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Wenn die NZZ rot sieht,

dann brennen immer noch die Sicherungen durch.

Lucien Scherrer neigt dazu, die Splitter in den Augen der anderen, aber den Balken im eigenen, bzw. in seinem Blatt, nicht zu sehen. Aber gut, welcher Journalist lässt sich schon gerne an sein dummes Geschwätz von gestern erinnern.

Scherrer will sich ganz allgemein als Medienkritiker etablieren, und diesmal hat er sich ein eher fernes Blatt vorgenommen. Fern ist immer gut; da muss man weniger mit Gegendarstellungen und Vorkenntnissen der Leser rechnen.

Seinen Unmut hat diesmal die «Berliner Zeitung» erregt. Die hat nun eine schillernde Geschichte und einen ebenso schillernden Verleger. Holger Friedrich hat das Blatt nach x-fachem Besitzerwechsel im September 2019 gekauft. Er selbst ist ein Selfmade-Millionär mit kurviger Vergangenheit und kantigen Meinungen.

Darüber kann sich jeder sein eigenes Bild machen, wenn’s beliebt. Solche Differenzierungen sind Scherrer hingegen wurst. Er behauptet kühn:

«Im angeblichen Bemühen, unvoreingenommen zu berichten, machen sie sich zu nützlichen Idioten von Diktaturen.»

Also sei Friedrich ein nützlicher Idiot von Diktaturen, genauer von denen in Russland und China. Steile These. Sie ist ungefähr so absurd, wie wenn man die NZZ als nützlichen Idioten der US-Militärpolitik bezeichnen würde, nur weil ihr oberster Oberst, der kälteste aller kalten Krieger Georg Häsler, ständig staubtrockenen Unsinn aus dem militärischen Sandkasten auf seinem Kommandopult in der Redaktion schaufelt.

Nun hat Scherrers besonderen Unmut erweckt, dass Friedrich an einer Marxismus-Konferenz in Peking teilgenommen hat. So wie ständig Redaktoren der NZZ (und von anderen Blättern) an Konferenzen von liberalen, politischen, transatlantischen Think Tanks und Organisationen teilnehmen. Was erlaubt und nicht allzu selten interessant ist. Dass die NZZ keinen Korrespondenten an diese Konferenz in Peking entsandte, sei ihr nachgesehen.

Ob sie es sich allerdings nicht verbitten würde, wenn ihr Korrespondent (da gibt es auch Beispiele von NZZ-Herrenreitern) so charakterisiert würde? «Er (Friedrich, Red.) ist Millionär und fährt Ferrari, pflegt aber eine offene Bewunderung für Sarah Wagenknecht und den letzten DDR-Staatschef Egon Krenz.»

Der ehemalige Feuilletonchef der «Zeit» Fritz J. Raddatz war kein Millionär, fuhr aber Porsche und wurde ebenfalls in der DDR sozialisiert, was ihn für diese Position nicht disqualifizierte.

Nun kommt Scherrer kurz zu einer vergifteten Lobeshymne: «Seine Zeitung will Friedrich als Debattenblatt positionieren, sie soll auch Meinungen abbilden, die der «Mainstream» ignoriert. Eigentlich ist das ein interessantes Konzept.» Immerhin, aber: Er «will vermitteln, unterzeichnet «Friedensmanifeste» und betätigt sich als eine Art Diplomat, der an Botschaftsempfängen und Konferenzen teilnimmt. Deshalb erscheint er als Akteur in seiner eigenen Zeitung, oder er schreibt gleich selber über seine Erlebnisse.»

Friedrich hat, wie fast eine Million andere (auch ZACKBUM-Redaktor René Zeyer), das Friedensmanifest von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht unterzeichnet, was wohl sein gutes Recht ist. Ebenso wie die Teilnahme an Empfängen und Konferenzen.

