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Ist das zu fassen?

Schulaufsatz Bildbetrachtung. Aus dem Haus der Qualitätsmedien.

ZACKBUM muss beim Senkblei zur Lotung nach unten noch viele Faden dazugeben. Der Tagi publiziert eine Bildbetrachtung anlässlich des offiziellen Porträts von Melania Trump.

Wow, was Bildbearbeitung mit KI alles kann …

Zunächst einmal ist das eine Tickermeldung der DPA, von «aeg.» zurechtgeschnitzt. Dieser Peinlichkeitsfaktor ist unüberbietbar. Ausser durch den Inhalt.

Lieber Leser, wir erklären dir, weil wir dich für vollblöd halten, was du siehst: «Die First Lady steht mit ernstem Blick vor dem Fenster – im Hintergrund das Washington Monument. Ihre Finger entschlossen auf das Pult gestützt. Melania trägt einen schlichten dunklen Anzug und eine weisse Bluse

Damit wäre eigentlich alles gesagt, aber der Platz noch nicht alle. Nun vergleichen wir das Foto mit dem vor acht Jahren: «Damals zeigte sich die First Lady in Farbe, mit offenem Mund und verschränkten Armen.» Was will uns das sagen? Nichts, aber wir sagen doch was. Wir erzählen die Story, dass das aktuelle Porträt mit der Pose der US-Präsidentin in «House of Cards» Ähnlichkeit habe. What a crap, wie der Ami sagt, aber he, wenn uns nichts einfällt …

Kopfkratz, immer noch Platz.

«Lässt das ambitioniertere Porträt darauf schliessen, dass Melania in der zweiten Amtszeit ihre Rolle aktiver interpretieren wird? Ein erstes Anzeichen dafür ist, dass die First Lady ihren Mann bei seinem Besuch im Katastrophengebiet in Los Angeles begleitet hat.»

Tja, wenn ein Satz in Frageform die Worthülse «lässt darauf schliessen» enthält, kann man ihn sofort überlesen. Dann noch ein kleiner Abstecher zu diesem Besuch, obwohl das eigentlich nichts mit der Bildbeschreibung zu tun hat. Der Lehrer würde das anstreichen und daneben schreiben: Vom Thema abgewichen, schlechter Schluss.

Es fehlt auch der klassische Satz: Leider muss ich hier schliessen.

Aber der Leser verdankt’s, dass auch ohne ihn die Qual ein Ende hat.

Also mal ernsthaft, ihr Frauen und Mannen and everybody beyond vom Tagi, allgemeine Schreibkrise? Die Lieferung von der SZ aus München nicht rechtzeitig angekommen? Da legt sich Donald Trump rauflustig wie immer mit vielen Staaten gleichzeitig an, zeigt mal kurz Kolumbien, was eine Harke ist, kündigt 500 Milliarden für KI an, verspricht die grösste Steuersenkung der Geschichte, meint es wirklich ernst mit Grönland (und Panama), Google nennt in den USA den Golf von Mexico bereits wie gewünscht «Golf von Amerika», und auch sonst gäbe es vielleicht dies und das und Wichtigeres aus Washington zu berichten.

Aber irgendwie hat es Konsequenz. Nach der Hutkunde über Melania Trump nun das Porträt, man muss halt ein Auge für das Wesentliche habe.

Kleines Einmaleins des Journalismus

Sittenverluderung und Hirnstarre. Ein Zwischenruf gegen das Elend.

Früher, ja früher gab es mal die Kenntnis von verschiedenen journalistischen Gefäßen. Es gab die Nachricht. Den Kommentar. Das Interview. Die Analyse, Die Reportage. Die Recherche. Das Essay. Und das Porträt.

Heute gibt es Brei.

Das Porträt gehört zu den anspruchsvollsten Formen des Journalismus. Denn die Ausgangslage ist, dass man einen facettenreichen, oftmals in der Öffentlichkeit stehenden Menschen schriftlich abbilden will. Dahin führen zwei Wege.

Der Königsweg ist, dass man so viel Material wie möglich über diesen Menschen sammelt. Wenn es sich einrichten lässt, ihm auch persönlich begegnet. Meinungen aus seinem Umfeld einholt, wobei man wie üblich solche mit Namensnennung höher gewichtet als anonyme. Und anonyme nur mit Begründung zu-, oder besser noch weglässt.

Dann kommt die Phase des Verdauen. Man sitzt auf einem Berg von Informationsstücken und Stückchen, den man verschlingen, verarbeiten, verdichten und aufbereiten muss. Nach der Richtschnur: das Resultat muss sein, kein wirklichkeitsgetreues Abbild schaffen, denn wer weiss denn schon, was das ist. Aber ein rechtschaffenes, eines, das der porträtierten Person gerecht wird. Das man in der Sicherheit niederschreibt, dieser Person anschliessend weiter in die Augen schauen zu können.

Ein Mensch ist immer mehr als die Summe seiner Teile, seiner Aussagen, seiner Handbewegungen, seiner Mimik, seines Charakters, seiner Positionen, seiner Ansichten. Aus all dem signifikante Elemente herausschälen und sie in eine lesbare Form zu bringen, die den Leser bereichert, informierter als zuvor zurücklässt, mit dem Gefühl: ich glaube, ich habe nun eine grössere Ahnung über diesen Menschen als vor der Lektüre – das ist das grosse Ziel.

Aktuell haben wir zwei Porträts, an denen man den Unterschied zwischen gelungen und übler Schmiere deutlich festmachen kann. Margrit Sprecher porträtiert Alice Weidel. Man kann davon ausgehen, dass Sprecher mit kaum einer der politischen Positionen übereinstimmt, die die AfD und Weidel vertreten. Man kann davon ausgehen, dass viele sie davor gewarnt haben, dieser schrecklichen Rechtspopulistin mit Abgrenzungsproblemen zum braunen Sumpf überhaupt eine Plattform zu bieten, indem Sprecher ein Porträt schreibt.

