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Forever old

Ein Beitrag zur Qualitätsoffensive bei Tamedia.

Wem es bislang entgangen sein sollte: Es gibt ein neues «Gefäss» bei Tamedia. Das heisst «Forever Young». Da ist nun nomen nicht wirklich omen:

Das sind die vier «neusten» hier angepriesenen Artikel. Erscheinungsdatum von links nach rechts: 17.5., 20.5., 23. 5., 17. 5. Wir schreiben heute den 30. Mai

Aber das kann man (bzw. frau, denn die Chefredaktion ist bekanntlich weiblich) noch steigern:

Dieses «Interview in der Serie «Forever Young»» mag dem einen oder anderen «Magazin»-Leser nicht ganz unbekannt vorkommen. Denn wer noch so jung ist, dass ihn noch nicht Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium ereilt hat, erinnert sich noch, dass dieser Artikel, neu auf der Webseite von Tamedia unter dem schnuckeligen Titel «News Pause», aber angepriesen als «Beitrag der Serie «Forever Young»», am 7. 10. 2022 zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte.

Wahrscheinlich ist das ein Beitrag dazu, was das Mitglied der Chefredaktion Kerstin Hasse als «digital Storytelling» versteht. Vielleicht ist das ein weiblicher Ansatz, der sich dem männlichen Verständnis entzieht. Das ist die eine Variante.

Die andere: in dieser «neuen» Rubrik bleiben alte Artikel tagelang auf der Webseite stehen, weil es keine neuen gibt. Das mag ja noch knapp angehen, obwohl es alle Regeln des digitalen Erzählers widerspricht. Aber vielleicht war Hasse damit ausgelastet, ein lustiges Video über die Käfigtierhaltung im neuen Newsroom von Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger», zu drehen.

Aber dass man (oder vielmehr frau) nun die Stirn hat, einen fast 8 Monate alten Artikel zu rezyklieren, der schon damals schnarchlangweilig war, das zeugt nun von einer Leserverachtung, um ein stärkeres Wort zu vermeiden, die schon bemerkenswert ist.

Die Fragen sind nach wie vor brandaktuell: «Liebe Oma – du hast im Februar deinen fünfundachtzigsten Geburtstag gefeiert. Wie fühlt sich das an?» Wohl so, wie sich dieses Jahr das Feiern der 86. angefühlt hat. Unvergesslich auch diese Passage:

«Warst du auch mal überfordert vom Grundkonzept des Existierens? – Vom was? – Also, dass man ungefragt auf diese Erde geworfen wird … – … und in den meisten Fällen auch ungefragt wieder gehen muss. – Genau.»

Solche investigativen Fragen und luziden Antworten kann man gar nicht oft genug lesen. Dass man dafür allerdings zuerst ein Abo abschliessen müsste, das ist schon ein starkes Stück. Der zukünftige Abonnent, den Chefredaktorin Raphaela Birrer bekanntlich «an die Paywall heranführen» will, soll also Geld abdrücken dafür, dass er einen Uralt-Artikel, der als neu serviert wird, lesen darf.

Dass er in eine Serie «Forever Young» eintauchen darf, die so was von alt ist.

Dass er Beiträge der «Süddeutschen Zeitung» aus München lesen darf, die schon dort kaum jemanden interessieren, und dort leben Deutsche. In der Türkei leben Türken, und die haben gewählt. Und sich wieder für Recep Erdogan entschieden. Da wäre es sicherlich interessant zu erfahren, was der grösste Schweizer Medienkonzern mit seinen unzähligen Kopfblättern in der Zentralredaktion in Zürich dazu zu kommentieren hat.

Aber leider behält er das für sich, wahrscheinlich wollte sich Auslandchef Christof Münger davon nicht seine Pfingstferien verderben lassen. Also kommentiert «Raphael Geiger aus Istanbul». Der Korrespondent der «Süddeutschen». Der ist herausragend qualifiziert, denn er übt diesen Job seit 2023 aus. «Zuletzt war Geiger USA-Korrespondent in New York.»

Auch das ist ein spezielles Verständnis von Qualität. Statt die eigene, theoretisch noch vorhandene Auslandredaktion zu bemühen, lässt der Qualitätskonzern Tamedia einen seit 2023 im Amt befindlichen SZ-Korrespondenten in die Tasten greifen, der zuvor in den USA stationiert war. Und für diesen Schrott, «Erdogan ist gerade noch einmal davongekommen», will Tamedia auch noch Geld, bevor man das lesen darf.

Eigentlich ist’s so. Wer Tamedia zuschaut, begleitet einen Fallschirmspringer auf dem Weg nach unten. Und blickt ihm in die Augen, als er merkt, dass sich der Fallschirm nicht öffnet. Brrr.

 

 

Wumms: Eric Gujer

Gelobt sei der schneidende Ton des NZZ-Chefs.

ZACKBUM mag mit seiner Feriengestaltung nicht ganz einverstanden sein, aber seine wöchentliche Arbeit mit dem Schneidbrenner, genannt «Der andere Blick», ist herausragend.

Im allgemeinen Niedergang der Schreibkräfte und Schreibfähigkeiten ragt Eric Gujer wie ein Leuchtturm heraus, wenn er seine verbalen Blitze schleudert. Besonders schnell auf Betriebstemperatur kommt er, wenn es um die Grünen geht. Natürlich hat er recht, einen opportunistischeren und übleren Haufen in der Politik gibt es weder in Deutschland noch in der Schweiz.

