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Peinlich

«Republik»- und Presserat Dennis Bühler Ziel einer Beschwerde.

Bühler ist Redaktor bei der Zeitschrift der guten Denkungsart «Republik». Bühler ist auch Mitglied im Presserat, der Kontrollinstanz der Schweizer Medien.

Es ist eher selten und peinlich, dass der Presserat eine Beschwerde gegen ein eigenes Mitglied gutheisst. Wie im Fall Bühler. In einem Artikel hatte der eine ganze Latte von Vorwürfen gegen einen Badi-Pächter referiert und dabei den Namen der Badeanstalt genannt, in der er angestellt worden war. Das sei geschehen, um eine Verwechslungsgefahr mit anderen Badis zu vermeiden, lautete das schwache Verteidigungsargument des damaligen Chefredaktors Oliver Fuchs.

Nachdem die Medien über das Gutheissen dieser Beschwerde berichtet hatten, vermeldete sie auch die «Republik»: «Presserat: Mutmasslich krimineller Badi-Pächter wurde ungenügend anonymisiert». Ein nettes Nachtreten.

Die Urteile des Presserats sind häufig realitätsfern bis unsinnig. Hier stellt sich aber die Frage, ob ihm wirklich weiterhin ein Mitglied angehören kann, gegen das eine Beschwerde gutgeheissen wurde, das also selbst gegen die Regeln verstossen hat, deren Einhaltung es beaufsichtigen sollte. An Bühlers Schaffen gäbe es auch ohne diese Beschwerde genug zu kritisieren. Mit ungebremster Häme lästert er über ihm nicht genehme Journalisten oder Medienhäuser ab.

Aber all die Skandale und Skandälchen bei der «Republik» (inklusive der Unterdrückung einer grossen Reportage über die Gewerkschaft Unia, deren Mitautor er war), die waren für Bühler nie ein Thema. Ob ein solcher Mistkratzer in fremden Gärten wirklich eine Zier für den Presserat ist, der schon genügend damit zu kämpfen hat, seinen angeschlagenen Ruf zu verteidigen?

Aber vielleicht erledigt sich dieses Problem mitsamt der «Republik» …

Wumms: Susan Boos

Schönschreiben auf Primarschulniveau.

Der Schweizer Presserat ist eine, gelinde gesagt, umstrittene Einrichtung. Laut Selbstverständnis «wacht er über die Einhaltung des für alle Journalisten gültigen Journalistenkodex, der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten»».

Immer auf der Suche nach Finanzquellen hat er den «Newsletter» für sich entdeckt und benützt ihn, um zurückzukeilen: «Eine Frage, die gerne hochgespielt wird: Wozu braucht es überhaupt den Presserat?» Hochgespielt worden sei sie vom nicht namentlich genannten Markus Somm, der kräftig vom Leder zog: der Presserat sei «eine einseitige, gewerkschaftsnahe linke Organisation, die nichts anderes macht, als alle Medien, die nicht ihrem ideologischen Vorurteil entsprechen, zu bekämpfen. Der Presserat ist überflüssig

Kühne Schlussfolgerung von Susan Boos: «Dass der Mann ein Problem mit dem Presserat hat, spricht für den Presserat.» Schönschreiben wie mit der Schnürlischrift. Überhaupt, meint die Präsidentin: «Man kann sich darum foutieren. Das wäre aber, wie wenn man beim Sport sagt, man anerkenne weder Spielregeln noch SchiedsrichterInnen. Kann man machen, dann ist es aber kein Sport mehr, sondern eher ruchlose Rüpelei.»

Etwas vermessen, dass der durch nichts dazu legitimierte Presserat meint, er sei unfehlbar dazu berechtigt, die selbst aufgestellten Spielregeln zu überwachen. Wer sich nicht daran halte, betreibe «ruchlose Rüpelei».

Nun, wie der Presserat mit solche Rüpeleien umgeht, wenn sie von einem eigenen Mitglied stammen, kann man in der Entscheidung 16/2020 nachlesen. Im Vorjahr (denn der Presserat mahlt langsam, ganz langsam) hatte sein Vizepräsident Max Trossmann in einem Leserkommentar gerüpelt. Anlass war die ihm sauer aufgestossene Meinung von René Zeyer, dass im Gegensatz zur unfehlbaren Meinung des Presserats das Medienarchiv SMD kein historisches Archiv mit Aufbewahrungspflicht sei. Der Presserat hatte bemeckert, dass der Ringier-Verlag im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit rund 200 Artikel gelöscht hatte.

