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Eine Meldung und ihre Geschichte

Aus den Niederungen des modernen Qualitätsjournalismus.

Tamedia, das Haus der Qualitätsmedien mit dem unbedingten Anspruch, dorthin die Weichen zu stellen, am liebsten mit Entlassungen, tickert in vollem Bewusstsein seiner staatsbürgerlichen Verantwortung eine kleine Meldung aus dem Nahen Osten:

UN-Hauptquartier im Libanon beschossen – zwei Verletzte
Israelische Truppen haben im Libanon nach Darstellung der Vereinten Nationen das Hauptquartier der UN-Mission Unifil beschossen und dabei mindestens zwei UN-Soldaten verletzt. Ein Panzer der israelischen Armee habe einen UN-Beobachtungsposten direkt getroffen.
Der Beschuss ereignete sich in Nakura im südlichen Grenzgebiet. An der Mittelmeerküste ist es der erste grössere Ort im Libanon nahe der Demarkationslinie mit Israel. Die Unifil-Mission hat hier ihr Hauptquartier. Dieses und die Umgebung seien «wiederholt getroffen» worden, erklärte der Unifil-Sprecher. Die beiden UN-Soldaten seien nicht schwer verletzt, nach dem Angriff aber im Krankenhaus. Ein weiterer israelischer Angriff habe auch den Eingang zu einem Bunker getroffen, in dem UN-Soldaten Schutz gesucht hatten. Dabei seien auch UN-Fahrzeuge und ein Kommunikationssystem beschädigt worden. (SDA)

An diesem schönen Beispiel kann man sich fragen, ob diese Art von Journalismus noch einen Rappen wert ist. Zunächst einmal handelt es sich um eine Tickermeldung der SDA, einer Newsagentur. Eigenleistung Tamedia: null.

Nun könnte man sich  – da ja dafür Geld verlangt wird – eine Eigenleistung von Tamedia vorstellen. Was behaupten die Qualitätsmedien immer? Einordnung, Interpretation, Analyse. Also ein Zusatznutzen, der es verständlich macht, wieso Tamedia für den Konsum seiner Leistung Geld verlangt.

Und zwar nicht zu wenig. Das Angebot «Classic Plus», täglicher Zugang Print und umlimitiert Internet, sieben Tage die Woche, kostet läppische 759 Franken im Jahr.

Das ist nun ein Zehntel eines monatlichen Durchschnittseinkommens eines Schweizers. Also nicht nichts. Oder der Gegenwert von 152 Kaffees, um die Einheit der «Republik» in Ansatz zu bringen.

Dafür kann man vielleicht ein Quentchen Leistung erwarten. Denn überraschenderweise ist es im Kapitalismus so, dass ein kostenpflichtiges Angebot so attraktiv sein muss, dass es eine entsprechende Nachfrage auslöst.

Tamedia, im Sinne Simon Bärtschis, hält es allerdings so, dass es weniger Angebot bei gleichbleibenden Preisen als ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Geschäftsmodell präsentiert.

Nun wäre die von der SDA übernommene Meldung, dass Israel ein neuerliches Kriegsverbrechen begangen hat, durchaus der Analyse und Einordnung wert. Ist die Darstellung der UNO korrekt? Was sagt das israelische Militär dazu? Selbst Kindersoldaten im Newsroom, denen man noch nicht den Zugang zu Internet und Skype beschränkt hat, wären allenfalls in der Lage, dazu noch Mehrwert beizusteuern.

Aber diese kleine Tickermeldung illustriert perfekt: das ist dem Qualitätsorgan Tamedia schlichtweg wurst. Scheissegal. Seine verbleibenden Redaktoren kümmern sich lieber um die Betrachtung des eigenen Bauchnabels, um die genderkorrekte Verwendung der Sprachvergewaltigung, um den Kampf gegen rechts, gegen Rechtspopulismus, Ausgrenzung und Diskriminierung.