Zunächst säbelt Gujer die Kritiker an der Vetternwirtschaft im Hause Habeck nieder: «Die Empörung über den grünen Klüngel im Wirtschaftsministerium ist im höchsten Mass lächerlich. Nepotismus und Ämterpatronage gehören zur Politik. Seit je werden Günstlinge und Parteigänger in einflussreiche Positionen befördert. Trauzeugen bekleiden auch in anderen Ministerien in Berlin wichtige Posten

Darauf türmt er ein verbales Massaker an den Grünen-Bewunderern: «Sie sehen in ihnen die Garanten eines besseren Deutschland: einsame Kämpfer gegen den Klimawandel, sensibel, gendergerecht und divers, Retter der Flüchtlinge, geleitet von Werten statt von schnöden Interessen.»

Dann zeigt er einen kurzen Moment der Schwäche: «Jetzt müssen die Medien feststellen, dass die Grünen eine ganz normale Partei sind. … Sogar die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» raunt von einer «Entzauberung», als hätten die Grünen jemals einen Zauber besessen.» Nein, die Grünen sind keine ganz normale Partei. Während sich dort die Wändehälse maximal um 180 Grad drehen können, ist das hier – um die grüne Aussenministerin Baerbock zu paraphrasieren, um mindestens 360 Grad möglich.

Aber schnell erreicht Gujer wieder seine normale Flughöhe: «Wer glaubt, dass Parteien ein Zauber innewohnt, sollte zum Arzt gehen.» Welch feine Anspielung auf den Elder Statesman Helmut Schmidt, der alle zum Arzt schicken wollte, die Visionen haben.

Nun legt Gujer das Florett zur Seite und greift zum Zweihänder: «Die Grünen waren noch nie besonders moralisch.» Das könne man den Grünen aber auch nicht unbedingt vorwerfen, denn welche Partei sei das schon. Aber, beim Streit um das verbieten fossiler Heizungen haben die Grünen schlimmer versagt: «Allerdings wäre es die Aufgabe des Ministeriums gewesen, den Widerstand vorherzusehen und Mehrheiten zu suchen – auch um den Preis einer weniger ambitionierten Vorlage. Tragfähige Lösungen zu erarbeiten, um die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen, das ist in der Politik Moral.»

Dann geht Gujer zum peinlichen Thema «Atomkraft, nein danke» über: «Ohne den sehr deutschen Spleen des Atomausstiegs würde Deutschland heute deutlich weniger CO2 produzieren. Indem die Grünen den Atomausstieg (unter Mithilfe der Merkel-CDU) unbeirrt durchgesetzt haben, gewichteten sie das Ideal höher als das praktische Ergebnis. Genau das ist in der Politik amoralisch

Das gilt natürlich auch für die Frau mit der schwer erträglichen Stimme: «Ähnlich verhält sich Aussenministerin Baerbock, wenn sie sich als die heilige Annalena von Xinjiang inszeniert. Indem sie die chinesischen Kommunisten möglichst oft und öffentlich über Menschenrechte belehrt, verbessert sie die Lage der Uiguren kein Jota

Nun erlaubt sich Gujer keinen Durchhänger mehr und packt die Todeskralle aus: «Die grüne Vorhut degradiert die Ehe zur «Verantwortungsgemeinschaft», nennt Deutsche «Kartoffeln» und Mütter «gebärende Personen». Das neue Ideal ist der nichtbinäre Mann mit Migrationshintergrund. Massstab der Politik ist nicht das grösste Glück der grössten Zahl, sondern die Befindlichkeit von sich immer weiter ausdifferenzierenden Minderheiten.»

So werden die Grünen «nie Kanzlerpartei», denn stärkste politisch Kraft werde man nicht, «wenn man die Mehrheit der Gesellschaft offen oder auch nur insgeheim verachtet». Volltreffer. «Den Grünen bleibt dann nur die Rolle des ewigen Steigbügelhalters für die SPD oder die Union, da können Baerbock und Habeck noch so lange strampeln

Auch wenn die NZZ bei Fragen der Neutralität oder bezüglich Waffenlieferungen im Ukrainekrieg manchmal schwächest (aber was soll sie machen, ihre ideologische Heimat FDP ist da ganz schwach auf der Brust): Gujer sorgt doch immer wieder für Lesespass.

Und so ganz spontan: welcher andere Journalist der Mainstreammedien, welcher andere Chefredaktor (generisches Maskulin, Frau Birrer, Sie bleiben schon sichtbar) fällt einem da ein?

 

Was lange währt …

Wie lange braucht Tamedia, um ß durch ss zu ersetzen?

Eine oft gestellte Frage findet ihre Antwort. Wir wissen allerdings nicht, wie viele Redaktoren Tamedia braucht, um diese journalistische Grossleistung zu vollbringen. Aber gedruckt ist gedruckt.

So erschien am 22. Oktober (immerhin 2022) in der «Süddeutschen Zeitung» diese Bombenstory:

Kann man machen, muss man nicht machen.

Nun brütete Tamedia mehr als eine Woche darüber, ob sie ihre zahlenden Leser mit einem verspäteten Aufwasch dieser Nullstory beglücken soll, damit die mal wieder wissen, wieso sie einen Haufen Geld für qualitativ hochstehenden, originalen und originären Journalismus ausgeben.

Man muss auch bedenken, dass Tamedia journalistische Höchstleistungen erbringt, obwohl auf den Redaktionen unerträgliche, sexistische, demotivierende und Frauen diskriminierende Zustände herrschen. Aber mit übermenschlichen Anstrengungen, ohne Rücksicht auf Gesundheit, hustende Mitarbeiter (Brupbacher, übernehmen Sie!), im unerschütterlichen Bemühen, dem Leser sinnfällig vor Augen zu führen, wieso «20 Minuten» gratis ist, die x Kopfblätter bei Tamedia aber etwas kosten, kam dieses brandneue, aktuelle, bahnbrechende Stück zustande:

Man beachte auch die entscheidende Veränderung des Titels, er wurde mit dem unbestimmten Artikel ergänzt. Der Lead wurde ebenfalls leicht angepasst, solche Eingriffe sind dem hohen Qualitätsstandard bei Tamedia geschuldet.

