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Hilfe, mein Papagei onaniert

Niveau: liefergelegt. Denkapparat: ausgeschaltet. Banalyse statt Analyse.

«Mörderischer Diktator. Kriegsverbrecher. Wahnsinniger. Potentat. Diktator. Cäsaren-Wahn. Kreml-Herrscher. Machthaber. Kriegsverbrecher. Wahnwelt. Kriegshetzer. Amok. Irrer. Verrückter. Verbrecher. Stalin. Alleinherrscher. Vor Machthunger irr. Super-Macho. Rasend vor Wut.»

Blütenlese eines Tages.

Der US-Politologe Francis Fukuyama hat ein Thesenpapier mit 12 Punkten zum Überfall auf die Ukraine veröffentlicht. Er behauptet eine Niederlage der russischen Truppen und den Machtverlust für Putin sowie die Wiedergeburt der Freiheit.

Deshalb werden diese Thesen weitherum positiv gewürdigt. Dazu muss man wissen, dass sich Fukuyama 1992 unsterblich lächerlich machte, als der das «Ende der Geschichte» verkündete. Damit meinte er, dass nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers und der Auflösung der UdSSR nun ein nicht mehr weiterzuentwickelnder weltweiter Zustand einer liberalen kapitalistischen Gesellschaftsordnung ausgebrochen sei.

Die Sammlung der abwertenden Qualifikationen eines Tages und der begeisterte Zuspruch zu den Thesen eines krachenden Versagers widerspiegeln aufs schechteste den Zustand der modernen Massenmedien.

Wenn wir noch ergänzen, dass die Westentaschenphilosophin Barbara Bleisch im Hause Tamedia über Banalitäten dilettieren darf, die sie unter den umwerfend originellen Titel stellt «Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg», dann wird es schwer vorstellbar, wie das publizistische Niveau weiter gesenkt werden könnte.

Aber: Es wird möglich sein. Garantiert.

Der doppelte Gysling

Als ob einer nicht schon ausreichend wäre …

Nach anfänglichem, aber nur kurzem Schweigen ist Erich Gysling wieder voll in Fahrt. Er hat seine kurz verloren gegangene Pole Position als der Experte für alles zurückerobert. Es gibt ja den Fachexperten, der im grossen Erdenrund nur so seine kleine Expertise hat. USA, vielleicht Afrika, China, Asien, Lateinamerika.

Aber darüber thront Gysling. Er ist Spezialist und Generalist. Man könnte ihn mitten in der Nacht aufwecken; sobald er sein Foulard geknotet hat, würde er aus dem Stand über Transnistrien, die Andamanen, Cabo Verde oder Belize Grundsätzliches und Aktuelles zu bedenken geben.

Das ist zurzeit weniger gefragt, natürlich ist Gysling mit Russland und der Ukraine voll ausgelastet.

Also wäre das nicht genug Expertise, gibt es auch noch Peter Gysling. Ebenfalls ein ausgewiesener Fachmann, tatsächlich spezialisiert auf Russland, den Kaukasus, den Osten. Beide Gyslings sind in E. Gyslings «Backgroundtours» vereint. Dieses Reisebüro für Mehrbessere (knackige Preise, dafür persönliche Betreuung durch Gysling) vertreibt Erich G. die Langeweile, während Peter G. dort als Reiseführer seine Pension versüsst.

Das alles ist wunderbar, es gibt allerdings nur ein kleines Namensproblem. Denn wenn es zwei Gyslings gibt, ist es leicht möglich, dass der verwirrte Beschallte plötzlich nicht mehr weiss, welcher Gysling denn was gesagt hat.

Diesem Problem entgehen die beiden Gyslings allerdings weitgehend, indem sie durchaus Typenähnliches, manchmal auch Deckungsgleiches sagen. Allerdings ist es im Rahmen eines Alleinstellungsmerkmals schon blöd, wenn es gleich noch einen zweiten Spezialisten zum gleichen Thema mit dem gleichen Nachnamen gibt.

Man könnte sie höchstens noch durch das Haupthaar unterscheiden. Erich mit Glatze, Peter mit vollem Haupthaar. Das ist übrigens eine verblüffende Parallele zu einem Grundgesetz, was die Abfolge russischer Herrscher seit der Oktoberrevolution 1917 betrifft. Es war immer ein Wechsel.

Lenin mit Glatze, Stalin ohne. Chruschtschow mit, Breschnew ohne. Andropov mit, Tschernenko ohne. Gorbatschow mit, Jelzin ohne. Putin, nun ja, mit und ohne. Gysling nun auch mit und ohne.

Potz Teufel

Verschiedene Religionen sind sich einig: es gibt einen Teufel. Oder sogar viele.