Statt um die eigentliche Aufgabe, für die man tatsächlich Geld verlangen könnte. Sind immer weniger Konsumenten verständlicherweise bereit, dafür das Portemonnaie zu öffnen, wird nicht etwa das eigene Versagen hinterfragt. Sondern die Arglist der Zeiten bejammert und direkt oder indirekt Staatssubvention eingefordert.

Es ist schon nassforsch, was der gierige Coninx-Clan hier aufführt. Innerhalb der Holdingstruktur von TX werden alle Geschäftsfelder in einzelne Profitcenter aufgesplittet. Der ursprünglichen Quelle allen Reichtums, den Newsmedien, werden alle mit ihnen gross gewordenen Einkommensgebiete wie Stellen-, Wohnungs- oder Verkaufsanzeiger weggenommen. Dennoch sollen sie weiterhin eine absurde Profitrate erwirtschaften. Ist ein Organ zu erfolgreich, wird «20 Minuten» aus der Medienholding herausgenommen und zu einem eigenen Profitcenter gemacht, damit ja keine Quersubventionen entstehen können. Die geforderte Profitrate kann von einem überforderten Management lediglich durch Skelettierung und unablässige Sparrunden auf Kosten der Qualität und des Inhalts erzielt werden.

Worauf der Coninx-Clan dann sagt: Achtung, Gefahr, die Vierte Gewalt im Staate ist existenzgefährdet, subventioniert sie, damit wir uns weiterhin Luxusvillen und Yachten leisten können.

Gibt es eine Steigerung von absurd?

Kühne Konstruktion

Die Wächtermedien hängen in den Seilen. Brauchen Staatsinfusion. Wieso eigentlich?

Die Beherrscher des Tageszeitungsmarkts in der Schweiz führen ein marktwirtschaftliches Wunderwerk vor. Sie verlangen für entschieden weniger Content gleich viel Geld von ihren Kunden. Das ist so, wie wenn ein Detailhändler für einen halben Liter Milch gleichviel wie für früher einen ganzen verlangte. Sorry, aber diese Milch schmeckt viel konzentrierter.

Geschrumpfte Umfänge, gefeuerte Journalisten, zusammengestrichene Budgets, zusammengelegte Redaktionen: eine Agonie, ein Trauerspiel.

Erschwerend kommt hinzu, dass die (noch) überlebenden Mitarbeiter ihren Bedeutungsverlust mit lautstarker Kommentierung der Weltläufe kompensieren. Plus liebedienerische Übernahme der offiziellen Positionen in der Bekämpfung der Pandemie.

Damit ist das Elend noch nicht ausreichend beschrieben. Denn inzwischen sind Tamedia, CH Media und Ringier von Medienhäusern zu Gemischtwarenhändlern denaturiert. Verkaufsplattformen, Eventveranstalter, Betreiber von TV- und Radiostationen, Anbieter von Handelsplattformen, Internetaktivitäten allgemeiner Art, usw.

Ein moderner Medienkonzern.

Nur die NZZ setzt tapfer auf ihr Kerngeschäft: journalistischer Inhalt, möglichst hochstehend.

Wie jammern, ohne zu leiden?

Nun stecken die drei Grossverlage etwas in der Bredouille, wie sie denn eigentlich nachvollziehbar um weitere Staatsknete jammern können. Durch die gegenseitige Abhängigkeit unterstützt, ist es ihnen gelungen, ein zusätzliches Hilfspaket von einer satten Milliarde Steuergelder durchs Parlament zu bugsieren.

Dagegen wurde aber, dumm gelaufen, das Referendum ergriffen. Nach anfänglich überheblichem Ignorieren nehmen die Verlage nun Anlauf, Stimmung für ihr Anliegen zu machen: wir brauchen die Kohle, um weiterhin unsere Wächterfunktion in der Demokratie ausüben zu können. Denn Medien sind ja keine Joghurts; sie haben staatstragende Aufgaben, wird getrötet.

