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Mal auf die Kacke hauen

Passt gar nicht zur NZZ. Tut sie aber.

Man merkt eher schnell, dass Rainer Stadler sich von der NZZ und deren Medienseite verabschiedet hat. Denn nun wird auch schon mal geholzt.

Am 29. August erscheint eine Schadensbilanz, wie die Pandemie unter den Gratis-Blättern gewütet habe. Im Fokus steht «20 Minuten», und da wollen die Autoren gehört haben: «Gemäss Informationen der NZZ gibt es Pläne, die Printausgabe von «20 Minuten» im nächsten Jahr einzustellen.»

Dann wird der Verlagschef zitiert, der das vehement bestreitet. Schliesslich nähert sich die NZZ dem eigentlichen Thema: Sollen auch Gratis-Medien, ob online oder im Print, ebenfalls Subventionen erhalten? Überraschenderweise fände das die Bezahl-Zeitung NZZ nicht so toll.

Der Verlagschef ist nachhaltig sauer

Aber offensichtlich war der Verlagschef von «20 Minuten», Marcel Kohler, anhaltend sauer und auf hundert. Denn er legte in einem Interview mit persoenlich.com am 1. September nach: «Unseriös und geschäftsschädigend» sei das, was die beiden Autoren da gemacht hätten. Man habe sie mehrfach darauf hingewiesen, dass «das Gerücht jeder Grundlage entbehrt. Sie haben es wider besseres Wissen trotzdem behauptet.»

Zudem seien diverse Zahlen falsch, nur eine korrigiert worden. Und überhaupt, man überlege sich rechtliche Schritte. Damit kann man das Tischtuch zwischen NZZ und «20 Minuten» als zerschnitten betrachten.

Kohler wirft der alten Tante nicht weniger vor, als dass sie einfach mal auf die Kacke haue, ein Dementi korrekt in den Artikel einbaue, aber natürlich dennoch das Gerücht in Umlauf brachte. Und Gerüchte kleben bekanntlich an der Realität wie UHU.

Nachfragen bei den Streitparteien

Was meinen die Streitparteien, nachdem sich die erste Aufregung vielleicht gelegt hat? «Unsere Quellen sind verlässlich, und die im Artikel genannten Zahlen stimmen», antworten Lucien Scherrer und Reto Stauffacher, die beiden Autoren des Artikels «So hart trifft die Corona-Krise die Gratismedien» (hinter Bezahlschranke). Eine eher allgemeine Aussage auf konkrete Fragen.

Eigenes Fehlverhalten können sie nicht erkennen: «Selbstverständlich haben wir Herrn Kohler die Möglichkeit gegeben, seine offizielle Sicht zu Protokoll zu geben. Das ist seriöser, also differenzierter und transparenter Journalismus.» Ende der Durchsage, schreiben sie abschliessend.

Mit Verlaub, transparenter Journalismus sieht für mich etwas durchsichtiger aus. Und hat sich der Blutdruck bei Kohler inzwischen wieder normalisiert? Die Nachfrage ergibt; nicht wirklich. Zunächst echauffiert er sich darüber, dass die NZZ ein Gerücht als Fakt darstelle, also es wird über die Einstellung nachgedacht. Indikativ, kein Konjunktiv.

Geschickte Analogie

Dann verwendet er psychologisch geschickt eine Analogie: «Das blosse Erwähnen eines Dementi reicht für die Kolportage solcher schwerwiegender Unterstellungen nicht aus. Ein Beispiel: «20 Minuten» könnte auch einfach schreiben, zackbum.ch sei zu 100 Prozent von Christoph Blocher finanziert. René Zeyer dementiere das zwar vehement, aber Personen aus seinem Umfeld bestätigten entsprechende Informationen von «20 Minuten».»

Zudem bemängelt Kohler die Verwendung falscher Zahlen, die auch nach Aufforderung nicht korrigiert worden seien. Aber wozu das Ganze? Auch dazu hat Kohler eine Theorie; er vermutet, «dass der Urheber dieser falschen Behauptung zu jenen Leuten gehört, die «20 Minuten» den Untergang des Journalismus zuschreiben und sich nun diebisch freuen, dass die Coronakrise 20 Minuten auch trifft.»

Nun, der ehemalige Online-Chef von «20 Minuten», Hansi Voigt, prognostizierte schon nach seinem Abgang 2013, dass es die Printausgabe nur noch vier Jahre geben werde, also bis 2017. Immerhin hat sie offensichtlich auch das überlebt.

 

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert gelegentlich in der NZZ.