ZACKBUM hätte nur eine kleine Korrektur anzubringen. Statt «Hintergrund» sollte das Gefäss doch besser «Abgrund» heissen. Oder vielleicht «Werkhof für Rezykliertes».

Peinlich

Qualitätskontrolle war gestern. Ungehemmtes Geschwätz ist heute.

Weil der Qualitätsmedienkonzern Tamedia fast alles von der «Süddeutschen Zeitung» in München rezykliert und seinen Lesern als Eigenleistung präsentiert, für die sie gefälligst happig zahlen sollen, übernimmt er auch sämtlichen Unsinn.

So weiss der «Zentral- und Osteuropa-Korrespondent» Florian Hassel Erstaunliches aus der Ukraine zu berichten: «Die Ukraine lebt vom Export, vor allem von Getreide, Stahl und Eisen. Ihre Bauern brauchen neben ihren fruchtbaren Böden gewöhnlich nur genug Regen.» Verblüffend, überall sonst braucht es auch noch Düngemittel, Herbizide, eine Aussaat und noch so ein paar Kleinigkeiten. Aber wahrscheinlich wird in der Ukraine Stahl einfach fertig aus dem Hochofen gezogen.

Auch aus diesem Bereich vermeldet Hassel Oberflächliches: «Das Kronjuwel der ukrainischen Metallindustrie, zu dem auch eigene Eisenerzgruben gehören, ist Arcelormittal in Kriwi Rih, der Heimatstadt von Präsident Wolodimir Selenski. 2005 verkaufte die Ukraine das Staatsunternehmen an den indischen Stahlmilliardär Lakshmi Mittal». Das ist der, der auch in den indischen Kohleskandal verwickelt ist, was ein Blick in Wikipedia enthüllt hätte. Recherche war gestern.

Aber immerhin widmet sich Hassel einem Thema, das in der Kriegsgurgel-Berichterstattung weitgehend vernachlässigt wird. Wie steht es eigentlich um die ukrainische Wirtschaft? Ums BIP, die Wertschöpfung, die Arbeitsstellen, das Einkommen? Denn nicht jeder Ukrainer ist Multimillionär wie ihr Präsident. Da weiss Hassel: «Doch der Krieg könnte noch Jahre dauern – und damit auch die Notwendigkeit für mindestens Dutzende weitere Milliarden aus dem Westen, Hunderte Milliarden Euro für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur noch gar nicht eingerechnet.»

Dutzende weitere Milliarden? Der Mann sollte mal einen Grundkurs in Volkswirtschaft besuchen.

Auf ihre Art widmet sich CH Media dem Thema Sparen. Genauer gibt Wirtschaftsredaktor Niklaus Vontobel wertvolle Tipps als «Hilfe zur Selbsthilfe». Zum Beispiel: «So sollten Autofahrende darauf achten, in welcher Region und an welcher Tankstelle sie einkaufen. Denn die Benzinpreise sind in der Schweiz hoch und variieren stark. Tankstellen auf der Autobahn zum Beispiel verlangen oft höhere Preise als kleine Tankstellen.»

Darauf muss man ja erst mal kommen. Aber auch bei der Ernährung gibt es ungeahnte Sparmöglichkeiten: «Wer mehr Gemüse isst, dafür weniger Fleisch, der entlastet sein Budget. Ein Kilo Fleisch kostet im Schnitt an die 21 Franken, Gemüse hingegen weniger als 6 Franken.»

Aber leider muss Vontobel am Schluss noch eine bittere Pille verabreichen: «Bis die Inflation wieder zurück ist auf jenem Niveau, wo sie die Notenbanken haben wollen, wird es noch ein langer Kampf werden.»

Auf höherem Niveau scheitert Bettina Weber in der «SonntagsZeitung». Sie widmet sich dem beliebten Thema: ein Fall, zwei Fälle, eine Welle. Dass der Titel «Der Russinnen-Trick» im diskriminierungssensiblen, vom Genderwahn geplagten Tamedia-Konzern durchging – ein Zeichen nachlassender Kontrolle?

Dann schildert Weber einen dramatischen Einzelfall, um den Aufschwung ins Allgemeine zu wagen. Denn Anwälten und auch dem Chef des Zürcher Migrationsamt sei dieser Begriff bekannt. Dessen Verwendung auch nicht besser wird, wenn Weber erwähnt: «Es geht beim Phänomen mit dem politisch unkorrekten Namen nicht um die Nationalität, nicht einmal zwingend um das Geschlecht, da es auch schon afrikanische Männer gegeben haben soll, die ihre Schweizer Frauen der Gewalt beschuldigten, um auf diese Weise eine B-Bewilligung zu erhalten.»

Allerdings muss Weber dann einräumen: «Wie häufig der «RussinnenTrick» vorkommt, kann niemand sagen. Zahlen fehlen, da die Fälle weder vom Migrationsamt noch von der zweiten Instanz, dem Verwaltungsgericht, nach Artikeln erfasst werden.» Also wenden ihn eine unbekannte Anzahl Russinnen, afrikanischer Männer und ähnlich zwielichtiger Gestalten an.

