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Alles Müller ohne was

Patrik Müller ist der Alleinherrscher im Reich CH Media.

Natürlich thront über ihm noch der Wanner-Clan, angeführt vom Patriarchen Peter Wanner. Darunter füllte Pascal Hollenstein die Position des «publizistischen Leiters» aus. Nicht zuletzt wegen seiner Doppelfunktion als Sprachrohr einer Beteiligten am Zuger Sexskandal (ZACKBUM kritisierte das mehrfach) wurde Hollenstein Ende Januar 2022 ziemlich abrupt entfernt: «Über die Gründe der Vertragsauflösung wurde Stillschweigen vereinbart.» Denn auch intern sorgte Hollenstein für rote Köpfe.

Patrik Müller, der mit Hollenstein das Heu überhaupt nicht auf der gleichen Bühne hatte, übernahm interimistisch, die Nachfolge werde später geregelt, hiess es damals.

Nun ist geregelt; Müller muss sich eine extrabreite Visitenkarte drucken lassen. Denn er ist nun, wir holen kurz Luft, Chefredaktor aller CH Media Zeitungen, und das sind jede Menge Kopfblätter. Zudem von deren Onlineportalen. Zudem ist er Chefredaktor des gemeinsamen Mantelteils und der «Schweiz am Wochenende», der zur Sparausgabe geschrumpften ehemaligen Sonntagszeitung des Hauses Wanner. Und schliesslich ist er noch der nicht mehr interimistische publizistische Leiter.

«Neue und klare Struktur», so nennt das der Verwaltungsrat. Machtmonopol für Müller ist’s in der Realität. Die Frühstücks-Chefredaktoren der einzelnen Kopfblätter dürfen sich ausschliesslich noch um das Lokale kümmern, alles andere erledigt Müller. Publizistische Leitlinien und Prinzipien kann er nun mit sich selber besprechen.

Ideal auch: fürs Wirtschaftliche ist er nicht zuständig. Genauso wenig für die versammelten TV- und Radiostationen. Dafür, dass mehr Kohle reinkommt als rausgeht, ist der Wanner-Clan verantwortlich. Mit 47 Jahren hat «alles Müller» den Zenith der Macht erklommen. Von hier aus kann’s eigentlich nur noch in die Geschäftsleitung, den Verwaltungsrat – oder zu einem Kommandoposten bei der Konkurrenz gehen.

Abgang Hollenstein

CH Media probiert’s per sofort ohne publizistische Leiter nach unten.

Pascal Hollenstein war laut Impressum die Nummer zwei bei CH Media. Über ihm thronte nur noch Peter Wanner, unter ihm werkelte der Oberchefredaktor Patrik Müller und alle anderen noch überlebenden Redaktoren und Chefs der unzähligen Kopfblätter.

Hollenstein stiess zu CH Media, als die NZZ Gruppe sich von ihren Regionalmedien trennte und sie in ein Joint Venture mit der AZ-Mediengruppe einbrachte, in der Wanner das Sagen hat. Damit endeten alle Karrierepläne von Hollenstein innerhalb der NZZ, wo er sich mehrfach Hoffnungen gemacht hatte, Chefredaktor der NZZaS zu werden. Das Schicksal blieb dem Blatt erspart.

Dafür durfte er «Leiter Publizistik» werden, in die Geschäftsleitung Einsitz nehmen und auch in einem «Publizistischen Ausschuss» neben Koryphäen wie Peter Hartmeier, Esther Girsberger und natürlich Wanner himself.

Furztrockener kann man nun aber einen Abgang nicht kommunizieren: Wanner und Hollenstein hätten sich «auf eine Aufhebung des Arbeitsvertrags verständigt. Über die Gründe wurde Stillschweigen vereinbart.»

Wenn das so weit oben in der Chefetage so passiert, hat’s gekracht, aber gewaltig. Da nützen auch die Krokodilstränen des CEO von CH Media nichts, der sich artig bedankt und hinzufügt: «Entsprechend kann ich den Weggang nur bedauern.»

Das Bedauern in den Redaktionen und bei der Leserschaft, die er schon mal als Milchkühe verunglimpfte, die man noch melken müsse, bis man sie zur Schlachtbank führe, dürfte sich in Grenzen halten.

Akzente nur bei einem einzigen Thema gesetzt

Auch sein unermüdlicher Einsatz als Büttel und Sprachrohr für eine hasserfüllte Kämpferin gegen Hass und Diskriminierung im Internet ist vielen unangenehm aufgefallen. Da ihm bei seinen Artikeln niemand widersprechen konnte, fantasierte er auch schon mal eine krachende Niederlage vor Gericht in einen Triumph um oder hielt sich nicht an gerichtliche Sperrfristen, um als Erster mit einer News herauszuplatzen.

Immer gut dokumentiert von seiner Quelle, was es ihm erlaubte, ungeniert aus Gerichtsunterlagen zu zitieren.

Wo da der Vorbildcharakter eines publizistischen Leiters abblieb? In letzter Zeit war er eher schweigsam geworden, bis er sich in einem «Leitartikel» nochmals für die Annahme des Medienpakets stark machte, die auch seinem Besitzerclan viele Millionen in die Taschen spülen würde.

«Demokratie ist kostbar – und darf uns etwas kosten»,

stellte er noch fest. Dann fragte er rhetorisch: «Was sind wir bereit, für unsere direkte Demokratie zu bezahlen?» Dass er damit ein Junktim herstellte, dass nur die zusätzliche Subventionierung mit einer Milliarde Franken nicht etwa nur die Medien, sondern gar die direkte Demokratie retten würde – leicht verständlich war er nie.

Sicherlich ist auch Wanner der Auffassung, dass die Demokratie »uns» etwas kosten darf. Vor allem, wenn unsere Steuerfranken in die Taschen der Medienclans wandern. Allerdings ist Wanner auch der Auffassung, dass er sich einen Hollenstein nicht länger etwas kosten lassen will.

Eine kleine Verschlechterung für Hollenstein, eine grosse Verbesserung für CH Media.

Wirklich schmerzlich ist der Abgang aber für eine Zugerin, die einige Internetportale betreibt. Staatliche Unterstützung gestrichen, die Prozesse laufen schlecht, ein Lautsprecher ist verstummt, es bleibt nur noch Hansi Voigt. Und das ist nie eine gute Nachricht.