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Gspürsch mi?

Ein Interview, aus dem der Schleim tropft.

Der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth ist von seiner zweimonatigen Auszeit zurück. Die genoss er auf Kosten des Steuerzahlers und unter Missachtung seiner parlamentarischen Verpflichtungen in Vietnam und auf den Philippinen. Da es sich um einen Langstreckenflug handelte, fällt der nicht unter seine Forderung nach Flugverboten. Flugscham scheint aber auch kein Thema bei Familie Wermuth zu sein.

Immerhin wird in einem Erklärkasten ganz neutral das Thema «Lohnabzug» angesprochen. Aber ansonsten erreicht Jacqueline Büchi einen neuen Tiefpunkt des Lobhudel-Journalismus, wie er auch der «Prawda» gut anstünde, wenn sie den russischen Präsidenten interviewte.

Wenn es gegen Kritiker der offiziellen Corona-Politik oder vor allem gegen den damaligen Bundesrat Maurer ging, konnte niemand Büchi an Schärfe toppen: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land.»

Glücklicherweise kam die Schweiz, wohl wegen dieser dröhnenden Warnung vor dem «Zeusler» Maurer, knapp an einem Bürgerkrieg vorbei.

Ganz anders, nämlich auf Sanftpfoten, nähert sich Büchi aber nun ihrem Idol Wermuth, den sie gleich am Anfang anschmachtet: «Sind Sie schon wieder angekommen in Bundesbern?» Da kann er gleich den kräftigen Macher geben, am Donnerstagabend von den fernen Philippinen angekommen, gleich nach Genf, Parteitag, Montag Session.

Aber vorher, fasst Büchi sanft nach, stand er in Gefahr eines Burnout, wurde alles zu viel, hat er mit sich gerungen? Da darf er ganz den sensiblen Politiker geben, der Mensch geblieben ist: «Ich hatte ein schlechtes Gewissen Mattea gegenüber.» Interessant, nicht etwa dem Steuerzahler und Wähler gegenüber, der ihn eigentlich nicht für eine zweimonatige Fernreise bezahlt oder gewählt hat.

Aber Wermuth ist eben ein sehr woker Mann: «Unsere ganze Arbeitswelt ist geprägt von einer ungesunden, sehr männlichen Vorstellung davon, wie man führt.» Aber nicht mit ihm, er inkludiert sensibel: «Wir haben als Familie viel über die Zukunft gesprochen.»

Das kann man halt am besten etwas ab vom Schuss. Und wie war denn so das innigliche Familienleben, tastet Büchi weiter ab: «Es war wohl das erste Mal, dass meine Töchter, meine Partnerin und ich zwei Monate lang 24 Stunden am Tag zusammen waren. Dieses ständige Aufeinanderhocken ist natürlich nicht ganz reibungsfrei. (lacht)»

Wunderbar, ein Mensch mit Schwächen und dem Mut, das öffentlich zu machen. Dann noch die obligate Schlussfrage:

«Und welche Eindrücke nehmen Sie aus Vietnam und von den Philippinen mit?
Vor allem: viel Demut. Die Reise führte mir nochmals vor Augen, wie viel Glück und Zufall es ist, in der Schweiz geboren zu sein

Man muss ja einen Weltenbummler nicht gleich zum Empfang so abwatschen, wie das Büchi mit ihr missliebigen Politikern tut. Aber ein Interview zu führen, bei dem der Schleim aus jeder Zeile tropft, das ist nun doch so unappetitlich, dass sie damit Wermuth keinen Gefallen getan hat. Sich selbst auch nicht, aber Qualitäts- und Niveaukontrolle bei Tamedia war gestern, heute ist ungehemmter Gesinnungsblasenjournalismus.

Vom Kritiker zum Leibwächter

Vierte Gewalt, unbestechlich, gerecht, kritisch? War mal, ist nicht mehr. Höchstens anders.

Um es zu sagen, wie es ist: die Massenmedien sind – nicht nur – aber vor allem – in der Schweiz auf den Hund gekommen. Das kommt halt davon, wenn man es drei Familienclans überlässt, die Medienszene immer mehr zu beherrschen und schliesslich zu einem Duopol zu degenerieren.

Mit sauber getrennten Gärtchen; wo CH Media regiert, ist Tamedia still, und umgekehrt. Dann gibt’s noch Ringier als nicht mehr so wichtigen, überregionalen Dritten, und die NZZ for the happy few.