Das sei dahingestellt. Aber wieso sollte eigentlich der Steuerzahler eine ganze Milliarde locker machen, wo sich die grossen Medienhäuser in den letzten zehn Jahren im Milliardenbereich dumm und krumm verdient haben? Wo sie doch auch in der fürchterlichen und angeblich existenzbedrohenden Pandemie fröhlich Gewinne einfuhren?

Wo doch alleine durch die Ankündigung der Fusion der Handelsplattformen von Tamedia und Ringier der Aktienkurs zur Freude des Coninx-Clans durch die Decke schoss und alleine das neue Konglomerat locker einen Wert von über 3 Milliarden Franken hat?

Besonders bei diesen Plattformen ist es klar, dass ihr Erfolg im Print begann. Der «Stellenanzeiger» von Tamedia war legendär dick. Ebenso die Immobilien-, Auto- und sonstigen Anzeigenplantagen. Da musste kaum gewässert oder gedüngt werden, nur die Banknoten von den in den Himmel spriessenden Bäumen gepflückt.

Die Zauberformel gefunden?

Das marschierte alles ins Internet ab. Schliesslich krallte sich Tamedia den einzigen erfolgreichen Versuch eines Gratisblatts. Man hatte sogar als Drohkulisse die Lancierung eines eigenen Konkurrenzprodukts vorangetrieben, bis die Mannschaft kurz vor der ersten Publikation erfuhr, dass der Stecker rausgezogen wurde. Ziel erreicht, «20 Minuten» gehörte nun Tamedia.

Seither ist das Pendlerblatt weiterhin erfolgreich und profitabel. Kann aber bei den Subventionen nicht berücksichtigt werden. Das alles ist also etwas kompliziert. Jedoch nicht für Pietro Supino. Der hat nicht nur für Beschäftigung bei den Herstellern von Aussenbeschriftungen gesorgt. Sondern den Tamedia-Konzern so umgebaut, dass das mit der Steuermilliarde klappen sollte.

Kühne Konstruktionen.

Unabhängige Profitcenter ohne Quersubventionen, heisst die Zauberformel. Ringier sieht das übrigens ähnlich. Dass dem Profitcenter Tamedia die Einnahmen der Anzeiger fehlen, die mit den Printausgaben überhaupt erst gross wurden? Schon, na und?

Dass «20 Minuten» immer noch nett Kohle verdient, so what? Gehört nicht zu Tamedia, sondern ist ein eigenes Profitcenter. Und obwohl redaktionell und auch sonst durchaus Synergien genützt werden, für Tamedias Zentralredaktion und die am Hungertuch nagenden Ruinen der Redaktionen der Kopfblätter heisst es: Finger ab de Röschti.

Etwas sauberer aufgestellt ist das Wanner-Imperium. Der Geldschlucker «watson» wurde nicht in das Joint Venture mit der NZZ aufgenommen. Wahrscheinlich, weil die NZZ das nicht geduldet hätte.

Nicht nur Papier kann man aus Holz machen.

Keine Konzessionen, keine Finanzspritzen aus eigenem Sack

Ringier macht bei der «Blick»-Familie oder bei den überlebenden Medienprodukten auch keine grossen Konzessionen, was Finanzspritzen aus einkommensstärkeren Konzernbereichen betrifft. Selbst beim Lieblingsprojekt «Interview by Ringier» zählt man mehr auf «eine Partnerschaft mit Credit Suisse (Schweiz), IWC Schaffhausen und Volvo Car Switzerland» als auf völlige Unabhängigkeit.

Das alles macht die kühne Behauptung: wir brauchen Steuerkohle, sonst geht der Ofen aus, recht zweifelhaft. Nach einem Fehlstart darf man gespannt sein, was da den versammelten Schreibkräften und Schönschreibern und Konzernjournalisten so alles einfällt, um die Position ihrer Verlage zu verteidigen: Wir verdienen zwar super, aber jammern kann man immer.

Auch so kann ein Mediacenter aussehen. In Peking.