Da Trossmann offensichtlich nicht in der Lage war, der stringenten Argumentation etwas entgegenzusetzen, rüpelte er den Autor an:

«René Zeyer ist sicher der berufenste Fürsprecher von Ringiers unternehmerischen Interessen. Und berufen, für den Journalistenkodex einzustehen. So wie er sich für Jean-Claude Bastos ins Zeug legt. Oder für Raiffeisen. Und sich anderntags als PR-Profi andient. Zeyer spreche ich als Autor jede Glaubwürdigkeit ab. Basta. Max Trossmann, Historiker und Publizist, Vizepräsident Schweizer Presserat.»

Dagegen reichte Zeyer Beschwerde ein, mit der Begründung, dass Trossmann belegfrei und verleumderisch Zeyers Reputation in den Schmutz gezogen hatte. Zudem habe der Kommentar nichts mit dem Inhalt des Artikels zu tun und stelle Zeyer als käuflich dar. Eine so schwere Anschuldigung, dass Zeyer zuvor hätte angehört werden müssen.

Der Presserat schlich sich daraufhin nach mehr als reiflichem Kopfkratzen aus der Verantwortung, indem er spitzfindig bemerkte: «Die Intervention Trossmanns ist keinesfalls ein journalistischer Inhalt, sondern eine sehr kurze und scharf geäusserte persönliche Meinung. Die Beschwerde ist in diesem Sinne falsch adressiert, auf sie ist nicht einzutreten.»

Mit Krokodilstränen in den Augen fügte der Tugendwächter hinzu: «Der Presserat bedauert aber die spontane Intervention seitens seines Mitglieds.» In anderen Fällen verurteilt er genauso spitzfindig angebliche Übeltäter. ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit diesen Grenzüberschreitungen befassen.

Ein angeblicher Wächter über die Spielregeln des Journalismus, der eine solche Rüpelei seines Vizepräsidenten ungerügt durchgehen lässt, hat nun tatsächlich jegliche Berechtigung verspielt.

Wumms: Pascal Hollenstein

Inzwischen hat die publizistische Leiter nach unten den Journalismus verlassen. Gut so.

Sein Wirken als Büttel für Jolanda Spiess-Hegglin dürfte eine wesentliche Rolle bei seinem abrupten Abgang von der zweitobersten Position im Reiche Wanner, also bei CH Media, gespielt haben.

Nach längerem Suchen wurde ein warmes Plätzchen für ihn gefunden. Pech hat das Bundesamt für Umwelt. Er wird Leiter Kommunikation. Mal schauen, wie weit diese Leiter nach unten führen wird.

Sozusagen als Restanz aus seiner unglücklichen journalistischen Tätigkeit hat nun noch der Presserat Pascal Hollenstein eine Rüge übergebraten. Wäre er noch im Amt, wäre er wohl der einzige publizistische Leiter der Schweiz, dessen Vorbildfunktion von einem Tadel überschattet würde.

So ist die Entscheidung nur noch eine Randnotiz für einen Gescheiterten. In seinem steten Bemühen, JSH so strahlend wie möglich und ihre Kritiker so hässlich wie möglich darzustellen, ging er in einer Polemik zu weit. In der Auseinandersetzung um die mögliche Publikation eines Buchs der Tagi-Journalistin Michèle Binswanger, bei der JSH einige Pyrrhussiege erzielte, behauptete Hollenstein nassforsch: «Es stehe der «Verdacht im Raum», dass Arthur Rutishauser und Binswanger ««den Gerichten als auch der Öffentlichkeit gegenüber unwahre Angaben» gemacht haben», wie der Presserat zusammenfasst.

Der Kernpunkt der unanständigen Unterstellung Hollensteins: «Wie aus der Beschwerde Spiess-Hegglins hervorgeht, steht dabei der Verdacht im Raum, dass die Tamedia-Seite sowohl den Gerichten als auch der Öffentlichkeit gegenüber unwahre Angaben gemacht hat.»

Ein starkes Stück, bei solchen massiven Anrempeleien weiss eigentlich jeder Journalist, ausser, er ist publizistischer Leiter, dass die so Angepinkelten die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten müssten.

Dazu sagt der Presserat das Nötige:

«Vor Gericht die Unwahrheit zu sagen ist im Moral- und Rechtsverständnis einer durchschnittlichen Leserin oder eines Lesers zweifellos ein gravierendes Fehlverhalten. Dass der «Verdacht» dazu im Raum steht, ist ein schwerer Vorwurf.»

Daher sei es selbstverständlich, dass die Betroffenen angehört werden müssen.

Dadurch hätte es aber sein können, dass diese flotte Rempelei nicht veröffentlicht worden wäre. Und das fand Hollenstein, auf seinem Feldzug für JSH, natürlich gar nicht gut. Also verzichtete er darauf. Das brachte ihm nun diese Rüge sozusagen post mortem ein. Es ist zu hoffen, dass dieses Urteil des Presserats seinen Beitrag dazu leistet, dass Hollenstein nie mehr in den Journalismus zurückkehrt.