Sie hat es dennoch getan, und siehe, es ist gelungen. Es ist elegant geschrieben, mit Distanz, aber auch Anteilnahme, die beschriebenen Facetten fügen sich zu einem Mosaik zusammen. Das Porträt wird Weidel gerecht, verurteilt nicht, sondern beschreibt, verdichtet, wählt aus. Muss man können, wenn man’s nicht kann, sollte man es erst gar nicht versuchen.

Dann gibt es Lohnschreiber und Wendehälse wie Daniel Ryser, die kein Problem damit haben, eine Person als Bestandteil eines brandgefährlichen rechten Mediennetzwerks darzustellen – um dann anschliessend für genau diese Person zu schreiben. Darüber muss man weiter kein Wort verlieren – ausser den Ausdruck höchsten Befremdens, wieso Köppel diese Type bei sich schreiben lässt. Aber das fragt man sich bei Tom Kummer ja auch vergeblich.

Und dann gibt es das aktuelle Porträt von Roger Köppel in der WoZ. Ein übles Machwerk, von fünf Köchen zusammengerührt, ein unappetitlich riechender Brei. Schon mit dem ersten Satz wird hier klargestellt, dass es keineswegs um ein Porträt gehen soll. Sondern um eine Hinrichtung: «Manchmal wird die «Weltwoche» für die russische Sicht auch handgreiflich.»

Null Intention, den Motiven und Beweggründen Köppels nachzugehen, was ja durchaus interessant sein könnte. Nein, es ist sonnenklar, dass die geballte Recherchierkraft darauf verwendet wurde, möglichst viele Mosaiksteine zu finden, die Köppel möglichst schlecht aussehen lassen.

Nun gibt es bei dem Mann vieles zu kritisieren, und auch ZACKBUM tut das innerhalb sowie ausserhalb der «Weltwoche» nach Kräften. Aber das macht ihn nicht restlos aus. Was ist also von einem Porträttext zu halten, den man auch in einem Satz hätte abhandeln können: Köppel ist ein russlandfreundlicher und von Despoten faszinierter Rechtspopulist und Demagoge mit völlig selektiver Wahrnehmung der Realität.

Das mag man so sehen, und Köppel bietet genügend Anlass für diese Sicht. Aber das ist kein Porträt Köppels, das ist eine Karikatur. Ein Pamphlet. Eine ideologische Kampfschrift. Das ist, Gipfel der Absurdität, das tun, was man Köppel vorwirft. Die Autoren sind offensichtlich zu blöd, diesen schreienden Widerspruch zu bemerken.

Nein, sie sind vielleicht nicht zu blöd. Aber ideologisch zu verbohrt, unfähig, die Realität (und den Menschen) bunt, widersprüchlich, komplex wahrzunehmen. Sie brauchen Schwarzweiss, Holzschnitt, Holzhammer.

Sie merken nicht, dass ausserhalb ihrer kleinen Gesinnungsblase so eine Schmiere ihren Zweck völlig verfehlt. Niemand wird dadurch bereichert, niemand lernt etwas. Nur Gleichdenkende fühlen sich durch diese Rückkoppelung in der Echokammer der eigenen Gesinnung bestätigt.

Das ist dermassen lähmend langweilig, aschgrau, unerträglich flach und dumm. Wäre diese Fünferbande nicht völlig beratungsresistent, müsste man ihnen sagen: Porträt schreiben wollen. Thema verfehlt. Inhalt ungenügend. Formal mangelhaft. Eins, setzen, nochmal versuchen. Oder noch besser: sein lassen, einen anständigen Beruf suchen.

Oder sich bei der «Weltwoche» bewerben. Aber bitte für Buchhaltung, Archiv und Sekretariat, ja nicht als Journalist.

NZZaS traut sich endlich was

Margrit Sprecher porträtiert Alice Weidel. Ein Gipfeltreffen.

27’000 A, die zeigen, dass der Leser eine solche Strecke verträgt. Wenn der Autor Margrit Sprecher heisst und die Porträtierte Alice Weidel.

Normalerweise wird bei Darstellungen der Kanzlerkandidatin der AfD lediglich die Nähe zum braunen Sumpf ausgemessen, sie wird als Scharfmacherin, Demagogin, natürlich als Rechtspopulistin und mit den üblichen Schlagworten aus dem journalistischen Versandhauskatalog niedergemacht.

Das ist von Sprecher nicht zu erwarten. «Unterwegs mit einer Grenzgängerin», beschreibt die Altmeisterin die Herstellung ihres Porträts. Einleitend macht sie sich über diese versammelten Klischees lustig, die anlässlich des Geplauders mit Elon Musk über Weidel neuerlich hereinbrachen:

«Einmischung eines Wirtschaftsbosses in den deutschen Wahlkampf! Werbung für die Rattenfängerpartei AfD! Untergang der Demokratie! «Ist das Tor zur Hölle nun geöffnet?», fragte die «FAZ».»

Dann zeigt Sprecher, was der Unterschied zwischen einem Porträt und Gewäffel ist, indem sie die beiden Ausnahmefrauen der deutschen Politik, Weidel und Sahra Wagenknecht, miteinander vergleicht: «Beide Frauen sind den meisten männlichen Politikern in Sachen IQ, Ausbildung und Rhetorik überlegen. Beide machten ohne das politische Establishment Karriere. Beide krempelten Deutschland aus dem Stand heraus um. Beide stehen so ungeniert zu ihrer Ich-AG, wie sich das schon lange kein Mann mehr getraut.»