Dem schliessen sich inzwischen immer mehr Journalisten an. Denn der ewige Zwang zur Steigerung verlangt immer massivere Beschimpfungen.

«Grössenwahnsinnig», einfach «wahnsinnig», schlicht «verrückt», also alle Zweifel am geistigen Wohlbefinden des russischen Präsidenten, das war gestern. Schliesslich hat schon ein Haufen angesehener Psychologen aus vielen Ländern Waldimir Putin auf die schädlichen Auswirkungen einer Kriegsführung auf die Psyche aufmerksam gemacht.

Sie hatten auch gleich einen klare Therapievorschlag zur Hand: sofort mit der Invasion aufhören, dann werde es Putin psychisch schlagartig bessergehen. Aber eben, verbohrt wie der ist, hat er (bislang) noch nicht auf diesen fachmännischen Ratschlag gehört.

Aber Psychopathologie als Beschreibung der Motive seines Handelns, das haben wir hinter uns. Als nächster Schritt muss unbedingt der Gottseibeiuns auftreten. Der Teufel. Satan, Ahriman, Mara, Iblis, seiner Namen sind viele. Auch seiner Erscheinungsformen, wie man weiss. Manchmal ist’s nur einer, manchmal sind’s ganze Scharen von Teufeln. Aber immer sind sie teuflisch, böse, verneinend, schädlich.

Zerrspiegel der Entmenschlichung.

Teufel tun Teuflisches

Schlimmer noch: sie wollen gute Menschen verführen, ihre ewige Seele behändigen. Gleichzeitig erfüllt der Teufel aber auch seine Aufgabe im himmlischen und göttlichen Plan. Er befeuert bekanntlich die Hölle, in die alle vom lieben Gott geschickt werden, die es sich verscherzt haben, ins Paradies aufzusteigen.

Entweder nur für eine beschränkte Zeit, bis das Fegefeuer ihre Sünden weggebrannt hat, oder gar für die Ewigkeit, wenn die Sünden halt zu schlimm waren. Nun sind wir im aufgeklärten Westen offenbar immer noch der Auffassung, dass es einen Teufel gibt. Sein Gegenpart aber, also der liebe, strafende, zürnende, allmächtige Gott ist etwas im Himmel verschwunden. Dafür haben wir nun eher den irdischen Helden.

Genau, wer das ist, ist ja klar. Aber natürlich ist das Böse viel faszinierender:

Denn der Teufel hat immer teuflische Pläne. Die enthüllt nun aber Andreas Kunz von der «SonntagsZeitung». Also nicht selbst, das ist etwas oberhalb seiner Gehaltsklasse. Aber er hat, Gott sei gepriesen, ein Buch gelesen. Damit ist er nicht der Einzige, denn Catherine Belton hat mit «Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste» einen Beststeller gelandet.

Der ist zwar schon 2020 erschienen und wurde damals in der angelsächsischen Presse breit rezensiert. Aber he, «Redaktionsleiter» haben auch noch anderes zu tun, also kann die Lektüre schon etwas dauern. Und auf Deutsch, denn wer kann schon Englisch, ist’s erst im Februar dieses Jahres erschienen. Also doch Grund genug, seine Erkenntnisse dem Leser der SoZ als brandneu zu verkaufen.

Also erzählt Kunz brav den Inhalt nach, verzichtet gottesfürchtig auf jeden eigene Recherche oder jeden eigenen Gedanken. Worin besteht denn nun der teuflische Plan des Gottseibeiuns im Kreml? «Bevor er die russischen Unternehmen und Geschäftsleute in den Westen expandieren liess, übernahmen er und seine KGB-Kumpels die totale Kontrolle über sie.» Ausgekocht, dieser Putin, wirklich wahr.

Blöd auch, dass das nie in gestohlenen Papieren auftauchte

Wie man weiss machte vor allem London die Beine breit und liess diese Oligarchen nach Lust und Laune gewähren. Aber natürlich geht so ein Schurkenstück nie ohne Schweizer Beteiligung: «Die Autorin nennt Beispiele der Bank Vontobel und der Credit Suisse, die bei Putins KGB-Kapitalismus mitspielten; der Kanton Zug, der den korrupten Firmen einen optimalen Standort bot; die Stadt Genf, die den Russen seit dem Kalten Krieg als Umschlagplatz für ihre obskuren Geschäfte dient.»

Blöd auch, dass all diese Beispiele nie wirklich in den vielen geklauten Geschäftsunterlagen auftauchten, in dieser Hehlerware, aus der die SoZ Leaks, Papers und Secrets machte. Aber schön, dass Kunz eine eher anspruchslose Zusammenschreibung eines Buchinhalts liefert und das als brandneu verkauft, was jeder des Englischen Mächtige schon 2020 gelesen hatte.