Serie Sommerloch: Kleinkrieg

Kleingehacktes vom «Klein Report».

«Zudem sei es im Rahmen einer Klage auf Gewinnherausgabe nicht notwendig, ein Feststellungsbegehren zu stellen – auch die Klärung dieser Rechtsfrage könnte für Betroffene wichtig sein, so Juristin Zulauf.»

Wir merken uns diese grandiose Schönschreibung einer Niederlage.

Denn der selbsternannte «Mediendienst der Schweizer Kommunikationsbranche» erweist seiner Reputation mal wieder einen Bärendienst. Genauer einen Bärinnendienst.

Journalismus sollte, daran muss immer wieder erinnert werden, einen gewissen Kontakt mit der Realität aufrechterhalten, will er nicht Märchendienst heissen. Zum besseren Verständnis des hier Geschilderten muss man wissen, dass die Betreiberin Ursula Klein vor Kurzem selbst eine krachende Niederlage gegen die Mediendatenbank SMD, vertreten durch den Ringier-Anwalt Matthias Schwaibold, erlitten hat. Zum journalistischen Anstand würde es auch gehören, dass Klein erwähnen könnte, dass sie ihrerseits von Ringier mit einigen Klagen eingedeckt wurde. Weil sie ziemlich nassforsch in die Privatsphäre des Ringier-CEO eindrang.

Klein forderte in ihrer Klage eine Millionensumme für die angeblich widerrechtliche Speicherung ihrer Artikel im SMD. Das prozessierte sie von Niederlage zu Niederlage bis zum Bundesgericht hoch, wo es dann die endgültige Klatsche absetzte. Erstaunlicherweise wurde sie dabei aber nur anfänglich von RA Rena Zulauf vertreten, die das gleiche Prinzip zuungunsten ihrer Mandantin Jolanda Spiess-Hegglin anwendet. Prozessieren von Niederlage zu Niederlage, Mandant zahlt.

Nun gibt es einen Entscheid des Zuger Kantonsgerichts in der epischen Fehde von JSH gegen Ringier, die eigentlich nichts lieber will, als endlich aus den Schlagzeilen zu verschwinden. Was sie damit betreibt, dass sie ständig und unablässig dafür sorgt, dass die Ereignisse bei einer Zuger Politikerfeier anno 2014 im Fokus der Öffentlichkeit bleiben.

Der Entscheid besagt, dass Ringier detaillierte Zahlen herauszugeben hat, mit denen dann eine Gewinnberechnung von vier von fünf eingeklagten Artikeln möglich sein sollte. Denn auf diese Gewinnherausgabe klagt JSH.

Dafür hat RA Zulauf beantragt, dass das Gericht feststellen möge, dass die Persönlichkeit ihrer Mandantin anhaltend verletzt sei. Darauf antwortet das Zuger Tribunal: nein, wir «treten auf diese Forderung nicht ein». Auf Deutsch: Klatsche, Antrag abgeschmettert, weitere Niederlage. Aber im realitätsfernen Orwellsprech von Zulauf wird das zu einer «Klärung einer Rechtsfrage». Mit Kostenfolge für ihre Mandantin.

Klein lässt schon ganz am Anfang ihrer freihändigen Interpretation des Entscheids ihrem Rochus freien Lauf: «Schwere Schlappe für die Ringier AG und ihren Anwalt Matthias Schwaibold», behauptet sie. Dabei geht es hier lediglich um etwas, was man als technicality bezeichnen muss, eine technische Einzelheit.

«Die nachträgliche hastige Löschung aller Beiträge über Jolanda Spiess-Hegglin durch Ringier AG hat dem Medienunternehmen bezüglich der Gewinnherausgabe keinen rechtlichen Vorteil verschafft», behauptet Zulauf, obwohl genau deswegen der rechtliche Vorteil entstand, dass ihr Antrag auf Feststellung abgeschmettert wurde.

Dann widmet sich Klein, aus eigener leidvoller Erfahrung, der SMD. Denn der Schweizer Presserat hatte anlässlich der Löschung von «Blick»-Artikeln über JSH faktenfrei behauptet: «Dieser willkürliche Eingriff in die Archivfreiheit verfälscht das Bild dessen, was Schweizer Medien zum Fall Spiess-Hegglin/Hürlimann publizierten.»