Dann nimmt Scherrer den Knüppel hervor: «Auch wenn Friedrich Sympathien für Despoten wie Wladimir Putin abstreitet, publiziert seine Zeitung immer wieder Beiträge, in denen es mehr um Verdrehungen und Schönfärberei geht als um andere Sichtweisen.» Nun ja, in dieses Zerrbild Scherrers passt zum Beispiel dieser Artikel nicht: «Wladimir Putins Jahreskonferenz war eine sterbenslangweilige Märchenstunde». Aber auch Scherrer frönt dem dummen Prinzip: never let the truth spoil a good story.

Es geht noch schlimmer: «Im Fall China wird die Vermischung von Journalismus und Propaganda noch deutlicher. An der Konferenz der «modernen Marxisten» in Peking war Holger Friedrich als Gast vor Ort, laut einer Fussnote unter seinem Artikel in der «Berliner Zeitung» hielt er auch ein Referat.»

Um beurteilen zu können, wie Friedrich über diese Konferenz berichtet, müsste man seinen Artikel lesen können:

Der steht allerdings hinter der Bezahlschranke, wodurch Scherrer annimmt, dass keiner der Leser seiner Philippika überprüfen kann, ob seine billige Polemik etwas mit dem Inhalt zu tun hat oder nicht. Ihnen sei versichert: nicht.

Friedrich referiert sachlich und unaufgeregt über die Themen: «Die chinesische Administration hatte zu dieser außergewöhnlichen Konferenz geladen. Das Vorhaben bestand darin, über Stand und Ausblick sozialistischer Konzepte zu diskutieren. Veranstaltet und organisiert wurde die Tagung vom Institut für Marxistische Studien, dem Thinktank der Kommunistischen Partei Chinas. Vom 28. bis 30. November fanden sich in Peking 80 Vertreter aus 34 Ländern ein

Scherrer könnte nun vielleicht eine Zusammenfassung liefern, worüber dort debattiert wurde. Stattdessen bemängelt er lieber, worüber nicht gesprochen wurde: «Dass China Länder wie Taiwan und die Philippinen bedroht, war offenbar kein Thema, zumindest ist bei Holger Friedrich nichts darüber zu lesen.» Zudem fehlte eine kritische Würdigung des Uiguren-Konflikts.

Aber irgendwie verspürt Scherrer, dass er sich mit seiner Schmierendarstellung auf rutschigem Eis bewegt und ruft die Kollegen aus Deutschland zu Hilfe: «Der Beitrag hat in deutschen Medien für Häme gesorgt. Die «Frankfurter Allgemeine» ätzte über «Journalismus, wie er in China praktiziert wird» – und warf Friedrich vor, mit dem Regime zu sympathisieren. Ob dieser (Friedrich, Red.) bloss naiv ist oder ob er sich aus politischer Überzeugung instrumentalisieren lässt, bleibt offen. Sein an Parteizeitungen wie die «Peking Rundschau» erinnernder Bericht passt jedenfalls zu jenem «antiimperialistischen» Weltbild, das der ehemalige DDR-Bürger Friedrich wiederholt offenbart hat

Ehemaliger DDR-Bürger? Soll ihm mit diesem üblen Tritt in die Vergangenheit unterstellt werden, Friedrich trage immer noch die Wurzeln seiner sozialistischen Sozialisierung mit sich? Sei sozusagen geographisch kontaminiert? Und belegt eine Polemik der FAZ irgendwie die Richtigkeit der Polemik von Scherrer? «Die haben auch gesagt», wie tief kann einer sinken.

Nachdem sich Scherrer so übel wie oberflächlich an Friedrich abgearbeitet hat, kann er sich am Schluss einen Schlenker in die Nähe nicht verkneifen. Nach Friedrich muss natürlich noch der zweite Verleger hinhalten, dessen Haltung Scherrer überhaupt nicht passt. So werde «berechtigte Kritik an westlicher Machtpolitik» als Vorwand genommen, «um diktatorische Regime zu verteidigen. Zu sehen ist das im Magazin «Weltwoche», das wiederholt Putins Verbrechen relativiert und «Journalismus» im Sinne der KP Chinas betrieben hat. Ähnlich wie Holger Friedrich versucht der Verleger Roger Köppel solche Beiträge zu rechtfertigen, indem er betont, man müsse auch «andere Sichtweisen» zulassen».