Diese unbekannte Menge von Gesocks versucht, sich mittels eines Gutmenschen-Gesetzesartikels das Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu erkämpfen, wenn eine Ehe mit einem Schweizer schnell in die Brüche geht, was normalerweise zur Ausweisung führt. Das Benutzen eines Gesetzes ist nicht strafbar; allerdings macht ein solcher Missbrauch die entsprechende Bestimmung fragwürdig.

Doch darauf geht Weber nicht weiter ein, sie erzählt lieber ein tragisches Einzelschicksal in allen Details aus. Wobei sie naturgemäss nur die Position des betroffenen Schweizer Mannes unkritisch übernimmt. Offenbar hat sie nicht einmal den Versuch unternommen, die andere Seite, also die der Frau, zu hören. Eine unselige Tradition bei Tamedia.

Qualität war gestern, heute wird an ungefiltertem Flachsinn nicht gespart.

 

Wichtiges und Unwichtiges

Früher waren Tagi und NZZ Konkurrenten. Vorbei.

Natürlich wurde diese Konkurrenz vor allem am Platz Zürich wahrgenommen. International hatte der «Tages-Anzeiger» nichts zu husten. Aber zumindest im Bewusstsein der Redaktionen sah man sich meistens auf Augenhöhe.

Da ist nun Peinliches zu vermelden. Der Riesenkonzern Tamedia gewinnt in jedem Qualitätsranking den ersten Preis. Wenn von unten nach oben prämiert wird.

 

Name und Gebäude kommen und gehen …

Während sich die NZZ von ihren Lokalblättern getrennt hat und die in ein Joint Venture mit CH Media überführte, hat sich Tamedia eine ganze Kollektion von Kopfblättern zugetan, mit denen nun auch Basel oder Bern beschallt werden. Die Installation einer «Zentralredaktion» hat allerdings nichts zu einer Qualitätsverbesserung beigetragen. Im Gegenteil.

Augenfällig wird die zunehmende Distanz beim aktuell wichtigsten Thema überhaupt. Tamedia reagiert kreischig, besserwisserisch und mit einem apokalyptischen Unterton auf die Pandemie. Die Redaktion fordert, urteilt, kritisiert oder lobt, als hätten Journalisten irgend eine Verantwortung für ihr Tun. Stellt sich eine Prognose mal wieder als falsch heraus: man ist doch haftungsfrei, und her mit der nächsten.

Zudem darf offenbar jeder Redaktor sein Steckenpferd reiten. So wurde doch vom ehemaligen Leiter des ehemaligen Wissen-Bundes ernsthaft eine Debatte darüber angestossen, dass das Schmatzen im ÖV aufzuhören habe. Sekundiert wurde er von einem Wirtschaftsjourni, der zudem monierte, dass heisse Getränke in «kleinen Schlückchen» geschlürft würden.

Statt etwas über Wirtschaft zu schreiben oder an seiner Sprachkompetenz zu arbeiten, bspw. am Vermeiden eines doppelten Diminutivs. Aber irgendwie scheint das Programm zu sein bei Tamedia. Die allgemeine Einführung des doppelten Diminutivs.

Die NZZ teilt die Meinung von Karl Marx

Viel zurückhaltender, ausgewogener und vernünftiger berichtet hingegen die NZZ. Sie lässt nicht nur renommierte Gegner der Corona-Gesetzgebung zu Wort kommen (was Tamedia nicht im Alptraum einfallen würde).

Gleicher Name, gleiches Gebäude.

Zudem ist die NZZ mit Karl Marx der Auffassung, dass der materielle Unterbau, die Produktionsverhältnisse, die Wirtschaft ziemlich wichtig in einer Gesellschaft sind. Das meinen vielleicht auch die Pseudolinken bei Tamedia, aber meinen, wollen und können sind halt verschiedene Paar Schuhe.

Die einen erregen sich übers Schmatzen, die NZZ schreibt über die sagenhaften Gewinne bei Big Pharma.

Big Pharma kann nur noch Geld zählen

Für die ist die Pandemie der Jackpot, der feuchte Traum jedes leitenden Managers. Noch nie durften Pharmariesen ihre Produkte haftungsfrei verkaufen. Notfallregelungen und Ausnahmen erlauben das. Denn die Staaten wollten so schnell wie möglich an Impfstoffe kommen. Bitte sehr, sagte Big Pharma, aber da wir das nicht ordentlich austesten können, müssen wir haftungsfrei gestellt werden bei Neben- und Folgewirkungen. Sonst gibt’s keinen Tropfen von dem Zeugs.

Aktuell macht die NZZ auf einen Nebenverdienst aufmerksam, der noch risikoloser Geld in die Kassen spült:

«Mit Tests zum Nachweis von Sars-CoV-2 werden Milliarden verdient. Hersteller wie Roche sprechen von einer «sprunghaft» gestiegenen Nachfrage.»

Während es Mitte letzten Jahres noch so aussah, als ob die Nachfrage nach Tests langsam zurückginge, hat Omikron wieder richtig Schub reingebracht: Der Testkit-Hersteller «Abbott gehört in der Gesundheitsbranche ähnlich wie die Impfstoffhersteller Pfizer, Biontech und Moderna zu den grossen Profiteuren der Pandemie. Auch Roche zählt dazu – nicht nur wegen der Corona-Tests, sondern auch wegen der Medikamente, die das Unternehmen zur Behandlung schwerer Krankheitsfälle anbietet.»

Vorne und hinten.

Alles eine Frage von Angebot und Nachfrage, von Bedarf auch. Besonders an Flughäfen kann man sich mit einem Sars-CoV-2-Test mehrere goldene Nasen verdienen.