Damit verwechselte der Presserat allerdings ein privat betriebenes Medienarchiv mit einem sozusagen offiziellen Aufbewahrungsort wie eine Staatsbibliothek, wo alle Dokumente anhaltend archiviert werden müssen. Während in der SMD ständig und aus den verschiedensten Gründen Einträge gelöscht werden.

Dann lässt Klein auch noch jeglichen Kontakt mit zeitlichen Abläufen fahren: «Bekannt war damals auch ein Fall aus dem Jahr 2013, als ein Porträt des «Tages-Anzeigers» über Somedia-Verleger Hanspeter Lebrument, das diesem nicht behagte, gelöscht worden war.» Diese Löschung fand allerdings in Wirklichkeit 2018 statt. Und die Löschung der Hegglin-Artikel passierte nicht 2014, wie von Klein behauptet, sondern ebenfalls 2018.

Seit im Umfeld von Donald Trump das Wort von «alternativen Wahrheiten» in die Welt gesetzt wurde, ein anderer Ausdruck für Fake News, gibt es wohl wenig geeignetere Beispiele als diesen Fantasie-Artikel, was passiert, wenn persönliche Rachsucht, Voreingenommenheit und schludriger Umgang mit einfachen Zeitangaben eine unbekömmliche Mischung ergeben, die Autorin und Organ disqualifizieren.

Dass sich JSH fleissig an dieser Geschichtsumschreibung beteiligt, mag nicht verwundern. Dass Anwältin Zulauf unbeeindruckt mit Eigenmarketing glänzt, hingegen schon.

 

 

 

 

Wumms: Rainer Stadler

Wenn’s einer nicht lassen kann, wird’s traurig.

Rainer Stadler war eine Institution. Jahrzehntelang begleitete er als Medien-Mann der NZZ alle Entwicklungen auf diesem Gebiet. Informiert, eigenständig und kantig. Als Spielfeld hatte er eine eigene Medienseite. Das leistete sich nur noch das Intelligenzblatt von der Falkenstrasse.

Dann wurde Stadler eher unfein entsorgt, nach ihm die Medienseite. Nun hat er auf der Gratis-Plattform «Infosperber» einen Multiplikator für seine Ansichten gefunden. Das tut nicht wirklich gut.

So analysiert er die Folgen des Neins zur Milliardenspritze für darbende Medienclans recht eigenwillig. Er sieht einige Hoffnungsschimmer im Online-Markt, wo neue Player enstanden seien:  «Einige Initianten – etwa Branchenportale, die «Republik» oder der «Infosperber» – konnten Fuss fassen. Der Grossteil muss aber mit sehr bescheidenen Mitteln zurechtkommen, und das Informationsangebot dieser Akteure ist öfters ungenügend.»

Nun ist Eigenlob nicht verboten, aber die Auswahl ist schon etwas befremdlich. Die «Republik» ein Branchenportal? Der «Infosperber» muss nicht mit bescheidenen Mitteln zurechtkommen? Und wie steht’s mit dem erfolgreichsten Newscomer, «Die Ostschweiz»*?

Aber gut, Meinungsfreiheit. Dass die Ablehnung eine schlechte Nachricht für den Presserat sei, ist eigentlich eine gute Nachricht. Denn das Organ der freiwilligen Selbstkontrolle manövriert sich mit realitätsfernen Entscheidungen immer mehr ins Aus.

Sehr eigen ist dann Stadlers Kritik am Ansinnen von Medienhäusern, sich an grossen Plattformen wie Facebook oder Google schadlos zu halten, wenn die Newselemente verwenden, die als Content hergestellt wurden. Das ist selbstverständlich legitim, sofern die Medien nicht so blöd sind, das Angebot zur vermeintlichen Reichweitensteigerung gratis abzugeben. Aber Stadler schimpft:

«Mit einem Leistungschutzrecht verschaffen sich die Medienhäuser die Legitimität für einen Zugriff auf kontinuierliche Einnahmen, die den Anschein einer privatwirtschaftlichen Lösung haben, faktisch aber eine intransparente Art Medienförderung sind, welche die Staaten ein paar amerikanischen Grosskonzernen aufzwingen.»

Was daran intransparent sein soll und wieso die Forderung nach Abgeltung von Leistungen Medienföderung sein soll, das erschliesst sich nicht.

*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert regelmässig auf «Die Ostschweiz».

 

Unrat vom Presserat

Ein Gremium schafft sich ab. Mehr und mehr.

Eigentlich ist der Presserat eine gute Sache. Er soll es Medienopfern ermöglichen, zumindest moralisch Recht zu bekommen. Sie können ihren Fall dem Presserat vorlegen, der sich gratis darüber beugt und zu einem Urteil gelangt.