Versucht zu rechtfertigen? Wieso versucht? Scherrer selbst hingegen hat das nicht nötig. Er antwortet erst mal gar nicht auf Anfragen von ZACKBUM, womit er natürlich seine überlegen-liberale Haltung zum Ausdruck bringt.

Die NZZ bleibt weiterhin ein Leuchtturm im deutschsprachigen Journalismus. Allerdings häufen sich doch die blinden Flecken auf der Linse. Qualitätskontrolle, Ausgewogenheit, der Versuch, auch abweichenden Meinungen oder Positionen wenigstens gerecht zu werden, andere Meinungen zuzulassen und kritisch zu würdigen – das ist Scherrers Sache nicht.

Die «Berliner Zeitung» hingegen hat eine Einrichtung, die auch der NZZ zur Ehre gereichen würde:

Der NZZ kann man hingegen nicht vorwerfen, dass sie deutlich abweichende Meinungen zu Wort kommen lassen würde. ZACKBUM kann dafür aus eigener Erfahrung Beispiele liefern.

Einbetoniert in Vorurteile und die unfehlbare eigene Meinung dummschwätzen, verbale Gesteinsbrocken aus der Schiessscharte des reinen Gesinnungsjournalismus werfen – was das mit intelligenter Wirklichkeitsbeschreibung zu tun haben soll? ZACKBUM muss sich wiederholen: NZZ, quo vadis?

Eine Portion Gerülpstes

Jacqueline Badran liebt den verbalen Zweihänder. Mit hoher Selbstverletzungsgefahr.

Für Aussagen, für die sie sich entschuldigt hat, soll sie nicht zur Verantwortung gezogen werden. Aber das hier reicht auch schon für einen Nasenstüber:

Mit etwelcher Verspätung nimmt sie sich den intelligenten Kommentar von Katharina Fontana in der NZZ zur Brust, dass der SRG «weniger Geld guttun» würde. So aber nicht mit Badran. Sie kann es einleitend «kaum fassen», was da steht. Sie ist so böse auf die Autorin, dass sie deren Namen nicht über die Lippen bringt. Kein Wunder, die lande einen «missgünstigen Rundumschlag». Bis hierher ist noch alles gut; Polemik darf sein, vor allem in einem Kommentar. Aber dann wäre es doch mal schön, auch das eine oder andere Argument fallen zu lassen. Das ist aber nicht gerade Badrans starke Seite, wie sie schon mehrfach unter Beweis stellte. Und behauptet sie was, stimmt oftmals das Gegenteil.

Stattdessen stapelt sie auch hier eine Polemik auf die nächste: «Die Autorin erzählt dabei eins zu eins die unsinnige Geschichte nach, mit der wir seit vielen Jahren aus rechtskonservativen und libertären Kreisen belästigt werden. Das hat System. Solche Kreise haben schon immer und überall die öffentlich-rechtlichen Medienhäuser angegriffen. Weil sie sie nicht kontrollieren können.»

Kommt dann mal ein Argument? Der Hauch eines Arguments? Irgendwas wie «Fontana schreibt A, das ist falsch, weil B»? Niemals: «Der Kommentar ist derart anachronistisch – man reibt sich die Augen.» Stattdessen kommt nun die uralt-üble anachronistische Nummer, dass man den Inhalt einer Stellungnahme mit Sachen korreliert, auf die sie sich gar nicht bezieht. Das ist ungefähr so intelligent, wie wenn man schreiben würde: Also der Wilhelm Meister von Goethe ist eher verunglückt, für ein Gedicht.

