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Arte ist Kunst

Aber nicht Kult. Dafür nahe verwandt mit Schnecken.

Arte kostet 140 Millionen Euro im Jahr. 132 davon stammen aus öffentlichen Mitteln, die sich Deutschland und Frankreich teilen. Der Kultursender existiert seit 1992, ist zu einem Konglomerat angewachsen und hat Tentakel ausgestreckt, unter anderem in Form einer monatlichen Printbroschüre.

Arte ist für die happy few, mit einer durchschnittlichen Einschaltquote von 1,2 Prozent. Das hindert den Sender nicht, Hunderte von Mitarbeitern am Hauptsitz in Strassburg zu beschäftigen. Das sollten eigentlich genügend Sesselfurzer sein, um als Kultursender auf ein journalistisches Angebot zumindest zu reagieren.

Headquarter in Strassburg.

Also wurde am 2. März dieses Jahres eine entsprechende Anfrage gestellt. Thema, Begründung, Hintergründe, Argumente dafür. Dieser Tat war allerdings eine längere Recherche vorangegangen, an wen man sich mit einem solchen kühnen Anliegen wende könnte, denn mit Ansprechpersonen oder auch nur sachdienlichen E-Mail-Adressen hat es der Sender nicht so.

Auch nicht mit Antworten. Nachdem nichts passierte, wagten wir es, telefonisch nachzufassen und landeten konsequent in der Combox. Dort versprach zwar eine Stimme ab Band, dass zurückgerufen werde – aber das war leider gelogen.

Zu früh aufgegeben. Wobei …

So gaben wir nach rund einem Monat auf. Zu früh, wie sich dann zeigte. Denn siehe da, am 8. April erreichte uns der schriftliche Beweis, dass in dem Riesengebäude in Strassburg tatsächlich gearbeitet wird. Wir bekamen eine Mail: «Vielen Dank für Ihr Interesse am Europäischen Kulturkanal ARTE. Wir bitten Sie uns für die verspätete Antwort zu entschuldigen.»

Das tröstete ungemein; man hatte unsere Anfrage zur Kenntnis genommen, man entschuldigt sich. Aber bevor die Spannung ins Unerträgliche stieg, was denn nun mit dem Projektvorschlag wäre, kam die kalte Dusche:

«Die meisten unserer Programme werden über unsere Mitglieder ARTE Deutschland und ARTE France sowie Partneranstalten eingebracht. Wir raten Ihnen daher, Ihren Vorschlag an eines dieser Mitglieder zu richten oder direkt an die Landesrundfunkanstalten der ARD und des ZDF.»

Nun hatten wir den Vorschlag bereits, was auch nicht ganz einfach war, an die Sendung «Titel, Thesen, Temperamente» eingereicht. Da die in der ARD produziert wird, gibt es insgesamt fünf sogenannte Länderanstalten, die im Turnus zuständig sind. Das läuft dann so, dass eine bereits die E-Mail-Adresse abgeschaltet hat, keine Störung des ordentlichen Büroschlafs.

Im Labyrinth der ARD

Die zweite reagiert nicht und wird deshalb mit einem Telefonat belästigt. Beim WDR in Köln geht tatsächlich jemand ans Telefon und teilt fröhlich mit, dass Vorschläge, die die Schweiz betreffen, von den Kollegen in Bayern behandelt würden. «Das ist sozusagen deren Beritt», sagt der Kölner launig, «nehmen Sie das bitte nicht despektierlich». Wie kämen wir dazu, also rufen wie in München an, wo aufs Mail ebenfalls nicht reagiert wurde. Auch dort wird der Anruf erhört. «Wir sollen für die Schweiz zuständig sein? Das wüssten wir aber. Wer sagt das? Ach, der WDR, unglaublich.» Das war offensichtlich kein Beitrag zur Völkerverständigung mit den Bayern.

Aber man lässt Gnade vor Recht walten: «Schicken Sie uns doch den Vorschlag per Mail.» – «Das habe ich schon getan.» – «Also ich habe nichts gekriegt, schicken Sie doch nochmal.» Das war dann das letzte Mal, dass ein Mitarbeiter von «Titel, Thesen, Temperamente» ansprechbar war. Er hatte immerhin vorsichtig angekündigt: «Wenn wir interessiert sind, hören Sie von uns.»

Übrigens war das Angebot ernstgemeint, kulturell hochstehend und fand andernorts begeisterte Abnehmer. Wer gerne seine Vorurteile gegenüber öffentlich-rechtlichen Medienanstalten bestätigen möchte und herausfinden, dass er noch viel zu sanft urteilte, sollte auch mal den Versuch machen, diese Schnarchnasen für einen Vorschlag zu begeistern.

 

 

«Hauptstadt»-Hype?

Mal wieder ein Crowdfunding. Mal wieder Jubel. Allerdings auf bescheidenem Niveau.

Wenn man die Latte tief legt, kann man sie ohne gewaltige Anstrengung überspringen. Das Projekt «Hauptstadt» hat die Latte niedrig gelegt.

Als Markttest, ob es in der Nicht-Hauptstadt Bern einen Bedarf nach einer Alternative zum Einheitsbrei aus dem Hause Tamedia gibt, wirft ein Kollektiv nach nur einem Jahr Brützeit eine Alternative auf den Markt.