Sprecher verschweigt natürlich nicht, dass Weidel bewusst und immer wieder zuspitzt und verbal so draufhaut, dass kein Gras mehr wächst: «Heute hat Alice Weidel ihr Repertoire mit neuen Aufreger-Themen bestückt. … «Mutter aller Sünden» freilich bleibt für sie Angela Merkels Migrationspolitik. Denn importiert worden sei «ein marodierender, grapschender und Messer stechender Mob, an den wir uns gewöhnen sollten»

Dann kommt der obligate Ausflug in die Biografie, elegant dargeboten. Dann ein Ausflug in Weidels Auftritte im Bundestag: «Am Ende ihres Referats schien der Saal von kollektivem Burnout befallen. Frenetischen Applaus bekam sie nur von ihren Parteigenossen.» Und dann das grösste Aufregerthema für Weidel: «Denn ist die Rede von Islamisten, rutscht ihr das Lächeln weg. «Unser Umgang mit islamischen Hasspredigern ist naiv.»» und ihre Wackelpolitik gegenüber einem angebräunten Brandstifter: «Noch 2017 hatte sie Björn Höckes Parteiausschluss unterstützt, seine Nähe zur Neonazi-Szene schade der Partei. Dann freilich musste sie zurückkrebsen

Und dann, immer der Höhepunkt bei Sprechers Porträts, ihre persönliche Annäherung, Umkreisung: «Alice Weidel, die die Absätze knallen lässt und weiss, wie man in die Kamera schaut, auf dem Land? Passt schon. «Hier kann ich Kraft tanken, in Berlin bekomme ich extrem viel ab.»»

Sprecher weiss auch, wie man auf dem schmalen Grat zwischen zu Intimem und zur Vervollständigung Nötigem tanzt: «In Einsiedeln steigt sie frühmorgens auf den Grossen Mythen, um den Sonnenaufgang zu erleben, im nahen Wald umarmt sie Bäume. Sie besitzt einen Apparat, der Wasser ionisiert, und duscht kalt, um die Endorphin-Ausschüttung anzukurbeln. «Die verhinderte Medizinerin», ­lächelt sie. Grösste Kraftquelle ist freilich Partnerin Sarah.»»

Und zum Schluss zurück zu den politischen Absichten von Weidel:

«Bei Kaffee und Mineralwasser, den Blick fest auf die hehren schneegleissenden Gipfel vor dem Panoramafenster gerichtet, erklärte sie ihr Ziel: die AfD zur stärksten Partei Deutschlands zu machen. «Mit neutralen Medien hätte ich die CDU schon längst überholt.» Zu mut- und zahnlos seien deren Konzepte, zu deutlich Friedrich Merz’ alleiniges Interesse am Machterhalt. «Das schaffe ich nicht bis zum 23. Februar», sagte sie. «Aber das schaffe ich bis zur nächsten Bundestagswahl.» So, wie sie dasitzt, gespannt wie ein Bogen, ist ihr alles zuzutrauen.»

Einer dermassen stigmatisierten und vorverurteilten Person wie Weidel, die auch selbst ihren Beitrag zur Polarisierung leistet, freundlich-distanziert und aufmerksam näherzukommen, davon könnte sich die versammelte Journaille in der Schweiz mehrere Scheiben abschneiden. Aber eben, wenn man’s nicht kann …

«Spiegel» spinnt

Wenn eine Redaktion eine Mission hat, fährt sie ihr Magazin gegen die Wand.

Die Abneigung, geradezu der Hass des «Spiegel» auf Donald Trump ist aktenkundig. Der «Spiegel» wollte ihn in absurder Selbstunterschätzung schon mal «wegschreiben». Er hat Coverkarikaturen gemacht, die jedes vernünftige Mass sprengten. Und muss nun damit fertigwerden, dass Trump möglicherweise wieder Präsident der USA wird. Das ist mehr, als die Redaktion ertragen kann.

Erschwerend kommt noch hinzu: Trump hat einen potenten Unterstützer bekommen. Der ist nicht nur Milliardär, sondern der wohl reichste Mann der Welt und, nun, etwas eigen.

Elon Musk ist tatsächlich gefährlich, aber nicht wegen seiner Unterstützung für Trump. Das wäre ein anderes Kapitel. Nun arbeitet sich ein Viererteam des «Spiegel» auf knapp 31’000 A an Musk ab.

Der Titel lässt schon keinen Zweifel, was der «Spiegel» von ihm hält. Dass Musk darauf etwas angepisst reagierte, ist durchaus verständlich. Die seitengrosse Fotomontage steht den gezeichneten Hass-Covers gegen Trump in nichts nach:

In seinen besseren Tagen hätte das sogenannte Nachrichtenmagazin aus Hamburg so etwas als üble Demagogie, als Entmenschlichung, als Entstellung eines Gesichts zur Fratze gegeisselt. Und der Titel «Staatsfeind» steht auch in einer tollen Tradition:

Leicht gebauchpinselt nimmt der «Spiegel» zur Kenntnis, dass Musk auf diese Schmiere reagiert hat:

«Spiegel steht zu seiner Berichterstattung», sagt das Blatt trotzig. Als ob das in Gefahr gestanden wäre. Aber welche «Berichterstattung» eigentlich?

Eine sachliche und objektive Darstellung:

«Der reichste Mann der Welt – ausgestattet mit einem großen Mundwerk, einem Vermögen von 250 Milliarden Dollar, einer öffentlich zelebrierten Neigung zu Rauschmitteln gegen seine Depressionen und Krankheiten, einer erstaunlichen Liebe zu Autokraten und Alleinherrschern, einer inzwischen streng rechten Weltsicht und einem Hass auf alles, was woke, links, queer oder auch nur allzu demokratisch ist – verkörpert einen völlig neuen Typus des Magnaten: Er beherrscht nicht nur den Zugang zu den Massen. Sondern auch zu schier unerschöpflichen Geldquellen. Und, am wichtigsten, zu modernster Hightech-Infrastruktur.»

Da geht doch noch was: «Eine demokratiefeindliche Einstellung, gepaart mit der Macht über fahrende, fliegende, digitale und hochtechnische Infrastruktur – typischerweise sind das die Zutaten für die Rolle des Bösewichts in einem »James Bond«-Film. Gut passen würde: »Die Welt ist nicht genug«. Leider spielt diese Dystopie nicht im Kino, sondern in der Wirklichkeit.»

Und weil der «Spiegel» urdeutsch ist, darf natürlich ein Vergleich nie fehlen.