Denn nun geht es Badran um «Desinformationskriege», von Autokraten gesäuberte Medien, machtsuchende Milliardäre (ob da Blocher dazugehört?) und «wirkungsmächtige Propaganda-Plattformen wie «Breitbart»». «Breitbart» ist schwer auf dem absteigenden Ast, in der Kategorie Poltiblogs unter ferner Liefen auf Platz 41 in den USA. Aber Badran hat ja auch von so Sachen keine Ahnung, aber zu allem eine Meinung.

Eher unappetitlich wird es dann bei ihrem nächsten «Argument» gegen den Kommentar in der NZZ: «Ermordungen von Medienschaffenden sind an der Tagesordnung.» Was hat das denn mit dem Kommentar von Fontana zu tun? Findet die das etwa gut, oder was will Badran ihr unterstellen?

Aber es hat noch etwas Platz in der wirklich fehlbenannten Rubrik «#Korrigendum»:«Richtig bemitleidenswert wird es, wenn als Kronzeugin für den «offensichtlichen Linkstrend» die Wetterprognosen herhalten müssen.» Es hat immer noch Platz: «Dass die SRG die kommerziellen Medien konkurriere, gehört auch ins Reich der Faktenfreiheit.» Das wird aber der Oberboss von der «SonntagsZeitung», wo Badran dilettiert, gar nicht gerne hören. Genau das behauptet Pietro Supino, der Faktenfreie. Immer schön, wenn man im eigenen Blatt eins in die Fresse kriegt.

Dann braucht es ja noch eine Schlusspointe. Nur: woher nehmen und nicht stehlen? Hm:

«Eine Halbierung der SRG würde der NZZ kein einziges Abo mehr bringen. Solch billige Propaganda jedoch fast sicher einige weniger.»

ZACKBUM rät: Wieso schützt eigentlich niemand Badran vor sich selbst? Sie ist mit dieser Kolumne offensichtlich überfordert, macht sich Mal für Mal lächerlich. Ausserhalb ihrer Gesinnungsblase wird sie mit solch billiger Propaganda sicher nicht punkten und einige Stimmen verlieren. Sie hat doch schon einmal eine Polit-Pause gemacht. Wieso nicht ein Schreib-Sabbactical?

 

 

 

 

 

Wumms: Eric Gujer

Gelobt sei der schneidende Ton des NZZ-Chefs.

ZACKBUM mag mit seiner Feriengestaltung nicht ganz einverstanden sein, aber seine wöchentliche Arbeit mit dem Schneidbrenner, genannt «Der andere Blick», ist herausragend.

Im allgemeinen Niedergang der Schreibkräfte und Schreibfähigkeiten ragt Eric Gujer wie ein Leuchtturm heraus, wenn er seine verbalen Blitze schleudert. Besonders schnell auf Betriebstemperatur kommt er, wenn es um die Grünen geht. Natürlich hat er recht, einen opportunistischeren und übleren Haufen in der Politik gibt es weder in Deutschland noch in der Schweiz.

Zunächst säbelt Gujer die Kritiker an der Vetternwirtschaft im Hause Habeck nieder: «Die Empörung über den grünen Klüngel im Wirtschaftsministerium ist im höchsten Mass lächerlich. Nepotismus und Ämterpatronage gehören zur Politik. Seit je werden Günstlinge und Parteigänger in einflussreiche Positionen befördert. Trauzeugen bekleiden auch in anderen Ministerien in Berlin wichtige Posten

Darauf türmt er ein verbales Massaker an den Grünen-Bewunderern: «Sie sehen in ihnen die Garanten eines besseren Deutschland: einsame Kämpfer gegen den Klimawandel, sensibel, gendergerecht und divers, Retter der Flüchtlinge, geleitet von Werten statt von schnöden Interessen.»