Fast wie ein echtes Gericht, mit Kammern, Erwägungen und Urteilen. Das schärfste Schwert ist dabei die Rüge. Die wird ausgesprochen, wenn gegen den Journalistenkodex verstossen wurde. Das ist sozusagen das Gesetzbuch, auf dem die Rechtsprechung des Presserats basiert.

Die Medien sind gehalten, solche «Stellungnahmen» zu publizieren. Woran sie sich immer weniger halten. Nicht, weil sie nicht kritikfähig wären. Sondern weil der Presserat immer realitätsferner urteilt.

Schon einer der ersten Artikel auf ZACKBUM befasste sich mit dem «Patient Presserat».  Seither ist er nicht wirklich gesünder geworden.

Zwischendurch als Packungsbeilage: der Autor wurde noch nie gerügt; einmal gelangte er an den Presserat mit dem Anliegen, ein Mitglied des erlauchten Gremiums zu rügen, das sich ungehörig öffentlich geäussert hatte. Überraschungsfrei wurde auf die Beschwerde mit gewundener Begründung nicht eingetreten.

Aktuelle Beschwerde gegen den «Tages-Anzeiger»

Aber zurück in die Aktualität. Mit Entscheidung 70/2021 heisst der Presserat eine Beschwerde gegen den «Tages-Anzeiger» gut:

«Die Tamedia-Publikationen (Online und gedruckte Versionen) haben mit dem Artikel «Kesb-Gutachten: Umstrittener Gutachter in Bedrängnis» respektive «Verstoss gegen die Berufsordnung» gegen die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Anhören bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.»

In seiner Begründung macht das Gremium einen Spagat, den nur von der journalistischen Praxis losgelöste Elfenbeinturmbewohner hinkriegen. In dem inkriminierten Artikel sei ein Vorwurf zwar mit Verweis auf einen früheren Artikel belegt worden. Ist die Kritik also nicht neu, reiche «nach der Praxis des Presserates eine Zusammenfassung aus». Aber: «In diesem Fall liegen aber die Informationen, auf die sich der Artikel bezieht, viel zu weit zurück.»

Weit ist durchaus relativ; der Artikel Anfang Dezember 2020 bezog sich auf einen Vorgänger vom April 2019. Ganz abgesehen davon, dass der Vorwurf «überrissene Rechnungsstellung» inhaltlich richtig ist.

Weiter wurde dem Beschwerdeführer im Artikel vorgehalten, er biete «psychiatrische» Dienstleistungen an, ohne über die entsprechende Qualifikation zu verfügen. Auch dieser Vorwurf ist richtig, aber der Presserat hat zu bemängeln, dass dem KESB-Gutachter nicht explizit Gelegenheit gegeben wurde, dazu Stellung zu nehmen.

Also sei sowohl gegen die Wahrheitspflicht wie gegen die Pflicht zum Anhören bei schweren Vorwürfen verstossen worden. Dass im Artikel eine ganze Latte weiterer mit Zeugenaussagen unterlegter Vorwürfe erhoben wird, die ein gelinde gesagt problematisches Bild von der Persönlichkeit und dem Verhalten des Gutachters malen, also eine Gesamtbeurteilung zulassen, ist dem Presserat schnurz.

Die gemassregelte Autorin streut Asche auf ihr Haupt: «Ich nehme diese Kritik des Presserats ernst und habe den gerügten Satz im Online-Artikel angepasst.»

Presserat Richtung «Fairmedia» unterwegs

Leider geht der Presserat immer mehr den gleichen Weg wie «Fairmedia». Anstatt schwachen Medienopfern gratis zu helfen, macht sich dieser Verein zum Sprachrohr einer umstrittenen Persönlichkeit, die ihr eigenes Schicksal zum Geschäftsmodell weiterentwickelt hat. Seine bedauerliche Verirrung mussten wir schon mehrfach rügen.

Solche Urteile, Gegendarstellungen, Kritiken am manchmal über die Stränge schlagenden Rüpel-Journalismus sind dringend nötig und wertvoll. Damit sie aber ihre Bedeutung und Wirkung behalten, müssen die Richter darauf achten, ihren eigenen Ruf nicht zu verspielen. Denn nur daraus beziehen sie eine gewisse Autorität. Daher sind solche Stellungnahmen sehr bedauerlich.

Der Blick macht jetzt auf Transparenz …

… hat aber noch Luft nach oben.

Die Wochenzeitung WoZ hat letzthin Schleichwerbung im Blick angeprangert, in Zusammenhang mit der Abstimmung über die e-ID. Nun hat Blick.ch am 28.1.2021 eine Art Policy aufgeschaltet. Das Boulevard-Portal schreibt selber dazu:

«Auf Blick.ch stehen einerseits völlig unabhängige, redaktionelle Artikel. Andererseits klar deklarierte, bezahlte Inhalte von Werbekunden. In jüngster Zeit gab es eine Diskussion darüber, ob diese genügend erkennbar sind».