 

 

Heil Putin

Dem Mann kann und muss geholfen werden.

Einer der besten Scherze über den Hitler-Faschismus geht so. Der Nazi-Pimpf kommt nach Hause, schlägt die Hacken zusammen, hebt den Arm zum Hitlergruss und ruft seinem Vater zu: «Heil Hitler!» Der Psychiater zieht an seiner Pfeife und sagt: «Das stellst du dir so einfach vor, mein Sohn.»

In diesem Sinne meldet das Fachorgan für Fragen der Psychiatrie und Psychologie: «Psychologen versuchen, Putin mit Brief zu stoppen».

Nach der Devise: Das Wort ist stärker als das Schwert. «Psychologen aus rund 20 Ländern wollen mit einem Offenen Brief den russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) zum Umdenken bewegen.» Wie das?

Kreml-Herrscher, aufgemerkt: «Mit dem Brief wollen sie Putin über «negative Effekte» seiner Politik in Kenntnis setzen, wie sie schreiben. Mit Verweis auf wissenschaftliche Fachliteratur erklären sie, welche Prozesse der Krieg gegen die Ukraine im Einzelnen in Gang setzt. Letztendlich führe all das «zur Ablehnung, Isolation und physischer Bedrohung» der als verantwortlich geltenden politischen Führungspersonen.»

Natürlich haben die Koryphäen auch gleich einen Ratschlag zur Hand, wie Putin aus dieser unangenehmen Situation herauskommen könnte: ««Aus unserer psychologischen Perspektive ist die wichtigste Empfehlung, unverzüglich mit Kriegshandlungen aufzuhören», raten die Wissenschaftler Putin.»

Der Blick verrät: hier liest Putin den Brief …

Wir erwarten nun stündlich die Meldung aus dem Kreml, dass Präsident Putin einen Weinkrampf bekam. Er soll dann in alter Tradition in den Teppich gebissen, sich Jackett, Krawatte und Hemd vom Leib gerissen haben. So entblösst wird er in die Live-Kamera sprechen:

«Ich habe das Licht gesehen, Ich war verblendet, dumm, isoliert, fühlte mich psychisch bedroht. Aber jetzt weiss ich: es gibt Abhilfe. Ich konnte endlich mal wieder herzlich und laut lachen. Denn jetzt kenne ich Psychologen aus 20 Ländern, die alle sich selbst mal behandeln sollten. Ernsthaft, Leute, ihr habt doch ein paar Schrauben locker, seid nicht ganz Hugo, habt komisches Zeugs geraucht, solltet eure Medikamente wieder nehmen. Aber es gibt nichts, was in einem russischen Arbeitslager nicht geheilt werden könnte.»

 

 

 

Wumms: Marko Kovic

Der Mann weiss, wie man mit minderen Gaben wuchern kann.

Marko Kovic kommt eigentlich aus dem Nichts und seine wissenschaftliche Qualifikation ist mehr als mager. Aber er bedient die linken Narrative im Schlaf, und so hat er sich heraufgearbeitet zum Spezialisten für Verschwörungstheorien. Rechte Verschwörungstheorien, wohlgemerkt.

ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit seinen haltlosen Behauptungen befassen. Kovic ist bekanntlich der Entdecker des «Intellectual Dark Web» auf Deutsch, das sich bis zur NZZ erstrecke. Dieser kleine Verschwörungstheorie-Schlingel.

Er musste schon mal eingestehen, dass er bei einer von ihm gross heraustrompeteten angeblich soziologischen Untersuchung nicht mal das Standardwerk zum Thema gelesen hatte, geschweige denn kannte.

Aber das alles macht ja nichts, wenn man immer zur Stelle ist, wenn es darum geht, aus angeblich wissenschaftlicher Warte den Fachmann zu spielen. Seine neuste Luftblase: ehemalige Corona-Verschwörungstheoretiker haben umgesattelt und sind nun Putin-Verschwörungstheoretiker. Also sie bezweifeln grundsätzlich, was in westlichen Medien über Putin und Russland veröffentlicht wird.

«Stammt aus der Propagandafeder des Kreml», wer das wiedergibt, mache sich zu «nützlichen Idiot:innen»,

schreibt er nicht ganz sattelfest im Deutschen in der WoZ. Von Markus Somm über Roger Köppel glaube man moskaugesteuerten Einflüsterungen, furchtbar.

Das bringt ihm flugs ein Interview mit SRF4 News ein, wo der «Sozialwissenschaftler und Journalist» den gleichen Stuss einem Stichwortgeber erzählen darf. Denn er habe ja «in der linken WoZ die Zusammenhänge aufgedeckt». Welche denn?