Dann zeigt er einen kurzen Moment der Schwäche: «Jetzt müssen die Medien feststellen, dass die Grünen eine ganz normale Partei sind. … Sogar die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» raunt von einer «Entzauberung», als hätten die Grünen jemals einen Zauber besessen.» Nein, die Grünen sind keine ganz normale Partei. Während sich dort die Wändehälse maximal um 180 Grad drehen können, ist das hier – um die grüne Aussenministerin Baerbock zu paraphrasieren, um mindestens 360 Grad möglich.

Aber schnell erreicht Gujer wieder seine normale Flughöhe: «Wer glaubt, dass Parteien ein Zauber innewohnt, sollte zum Arzt gehen.» Welch feine Anspielung auf den Elder Statesman Helmut Schmidt, der alle zum Arzt schicken wollte, die Visionen haben.

Nun legt Gujer das Florett zur Seite und greift zum Zweihänder: «Die Grünen waren noch nie besonders moralisch.» Das könne man den Grünen aber auch nicht unbedingt vorwerfen, denn welche Partei sei das schon. Aber, beim Streit um das verbieten fossiler Heizungen haben die Grünen schlimmer versagt: «Allerdings wäre es die Aufgabe des Ministeriums gewesen, den Widerstand vorherzusehen und Mehrheiten zu suchen – auch um den Preis einer weniger ambitionierten Vorlage. Tragfähige Lösungen zu erarbeiten, um die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen, das ist in der Politik Moral.»

Dann geht Gujer zum peinlichen Thema «Atomkraft, nein danke» über: «Ohne den sehr deutschen Spleen des Atomausstiegs würde Deutschland heute deutlich weniger CO2 produzieren. Indem die Grünen den Atomausstieg (unter Mithilfe der Merkel-CDU) unbeirrt durchgesetzt haben, gewichteten sie das Ideal höher als das praktische Ergebnis. Genau das ist in der Politik amoralisch

Das gilt natürlich auch für die Frau mit der schwer erträglichen Stimme: «Ähnlich verhält sich Aussenministerin Baerbock, wenn sie sich als die heilige Annalena von Xinjiang inszeniert. Indem sie die chinesischen Kommunisten möglichst oft und öffentlich über Menschenrechte belehrt, verbessert sie die Lage der Uiguren kein Jota

Nun erlaubt sich Gujer keinen Durchhänger mehr und packt die Todeskralle aus: «Die grüne Vorhut degradiert die Ehe zur «Verantwortungsgemeinschaft», nennt Deutsche «Kartoffeln» und Mütter «gebärende Personen». Das neue Ideal ist der nichtbinäre Mann mit Migrationshintergrund. Massstab der Politik ist nicht das grösste Glück der grössten Zahl, sondern die Befindlichkeit von sich immer weiter ausdifferenzierenden Minderheiten.»

So werden die Grünen «nie Kanzlerpartei», denn stärkste politisch Kraft werde man nicht, «wenn man die Mehrheit der Gesellschaft offen oder auch nur insgeheim verachtet». Volltreffer. «Den Grünen bleibt dann nur die Rolle des ewigen Steigbügelhalters für die SPD oder die Union, da können Baerbock und Habeck noch so lange strampeln

Auch wenn die NZZ bei Fragen der Neutralität oder bezüglich Waffenlieferungen im Ukrainekrieg manchmal schwächest (aber was soll sie machen, ihre ideologische Heimat FDP ist da ganz schwach auf der Brust): Gujer sorgt doch immer wieder für Lesespass.

Und so ganz spontan: welcher andere Journalist der Mainstreammedien, welcher andere Chefredaktor (generisches Maskulin, Frau Birrer, Sie bleiben schon sichtbar) fällt einem da ein?

 

… und der böse Haudrauf

Wenn «Inside Paradeplatz» seine Kernkompetenz verlässt, wird’s schummrig.

