimpfen.

Zum Üben gibt es im Tennis Ballmaschinen. Die spucken eine Filzkugel nach der anderen aus, bis das Reservoir leer ist. Wir empfehlen für die drei Redaktionen eine Anschaffung. Besonders überzeugt hat uns dieses Modell, denn ein «eingebauter Sensor stoppt den Ballwurf sofort»:

Sportredaktor (Ersatzmodell).

So wie ein eingebauter Sensor die nun wie begossene Pudel dastehende Rechthaber und Besserwisser in drei Schweizer Qualitätsmedien zum Nachmopsen und anschliessendem Verstummen gebracht hat.

Obduktion einer Ente

Der Wunsch war Vater des Gedankens: Ueli Maurer tritt ab. Oder doch nicht.

Im Biotop Bern passiert eigentlich nicht viel Aufregendes. 246 Parlamentarier und sieben Bundesräte tun wichtig und dies und das. Regieren, legislieren, intrigieren, lassen unter dem Siegel der Vertraulichkeit angeblich furchtbar heisse Informationen raustropfen.

Der erfahrene Bundeshausjournalist weiss zu unterscheiden. Besser: er wusste es. Aber in Zeiten, in denen ganze Horden von Redaktoren sich japsend mit gestohlenen Geschäftsunterlagen anfüttern lassen, ohne auch nur eine Sekunde über die Motive der Diebe nachzudenken, nimmt man jedes Gerücht gerne auf und serviert es brühwarm seinen Lesern.

Nach der alten Devise: nur die Story, die man selbst erfindet, hat man exklusiv. Einen Gerüchtebrei reinzwängen muss der Urheber überhaupt nicht, wenn das Servierte sowieso den Wünschen, Hoffnungen, Vorlieben des Breifresser entspricht.

Ist das nicht eine wunderschöne Ente?

Ideal dafür geeignet ist zum Beispiel: Ueli, der Treichler, tritt zurück. Denn spätestens seitdem sich der SVP-Bundesrat ein T-Shirt der «Freiheitstrychler» überstreifte, ist er zum liebsten Feind der Mainstream-Medien geworden.

Zunächst wird die Küche angeheizt

Also heizte am 30. September der zu CH Media gewechselte ehemalige NZZaS-Journalist Francesco Benini die Gerüchteküche ein:

«Erklärt Ueli Maurer am Freitag seinen Rücktritt?»

Damit nicht der Eindruck aufkommen könnte, dass das eine persönliche Ente von Benini ist, die er hier spazierenführt, fügt er hinzu: «Aufregung in Bundesbern».

Welch ein Bild. Rund ums Bundeshaus rennen aufgeregte Politiker auf und ab, in der Wandelhalle spielen sich hektische Szenen ab, der Mobilfunk kommt an seine Belastungsgrenzen, sämtliche Hinter- und Sitzungszimmer sind gefüllt, Krisenstäbe tagen ohne Unterlass.

Denn, Benini brütete das Entenei natürlich nicht selbst aus. Keinesfalls, schon «seit zwei Tagen» verbreite sich das Gerücht, unkt er, um zu beweisen, mit welch übermenschlicher Zurückhaltung er bislang mit diesem Primeur zuwartete. Da gibt es dann den «Nationalrat», der natürlich nicht namentlich genannt sein will. Und die Indizien, eigentlich schon eine Beweiskette. Der Mann wird im Dezember 71. Ist seit 12 Jahren in der Landesregierung.

Der Beleg: der Mediensprecher sagt nichts

Und, fast schon der Beweis, sein Mediensprecher will sich zu diesem Thema «nicht äussern». Alles klar, wir sind natürlich schon einen Schritt weiter: «Im Bundeshaus sprechen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier bereits über mögliche Nachfolger Maurers.»

Denn was ist schon eine Ente gegen eine Entenfamilie. Die ersten Namen werden genannt, also eigentlich verbrannt. Die nächste, noch dickere Ente, die Benini watscheln lässt: Altmeister Blocher wolle Toni Brunner zu einer Kandidatur überreden.

Nach dieser Tat konnte sich Benini zurücklehnen, seine Entenschar wurde von aufgeregten Hühnern umflattert, also von den übrigen Medienschaffenden. Über 170 Treffer erzielt man im Medienarchiv SMD, wenn man mit den Stichworten Maurer + Rücktritt sucht.

Eine Ente kommt selten allein …

Beförderlich bei solchem Unsinn ist immer, dass die wenigen noch vorhandenen Blattmacher die wenigen noch vorhandenen Journalisten in ihren Verrichtungsboxen zu Höchstleistungen anspornen: was haben wir zusätzlich?

Es muss doch noch mehr dransein

Denn die reine Wiederholung bringt’s ja nicht. Entweder muss ein Knaller-Spruch her «Maurer: Kä Luscht?», das genügt dem «Blick». Tamedia muss weiter gehen, wohin? Richtig geraten, ins Gendern. Denn auch die Liste der Nachfolger wurde schon erstellt, aber Tamedia (wenn Philipp Loser an den Tasten ist, wird’s immer unfreiwillig komisch) kritisiert streng nach einem Blick zwischen die Beine: die möglichen Nachfolger sind «fast alles Männer». Tja, so ist halt die Machopartei SVP.

Nun hatte all das Geschnatter und Geflatter nur ein klitzekleines Problem. Der Freitag kam, der Freitag ging, und Maurer blieb einfach im Amt. Der Schlingel. Wie kann er nur. Unsere Qualitätsmedien hatten doch seinen Rücktritt verkündet und die Schar der Nachfolger aufgestellt, gebüschelt und zurechtgestutzt.

Also alles getan, was man einer vertrauenswürdigen, verantwortungsvollen Vierten Gewalt erwarten darf, die deshalb auch unbedingt mit einer Steuermilliarde abgefüttert werden muss. Ohne die könnte sie nicht mehr ihres Amtes walten, denn Quersubventionierung aus den sprudelnden Einnahmequellen der Medienclans von Tamedia, CH Media und Ringier, das ist natürlich nicht.

Schliesslich weiss doch der normale Leser und Abozahler gar nicht, wie kostspielig der Unterhalt von Yachten, Privatjets, Villen, Feriendomizilen und eines Fuhrparks ist. Wegen so einer kleinen Fake News – wenn sie nicht aus der Küche des pösen, pösen Putins stammt – sollte man doch kein Büro aufmachen.

Putzig, aber nur in der Badewanne.