«Wir wissen aus der Forschung zur russischen Desinformation der letzten 10, 15 Jahre, dass die Regierung Putins über diverse Desinformationskanäle, über Sender wie Russia Today oder Sputnik, aber auch über ihre Social-Media-Präsenz gezielt die Erzählung streut, im Westen seien die Medien korrupt, sie seien unterwandert.»

Unglaublich, diese Russen. Dabei sind die westlichen Medien doch frei, geben allen Standpunkten Raum, entlassen niemals Mitarbeiter wegen deren Meinung, und korrupt, also bitte, für die grossen Medienclans in der Schweiz spielt Geld keine Rolle, das weiss man doch. Gut, sie wollten einen Extrazustupf von einer Milliarde Steuergeld, aber das hätte sie überhaupt nicht korrumpiert.

Das Elend mit so Figuren wie Kovic ist, dass er dem Renommee der Soziologie genauso schadet wie die Journalisten dem Ruf der Medien, die ihn interviewen und nicht einmal eine einzige kritische Frage wagen.

Die naheliegende wäre: Macht man es sich nicht zu einfach, wenn man – wie bei Corona – jeden Kritiker unter den Generalverdacht stellt, er sei ein Verschwörungstheoretiker und/oder ein nützlicher Idiot? Wichtig wäre doch: wie unterscheidet man Leute mit Scheuklappen wie Kovic von ernstzunehmenden Kritikern?

Das ist zwar kein Beleg für angebliche Verschwörungstheorien von angeblich von Corona zu Putin abgewanderten Aluhutträgern. Es ist aber ein Beleg für den jämmerlichen, lausigen, unprofessionellen Zustand der Medien im Westen.

 

NebelGlücksSpalterPost

Nebelspalter.ch legt das Niveau tiefer. Sehr tief. Würde die GlüPo nie machen.

Im Fachjargon heisst das Rehash. Aus Verzweiflung wird ein Artikel publiziert, der nur aus einem durch den Häcksler gezogenen Inhalt besteht, der aus anderen Newsquellen zusammengestöpselt wurde.

«Putin versteckt seine Geliebte in der Schweiz» ist so ein Rehash, dazu noch ein toxisch-unbekömmlicher. Dominik Feusi, nur echt mit Fliege und Weinflasche auf dem Tisch, zeigt sich als Meister der Archivrecherche.

«Page Six», nau.ch, NZZ, «La Stampa», «Blick», seriöse und weniger seriöse Newsquellen nimmt Feusi zu Hilfe, um das angebliche «Versteck» einer Geliebten Putins in der Schweiz zu enthüllen. Im Tessin lebe die, samt «zwei Zwillingstöchtern und zwei Söhnen», die der Kreml-Herrscher mit ihr haben soll. Der Leser ist allerdings etwas verunsichert, ob das dann insgesamt sechs Bälger sind.

Auch sonst scheint Feusi über die Produktionszeiten von Nachwuchs nicht ganz auf dem Laufenden zu sein:

«2019 soll Kabaeva in Moskau zwei Söhne von Putin auf die Welt gebracht haben.»

Das wäre im Fall von Zwillingen, oder «zwei Zwillingen», wie das Feusi nennen würde, allenfalls möglich. Sonst eher nicht.

Eines der Kinder soll in einer namentlich genannten «Prominentenklinik Santa Anna» im Tessin geboren worden sein, alle kleinen Putins und auch Mama hätten zudem den Schweizer Pass. Die heisst zwar Sant’Anna, bietet ihre Dienstleistungen tatsächlich auch auf Russisch an. Fürchterlich luxuriös für Prominente wirkt sie allerdings nicht.

Wurde hier ein kleiner Putin geboren?

Allerdings verwirrt auch diese Geburtsangabe. Einmal Zwillinge, zwei Söhne in Moskau, macht vier. Dann aber noch eine Geburt im Tessin, kein Zwilling, das wären dann 5 Kinder. Oder 6. Oder 4. Oder wie auch immer, darunter zwei Frühgeburten in einem Jahr.

Peinlich, widersprüchlich, denunziatorisch

Die Mutter sei im Übrigen Olympiasiegerin und 19-fache Weltmeisterin, sei am Anfang dieses Jahrtausends wegen Doping gesperrt gewesen, stamme aus Usbekistan und sei zum Christentum konvertiert, was darauf hinzuweisen scheint, dass sie vorher einer anderen Glaubensrichtung angehörte. Man darf raten, welche das wohl war.

Es ist also ein zusammengenagelter, unsauber abgeschriebener, peinliche Widersprüche enthaltender Artikel. Rein fachlich betrachtet untere Schublade. Aber hinzu kommt, dass der Artikel toxisch ist.

