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Soldaten im Propagandakrieg

Wir sind auf die eigene Bedeutungslosigkeit zurückgeworfen. Aber nicht alle wissen darum.

Eigentlich gibt es nur eine Art von Menschen, deren Meinung tatsächlich zählt. Das sind die Regierenden, die Herrschenden, die Mächtigen. Was ein US-Präsident, der chinesische Machthaber, ein Bill Gates oder ein George Soros, ein Carlos Slim denken, wollen, beabsichtigen, das bewegt etwas.

Natürlich sind sie umgeben von Beratern und Einflüsterern wie Schmeissfliegen, die sich den Platz nahe am Ohr des Mächtigen streitig machen. Einflüsterer wie der mutmassliche Kriegsverbrecher Henry Kissinger, graue Eminenzen, Kofferträger spielen eine wichtige Rolle bei Entscheidungen.

Die werden meistens nicht in offener Feldschlacht an grossen Tischen gefällt. Sondern in kleiner, vertrauter Runde, am Abend, durchaus auch mit einem Absackerchen. Da gewinnt dann nicht etwa der mit den besseren Argumenten. Sondern der begabte Rhetoriker, der Schlagfertige, der im richtigen Moment den richtigen One-Liner produzieren kann. Das ist nicht immer der Präsident, wie das in «House of Cards» so unnachahmlich vorgeführt wurde.

Natürlich spielt auch der Generalstab eine wichtige Rolle, also sein meinungsstärkstes Mitglied, denn zumindest als Option ist Gewalt immer ein Thema. Auch bei wirtschaftlich Mächtigen, dafür gibt es auch im Westen private Söldnerfirmen, die auf Wunsch ganze Staatsstreiche servieren.

Schliesslich spielt der Geheimdienstchef eine besondere Rolle, das ist in Privatfirmen der Intel-Officer. Beide sollen den Mächtigen mit legalen oder illegalen Mitteln erworbene Intelligence liefern, also Lageberichte, Einschätzungen, Geheiminformationen.

Aus der Serie: Kim looking at things.

Selbst Kim der Dickere kann zwar auf begrenztem Raum, dort aber unbeschränkt seine Meinung durchsetzen. Umso diktatorischer ein Regime funktioniert, desto hierarchischer sind die Entscheidungswege. Von oben nach unten. Wobei das Problem besteht, dass von unten nach oben meist nur das kommt, was der Herrscher hören will.

So ist es lustigerweise eines der grösseren Probleme aller Mächtigen, realistische und wirklichkeitsnahe Entscheidungsgrundlagen zu bekommen. Der Überfall auf die Ukraine ist das aktuellste Beispiel einer unendlich langen Reihe solcher Entscheidungen, die offensichtlich in völliger Verkennung der wirklichen Sachlage getroffen wurden. In den ersten, längst vergessenen Ankündigungen aus dem Kreml hiess es noch, dass es sich um eine zeitlich eng begrenzte, sozusagen überschaubare Militäraktion handeln werde. Mehr so ein chirurgischer Eingriff, anlog zur Okkupation der Krim. Schnell rein, schnell aufräumen, schnell wieder raus.

Ständig Fehlentscheide aufgrund ungenügender Faktenkenntnis

So kann man sich täuschen. Die beiden letzten Weltkriege (wie die meisten Kriege zuvor) waren voller Fehlentscheide aufgrund falscher Wahrnehmungen. Frankreich wird einem deutschen Angriff widerstehen. Die UdSSR wird dem deutschen Angriff nicht widerstehen. Der damalige Kremlherrscher Stalin wollte es mehrere Tage lang nicht glauben, dass sein Verbündeter Hitler tatsächlich mit dem Überfall auf die UdSSR begonnen hatte. Zuvor hatte Stalin alle Geheimdienstinformationen, die sogar das exakte Datum der Invasion vorhergesagt hatten, als Feindpropaganda, auf die man hereingefallen sei, vom Tisch gewischt. Alle Kriege der eigentlich weit überlegenen arabischen Staaten gegen Israel endeten in krachenden Niederlagen. Der Vietnamkrieg war von Anfang bis Ende ein so aussichtsloses wie verbrecherisches Unternehmen.

In Afghanistan haben sich alle Grossmächte seit den Kolonialzeiten die Zähne ausgebissen und eine blutige Nase geholt. Die Ureinwohner beider Amerika meinten, den Besuchern von jenseits des Atlantiks entweder mit Freundlichkeit oder mit überlegener militärischer Stärke entgegentreten zu können.

Umgeben werden all diese Mächtigen von geschickten Handwerkern, die ihre Entscheidungen der Öffentlichkeit schmackhaft machen. Spin Doctors, PR-Genies, Wortzauberer. Mit der Verbreitung der Massenmedien und nochmals mit mehr Schub durch all die Internet-Plattformen spielt der mediale Aspekt einer Entscheidung eine gleich grosse Rolle wie materielle Faktoren bei der Umsetzung. Einen Krieg gewinnen, das bedeutet auch und nicht zuletzt den Propagandakrieg gewinnen.

Der Lautsprecher beginnt, sich wichtig zu nehmen

Dazu sind Plattformen, Megafone, Lautsprecher, Multiplikatoren unabdingbar. Das führt aber zu einem merkwürdigen Kollateralschaden. Die Angestellten dieser Lautsprecher, also die Journalisten, die Redaktoren, meinen, dass auch ihre Meinung etwas zähle. Dabei sind sie höchstens Soldaten im Propagandakrieg. Erfüllungsgehilfen. Kanonenfutter, mehr oder minder nützliche Windfahnen, Meinungsträger, meistens Opportunisten.

Häufig auch noch mit einem sehr bescheidenen Rucksack an Allgemeinbildung oder Vorkenntnissen ausgerüstet. Aber sie geben sich der Illusion hin, weil das Mediale so wichtig geworden ist, dass das ihre eigene Bedeutung erhöht habe. Dabei ist es den wirklich Mächtigen völlig schnurz, ob Redaktor X einen flammenden Kommentar dagegen schreibt, Redaktor Y scharfe Kritik übt, gewürzt mit strengen Forderungen.

In den Kommandozentralen der Entscheider löst das – wenn überhaupt – gelegentlich amüsiertes Gelächter aus, wenn kleine Würstchen grossen Machtmenschen die Leviten lesen, sie zurechtweisen, ihnen Handlungsanleitungen ans Herz legen.

Die Meinung der Mächtigen zählt. Die Meinung der Medienmacher zählt nicht. Die einen wissen um die Macht, die anderen bilden sie sich ein.

Und der grosse Rest?

Die breite Masse aber, wozu auch ZACKBUM zählt, ist sich wenigstens bewusst, dass unsere Meinung, unsere Ansichten eigentlich nichts zählen. Überhaupt nichts. Keine Demonstration, keine Zeichen, kein Einstehen für, kein Protestieren gegen wird etwas ändern.

Wieso wir es denn überhaupt tun? Ganz einfach. Weil es uns selbst bestätigt, dass wir auch auf der Welt sind und einen eigenen Kopf haben. Der sich auch an der Realität abarbeitet und zu Erkenntissen, Schlussfolgerungen, Einsichten kommt. Aber eigentlich nur für sich selbst – und für die «happy few», für die Stendhal schrieb. Für die jeder schreibt, der nicht der Illusion verfallen ist, Schreiben bringe mehr als im besten Fall intellektuellen Spass und wirkungslosen Erkentnisgewinn.

Denn schreiben bedeutet immer: trotz alledem. Man schreibt, weil man muss. Sonst ist da nichts.