1000 Abos sollten es schon sein, damit das Online-Blatt weiterverfolgt wird. Denn existieren tut es noch nicht. Preisvorstellungen hat es hingegen klare:

120 Franken im Jahr ist der Minimal-Obolus, Firmen und Gönner dürfen bis zu 600 Fr. hinlegen. Dann gibt es noch die putzige Möglichkeit

«Ich kann mir das Abo nicht leisten

Hier kann man einen «freien Betrag» wählen, um dabeizusein. Freundlicherweise wird versprochen, dass bei einem Scheitern des Crowdfundings die Einzahlung – minus Transaktionsgebühr – zurückerstattet wird.

Aber eigentlich wussten die Macher natürlich, dass man sich in der Schweiz schon ziemlich blöd anstellen muss, wenn man für ein alternatives Projekt nicht 1000 Zahlungswillige zusammenkratzen kann. Inzwischen (Stand Dienstag) sind es schon knapp 2000; ab dieser Schwelle wird dann sogar noch ein «Ausbildungsplatz» versprochen.

Alle guten Kräfte sind natürlich dabei

Alle guten Kräfte sind natürlich an Bord, selbst der «Hauptstädter» Alec von Graffenried, eigentlich «Stadtpräsident von Bern», liefert mit vielen anderen ein Testimonial ab.

Bei 4000 Abos sei man dann «fast selbsttragend», im Fall. Das wären dann also, machen wir eine Mischrechnung und sagen 200 Franken pro Hauptstädter, im Jahr 800’000 Budget. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass noch ein paar vermögende Menschen ein Extra-Batzeli springen lassen, damit wäre die «Hauptstadt» sicherlich über der Millionenschwelle.

Das alles ist wunderbar, und ZACKBUM begleitet immer neue Versuche, etwas Qualität und Content in den Medieneinheitsbrei der Schweiz zu werfen, mit grosser Sympathie. Bis wir dann bitterlich enttäuscht werden, wie vom Fehlalarm-Skandalblatt «Republik», das trotz dem grossmäuligen Anspruch, die Demokratie retten zu wollen, einfach zur Selbstbespassungsmaschine von Gesinnungstätern für Gesinnungstäter denaturiert ist.

Heisse Luft oder Heissluftballon?

Aber davon ist die «Hauptstadt» noch weit entfernt; vom Inhalt ist nur eher Wolkiges bekannt: «Die «Hauptstadt» berichtet über die Stadt und die Agglomeration Bern mit ihren 400’000 Einwohner*innen. Neben einem Newsletter, der den Leser*innen das Sortieren der lokalen Nachrichten erleichtert, sind Recherchen, Reportagen und Kolumnen die publizistischen Kernelemente. Die «Hauptstadt» ist werbefrei und verzichtet auf Klick-Journalismus. Wir werden täglich präsent sein, versprechen aber nicht eine bestimmte Anzahl Artikel pro Tag.»

Vielleicht kriegen die das mit der deutschen Rechtschreibung auch noch hin bis zum echten Erscheinen.

Leichter Dämpfer für den Optimismus

Nimmt man die Vorbilder der «Hauptstadt» zur Hand, dann dämpft sich der Optimismus schon deutlich. Es sind ausschliesslich gesinnungsfinanzierte Organe, meist auch noch von reichen Mäzenen alimentiert. Also keinerlei Notwendigkeit, sich mit einem überzeugenden Angebot am Markt bewähren zu müssen, wo einzig Angebot und Nachfrage herrschen, reguliert durch den Preis, der einen Mehrwert für den Käufer beinhaltet.

Falsches Vorbild: Millionengrab «bajour».

Das ist beispielsweise bei «bajour», auch auf der Liste, nicht der Fall. Hier blödelt eine aufgepumpte Redaktion weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit langweilig und ohne Aktualitätsanspruch vor sich hin. Solange der Rubel einer Milliardärin rollt, konkret eine Million pro Jahr, lässt es sich angenehm davon leben, anschliessend wird die Arglist der Zeit beklagt, und Basel ist nach der «TagesWoche» um eine Medienleiche reicher, die nur als am Tropf hängender Zombie überhaupt eine Weile Untoter spielen konnte.

Geht das der «Hauptstadt» auch so? Wir hoffen es inständig nicht. Denn selbstverständlich ist es ein Skandal, dass Tamedia auch dieses Versprechen, «Berner Zeitung» und «Bund» nebeneinander bestehen zu lassen, gebrochen hat. Normalerweise hat jede Hauptstadt in Europa und in Demokratien weltweit mehr als eine Zeitung. Meinungspluralismus und so, das gilt auch für eine Bundesstadt wie Bern.

Also alles Gute für die «Hauptstadt». Vielleicht machen wir ja auch von dieser Möglichkeit Gebrauch, ein Abo abzuschliessen:

«Es gibt auch nach Abschluss eines Abos keinen Zwang, die «Hauptstadt» zu lesen. Man kann auch einfach einen jährlichen Beitrag zahlen, damit es den «Neuen Berner Journalismus» überhaupt gibt und unabhängige Journalist*innen den Mächtigen auf die Finger schauen und den Nicht-Mächtigen Gehör verschaffen.»

Wir empfehlen dieses Modell auch anderen Dienstleistern. Zum Beispiel Fitnessclubs. Schliesse ein Abo ab, dann fühlst du dich besser, und andere kriegen neue Geräte zum Trainieren. Superidee.