«Der ehemalige Krupp-Direktor Alfred Hugenberg kaufte sich in den 1920er-Jahren ein Medienimperium zusammen, um es im Wahlkampf walten zu lassen: »Macht mir den rechten Flügel stark!« 1933 ernannte ihn Adolf Hitler zum Reichswirtschaftsminister. Heute gilt der Konservative als Steigbügelhalter für den Diktator.
Hugenberg, Hitler? Überschätzt das Musks historische Rolle

Die Frage stellen, heisst natürlich, sie beantworten: «Bislang wurde er stets eher unterschätzt

Weitere Müsterchen:

«Der Troll-in-Chief ist zum politischen Agitator mutiert … Spätestens seit Robert Louis Stevensons Dr. Jekyll und Mr. Hyde weiß die Menschheit, wie nah Genie und Wahnsinn mitunter beieinanderliegen können … Der Milliardär behandle und beurteile Frauen nach ihrer BH-Größe, führe »sein Unternehmen im finsteren Mittelalter« und biete »denjenigen, die die ›Animal House‹-Umgebung infrage stellen, an, dass sie sich eine andere Arbeitsstelle suchen können, wenn es ihnen nicht gefällt« … Wie ein autoritärer Guru hetzt Musk auf X gegen illegale Migranten, etablierte Medien und den »woken« Zeitgeist … »Zersetzung« nannte man diese Strategie bei den Geheimdiensten der DDR … Für X ist der neue Chef geschäftsschädigend … Doch nur Musk könnte schon bald die Gelegenheit bekommen, einige dieser technofaschistischen Ideen umzusetzen … ein Datencockpit, an dessen Steuerungsknöpfen der Milliardär selbst säße. Neben ihm vielleicht sein Buddy Trump. Womöglich als Präsident. Duo infernale.»

Die journalistische Leistung der Quadriga infernale des «Spiegel» bestand übrigens darin, eine ehemalige Angestellte und einen ehemaligen Partner von Musk zu befragen. Plus seinen Biografen zu zitieren. Alles andere ist selbstgebraut. Denn nur, wenn man abgeschottet von der Wirklichkeit in seiner Gesinnungsblase vor sich hindumpft, kann man ungeniert loswettern. Schimpfen, niedermachen, ein Porträt in düsteren Farben malen.

Public Enemy Nummer eins: Donald Trump. Nummer zwei: Elon Musk. In der Tradition von Dillinger und Capone. Mit dieser Schimpfkanonade wird der «Spiegel» zwar nicht zum Staatsfeind Nummer drei. Aber zum Feind des verantwortungsbewussten Journalismus. Zum Totengräber seriöser Publizität.

 

Meine Güte, Margrit Sprecher

Vor dieser grossen Dame sollten alle Zwerge verstummen.

Sie ist 88, man glaubt es kaum. Wenn Margrit Sprecher ein Porträt schreibt, dann fühlt man sich in den angelsächsischen Journalismus versetzt. Oder in eine Zeitreise zurück, als es noch Journalisten gab, die ein Porträt nicht nur beherrschten, sondern auch richtig verstanden.

Es geht nämlich darum, ein Bildnis von jemandem zu schaffen, dem Leser zu vermitteln, wer dieser Mensch eigentlich ist. Das ist heutzutage meistens zu Fertigmacher-Banalität verkommen, wo dem Journalisten schon vor dem ersten Wort, der ersten Begegnung völlig klar ist, was er mit dem Porträtierten machen will. Hinzu kommt zunehmendes sprachliches Unvermögen allerorten.

Dagegen Margrit Sprecher. Erst vor Kurzem zeigte sie in der NZZaS, wie Reportage geht. Und schon legt sie im NZZaS Magazin und in der NZZ nach; mit einem Porträt von Ueli Maurer. Echt jetzt, mag mancher denken, was gibt es denn über den noch zu schreiben? Ist doch alles bekannt, und ausserdem ist er nicht mehr Bundesrat.

Das ist richtig, aber dagegen kann man nur halten: wenn Sprecher ein Porträt schreibt, dann lohnt sich die Lektüre. Es ist über 21’000 A lang, und im Gegensatz zu den meisten solchen Strecken («Republik», horribile dictu) löst das Ende Bedauern aus. Das ist wohl das grösste Kompliment, das man einem Text machen kann: er sollte gar nicht aufhören.

«Treffen mit einem Erlösten», nennt Sprecher ihre Begegnung, und geschickt webt sie biographische Stationen, die Jetztzeit und Beobachtungen ineinander.

«Heute, im Sitzungszimmer der Zürcher SVP, vergleicht er sein Leben mit einem Stafettenlauf: «Solange du den Stab in den Händen hältst, musst du secklen.» Also ist er geseckelt.»

Und fiel immer wieder mit träfen Sprüchen auf. Allseits erinnerlich ist sein «Kä Luscht», als er überhaupt noch mit den Medien sprach, von denen er zunehmend und heute vollständig angewidert ist. Da es nur eine Sprecher gibt, völlig zu recht. Nicht schlecht ist auch sein Satz, den er «empörten Feministinnen» entgegenhielt: «Ich habe ein unverkrampftes Verhältnis zu den Frauen. Schon meine Mutter war eine Frau

Mit wenigen Sätzen erklärt Sprecher, wie erfolgreich Maurer als Bundesrat war: «Um die fehlende Widerspruchskultur zu fördern, erteilte er ganz offensichtlich sinnlose Befehle. «Niemand rebellierte.» Um die grassierende Kontrollitis einzudämmen, drohte er mit der Aufhebung von 78 Verfügungen, sollten sie die Zuständigen nicht bis Ende Jahr begründen können. «Begründet wurden genau fünf», sagt er.»

Wie gelingt ein solches Porträt, das einem Maurer näherbringt als alles andere, was schon über ihn geschrieben wurde? Eigentlich ganz einfach. Man macht sich mit der zu porträtierenden Person vertraut, vertieft sich in den Lebenslauf, den Leistungsausweis. Markiert entscheidende Weichenstellungen. Spricht mir ihr. Und dann sucht man aus all diesen Mosaiksteinchen die richtigen aus, und dann tut man so, als seien sie mit leichter Hand an die richtige Stelle gerückt worden.