Man rechne kurz nach

Ein PCR-Schnelltest kostet am Flughafen Zürich mindestens 300 Franken. Handelsüblich sind in der Schweiz 140 Franken, als Discount gilt schon ein Angebot für 90 Franken mit Auswertung im Ausland.

Dabei herrscht starker Margendruck; ein Schnelltest ist im Grosseinkauf schon für unter 1 Franken erhältlich, ein PCR-Test für 10 oder weniger. Also dürften bei der branchenüblichen Gewinnspanne von mindestens 30 Prozent die Herstellungskosten entsprechend niedriger liegen.

Man rechne.

Ungeheuerliche Extraprofite, teilweise unverschämte Preise für Impfstoff, risikoloses Geldscheffeln, Wertschöpfung bei Tests von Hunderten von Prozent des Herstellungspreises: paradiesische Zustände, finanziert vom Steuerzahler und von Krankenkassen.

Wäre das nicht ein etwas interessanteres Thema als schmatzende Mitreisende im ÖV? Vielleicht schon. Aber eben, das übernimmt dann die NZZ. Und Tamedia schluckt höchstens trocken. Aber in kleinen Schlückchen, bitte.

Die einen gehen rauf, die anderen runter.

 

Es war einmal …

Adventszeit, besinnliche Zeit. Gedenken an früher.

Es ist schon so lange her, dass es fast nicht mehr wahr ist. Als im deutschen Sprachraum Giganten wie Kurt Tucholsky, Joseph Roth, Karl Kraus, Carl von Ossietzky oder Egon Erwin Kisch schrieben.

Von Ossietzky als KZ-Häftling, bevor er zu Tode gequält wurde.

Für Nachgeborene: googeln hilft. Zu diesen Zeiten legten Grössen wie Upton Sinclair oder Lincoln Steffens in den USA neue Massstäbe des literarischen Investigativjournalismus vor.

Sah harmlos aus, war aber brandgefährlich für die Herrschenden: Steffens.

Dem einen oder anderen Redaktor ist vielleicht Truman Capotes «Kaltblütig» bekannt. Weil er’s nicht gelesen hat (oder vielleicht nur die grossartige Verfilmung sah): beeindruckend langweilig geschrieben.

Tom Wolfe war da schon ein anderes Kaliber. «Fegefeuer der Eitelkeiten» oder «Back to Blood» waren herausragende Faction, also eine Mischung aus Fiktion und Fakten.

Alle tot; lebt noch einer? Ja, ein einziger: Gay Talese. Der ist allerdings schon fast 90. Und der Meister der Langzeitreportage. Wobei Langzeit zum Beispiel sechs Jahre bedeuten kann.

Haben alle diese Grössen ein Geheimnis, zumindest etwas Gemeinsames? Aber ja.

Was ist ihr Geheimnis?

Zunächst: sie lebten in Zeiten, in denen Journalismus noch so honoriert wurde, dass man davon leben konnte, sich auch Zeit nehmen. Und hingehen.

Die wichtigste Eigenschaft ist aber: sie haben ihr Thema durchdrungen. Verstanden und verdichtet. Ihre Schriftwerke strahlten immer aus: das ist nur der Kern, drum herum habe ich recherchiert und mich informiert und mich schlau gemacht. Aber das habe ich dann weggeschnitten.

Die zweitwichtigste: sie konnten schreiben. Nicht holpern. Sondern elegant, souverän, stilistisch auf Niveau, mit gelungenen Anspielungen, scharf geschnittenen Metaphern und Beschreibungen, die Atmosphäre, Raum und handelnde Figuren lebendig werden liessen.

Aber heute? In der Schweiz? Wie heisst es so schön: Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.

Tiefflieger Loser

Niemand ist vor ihm sicher. Konkurrenten, Bundesräte, die Justiz. Wo bleibt das Qualitätsmanagement?

Tamedia ist furchtbar stolz darauf, dass angeblich die Qualität der Produkte streng und objektiv und unabhängig kontrolliert werde.

Dass diese «Qualitätssicherungsmassnahmen» vom ehemaligen Tagi-Chefredaktor Res Strehle verantwortet werden, dem wohl schlimmsten Wendehals der Schweizer Publizistik, was soll’s.

Dass der letzte Rapport zufällig dann erschien, als 78 Tamedia-Frauen sich wie wild über unerträgliche Zustände auf den Redaktionen beschwerten – und davon kein Sterbenswörtchen im Bericht stand, was soll’s.

Dass die Corona-Kreische Marc Brupbacher ungeniert Bundesräte und überhaupt alle, die ihm nicht passen, anrempeln kann («völlig übergeschnappt»), was soll’s.

Gnädig gegen sich selbst, hart gegen die Wahrheit.

Aber dann haben wir noch Philipp Loser. Die Allzweckwaffe des Hauses. Höchstens noch egalisiert von Andreas Tobler, dem Versteher von Mordaufrufen. Allerdings nur, wenn sie sich gegen Roger Köppel richten. Toblers neuer Schwerpunkt ist Frauenverstehen.  Beide sind immer gerne bereit, Konzernjournalismus zu betreiben. Tobler kläfft gegen Jonas Projer, wenn der Chefredaktor der NZZaS wird («widerspricht auch dem Qualitätsanspruch der «NZZ am Sonntag» – und der linksliberalen Positionierung des Blattes».)

Wohlgemerkt lange, bevor Projer sein Amt antrat. Da will auch Loser nicht hintanstehen. Der drosch schon so unfair und ungehemmt auf den Konkurrenten Hanspeter Lebrument ein («Über dem «Alten vom Berg» sollen «Geier kreisen», aus dem «Palast Lebrument» sei ein «MausoLöum» geworden»), dass das selbst die tiefliegende Latte der «unter jeder Sau»-Qualität bei Tamedia riss. Der Artikel wurde aus dem Archiv gespült, Loser musste zum «Alten vom Berg» kriechen und sich entschuldigen.