Böse Zungen sagen nun, dass Blick von sich aus eingeknickt ist, weil am 26.1.2021 das Referendumskomitee gegen das e-ID-Gesetz beim Presserat eine Beschwerde gegen Ringier eingereicht hat. Immerhin gut 2000 Bürgerinnen und Bürger unterstützten sie online. Auch wenn das nicht stimmen sollte, orakelt Blick selber, «ob bezahlte Inhalte von Werbekunden genügend erkennbar» waren.

Nun also die komplette Transparenz, zwei Tage nach dem Eintreffen der Beschwerde beim Presserat.

Doch nach einem Gang zum Kiosk vergangenen Sonntag dann die Ernüchterung. Eine rechte Seite weit vorne im ersten Bund handelt vom wunderschönen Saas-Fee. Noch nicht eingelöst wurde offensichtlich folgendes Versprechen:

Diese Inhalte werden auf Artikelebene zusätzlich gleich am Anfang versehen mit dem Vermerk: «Das ist ein bezahlter Beitrag, präsentiert von xx».

Erwähntes Textli erschien im Gegensatz zur recht prominenten Aufmachung hier auf ZACKBUM.ch im Saas-Fee-PR-Text weit unten und in leicht übersehbarer, kleiner Schrift. Eine bessere Fussnote. Bleibt zu hoffen, dass eine allfällige nächste politische Publireportage dann klarer gekennzeichnet ist.

 

Im Zweifel für den Angeklagten

Bei diesem Urteil des Presserates zugunsten der Branchenorganisation «Pro Viande» war Zähneknirschen hörbar.

Zähneknirschen deshalb, weil der Fall genau eines der vom Presserat oft kritisierten Themen betraf: die leicht übersehbare Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung. Eine Zeitungsseite in der «Sonntags-Zeitung» über die Nachhaltigkeit von Schweizer Fleisch, natürlich gestaltet im Layout der «Sonntags-Zeitung».

Zur Erinnerung: Im Jahresbericht 2020 des Presserates ging Max Trossmann, Co-Vizepräsidenten dieses Presserates, detailliert ein auf das Täuschungspotenzial der Werbeindustrie. «Angetrieben von immer neuen Beschwerden beschäftigte den Presserat ein Thema im vergangenen Jahr stark: der vermehrte Einsatz der verschleiernden Werbeform des sogenannten Native Advertising», schrieb Trossmann dazu. Es folgte eine lange Abhandlung über die Formen und Gefahren dieser Publireportagen. Beim Thema «Publireportagen» ist Trossmann also ohne Zweifel vorbelastet.  Trotzdem hat er zusammen dem Präsidenten Dominique von Burg sowie dem Co-Vizepräsidenten Casper Selg kürzlich über das heikle Thema «Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung» befunden. Das Urteil traf anfangs Januar 2021 bei den Parteien ein. Es fiel erstaunlicherweise im Sinne der Angeklagten, der PR-Agentur «Pro Viande» aus. Eine Organisation, die Urs P. Gasche vom Infosperber 2019 so beschrieb: «Die Aufgabe der Organisation der Fleischlobby Proviande ist es, den Absatz von Schweizer Fleisch zu fördern. Der Bund subventioniert die Proviande-Fleischwerbung mit mehreren Millionen Steuergeldern. Indirekt subventioniert der Bund damit die unsägliche Vermischung von Werbung und unabhängiger Information in grossen Zeitungen.»

Die Geschäftsidee von «Pro Viande ist also nicht neu». Auf deren Website heisst es: Die Inhalte der Publireportagen sind dabei auf das jeweilige Online- oder Print-Medium und sein Publikum zugeschnitten: die Inhalte werden zielgruppengerecht vom jeweiligen Medium im Auftrag von Proviande produziert.» Und noch ein Inhalt von der Website: «Laut Statuten erfüllt Proviande Leistungsaufträge des Bundes».

Ohne Ideologie geurteilt

Trotzdem liess das hochkarätige Richtergremium des Schweizerischen Presserates ihre Ideologie im Schrank. Davon konnte sie auch der neckische Autorenhinweis am Ende des Textes nicht abhalten: «Dieser Beitrag wurde von Commercial Publishing in Zusammenarbeit mit Proviande erstellt. Commercial Publishing ist die Unit für Content Marketing, die im Auftrag von 20 Minuten und Tamedia kommerzielle Inhalte produziert.»

