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Wumms: Raphaela Birrer

Tagi verabschiedet sich von der Qualitätskontrolle.

Keine zu klein, Meinungsträger zu sein. Eingepfercht in seiner Verrichtungsbox, bei Tamedia zudem noch von lüsternen, sexistischen und demotivierenden Männern umzingelt, winkt die einzige kleine Freiheit im Kommentar.

Die «ausgebildete Lehrerin» auf Primarschulstufe Raphaela Birrer ist im Rahmen der Quotenfrauregelung in die Chefredaktion von Tamedia gespült worden. Sie wurde schon mehrfach mit Kommentaren verhaltensauffällig. Sie hat sich diesen oberlehrerhaften Ton bewahrt, mit dem der Diktator im Klassenzimmer aufmüpfige Kleine niedermacht. Allerdings wendet sie ihn beim falschen Objekt an.

Unsere Landesregierung konnte aufatmen, als Birrer gnädig konzedierte: «Der Entscheid des Bundesrats ist richtig – und schlicht alternativlos. Wir müssen uns in diesem Krieg entschieden auf die Seite des Rechts, der Freiheit und der Demokratie stellen.»

Wir wagen uns nicht auszudenken, wie Birrer reagiert hätte, wenn der Bundesrat nicht in ihrem Sinne entschieden hätte. Das hätte vielleicht Strafaufgaben abgesetzt.

Aktuell muss Birrer der SP den Tarif durchgeben. Da wagt es doch tatsächlich ein Pimmelträger, seinen Hut in die Arena zu werfen und für den Bundesrat zu kandidieren. Aber nicht mit Birrer: «Das Theater ist unerträglich», donnert sie schon im Titel. Um klarzustellen: «In der SP entbrennt ein Streit um die Gleichstellung im Bundesrat. Dabei hat die Partei keine andere Wahl, als Frauen zu nominieren.»

Keine Wahlfreiheit für die SP, eine interessante Forderung vom Spielfeldrand. Wieso denn das? Die Kandidatur von Jositsch zeige: «Selbstverständlich ist das numerisch gleichberechtigte Mitregieren der Frauen in der Schweiz offensichtlich noch nicht

Das begründet Birrer mit einem hoffentlich selbst gegoogelten Ausflug in die Geschichte: «Die Schweiz hatte bisher 121 Bundesratsmitglieder. Neun davon waren Frauen. Neun! Die SP stellte 14 Bundesräte. Drei waren Frauen

Das ist so brunzblöd, dass man versucht ist, den alten Kalauer aufzuwärmen, dass es deswegen doch auch Mitglieder heisse. Die absurde Forderung, eine geschlechtlich ausgewogene Mischung in Entscheidungsgremien herzustellen, zudem mit Verweis auf die Geschichte, ist schädlich und kontraproduktiv. Sie verhalf zwar Birrer zu einem Karrieresprung, mit ihren Kommentaren zeigt sie aber, dass sie oberhalb ihrer Gehaltsklasse angekommen ist.

Denn die Meinung eines Mitglieds (Pardon) der Chefredaktion des grössten Medienkonzerns der Schweiz sollte schon Hand und Fuss und Logik haben. Eine numerisch gleichwertige Vertretung aller gesellschaftlichen Schichten, sexuellen Orientierungen, Hautfarben und auch der beiden offiziellen Geschlechter ist schlichtweg sinnlos und unmöglich.

Die Forderung nach einer ausgewogenen Vertretung von Männlein und Weiblein schliesst die Diversen, die Queeren, die Schwulen aus. Und das wären nur einmal sexuelle Orientierungen. Wie steht es mit Dunkelhäutigen, Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderten, Brillen- oder Bauchträgern? Und warum keine repräsentative Vertretung von Berufen; Bauern, Angestellte, wieso auch nicht Lehrer?

Hören wir nochmal O-Ton Birrer: «Aber der Zeitdruck ist nach Sommarugas überraschendem Rücktritt gross – da hätte der Umweg über männliche Pseudokandidaturen unnötig Ressourcen absorbiert. Denn diese Partei kann sich angesichts ihres Profils nicht erlauben, es ausgerechnet beim höchsten politischen Amt mit der Gleichstellung nicht so genau zu nehmen.»

Männliche Pseudokandidaten? Wir wagen uns für einen Moment vorzustellen, was in Birrer vorgehen würde, wagte ein zudem männlicher Kommentator von weiblichen Pseudokandidaturen zu faseln. Diesen verbalen Blutrausch möchten wir nicht erleben.

Also sagen wir mal so: Birrer selbst ist das beste Beispiel dafür, dass Karriere dank Geschlecht eine tragische Fehlentwicklung ist, die dringend korrigiert werden muss. Denn Tamedia hat’s ja auch sonst nicht leicht.