Wieso allerdings all den vielen Qualitätskontrolleuren vor Publikation nicht auffiel, was für ein Schmierenstück das war – und dass der Angerempelte nicht mal Gelegenheit erhalten hatte, Stellung zu nehmen –, nun Qualitätskontrolle ist nicht so einfach.

Nun ist die Schweizer Klassenjustiz fällig

Bei anderen schon, denn nun nimmt sich Loser die Justiz vor. «Gnädig gegen rechts, hart gegen links», behauptet er in seiner Kolumne, als wäre in der Schweiz die alte Klassenjustiz wiederauferstanden. Dass das in der Weimarer Republik kritisiert wurde, zum Beispiel von Carl von Ossjetzky, Kurt Tucholsky und Ernst Ottwalt, dazu würde Loser wohl sagen: Was ist denn die Weimarer Republik? Und wer waren denn die?

Er lamentiert über die Verfolgung von Sibel Arslan. Denn sie vereine «drei Feindbilder rechter Politik. Sie ist eine junge, unabhängige Frau. Sie hat einen Migrationshintergrund. Sie ist links».

Jung, unabhängig, links mit Migrationshintergrund.

Das mag so sein, aber was hat das mit «seltsamen Ermittlungen gegen eine Nationalrätin» zu tun? Alles das Gleiche, behauptet Loser. Das zeige sich «in den Kommentarspalten der Online-Medien», ebenso bei «unangebrachten Sprüchen von rechten Ratskollegen» und eben, in einer Untersuchung der Basler Staatsanwaltschaft. Denn die erdreistete sich, dem Parlament den Antrag auf Aufhebung der Immunität als Nationalrätin zu stellen. Ein nötiger Schritt, um allenfalls Einvernahmen durchführen zu können.

Denn es bestand der Anfangsverdacht, dass sie an einer unbewilligten Demonstration teilgenommen habe, behauptet Loser. Allerdings nicht als «Freiheitstrychlerin». Wenn bei solchen Demonstrationen nur schon «Ueli, Ueli» gerufen wird, bekommt Bundesrat Ueli Maurer gleich eine rein, dieser Zeusler, Zündler und Gefährder des Friedens im Lande.

Der Antrag gegen Arslan wurde abgelehnt, also könnte die Karawane weiterziehen. Zurück bleibt aber Beller Loser. Hart gegen links, blind gegen rechts, als Beleg kann Loser die Meinung eines Christian von Wartburg anführen: «Es darf keinen Moment auch nur den Anschein machen, dass eine so mächtige Behörde wie die Staatsanwaltschaft nicht streng nach Strafprozessordnung vorgeht.»

Ein Jurist und SP-Grossrat auf Stammtischniveau

Von Wartburg ist Grossrat für die Basler SP und «Präsident der parlamentarischen Oberaufsicht» in Basel. Nun ist er auch Jurist und sollte daher wissen, dass Anschuldigungen gegenüber Strafverfolgungsbehörden mit grosser Vorsicht und noch grösseren Belegen vorgebracht werden sollten.

Sonst herrscht Stammtischniveau. Die einen regen sich über angeblich zu hartes Vorgehen gegen Arslan auf. Die anderen beklagen, dass den illegalen Besetzern des Bundeshausplatzes nichts passierte, dass sogar Blockierer vor einem Eingang der CS dank edler Motive Freisprüche geschenkt werden.

Für Loser «bleibt allerdings ein banges Gefühl zurück nach einem Fall wie jenem in Basel». Er stellt sich und seinen Lesern die bange Frage: «Durchaus möglich, dass auch andere Strafverfolgungsbehörden der Schweiz politisierte Entscheidungen treffen. Ob es dort auch jemand bemerkt?»

Ob Loser etwas bemerkt? Arslan wurde nicht wegen Teilnahme an einer Demonstration strafrechtlich verfolgt, sondern wegen des Verdachts der Behinderung einer Amtshandlung. Ist etwas anderes. Loser führt kein einziges Beispiel für Kuscheljustiz gegen Rechte an. Kann er auch schlecht, denn bei Demonstrationen der Massnahmenkritiker kommt es regelmässig zu Verhaftungen und Anzeigen.

Was tut Loser also da? Er senkt das gesenkte Niveau von Tamedia noch weiter ab. Ohne dass eine Qualitätskontrolle eingreifen würde. Aber wer nach seinem Blattschuss aus dem Hinterhalt gegen einen missliebigen Konkurrenten offensichtlich weiter unkontrolliert eine Kolumne bestreiten darf, ist der lebende Beweis dafür, dass es gar nichts zu kontrollieren gibt. Mangels Qualität.

«Gnädig gegen rechts»? Leere Behauptung ohne ein einziges Beispiel. «Hart gegen links»? Soll denn die Staatsanwaltschaft nicht mehr einem Anfangsverdacht nachgehen, auch gegen eine Nationalrätin? Dummes Gequatsche ohne Sachverstand. Wird sicherlich im nächsten Qualitätsbericht als herausragendes Beispiel für eine Meinungskolumne gelobt werden.

Es darf gelacht werden: Resteverwertungen

Ob’s eine Milliarde verbessert? Unsere zwei Qualitätskonzerne als Abfalleimer.

Wie es inzwischen auch Tamedia aufgefallen ist: Die Ära Merkel geht in Deutschland zu Ende. Echt jetzt. Dazu interessiert den Schweizer Leser der gesammelten Kopfblätter sicher eine Bilanz, eine Würdigung. Vielleicht auch aus Schweizer Sicht.