Der Presserat urteilte zwar, dass «die Schriftgrösse der Anschrift Anzeige von Proviande gering ist, sie kann leicht übersehen werden. Auch der Begriff «Sponsored» sei verwirrend, da es sich hier um eine bezahlte Anzeige von «Proviande» handelt und nicht um Sponsoring. «Dennoch hat die «Sonntags-Zeitung» die Anzeige als solche klar genug gekennzeichnet, allein im Kopfteil finden sich drei Hinweise auf den kommerziellen Inhalt», sind sich Dominique von Burg, Casper Selg und Max Trossmann einig.

Beurteilung des Inhalts? Nicht zuständig

Wie gut und korrekt der Inhalt ist – immerhin von Tamedia-Mitarbeitern geschrieben – lassen die drei Herren offen. «Es gehört nicht in den Zuständigkeitsbereich des Presserats, den Inhalt der Anzeige von Proviande auf deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, weshalb er sich dazu nicht äussert.»

Beruhigend für die Werbewirtschaft dann das Schlussfazit: «Entsprechend tritt der Presserat nicht auf die Beschwerde ein, sie ist offensichtlich unbegründet.»

Anders sieht das die Szene der Vegetarier und Kämpfer gegen «Tierfabriken». Im Internet liefen sie Sturm gegen den verfänglich gekennzeichneten Artikel. Vergeblich.

 

«Blick» in den Abgrund

Blick verzerrt Urteil

Unter Journalisten bedeutet eine Rüge des Schweizer Presserates keineswegs das Ende der Karriere. Wir wollen Korrelation und Kausalität nicht verwechseln, aber in der Regel gilt: Ein guter Journalist ist mindestens schon einmal vom Schweizer Presserat getadelt worden. Nur so nebenbei: Der Schreibende hat schon zweimal eine Rüge erhalten.

Der «Blick» wurde natürlich auch schon ein paar Mal vom Tugendrat geohrfeigt. Alleine 2020 war der «Blick» bereits neunmal Thema beim Presserat. Blick.ch übrigens häufiger als der «Blick».

Journalismus ist wie Fussball. Grätschen, Schwalbe, Spucken, Trikotzupfen – wer das nicht aushält, sollte die Sportart wechseln. Aber: Wer bei Rot nicht vom Feld geht, ist peinlich. Ein Gentleman akzeptiert den Entscheid des Schiris. Übersetzt auf den  Journalismus: Ein Entscheid des Presserats wird veröffentlicht, ohne Wenn und Aber.

Elogen von Michael Ringier

Ist der «Blick» ein Gentleman? Ja, würde Michael Ringier wohl sagen. Der Verleger behauptet im aktuellen Firmenmagazin Domo: «Ich habe ein hochprofessionelles Ringen um Fakten, um die Annäherung an Wahrheit erlebt, es gab dieses Gefühl für Verantwortung, für Fairness, für Redlichkeit.» Ringier meint dabei den Journalimus à la maison.

Am 8. Juli 2020 schrieb der berühmte Blick-Journalist Ralph Donghi eine Geschichte über eine junge Frau, «die trotz Corona-Erkrankung und verordneter Isolation in den Ausgang ging.» Donghi ist für Ringier, was das Sturmgeschütz III für die deutsche Wehrmacht war: die perfekte Allzweckwaffe.

Donghi spürte ein Foto von der 21-Jährigen auf und schoss Fotos von ihrer Wohnung. Wer in der Gegend der jungen Frau wohnt, erkennt sie sogleich. Da nützt auch der Verbrecherbalken vor dem Gesicht nicht

Schwarzer Balken

Der Presserat hat Blick natürlich gerügt, alles andere wäre ein Skandal gewesen.  Er schreibt: «Der Presserat befand, «Blick» habe mit der Häufung persönlicher Angaben, einem Porträtfoto und dem Bild des Hausteils, in dem die Frau wohnt, deren Privatsphäre verletzt.»

Und was ist mit dem Balken? Wieder der Presserat: «Die junge Frau war trotzdem durch die Kumulation der Angaben für Personen, die nicht zur Familie, dem sozialen oder beruflichen Umfeld der Frau gehören, identifizierbar.»

Der «Blick» veröffentlichte am 26. November die Rüge vom Presserat. Allerdings, und das macht die Zeitung enorm unsympathisch, wird hinzugefügt: «Die Betroffene wurde in der Berichterstattung anonymisiert – und ihr Foto mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht.» Eben nicht, und das hat der Presserat ja gerügt: Das Gesicht der jungen Frau ist erkennbar. Die Redaktion könnte ja den Praxistext machen, ein Foto ihrer Kinder ähnlich unkenntlich machen und darüber titeln: «Diese Schlampe taugt zu gar nichts.»

