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Sicher ist die Unsicherheit

Glücklich sind die Einfältigen und Einfachen im Geist. Aber wie weiter in unsicheren Zeiten?

Wer schon immer wusste, dass die Vernunft siegt, kann sich beruhigt zurücklehnen. Angeblich haben wir nun doch alle Voraussetzungen, um dieser Pandemie ein für alle Mal den Garaus zu machen.

Wer nicht in der Lage ist, seine Hirntätigkeit dermassen herunterzufahren, macht sich Sorgen. Nicht unbedingt um die medizinischen Entwicklungen, auch nicht um einen möglichen Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Wirklich besorgniserregend ist etwas ganz anderes, was in all den Hunderten von Berichten und Kommentaren kein einziges Mal thematisiert wird.

Jeder, der wirtschaftliche Verantwortung trägt oder schon einmal etwas davon gehört hat, weiss, dass es immer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit braucht, wenn ein Geschäftsmodell die Zeiten überleben will. Aber es gibt ein potenziell tödliches Gift, das lähmt und tötet: Unsicherheit.

Es ist ein alter Scherz, dass Prognosen über die Zukunft schwierig sind. Es ist eine alte Erkenntnis, dass ein gedeihliches wirtschaftliches Wirken auf zwei Grundvoraussetzungen beruht. Rechtssicherheit und Handlungssicherheit.

Rechtssicherheit bedeutet, dass nicht plötzlich die Spielregeln geändert werden, gar noch rückwirkend. Unternehmerische Entscheidungen haben normalerweise ein Pay Back von sieben Jahren. Also eine heutige Investition sollte sich in dieser Zeit amortisiert haben. Wenn alles gutgeht. Muss nicht sein, daher spricht man auch vom Unternehmerrisiko.

Aber Staaten, die über längere Zeit Rechtssicherheit garantieren können, denen geht es normalerweise gut. Auch hier können sowohl politisch wie gesellschaftlich jede Menge Fehler gemacht werden. Aber wenn diese Rahmenbedingung stimmt, dann ist die wirtschaftliche Entwicklung belastbar. Und, man mag das mögen oder nicht, das Wohlergehen der Teilhaber einer Gesellschaft hängt vom ökonomischen Unterbau ab. Nicht vom Herumgehampel im intellektuellen Überbau.

Die zwei Triebkräfte der Prosperität

Eine robuste Wertschöpfung ist zunächst einmal die Grundlage für alle Debatten um Umverteilung. Denn auch umverteilt kann nur werden, was zunächst produziert wurde. Ausser, aber das geht mittelfristig nie gut, man ersetzt Wertschöpfung durch Geldschöpfung.

Die zweite Voraussetzung heisst Handlungssicherheit. Mit allen Unwägbarkeiten der Zukunft hilft es beispielsweise bei einem Investitionsentscheid, wenn es Anlass zur Hoffnung gibt, dass in sieben Jahren die Anfangsinvestition wieder hereinkommt. Weil mit keinen gravierenden Veränderungen zu rechnen ist.

Die geschichtliche Erfahrung zeigt, dass Staaten, die Rechts- und Handlungssicherheit garantieren, prosperieren. Kommt dazu noch ein gut ausgebautes Bildungssystem und eine belastbare, moderne Infrastruktur, hohe Subsidiarität und genügend Partizipationsmöglichkeiten in gesellschaftlichen Prozessen und Entscheidungen, dann ist dieser Staat ziemlich gut unterwegs. Noch ein Sprutz Innovationskraft, möglichst wenig natürliche Ressourcen (die stürzen das sie besitzende Land meistens ins Elend), und schon sprechen wir von der Schweiz.

Nun ist ein solcher Zustand allerdings nicht unumkehrbar. In der Geschichte gab es Reiche, die viel länger Bestand hatten als der moderne Kapitalismus, der sich in seiner vergleichsweise kurzen Existenz schon zweimal beinahe selbst in die Luft gesprengt hätte. Und ein beinahe tödliches Kräftemessen mit einer gesellschaftlichen Alternative überstand.

Ohne Antagonist kein Fortschritt

Auch hier gilt der alte Satz: Konkurrenz belebt das Geschäft. Dass nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen die sogenannten Sozialstaaten entstanden, wäre ohne die Konkurrenz durch die vermeintlichen Arbeiter- und Bauernparadiese nicht möglich gewesen.

Der Wegfall dieses Antagonisten hat bis heute verheerende Auswirkungen. Vom Ende der Geschichte wurde fantasiert, von der Unbesiegbarkeit des Kapitalismus. Bis die Finanzkrise 2008 das Vertrauen nachhaltig erschütterte. Bis allen klar wurde, dass wir vorher in einer bipolaren Welt lebten, inzwischen aber in einer multipolaren.

Was die Finanzkrise fürs Wirtschaftssystem war, ist die Pandemie für den geistigen Überbau. Ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Verhaltensweisen. Debattierunfähigkeit, emotional gesteuerte Rechthaberei.

Schlimmer noch: statt vorhersehbarer und Sicherheit gebender Regierungspolitik wildes Rudern, hektisches Hyperventilieren. Welcher Geschäftsmann weiss heutzutage, welchen Rahmenbedingungen er morgen ausgesetzt ist?

Nicht nur Betreiber von Restaurants haben keine Ahnung, ob und wie sie die nächsten Wochen und Monate überleben werden. Das gilt für eine Vielzahl von Geschäftsmodellen. Bislang werden die gravierenden Auswirkungen mit Geld zugeschüttet. Aber Fiatgeld kann keine Wertschöpfung ersetzen. Wertschöpfung ist nur mit stabilen Sicherheiten möglich.

Also wäre es sinnvoll und dringend, mal über solche Fragen öffentlich nachzudenken. Doch dazu bräuchte es die entsprechenden Denker von Format. In den Mainstream-Medien finden sie nicht statt. Gibt es sie überhaupt noch?