Dass mit Putin ein Verbrecher im Kreml sitzt, bedarf keiner weiteren Diskussion. Auch ein Versager, der die Kosten einer Invasion der Ukraine völlig falsch eingeschätzt hat. Aber ist das Grund genug, voyeuristisch eine mögliche Geliebte mitsamt gemeinsamen Kindern in Wort und Bild vorzuführen? Nicht etwa aufgrund eigener Recherchen, sondern einfach als Zusammenschrieb aus vielen teilweise Jahre zurückliegenden Artikeln.

Name, Wohnkanton, Anzahl Kinder, inklusive Geburtsdatum und -ort, was soll das? Den Volkszorn auf diese Menschen lenken? Die Einleitung weist darauf hin:

«Während in der Ukraine Bomben und Raketen auf Wohnquartiere niederregnen, ist Putins Familie offenbar im Tessin in Sicherheit.»

Die «GlücksPost», sonst eher für People-Storys zuständig, würde so etwas nicht machen. Denn welcher Art auch die Beziehung sein mag, Sippenhaft sollte eigentlich seit zurückliegenden dunklen Zeiten abgeschafft sein. Sie wird heute noch ausschliesslich von Unrechtsstaaten und Diktaturen angewendet. In der Schweiz hat sie nichts zu suchen.

Der «Nebelspalter» sollte sich eins schämen, was er sicher nicht tun wird.

Wumms: Aleksandra Hiltmann

Präsident Putin ist ja wie die Tamedia-Machos!

Das hat eine Konzernleitung davon, wenn sie präventiv einknickt und sich in den Staub wirft. Genau ein Jahr ist’s her, dass 78 erregte Tamedia-Mitarbeiterinnen sich über unerträgliche, sexistische, demotivierende Arbeitsbedingungen auf den Redaktionen beschwerten.

Salome Müller hat dann ihren kurzfristigen Ruhm für einen unheimlich schwachen Abgang genutzt, die zweite Rädelsführerin Aleksandra Hiltmann ist immer noch diesen Macho-Schweinen auf der Redaktion ausgeliefert.

Aber sie wehrt sich, leider auf Kosten des Lesers. «Putin stellt die Ukraine als eine Art Frau dar», so die Erkenntnis einer «Genderforscherin», interviewt von der Stichwortgeberin Hiltmann. Denn Putin habe ein «machoides Weltbild», betreibe «maskulinistische Aussenpolitik», schlimmer noch, «er sagte sinngemäss: «Ob du es magst oder nicht, meine Schönheit, du wirst alles ertragen müssen, was ich dir antue.» » Es ist einfach so:

«Von sexualisierter Gewalt sind in einem Krieg nicht nur, aber vor allem Frauen betroffen.»

Wo liegt Rettung? «Der feministische Frieden ist das pure Gegenteil von Aufrüsten.» Was immer das auch sein mag. Vielleicht war die gewalttätige Frauendemo am Samstag in Zürich ein Beispiel dafür. Aber wir stellen konsterniert fest: Zwischen dem Ukrainekrieg und den Zuständen auf den Redaktionen von Tamedia gibt es erschütternde Parallelen. Die Tapferkeit von Hiltmann, das täglich zu ertragen, fordert tiefe Bewunderung ab. Nur übertroffen von der Bewunderung für alle männlichen Tamedia-Mitarbeiter, die diese Frau und ihre Texte erdulden müssen.

 

 

 

 

Putin und ich

Seit dem Angriff auf ein ukrainisches AKW ist’s persönlich. Denn ich möchte nicht radioaktiv verstrahlt werden, nur weil ein Mächtiger Macht ausübt.

Es ist lächerlich, wenn sich ein Schweizer Journalist an den russischen Präsidenten Wladimir Putin wendet. Das wird er nicht zur Kenntnis nehmen, und selbst wenn, das geht ihm sehr schwer an einem bestimmten Körperteil vorbei.

Aber obwohl das für ihn so ist, ist mir mein Leben durchaus wichtig. Nicht nur meins, natürlich, aber doch in erster Linie. Und seit russische Truppen das AKW Saporischja in der Ukraine angegriffen und erobert haben, ist auch mein Leben direkt gefährdet.

Laut einem Video soll das technische Personal der Anlage die Angreifer angefleht haben:

«Hört auf zu schiessen, ihr gefährdet die Sicherheit der ganzen Welt.»

Bei der Eroberung des grössten AKW-Komplexes der Ukraine sollen russische Truppen auch Artillerie eingesetzt haben. Dabei sei ein Schulungszentrum zerstört worden, Artilleriegeschosse hätten zudem ein Reaktorgebäude beschädigt.