Einen Fehler einzugestehen, benötigt ein bisschen Überwindung, aber vor allem: Eier. Wir attestieren Blick.ch zumindest ein Ei. Er übernahm nämlich anstandslos eine Meldung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Das zweite Ei billigen wir blick.ch dann zu, wenn er endlich das Foto der jungen Frau entfernt.

 

«Mangelnder Respekt vor der Leserschaft»

Ein Bündnerfleisch-Artikel in 20Minuten ist exemplarisch für die Branche.

Laut «20 Minuten» wissen die Leser nun, dass «Metzger Bündnerfleisch auf 40’000 Metern trocknen lassen». Man kann die «Mission High Dry» am 13. September sogar live verfolgen. Es sei ein jahrhundertealter Prozess, den man nun «mit wenig Technologie nachbessern möchte». Eine Crew wolle herausfinden, was passiert, wenn Bündner Fleisch auf 40’000 Metern getrocknet werde. Im Artikel jubilieren die vier beteiligten Bündnerfleischfabrikanten, der Verband Bündner Fleischfabrikanten und natürlich der Geschäftsführer der Tourismusorganisation Graubünden. Einigermassen lustig ist, wie die vier Bündnerfleischfabrikanten wie Bruce Willis & Co. im Film Armageddon ins Bild stolzieren.

Nicht gekennzeichnet

Weniger lustig ist, dass der Werbebeitrag in 20 Minuten nicht als Werbung, Native Advertising, Publireportage, Paid Post oder was auch immer gekennzeichnet ist. Eliane Loum-Gräser, Kommunikationsverantwortliche 20 Minuten, schreibt dazu, dass dies in diesem Fall auch nicht notwendig sei, da es sich um einen redaktionellen Beitrag basierend auf einer Medienmitteilung handle und nicht um einen Paid Post. Es sei in diesem Fall also kein Geld geflossen. 20 Minuten schreibe «täglich über Produkte oder Firmen und tut dies dann, wenn es für die Leserschaft relevant oder von Interesse ist und nie aus reiner Gefälligkeit». Beiträge zur «Mission high dry» seien beispielsweise ebenfalls auf FM1, in der Südostschweiz und beim Blick erschienen.

ZACKBUM findet aber: Das ist trotzdem Verarschung am Leser, denn es geht hier einzig und alleine um Verkaufsförderung eines getrockneten Stücks Fleisch. Dabei ist es offiziell erst noch erlaubt, das benötigte Frischfleisch aus Argentinien und Brasilien zu importieren. Wenn es dann in Graubünden und zu 99 Prozent in Industriehallen getrocknet wird, heisst es plötzlich Bündnerfleisch. Das wäre dann die zweite Verarschung.

Gegen die Glaubwürdigkeit des Journalismus

Im Jahrheft 2020 des Schweizer Presserats hat Vizepräsident Max Trossmann eine lesenswerte Abhandlung über diesen Werbebschiss geschrieben: «Steter Tropfen höhlt den Stein». Das Eindringen von kommerziellen Inhalten ohne Kennzeichnung in den redaktionellen Teil zeuge von einem Mangel an Respekt vor der Leserschaft. «Es untergräbt die Glaubwürdigkeit des Journalismus», so Trossmann. Er schreibt, dass bei vielen Verlagen die Werbetext-Abteilungen «strikte von der Redaktion getrennt» seien. Es gebe keinen Austausch und keinerlei Absprachen. Wer’s glaubt? Amüsant ist etwa die Aussage des Gratisportals «watson», die Redakteure wüssten nie, um welche Firma es handle, wenn sie Werbetexte und Beträge produzieren müssten. So ahnungslos sind doch nicht einmal Knackeboul und Madeleine Sigrist, wenn sie in den  «World of Watson»-Filmchen (präsentiert von z.B. der Groupe Mutuel) auftreten.

Supino & Co. tragen die Verantwortung

Immerhin, im Gegensatz zu Watson sind die Abteilungen bei anderen Verlagen zumindest im Organigramm abgetrennt. Bei der NZZ-Gruppe nennt sich das «NZZ Content Solutions», bei Tamedia «Commercial Publishing», bei Ringiers «Blick»-Gruppe «Brand Studio». Doch laut Max Trossmann tragen schlussendlich die Verleger die Verantwortung. Es liege an ihnen, dass die «Content Producer» kodexkonform arbeiten. Da wären wir also wieder bei Michael Ringier, Peter Wanner – und Pietro Supino, der neben den Tamedia-Zeitungen auch «20 Minuten» verantwortet.

In einer ersten Version konnte sich 20 Minuten nicht zur angebrachten Kritik äussern. Die angepasste Version enthält auch Statements von 20 Minuten.