Flachschreiber sehen eine Rolex an der Hand des NZZaS-Chefredaktors, sprechen zwei Stunden mit ihm, zitieren einen Satz, der in die Hinrichtung passt, und erwähnen natürlich die Uhr. Das ist Schweinejournalismus à la «Republik». Guter Journalismus ist, wenn man aus der Vielzahl von Beobachtungen, Anekdoten, Situationen, Zitaten diejenigen herausgreift, die sinnfällig ein Porträt vollkommen machen. So vollkommen es halt sein kann, wenn es um einen 73-Jährigen geht, der schon ziemlich lange in der Politik und der Öffentlichkeit steht.

Diese Auswahl, diese Ernte aus überreichlich Material, das ist’s was ein gelungenes Porträt ausmacht, das dem Porträtierten gerecht wird und den Leser bereichert.

Wie man das macht, das ist schwer zu vermitteln, unmöglich zu lernen. Da kann nur Goethe helfen: «Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen.» Ein gutes Porträt muss sich beim Lesen gut anfühlen. Wenn man die Absicht spürt, ist man verstimmt. Aber wenn hier ein Mensch in all seinen Facetten entsteht und zu leben beginnt, dann fühlt sich’s gut an.

Also, liebe Margrit Sprecher. Ja nicht aufhören, Sie Quell der Labsal im dunkeldüsteren Tal der Flachschreiber.

Freierstündchen mit Folgen

Eine mediengeile Prostituierte zieht vor Gericht.

Die Dame mit dem hochgestochenen Pseudonym Salomé Balthus* kann mal wohl am neutralsten als Sexarbeiterin bezeichnen. Sie selbst zieht den Ausdruck «Hetäre» vor und bemüht sich unablässig, in den Medien aufzutauchen, denn die Konkurrenz in Berlin ist mörderisch – und ihre Preise nicht von schlechten Eltern.

Für das erste Skandälchen in der Schweiz sorgte sie, als sie bei Roger Schawinski in seiner damaligen Talkshow beim Schweizer Farbfernsehen zu Gast war. Nach einem Einspieler mit Alice Schwarzer, die die These aufstellte, dass freiwillige Prostituierte häufig in der Kindheit missbraucht worden seien, fragte sie der Talkmaster, ob dass auch bei ihr der Fall gewesen sei. Ohne grosse Regung verneinte sie das.

Nach der Sendung fiel Balthus dann plötzlich ein, sie sei mit dieser Frage bei Schawinski «missbraucht» worden. So überschrieb sie auf jeden Fall ihre damalige Kolumne bei der «Welt», und der Tagi titelte bissig «Der Pitbull hat ausgedient». Balthus verlor nach diesem Publicity-Stunt mitsamt Falschzitaten ihre Kolumne, auch Schawinskis Sendung wurde 2020 eingestellt, als «Sparmassnahme», sagte das Fallbeil vom Leutschenbach.

Genügend Grund für den «Weltwoche»-Redaktor Roman Zeller, sich der «Edelprostituierten» zu nähern. Für ein zweistündiges Gespräch drückte er den ordentlichen Tarif ab, 1000 Euro: ««Überreichen Sie der Hetäre das vereinbarte Honorar diskret in einem offenen Briefumschlag», lautet die Anweisung für den «heiklen Moment»», beschrieb er im Dezember 2019 die Begegnung in der Paris Bar in Berlin.

Für das Geld bietet sie ein wenig Unterhaltung, die Zeller als Gedächtnisprotokoll wiedergibt: «Diese Phase um den Schleifpunkt zum Orgasmus, der sofort wieder vorbei ist, sei von Mann zu Mann verschieden. «Auch die Laute, die sie machen», erzählt sie fasziniert und fragt: «Und wie stöhnst du?»»

Daraus entstand, eigentlich durchaus in ihrem Sinne, ein längerer Artikel. Aber noch schöner ist es natürlich, wenn sich auch daraus ein Skandal machen lässt. Also klagte sie die «Weltwoche» ein. Das Porträt sei gegen ihren Willen geschrieben worden: «Der Artikel hat mich zutiefst getroffen. Als ich ihn las, ist mir übel geworden, danach litt ich für einige Zeit unter Schlaflosigkeit und Niedergeschlagenheit.» So zitiert sie der «Tages-Anzeiger» vor dem Bezirksgericht Zürich. Deshalb habe sie die WeWo wegen Persönlichkeitsverletzung verklagt. Ausserdem stimmten die meisten Zitate von ihr nicht. Sie habe zwar gewusst, dass Zeller ein Journalist sei und über sie schreiben wolle, es sei aber ein reines Kennenlerngespräch, kostenpflichtig, vereinbart worden, nichts mehr.

Dann kommt der Höhepunkt (Pardon) ihrer Einlassung vor Gericht: «Wenn ein Kunde ein privates Treffen ausschlachten darf, um sexistischen Schmuddeljournalismus zu betreiben und mich mit falschen Zitaten herabzuwürdigen, dann kann ich meinen Beruf nicht mehr ausüben.»

Den übt sie aber weiterhin aus, wie sie – ein seltener Tiefpunkt des «NZZamSonntag Magazins» – zwischenzeitlich bekanntgab. Zuvor hatte sie es noch via «Blick» geschafft, in die Schlagzeilen zu kommen: «Schock für Edel-Prostituierte Balthus am WEF: «Plötzlich schaute ich in den Lauf einer Pistole»». Aber Entwarnung, der Sicherheitsbeamte habe «relativ schnell gemerkt, dass unter mein Negligé gar keine Waffe passt». Ist das vielleicht komisch.

Nun versucht sie als Beifang Schmerzensgeld und eine Gewinnherausgabe aus der WeWo zu pressen. Und freut sich natürlich, dass sie so mal wieder in die Medien kommt. Während der WeWo-Redaktor beteuert, dass er kein einziges Zitat erfunden habe, die käufliche Dame sehr wohl gewusst habe, dass er ein Porträt über sie schreibe und sie offenbar das Angenehme mit dem Nützlichen verknüpfen wollte. Publizität plus Penunse.

Publizität hat sie geschafft, ob es auch noch mehr Geld geben wird – das Urteil des Bezirksgerichts steht noch aus.

*Nach Leserhinweis korrigiert.

Die NZZ und Köppel

Endlich mal ein Lob: was für ein Porträt.