Wieso denn, es gibt doch Linda Tutmann. Linda wer? Also bitte, die Dame ist Redaktorin bei «Zeit»-Online und wird dort als Allzweckwaffe eingesetzt. Das Schicksal in Afghanistan steckengebliebener und verratener Hilfskräfte, Ganztagesbetreuung in Deutschland, Schule und Corona, virtuelles Verlieben, kein Thema ist vor ihr sicher.

Da reicht es doch auch noch für «Wie die Kanzlerin mir als Linke ans Herz wuchs». Für so einen Quatsch wäre sich «Die Zeit» zu schade, aber da haben wir doch unsere helvetischen Resteverwerter wie Tamedia.

Qualität mit copy/paste und Bauchnabelschau

Ausland: wird weitgehend von der «Süddeutschen» angeliefert. Wie auch Kultur, Gesellschaft, so ziemlich alles. Nun also auch noch eine deutsche Linke über ihr Verhältnis zu Angela Merkel. Das ist von rasender Brisanz, von atemberaubender Aktualität, eine Pflichtlektüre für jeden aufgeschlossenen Schweizer Leser, wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist den «Freiheitstrychlern» zu lauschen.

Welchen Gewinn kann man aus den 17’000 A ziehen?

«Wenn man so will, ist Angela Merkel die Savanne unter den Politikern und Politikerinnen.»

Ehrlich gesagt begann ZACKBUM hier, nur noch quer zu lesen. Bei Karl May lassen wir uns sogar «Durch die Wüste» gefallen, aber ein solches schräges Bild, hergeleitet vom Schnarch-Modebegriff «Resilienz»? Nein, danke.

Apropos, der Head Global Media, die Repräsentanz von «Equal Voice» bei Ringier, Ladina Heimgartner, baut ihre ganze Karriere auf dieses Wort. So oft verwendete sie es bei einer Podiumsdiskussion des Clubs der Zürcher Wirtschaftsjournalisten. Die Zukunft der Medien? «Resilienz». Die Strategie? «Resilient werden.» Überlebenschancen eines Printprodukts? «Hängt davon ab, wie resilient es wird.»

Im Gegensatz zu Tamedia will aber Ringier auch nicht unbedingt als Konzern gelten, der nur teuer zu bezahlende Qualität, überragende Eigenleistungen herstellt. Wobei die Frage schon gestellt werden darf, wieso man für Nonsens über Schamlippen, per copy/paste übernommene Artikel aus der SZ und der Restenverwertung allgemein mehr als 700 Franken im Jahr bezahlen soll. Plus eine Zusatzmilliarde an Steuergeldern für notleidende Medienclans.

Was treibt der andere Teil des Tageszeitungsduopols?

Aber schauen wir, was der andere Teil des Tageszeitungsduopols so macht, also CH Media. Dort zeigt Daniel Zulauf Wirtschaftskompetenz. In seinem Kommentarfoto sieht er allerdings, mit Verlaub, mehr so aus, als hätte er gerade in eine Steckdose gefasst. Aber das muss ja keine schädlichen Auswirken auf die Hirnzellen haben.

Redaktor mit Notfrisur: Daniel Zulauf.

Er will die Leser über «Die Not mit der Politik des Geldes» aufklären. Nein, er fängt ganz grundsätzlich an; Staatskunde für Anfänger:

«Bei uns bedeutet Politik Staatsführung zum Nutzen aller.»

Da bohrt endlich mal einer ganz dicke Bretter. Aber es geht ihm gar nicht so um Politik zum Nutzen aller, sondern um «die Politik des Geldes». Also Geldpolitik, nur hört sich eine Genitiv-Konstruktion viel gelehrter an als ein Kompositum.

Zulauf klärt dann  alle CH Media-Leser auf, dass Geld ja keine Zinsen mehr abwirft, daher die Notenbank kaum etwas tun kann, um das «Kreditangebot im überhitzten Hypothekenmarkt so rasch als möglich weiter zu verknappen».

Am Leitzins könne Nationalbank-Chef Thomas Jordan «kein Jota» ändern, das würde eine massive Aufwertung des Franken bewirken. Eine Erkenntnis, die nicht nur einen Dreitagebart wie Zulauf hat. Dann gäbe es aber noch den «antizyklischen Kapitalpuffer». Also der Zwang für Banken, bei Kreditvergabe mehr Eigenkapital dafür vorzuhalten.

Auch diese Erkenntnis ist so neu wie die Zeitung von vorgestern. Abgesehen davon, dass bei weiter brummender Konjunktur und Nullzinsen der Hypothekenmarkt weit entfernt von Überhitzung ist: ein Kommentar, dessen Erkenntniswert für den Leser ungefähr dem Studium einer Keilschrift entspricht.

Immerhin eigene Auslandberichterstattung, wobei …

Nun muss man der Gerichtkeit halber erwähnen, dass CH Media die Berichterstattung über den deutschen Wahlkampf von Fabian Hock bestreiten lässt. Nein, der arbeitet nicht für ein deutsches Organ, sondern ist Co-Leiter Ausland und durfte tatsächlich an einen Auftritt von Armin Laschet nach Villingen-Schwenningen reisen. Allerdings: Damit muss dann die einzige Seite «Ausland» gefüllt werden.

Denn der Begriff Co-Leiter ist ein wenig irreführend. Das gesamte Ausland-Ressort des zweiten Qualitätsmedienverbunds besteht aus haargenau zwei Nasen. Und wenn eine auf Reisen ist, muss die andere schlichtweg die ganze Welt im Blick behalten. Das traut sich nicht jeder zu.