Laut Messungen sei aber kein Austritt von Radioaktivität festgestellt worden. Saporischja ist das grösste von insgesamt 5 ukrainischen AKW. Dasjenige von Tschernobyl haben russische Truppen schon erobert. 1986 ereignete sich hier ein katastrophaler Unfall, mehrere Trillionen Becquerel wurden in die Erdatmosphäre freigesetzt. Es ist der bislang grösste bekannte Unfall, der in einem AKW stattfand. Der damalige sowjetische Präsident Gorbatschow schrieb später, diese Katastrophe sei vielleicht noch mehr als seine Öffnungspolitik die wirkliche Ursache für den Zusammenbruch der UdSSR.

Der aktuelle Kremlherrscher hat nichts mit Glasnost am Hut

Welche Ironie der Geschichte, dass ein Denkschemata des kalten Krieges verhafteter russischer Präsident, der nichts, aber gar nichts mit Glasnost und Perestroika am Hut hat, nun riskiert, dass es zu einer weiteren nuklearen Katastrophe kommen könnte.

Kleiner Mann an grossem Schreibtisch mit zu vielen Telefonen.

Denn ein altes AKW mit sowjetischer Technologie ist schon gefährlich genug, auch wenn es nicht beschossen wird. Eine neuerliche radioaktive Verseuchung, die sich über grössere Teile von Europa ausbreiten könnte, wäre eine Menschheitskatastrophe.

Alle nach 1945 Geborenen waren bis vor Kurzem der Illusion verhaftet, dass sie in ganz besonderen Zeiten leben. Nämlich in Europa und im Frieden. Dass wir als erste Generation seit Jahrhunderten in den Frieden hineingeboren wurden und wohl auch in friedlichen Zeiten uns verabschieden werden.

Natürlich war das realitätsfern, dafür musste man die Katastrophe beim Zusammenbruch von Jugoslawien ausklammern. Dabei musste man übersehen, dass damals die NATO ohne UNO-Mandat und somit völkerrechtswidrig militärisch eingriff und nicht nur bei der Bombardierung von Belgrad viele Zivilisten starben.

Natürlich gilt auch, was die deutsche Regisseurin und Schauspielerin Katharina Thalbach sagt: «Wir wollen nur mal eins feststellen: Krieg war in den letzten Jahren ständig auf der Welt. Es ist jetzt nur für uns sehr nah.»

Alles so weit weg …

Aber so ist der Mensch. Irak, Jemen, die gesamte arabische Welt, Somalia, Äthiopien, die afrikanische Landkarte ist überzogen von Herrschaftsgebieten von War Lords. In Asien finden an unzähligen Orten grössere oder kleinere Schlachtereien statt. In weiten Gebieten von Lateinamerika herrscht Rechtlosigkeit, Faustrecht.

Aber das ist alles weit weg. Die Ukraine liegt, wie viele erstaunt feststellen, in Europa. Also haben wir einen europäischen Krieg. Als der schmutzige Vietnamkrieg der USA eine ganze Generation politisierte, war das auch ein ferner Krieg. Die Achsen des Guten und des Bösen, was hatten wir eigentlich damit zu schaffen.

Der Friedensnobelpreisträger Obama, der in der Tradition seines Vorgängers Kill Lists abarbeiten liess, Todeslisten von wirklichen oder vermeintlichen Terroristen und Fundamentalisten, die überall auf der Welt und unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft von US-Kommandos oder Drohnen umgebracht wurden, Kollateralschäden inbegriffen: auch das war weit weg. Der bis heute als Elder Statesman bewunderte Henry Kissinger, der mutmasslich ein Kriegsverbrecher ist, alles weit weg.

Unerträglicher Flachsinn in den Gazetten

Auch die Ukraine, Hand aufs Herz, ist ziemlich weit weg. Was ganz nahe ist, ist Heuchelei und Maulheldentum. Teilnahme der Schweiz an den Olympischen Spielen in Peking? Aber sicher. Ausschluss von russischen Behindertensportlern an den Paralympics in Peking? Aber sicher. Scharfe Zurechtweisungen und Forderungen Richtung Moskau und Bern, gepöbelt vom sicheren Schreibtisch aus im mit russischem Erdgas wohlbeheizten Büro? Aber sicher.

Differenzierung, Hintergründe, Erklärungen, praktische Hilfe? Sicher nicht von diesen Schreibtätern und Schreikräften. Das alles erfüllt einen mit tiefem Elend. In Russland ist nach den neusten Gesetzen keine sinnvolle Berichterstattung mehr möglich; immer mehr westliche Korrespondenzen werden geschlossen. In der Schweiz wäre differenzierte, Qualitätsansprüchen genügende Berichterstattung von keinem Gesetz untersagt.