ZACKBUM hatte schon fast aufgegeben, daran zu glauben, dass es im heutigen Elendsjournalismus noch möglich ist, ein beeindruckendes Porträt über eine Reizfigur, einen Konkurrenten zu schreiben.

Wenn da Konzernjournalist Philipp Loser ans Gerät geht, kommt nur Dreck heraus. Das gilt auch für Andreas Tobler oder gar die Scheuklappen-Schreiber der «Republik». Ob die sich an Lebrument oder an Projer vergreifen: es ist Elend und Dummschwätzerei, womit sie die flüchtenden Leser quälen.

Als müsste die NZZ nochmals unterstreichen, welche Abgründe inzwischen hier klaffen, hat sich Samuel Tanner an Roger Köppel versucht. Versuchung gelungen. Es ist keine unkritische Eloge geworden, aber auch kein wäffelnder Verriss. Es ist das geworden, was ein Porträt sein muss. Sein sollte: der Versuch, einem komplexen, in der Öffentlichkeit stehenden und durchaus konfliktiven Menschen auf 12’000 Anschlägen gerecht zu werden. «Porträt des Politikers, Publizisten, Pyrotechnikers», stabreimt die NZZ. Dafür ein erstes Bravo.

«Pyrotechniker», schon das kann man abschmecken, das hat Körper, Fülle und Abgang. Brandstifter steckt drin, aber eben veredelt, hier ist kein Zeusler am Werk, sondern ein eleganter Techniker des Feuers, des Feuerwerks.

Für ein gutes Porträt braucht es, daran erinnert die NZZ so nebenbei, eigentlich nur drei Dinge. Aufmerksame Beobachtung, Reflexion und informiert aus dem Vollen schöpfen können. Ach ja, und schreiben sollte man auch können, klug schreiben, verdichtet schreiben, analytisch und konzis. Also alles Ingredienzien, von denen die meisten übrigen Lohnabhängigen, die sich Journalisten schimpfen, nicht mal gehört haben. Oder wenn, dann haben sie’s schnell wieder vergessen.

Schon der Einstieg bei Tanner setzt die Tonhöhe: «Am Firmament von Roger Köppel gibt es einen Fixstern: die Faszination für Stärke.» Den ganzen Text hindurch bemüht sich Tanner, sein Objekt der Beobachtung zu charakterisieren: «Es ist eine Publizistik des absoluten Relativismus, die auch hinter einen Kriegsführer ein Aber setzt

Was angenehm auffällt: Der Autor des Porträts hält mit seiner Einschätzung des Porträtierten und Beobachteten nicht zurück. Aber die kleinen Details von Begegnungen, eine gemeinsame Autofahrt, die werden nicht wie bei Schmähporträts verwendet, um im Nachhinein fertigzumachen (so wie die Kleinschreiber der «Republik» aus einem zweistündigen Gespräch mit ihrem Feind, dem NZZaS-Chef Jonas Projer, nur ein Winzzitat und die Beobachtung, dass er eine teure Uhr trage, dem Leser präsentieren), diese Details werden hier verwendet, um Leben und Farbigkeit in eine Feinrasterung zu bringen:

«Die Frage, was ihn antreibe, findet Köppel uninteressant: «Immer diese Psychoanalyse», schreibt er in einer ersten SMS. Er ziehe Sachfragen vor, «die schweizerische Neutralität und deren Preisgabe», wie er es formuliert. «Dieser Objektträger-Journalismus, der mit zoologischer Verwunderung auf eine andere Meinung blickt, wie auf eine unbekannte Tierart, geht von falschen Prämissen aus.»»

Schon in einem solchen kleinen Absatz ist viel drin. Die Art der Unterhaltung auf allen Kanälen, Köppels verbaler Elan. Und vor allem: der Autor lässt das so stehen, tritt nicht mit der Überlegenheit dessen nach, der schliesslich den Porträtierten nachträglich fertigmachen kann, weil er das letzte Wort hat.

Wunderbar ist auch diese Einschätzung: «Roger Köppel ist immer auf der Suche nach der Hitze des Gefechts. Und wenn er sie nicht findet, entzündet er sich selbst.» Gefolgt von der Beschreibung, für die sich der NZZ-Autor ziemlich früh aus dem Bett quälen musste: «Mitten in der Nacht kommt er in die Redaktionsvilla der «Weltwoche» in Zollikon, und sofort findet er mit dem Kamera- auch den Zündknopf für seine morgendliche «Daily»-Sendung: «Die NZZ ist auf dem Nato-Trip!», sagt er in der Presseschau, um schnell nachzulegen. «Sie muss aufpassen, dass sie nicht zur Nahkampfwaffe der Nato wird! Sie überholt das Pentagon! Die Falken von der Falkenstrasse! Nomen est omen!» Er ist ein rhetorischer Pyrotechniker

Ein gutes Porträt kann man nur schreiben, wenn man einige Zeit Material gesammelt hat, den Porträtierten bei mehr als einer Gelegenheit beobachtete. Erst aus der Überfülle kann man verdichten, das macht auch jede gute Reportage aus: «Wenn er bei der SVP auftritt, wirkt es, als suche ein Hochgeschwindigkeitsmensch nach Haftung.» Besser kann man wohl das Verhältnis SVP-Nationalrat Köppel und SVP nicht beschreiben.

Bei einem solchen Niveau wartet man etwas bang auf die Schlusspointe. Kommt hier doch noch die Hinrichtung aus dem Hinterhalt? Jein. Das Resümee ist nicht ausgesprochen freundlich, aber nach dieser facettenreichen und durchdachten Darstellung davor erlaubt:

«Aber der Nonkonformist reagiert immer darauf, was die Konformen sagen – und wird zum Knecht des Mainstreams. So gesehen ist Roger Köppel, der Unruhegeist, ein Gefangener.»

Es gibt Porträts, aus denen selbst der Porträtierte noch etwas lernen kann. Das sind dann Sternstunden des Journalismus. Das hier ist eine davon, die in dunkler Nacht besonders hell leuchtet.

Wegducken bei der «Republik»

Beissen, aber nicht gebissen werden wollen. Typisch.