Plus eine Latte von Spartenblättern, von Bedienern ihrer Klientel in der miefig riechenden Gesinnungsblase, wo Haltung fast alles, Analyse und Nachdenken fast nichts ist. Gibt es Lichtblicke? Natürlich, jede Menge eigentlich. Während die dummen und verfetteten Medienmanager bis heute noch keine sinnvolle Antwort auf das Internet gefunden haben, spriessen dort natürlich kreative Neupflanzen aus allen Bytes.

Gegenmassnahmen durchaus schräger als erwartet

Allerdings meistens mit sehr überschaubarer Einschaltquote. Aber es gibt auch Versuche, in die Breite zu wirken. Um nicht im Ungefähren zu bleiben, nehmen wir die Ostschweiz. Genau, alles im Einzugsgebiet eines Dialekts, der zu Recht als praktisches Verhütungsmittel angesehen werden kann.

So einfach holt man als Zürcher Sympathiepunkte im Wilden Osten der Schweiz. Nun braucht es nur noch eine kurze Packungsbeilage. Der Autor dieses Artikels publiziert regelmässig in «Die Ostschweiz». Die meisten Zahlen, die hier folgen, hat er überprüft, aber im Wesentlichen geklaut. Aus der «Ostschweiz», woher sonst.

Letzte Packungsbeilage: die Bande zur «Ostschweiz» verfestigten sich, als das «St. Galler Tagblatt» zwar mutig genug war, auf einer Doppelseite einen Artikel von mir über den in St. Gallen residierenden Sherkati-Clan zu veröffentlichen. Aber nicht mutig genug, einem von denen ausgesandten Büttel zu widerstehen, der zwar keinen einzigen sachlichen Fehler bemeckern konnte (ausser einem Dreher von Nach- und Vorname), aber natürlich mit Gewitter, Sturm und auch Hagel drohte.

Also verschwand der Artikel aus dem Netz, um in «Die Ostschweiz» wiederbelebt zu werden.

Die hatte keinen Schiss – und es passierte natürlich auch nix. Das die Ouvertüre.

Als reitender Bote hat’s der Mainstream schwer

Denn «Die Ostschweiz» klopft sich etwas auf die Schulter. Da erledigt ihr VR-Präsident Peter Weigelt persönlich.

«15. April: 46’000 Single Visitors an einem Tag. Rekord bislang.»

Es geht also offenbar, ein reines Internet-Newsmedium mit Tentakeln in die Realität wie ein Magazin zu lancieren. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber stetig.

Er hält aber nicht nur Nabelschau, sondern exemplifiziert die Misere der Medien in der Schweiz an ein paar einfachen Zahlen. «Alle vier grossen Medienkonzerne haben mit Blick auf massive staatliche Beihilfen – sprich Subventionen – ihre Aufgabe als 4. Gewalt im Staat aufgegeben. Sie haben sich zu reinen «Verlautbarungs-Medien» gewandelt», sagt VRP Weigelt.

Er untermauert das dann mit Zahlen. Zusammen mit der Posttaxenverbilligung, dem reduzierten Mehrwertsteuersatz und weiteren Vergünstigungen flossen den Tagblatt-Medien damit allein 2020 insgesamt über 10 Mio. Franken an staatlichen Unterstützungsbeiträgen zu. Also elektronische und Printmedien zusammengezählt.

In Zukunft sollen, nach den letzte Beschlüssen des Parlaments insgesamt jährlich rund 400 Millionen Franken an die Medien verteilt werden. Plus die 1,4 Milliarden Franken, die durch Radio- und TV-Gebühren in den staatsfernen Kleinstkonzern SRG fliessen. Wovon ein Bruchteil als Zückerchen an die Medienkonzerne abgegeben wird, die keine Mühe damit bekunden, ihre Meinung je nach Wetter- und Subventionslage anzupassen.

Auch andere Zeitungen sagten schon, sie seien unabhängig und staatsfern

Die Corona-Politik des Bundesrats ist nun wirklich echt unfähig? Dieser Kantonsrat muss weg? Wie kann der Nationalrat nur? Wären alles ganz schlechte Storyideen für einen subventionierten Konzern.

Nicht nur Kunst geht nach Brot. Es ist eine absurde Annahme, dass staatlich subventionierte Medien so kritisch bleiben wie staatlich nicht subventionierte Medien. Das ist so bescheuert, wie wenn die Parteizeitungen «Prawda» oder «Neues Deutschland» behauptet hätten, unabhängig von ihrer völligen Abhängigkeit vom Staat Berichterstattung zu betreiben. Nur und alleine der Wahrheitsfindung verpflichtet.

Ach, das haben die behauptet? Tja, da gab es aber nicht viele Leser, die das auch geglaubt haben.