Findet dennoch nicht statt. Selbst ein Randgruppenorgan wie der «infosperber» feuert einen langjährigen Mitarbeiter, weil der es unterlassen habe, «die Politik von Putin auch kritisch zu analysieren».

All dem ist der Einzelne hilflos ausgeliefert. Ein kleiner Lichtblick in dieser Düsternis ist die gelebte Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft von erstaunlich vielen. In erster Linie von angeblich fremdenfeindlichen, rassistischen, kaltherzig gegen die Aufnahme von Flüchtlingen vorgehenden Staaten wie Polen, Ungarn, Slowakei.

Was bleibt: Ich möchte nicht verstrahlt werden, weil ein atomar bewaffneter grosser Töter ein anderes Land überfällt, weil er’s kann und weil ihn niemand dran hindern kann. Nein, ich fordere Putin nicht zum sofortigen Rückzug aus der Ukraine auf. So lächerlich will ich mich nicht machen. Aber ich kann sagen: Herr Präsident Putin, Sie sind ein verbrecherisches Arschloch, und hoffentlich haben sie noch ein kurzes Leben.

Napoleon-Komplex?

Wumms: Infosperber

Keiner zu klein, Zensor zu sein.

Die Plattform, die angeblich sieht, was andere übersehen, deren Beiträge «die persönliche Meinung des Schreibenden wiedergeben», fordert ein weiteres Opfer der Invasion in der Ukraine. Ganz dezent vermeldet «Infosperber»: «Christian Müller verlässt die Redaktionsleitung».

Das ist nun durchaus ein der «Prawda» würdiger Titel. Denn weiter unten heisst es dann: «Wir lösen die langjährige Zusammenarbeit auf.» Oder auf gut Deutsch: you’re fired. Hoppla, was ist denn geschehen? Hat man Müller dabei ertappt, einen Sperber zu quälen? Wurde er übergriffig? Weigerte er sich, inkludierende Sprache zu verwenden?

Nein, noch schlimmer: er habe es «konsequent unterlassen, die Politik von Putin auch kritisch zu analysieren». Potzteufel, das habe «die Glaubwürdigkeit von infosperber in Frage gestellt».

So kann sich selbst ein Sperberauge täuschen. Einen langjährigen Mitarbeiter zu feuern, weil einem dessen Meinung zum Ukrainekonflikt nicht passt, der nicht genügend Abscheu und Kritik über und an Putin äussert, obwohl das ja genügend andere Schreiber tun, das stellt die Glaubwürdigkeit nicht in Frage. Das zerstört sie.

Wofür schreiben wir?

Die Welt spricht nicht zu uns. Wir brauchen Vermittler dafür.

Die Nachricht ist eine der ältesten Kommunikationsformen der Menschheit. Der Späher, der ein Mammut entdeckt hat und das seinen Höhlenwohnern mitteilt, damit die Fleischvorräte aufgestockt werden können.

Das Narrativ, mit welchen Methoden man erfolgreich ein Mammut jagen und erlegen kann. Das Heldenlied, das nachahmenswerte, edle, gute Verhaltensweisen besingt. Aber auch die Lüge, die Propaganda, die Instrumentalisierung der Kommunikation für Manipulation, Beeinflussung, Lenkung.

Die Welt spricht nicht zu uns, aber indem wir über die Welt sprechen, wollen wir sie verstehen. Verstehen hilft ungemein. Vor allem, wenn es Glauben ersetzt. Wer glaubt, die Welt sei eine Scheibe, an deren Rand man ins Ungewisse hinabstürzt, hätte niemals die Welt erkundet. Wer glaubt, ein Blitz sei ein Zeichen eines zürnenden Gottes, hätte sich niemals die Elektrizität zu eigen gemacht.

Kommunikation sollte auch dazu dienen, Nachrichten aus uns unbekannten oder unzugänglichen Gegenden der Welt zu bekommen. Sie sollte uns instand setzen, uns ein Weltbild zu machen.

Weltbilder können Verständnis befördern

Durch ein Weltbild entsteht zumindest Teilhabe. Entsteht die Möglichkeit, auch grosse und von uns nicht beeinflussbare Ereignisse an unseren Massstäben zu messen. Den Versuch zu unternehmen, zwischen falsch und richtig zu unterscheiden. Zwischen unterstützenswert und verabscheuungswürdig.

Das bestimmt dann unser Handeln. Sei es die Teilnahme an einer Demonstration, Spendenbereitschaft oder gar der persönliche Einsatz, wie ihn auch erstaunlich viele Schweizer leisten.