Im Austeilen ist die «Republik» ganz gross. Sie ortet ein rechtes Verschwörungsnetzwerk, outet seine Mitglieder, gibt aber nur einem von 30 die Möglichkeit, etwas im Schmierenartikel zu sagen. Sie führt ein ausführliches, stundenlanges Interview mit dem Chefredaktor der NZZaS – und reduziert es auf zwei, drei Soundbites und die launige Bemerkung, dass seine Rolex unter dem Kittel hervorblitze.

Üben ihre eigenen Verleger Kritik an solchem Kloakenjournalismus, werden sie überheblich zurechtgestossen. Man sei weiterhin von seinem Werk überzeugt, Diskussionen darüber seien sinnlos. Logisch, wenn man meint, die Wahrheit mit Löffeln gefressen zu haben …

ZACKBUM dachte, dass es doch für die breitere Öffentlichkeit von Interesse sein könnte, wie denn eigentlich der Chefredaktor  der «Republik» so tickt. Schliesslich erwartet die doch auch, dass andere Chefredaktoren ihr Red und Antwort stehen.

Der länger amtierende Christof Moser wurde zur «Stabsstelle Chefredaktion» befördert oder degradiert – man weiss es nicht. Allerdings ist er per 3. Juni 2022 aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden. Verwaltungsräte haben Verantwortlichkeiten und eine Haftbarkeit. Weiss Moser etwas, was die anderen VR oder die Verleger nicht wissen? Gleichzeitig hat es eine ganze Latte neuer VR ans Steuerrad der «Republik» gespült. Auf jeden Fall ist nun Herbert Werner Constantin Seibt der letzte Mohikaner aus den Reihen der Gründer, der noch im VR sitzt.

Für diese und viele andere Fragen wenden wir uns daher an Oliver Fuchs, immerhin «seit Februar 2022 Chefredaktor a.i.». Der fiel schon durch etwas verunglückte Leserkommentare in der «Medienwoche» auf, aber das ist doch verjährt.

Also freundliche Anfrage, im Rahmen eines Porträts hätte man gerne ein Gespräch geführt, wann es denn passe. Da kommt mailwendend, nach nur kurzer Angststarre, die Antwort: «Das gelingt sicher auch ohne mein Zutun.»

Nun pflegen wir hier keinen «Republik»-Stil, und auch auf das nachgeschobene Angebot können wir nicht eingehen:

«Falls sich schwere Vorwürfe ergeben sollten, danke ich bereits jetzt für die Gelegenheit, dann konkret schriftlich Stellung nehmen zu können.»

Schriftlich? Falls? Es gäbe so viele interessante Gesprächsthemen, dass die Verschriftlichung eines längeren Gesprächs garantiert Lesevergnügen bereiten würde. Da könnte man endlich mal einen Teil der Kritikpunkte abarbeiten, auf die die «Republik» gewohnheitsmässig gar nicht mehr reagierte. Denn im Austeilen ist man gross, im Einstecken ganz klein und furchtbar empfindlich und blitzschnell beleidigt verstummt.

Also wird das nichts. Dabei hätte ZACKBUM ein Porträt gemacht, dass Fuchs gerecht worden wäre. Seine Stärken, aber auch Schwächen, seine Meinungen, aber auch Widersprüche, sein Wollen, aber auch sein Können anständig und ausgewogen wiedergegeben hätte. Wie es sich eben für ein journalistischen Standards entsprechendes Stück gehört.

Damit rechnet die «Republik» eben nicht, da für sie Porträts nur die Möglichkeit einer Hinrichtung darstellen. Am liebsten, ohne dass der Porträtierte etwas dazu beitragen darf. Am liebsten, indem ausschliesslich anonyme Heckenschützen zitiert werden. Wenn die «Republik» wüsste, wie viele gequälte Mitarbeiter sich schon bei ZACKBUM gemeldet haben. Und was wir alles über die internen Intrigen und Grabenkämpfe wissen. Aber nicht veröffentlichen, weil sich kein Republikaner und auch kein Ex-Republikaner dazu versteht, mit seinem Namen hinzustehen.

Was es alleine über das Verhältnis zwischen Christof Moser und Constantin Seibt alles zu sagen gäbe, damit könnte man locker eine Seibt-Strecke von 70’000 Buchstaben füllen. Aber eben, nicht unser Stil.

PS: Dabei sollte die «Republik» ZACKBUM dankbar sein. Wir schaufeln wenigstens Traffic auf deren Webseite. Nach unserem kritischen Artikel über die Behandlung der Verleger durch arrogante «Republik»-Redaktoren in der Kommentarspalte zum Schmierenartikel «Der Aufsteiger» passierte das hier:

«Zu viele Anfragen, bitte später probieren.» Keine Ursache, gern geschehen.

Entrüstung über Jonas Projer

Sich von der Konkurrenz porträtieren lassen? Ziemlich mutig.

Journalisten haben ein Problem. Also sie haben viele Probleme, aber eines der grössten ist: sie nehmen sich selbst viel zu wichtig. Der Bote kommt ihnen mindestens so bedeutend vor wie die Botschaft. Eitel sind sie auch noch, und Kritik vertragen sie eher schlecht bis überhaupt nicht.

Es gibt also einige Gründe dafür und dagegen, sich in einem Medium porträtieren zu lassen. Es braucht eine besondere Art von Mut, das von der direkten Konkurrenz bewerkstelligen zu lassen.

Jonas Projer hat diesen Mut – oder soll man von Tollkühnheit sprechen? Er ist noch nicht einmal ein Jahr amtierender Chefredaktor der NZZaS. Schon bevor er diese Stelle antrat, fiel es einem Tamedia-Konzernjournalisten ein, ihn präventiv wegschreiben zu wollen:

«Als jetziger Chefredaktor bei einem Boulevardmedium wie Blick TV widerspricht Projer auch dem Qualitätsanspruch der «NZZ am Sonntag» – und der linksliberalen Positionierung des Blattes

Der Autor Andreas Tobler wetteifert mit Philipp Loser darum, der willigste Konzernjournalist zu sein. Loser ging mit einem Schmierenstück über den Verleger Hanspeter Lebrument unangefochten in Führung, bekam dann aber wegen übertriebener Härte die rote Karte gezeigt. Tamedia entschuldigte sich, der Artikel wurde gelöscht, weil er angeblich nicht den Qualitätsstandards des Hauses entsprach.