Anderes Niveau bei der NZZ

Ganz anders aufgestellt, muss auch gelobt werden, ist die NZZ. Am gleichen Freitag gönnt sie dem Leser ganze vier Seiten «International», darunter eine Seite verdienstvolle Berichterstattung über die Befürchtungen der Journalisten in Afghanistan. Die haben entschieden andere Probleme, als sich über die Verwendung des Begriffs Schamlippen aufzuregen.

Wie man mit einer Karikatur den Abschied Merkels viel besser darstellen kann, als eine minderbegabte Autoren mit vielen Buchstaben, zeigt die NZZ nebenbei auch:

Politisch nicht ganz korrekt, aber lustig.

Geld beherrscht die Welt

UKW-Stationen ruiniert, Tamedia saniert (im Bild das Endziel der Sparmassnahmen). So liegen Leid und Lust nahe beieinander.

Jürg Bachmann ist der Präsident des Verbandes der Schweizer Privatradios. Wäre Bachmann eine Radiostation, würde er auf der Langwelle senden. Denn schnell ist nicht so seine Sache.

Bachmann macht eine unglückliche Figur im Streit um die Verhinderung der Abschaltung der UKW-Ausstrahlung der Schweizer Privatradios. Geht nicht, blöde Idee, muss man gar nicht erst ignorieren, meinte er sinngemäss, als der Radiopionier Roger Schawinski seinen Feldzug gegen diese Abschaltung startete.

Sekundiert vom Radio-Amateur Wanner Junior meinte Bachmann dann, dass man Schawinskis Attacke schon ernst nehmen müsse, aber der habe keine Chance, es werde wie geplant abgeschaltet.

Seit dem gegenteiligen Entscheid hat er auch diese Position geräumt, obwohl er immer wieder drohend wiederholte, dass die Verlängerung der UKW-Übertragung unglaubliche Kosten verursachen würde.

Das wollte ZACKBUM genauer wissen:

«Der Verband Schweizer Privatradios wird mit der Aussage zitiert, dass die Verschiebung der Abschaltung der UKW-Frequenzen auf Ende 2014 zusätzliche Kosten in «mehrstelliger Millionenhöhe» verursachen würde.

Dazu haben wir drei Fragen:

  1. Mehrstellig bedeutet mehr als zweistellig. Es ist also mit Kosten von mindestens 100 Millionen Franken zu rechnen?
  2. Ob mehrstellig oder zweistellig, wodurch entstehen diese gigantischen Kosten?
  3. Ausser Roger Schawinskis «Radio 1» hat noch kein privater Radio-Betreiber die Kosten ausgewiesen, die eine Weiterführung des UKW-Angebots verursachen. Gibt es da inzwischen mehr Informationen?»

Aber da hatte Bachmann plötzlich überhaupt kein Sendungsbewusstsein mehr: Pausenzeichen, statisches Rauschen, Schweigen. Daher wissen wir leider weiterhin nicht, ob es dermassen schweineteuer ist, auf UKW zu senden. Wir wissen aber auch nicht, ob der Verband den richtigen Präsidenten hat. Wenn der für seine Tätigkeit einen mehrstelligen Betrag bekommt, ist das definitiv zu viel.

Senden kostet, schreiben macht Gewinn 

Bei so viel Zahlenelend sind wir aber froh, dass es dem Big T wieder gutgeht. Also Tamedia, also der TX Group. Offenbar sind die Kosten der ständigen Namensänderungen verdaut.

Nur die Drehtüre bleibt …

Der Ankauf einer neuen Coninx-Yacht kann nun endlich in die konkrete Phase gehen. Es Bitzeli Reingewinn von über 20 Millionen Franken, da hat sich doch das Sparen gelohnt. Selbst Tamedia, also das News-Geschäft, konnte wieder Geld ins Kässeli schaufeln, allerdings nur, wenn man die Abschreibungen nicht berücksichtigt.

Da hat das anhaltende grosse Rausschmeissen zumindest im Portemonnaie der Aktionäre wohltuend gewirkt. Wenn nur nicht der Konsument weiterhin davonlaufen würde. Der ist ja auch ein ganz undankbares Wesen. Versteht nicht, wieso er für den Dünnpfiff von skelettierten Redaktionen auf fast durchsichtig-dünnen Tagesausgaben immer noch gleichviel zahlen soll wie zu Zeiten, als noch genügend eigene Redaktoren mit Sachkenntnis vorhanden waren.

Zwischen mehr und leer geht’s dahin.

Damals konnte man ja noch Gründe dafür anführen, wieso 700 Franken im Jahr gut investiertes Geld ist. Aber heute? Sich der eigenen Nabelschau, eigenen Problemen, eigenen Steckenpferden widmende Redaktoren, plus das Bürgerbräu aus München, das sich in alle Gefässe ergiesst, ist das noch einen tiefen Griff ins Portemonnaie wert?

Aber bleiben wir bei den guten Nachrichten. Schon ein Viertel des Sparziels von 70 Millionen sei im ersten Semester bei Tamedia erreicht worden. Also fehlen bloss noch Dreiviertel, das wird sicherlich weiterhin ohne die geringste Qualitätseinbusse möglich sein.

Links die Nachahmung, rechts das Original, die New York Times.

Im Gegenteil, da ja neuerdings auch beim Seitenumbruch keine Bäume mehr ausgerissen werden, erhöht sich der Wiedererkennungswert ungemein. Ist schliesslich auch wie beim Münchner Bierbrauen. Gefässe abfüllen nennt man das.

Nur werden in München Flaschen abgefüllt, in Zürich füllen Flaschen ab.