Natürlich, die abstrakte Rede ist von den konkreten Ereignissen in der Ukraine. Die Rede ist davon, dass die deutschsprachigen Massenmedien weitgehend nicht ihre Aufgabe erfüllen. Denn es sollte gravierende Unterschiede zwischen der staatlich kontrollierten Presse in Russland und der sogenannten freien Presse im Westen geben.

In Russland werden kritische Stimmen zum Verstummen gebracht, sogar absurde Sprachregelungen erlassen wie die, dass nicht von einer Invasion oder einem Krieg in der Ukraine berichtet werden darf. Das ist ein indirekter Beweis, wie wichtig Kommunikation ist, wenn ein Regime meint, durch die Unterdrückung von Worten eine missliebige Sicht auf Ereignisse unterdrücken zu können.

Diese Methode der Schönfärberei begleitet seit Urzeiten alle autoritären Systeme. In der Mediengeschichte gibt es wohl kaum ein zweites Organ wie die «Prawda». Ihr Name lautet «Wahrheit», dabei wurde kaum wo dermassen umfangreich gelogen wie in der 110-jährigen Geschichte dieser Zeitung.

Eine verzerrte Darstellung der Wirklichkeit hat meistens nur eine überschaubare Wirkung. Auch wenn niemand behaupten kann, die einzig richtige und objektive Darstellung der Realität liefern zu können: zu grosse Abweichungen brechen irgendwann zusammen. Der Propaganda-Apparat der Nazis war beeindruckend; aber statt Endsieg und totalem Krieg gab es die totale Niederlage.

Auch die sowjetische Propaganda war nicht schlecht unterwegs. Trotz ständigen Planübererfüllungen und neuen Triumphen des Sozialismus brach die UdSSR zusammen.

Dass Russland in dieser Tradition versucht, die Nachrichten aus der Ukraine zu manipulieren, erstaunt nicht. Dass die deutschsprachigen Mainstream-Medien weitgehend dabei versagen, ihren Konsumenten Entscheidungsvorlagen zur Beurteilung der Ereiginisse zu liefern, Hintergründe, Zusammenhänge, verblüfft auch nicht wirklich.

Medien als Erkenntnisverhinderter

Bereits während der Pandemie verabschiedeten sich viele Medien von ihrer Aufgabe als Kontrollinstanz, als kritische Begleiter staatlichen Handelns. Nicht umsonst gibt es unter Journalisten das Bonmot, dass Ausland sowieso gegendarstellungsfreier Raum sei. Was in Schweizer Gazetten über die Ukraine oder Russland berichtet wird, interessiert in diesen Ländern eigentlich nicht.

In der Schweiz sollte es hingegen den mündigen Staatsbürger interessieren, wie er denn die Ereignisse in Europa einordnen kann. Trifft es die Wirklichkeit, dass Putin der Beelzebub und Selenskyj der strahlende Held ist? Wäre Verständnis herstellen nicht sinnvoller als verurteilen?

Bei jedem Verbrechen werden die Motive des Täters untersucht. Gibt es mildernde Umstände oder handelte er besonders heimtückisch? Ist es eine Tat im Affekt oder sorgfältig geplant? Liegt eine psychische Störung vor? Zudem sollte, zumindest im aufgeklärten Westen, die Strafe nicht der Rache, sondern der Resozialisierung dienen.

Statt Verständnis Sippenhaft

Das würde hier bedeuten, Präsident Putin wieder in die Völkergemeinschaft aufzunehmen, wenn er überhaupt resozialisierbar ist. Aber all das findet im veröffentlichten Weltbild nicht statt.

Es wird sogar nicht nur gegen die Verursacher und Schuldigen gekeilt. Sportler, Künstler, eigentlich jeder Russe, dem man habhaft werden kann, wird in Sippenhaft genommen. Beziehungsweise es wird ihm abverlangt, sich entweder deutlich von den Taten seines Präsidenten zu distanzieren – oder er wird stigmatisiert, diskriminiert, ausgegrenzt, ausgeladen, entlassen.

Viele dieser so Angerempelten haben Rücksichten zu nehmen. Befinden sich in direkten oder indirekten Abhängigkeitsverhältnissen, müssten Repressionen wenn nicht gegen sich selbst, dann gegen Verwandte und Nahestehende befürchten.

Das alles ist aber Medienschaffenden egal, die zwar wissen, dass die Erde keine Scheibe ist, sie aber gerne so flach, eindimensional, leicht zu kartographieren darstellen wollen. Diese Art von Weltsicht hat noch nie Erkenntnisgewinn gebracht. Und das sollte ja eigentlich der tiefere Sinn jedes kommunikativen Handelns sein.