Das Qualitätsorgan Tamedia sah aber keinen Handlungsbedarf, als Tobler sehr viel Verständnis für einen Mordaufruf gegen den Verleger und Chefredaktor Roger Köppel zeigte. Ganz vorne dabei ist Tobler auch, wenn es um die Beförderung der Genderwahns geht. Ganz klein und hässlich wird er allerdings, wenn man ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben will. Austeilen ja, rechtfertigen niemals.

Also alles in allem ein Schreiberling, von dem man sich nicht wirklich gerne porträtieren lassen möchte. Aber Tobler hat, wie damals Loser, den Auftrag gefasst. Wieso allerdings Projer mitmachte und ein paar Quotes beisteuerte, muss wohl sein süsses Geheimnis bleiben.

Es ist allerdings wohl kein Zufall, dass es bislang kein von der Konkurrenz geschriebenes Porträt über Arthur Rutishauser, Patrik Müller oder Christian Dorer gibt.

Projers unverdientes Glück ist allerdings, dass Tobler ein selten schwacher Recherchierjournalist ist. Schwatzhaft, wie die Branche so ist, hätte es doch möglich sein sollen, ein paar saftige, natürlich anonyme Anschwärzungen auszugraben. Insbesondere von ehemaligen Mitarbeitern der NZZaS, die ihren Abgang mehr oder minder Projer zu verdanken haben. Oder denen er in der Sonne steht, weil sie selber gerne Chef geworden wären.

Aber um ein Riesenfoto herum schafft es Tobler eigentlich nur, eine einzige News auszugraben, die er auch gleich im Titel verbrät: Projer hatte sich am Anfang des Ukrainekriegs eine Auszeit genommen. Oder um es im demagogischen Duktus von Tobler zu formulieren: er kam an seine Grenzen, «brauchte bereits eine Auszeit». So etwas ist Tobler noch nie passiert, das wäre angesichts seines mageren Ausstosses auch überraschend.

Aber hier kann Tobler nur raunen, dass sich «seit einigen Wochen die Zeichen häufen, das(s) bei Projer vieles nicht mehr rundläuft: Mehrere namhafte Journalisten kündigten innert kürzester Zeit ihre Jobs.»

Was hat Tobler denn sonst noch so ausgegraben? Himmels willen, als Mitglied der «Zunft zum Schmieden» schlug Projer doch tatsächlich das Thema «aussterbender Beruf des Schmieds» vor. Das habe «auf der Redaktion zu reden gegeben», will Tobler wissen. Damit hat er aber bereits seine «News» verballert; so ungefähr ab der Mitte des ellenlangen Stücks wird es grausam repetitiv.

Und belehrend: «Sollte man als Chefredaktor nicht seine Kräfte besser einteilen und seine Grenzen kennen, um solche Absenzen zu vermeiden», fragt Tobler streng. Er ist offenbar der Auffassung, dass nur ein ewig präsenter Chef seine hohen Massstäbe erfüllt, und eine zweiwöchige Absenz von Rutishauser könnte sich Tobler offensichtlich niemals vorstellen.

Eigentlich gibt es eine verblüffende Parallelität zwischen der verunglückten Reportage von Rafaela Roth über eine Waffenshow und diesem Versuch, dem Chef eines Konkurrenzorgans eine reinzuwürgen. Vom Versuch, ein wirklichkeitsnahes Porträt abzuliefern, sind beide Stücke meilenweit entfernt. Gerade über Projer, der nun tatsächlich als Quereinsteiger und Multitalent eine interessante Figur ist, könnte man ein spannendes Werk abliefern.

Aber die Voraussetzung dazu ist natürlich: wenn man das könnte. Wenn man das wollte. An beidem hapert es bei Tobler. Da bleibt nur, Geheimrat Goethe zu zitieren: «So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt.»

Oder moderndeutsch formuliert: sackschwach. Gewollt und nicht gekonnt. Übler Konzernjournalismus. Und erst noch nix ausgegraben. Zeitverschwendung.

Wumms: Lukas Hässig

Der Ritterschlag: ein Porträt in der NZZ

Noch besser für den Betreiber des Finanzblogs «Inside Paradeplatz»: vom Titel an ist es ein nicht unkritisches, aber freundliches Porträt geworden. «Recherchen und Krawall – Lukas Hässig ist der Schrecken der Mächtigen, aber sein Übermut bringt ihn oft in Schwierigkeiten».

Das hat was, aber Hässig fährt seit zehn Jahren einen scharfen Reifen mit seiner Enthüllungsplattform. Dass dabei manchmal Gummi liegenbleibt, ist sozusagen Geschäftsrisiko.

Die Liste seiner Erfolge ist zudem lang und beeindruckend. Pierin Vincenz stünde ohne ihn nicht vor Gericht. Tidjane Thiam wäre vielleicht immer noch CEO der Credit Suisse. Daniel Vasella hätte sich an einer Abgangsentschädigung von 72 Millionen für Nichtstun erfreuen können.

Aktuell ist Hässig lediglich von Patrizia Laeri eingeklagt; dafür gleich zweimal, aber ohne grosse Aussichten, dass sie mit ihren Vorwürfen von Sexismus und Rufschädigung durchkommt.

So nebenbei ist Hässig auch gegen das Medienpaket, wie die Reaktion der NZZ. Daher wird ihm am Schluss ein verdientes Kränzchen gewunden:

«Sein Portal will er auch künftig allein über Werbung und Beiträge für einzelne Artikel finanzieren. Dies, obwohl er mehr Skandale aufgedeckt und mehr zur Kontrolle der Mächtigen beigetragen hat, als alle kapitalismuskritischen Zeitungen und Online-Portale zusammen, die derzeit am lautesten nach staatlicher Förderung schreien.»

 

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert ab und an auf «Inside Paradeplatz».