Der Finanzblog von Lukas Hässig* hat gerade sein zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Der Einzelkämpfer hat diese Webseite zu einer Institution gemacht, mit der er regelmässig die gesamte Wirtschaftspresse abtrocknet. Vasella, Vincenz, Thiam, wegen ihm gestolpert, desavouiert, skandalisiert.

Inzwischen begleitet Hässig Bewunderung und Neid, was ja das beste aller Komplimente ist. Er gibt auch Gastautoren Schreibrecht, die sich über Themen äussern dürfen, die nur begrenzt mit der schönen Finanzwelt rund um den Paradeplatz zu tun haben.

Das kann bereichernd sein, das kann auch in die Hose gehen. Aber Konfliktivität, aufjaulende Kommentatoren, das gehört zur DNA des Blogs, da lässt Hässig viel zu. Zu viel?

Zu den regelmässigen Autoren bei IP gehört Beni Frenkel. Hier muss erwähnt werden, dass Frenkel zu den Gründern von ZACKBUM zählt und sich im Frühling dieses Jahres Knall auf Fall entschied, seine Mitarbeit einzustellen.

Schnee von gestern. Es muss aber erwähnt werden, weil ZACKBUM heilfroh ist, dass Frenkel dieses polemische Meinungsstück nicht hier, sondern auf IP veröffentlichte: «20 Millionen-Grab von «Fritz + Fränzi»»

Totengräber Frenkel am Gerät.

Frenkel ist ein begabter Polemiker, und wo er hinhaut, wächst normalerweise kein Gras mehr:

«Seit 20 Jahren pumpt Ellen Ringier Geld ins Elternmagazin. Der Grossteil der Auflage wird verschenkt. Macht jährlich rund 1 Million Verlust. Man hats.»

Schlag auf Schlag gegen das Elternblatt

ZACKBUM, möchte man sagen. Das Elternblatt habe mit einer Sondernummer seinen 20. Geburtstag gefeiert, Feierlichkeiten für die «Milliardärin», die ihren 70. beging, seien aber gestrichen worden. Damit erreicht Frenkel erst Betriebstemperatur.

Die Auflage werde gepumpt, indem man 70 Prozent verschenke, zum Ingrimm der Konkurrenz werde so Reichweite gebolzt, was den Inserate-Keilern vom «Blick» zugute käme, die sich auch um das Elternblatt kümmern müssten. Dadurch entstehe ein jährlicher Verlust von mindestens einer Million, wisse ein «Insider», macht also 20 in 20 Jahren: «Auch für Milliardäre kein Pappenstil.»

20 Jahre, 20 Millionen, runde Zahlen, nichts zu feiern.

Schlimmer: «Ellen Ringiers Hobby sorgt im Unternehmen ihres Mannes für Stirnrunzeln.» Denn: «Was Verleger Michael Ringier Millionen kostet, seiner Gattin einen Zeitvertreib ermöglicht, droht anderen Redaktionen das Wasser abzugraben.» Vernichtendes Fazit:

«Würde Geld im Hause Ringier eine Rolle spielen, hätte es „Fritz+Fränzi“ wohl nie gegeben

Als Schlusspointe hätte Frenkel auch gleich noch einen neuen Titel für dieses teure Hobby: «Vielleicht „Langeweile+Geld“».

Polemik ohne Faktentreue ist einfach

Das ist lustig, das ist unterhaltsam, dass ist IP, das hätte auch auf ZACKBUM erscheinen können. Ist es glücklicherweise nicht, denn Faktencheck ist bei uns immer Aufgabe und Verpflichtung des Autors. Leider hat Frenkel hier das Prinzip beherzigt, sich von Fakten oder Widerspruch doch nicht eine knackige Hinrichtung kaputt machen zu lassen. Denn sowohl Chefredaktor wie herausgebende Stiftung drücken öffentlich ihr Unverständnis aus:

Die Herausgeberschaft findet’s überhaupt nicht komisch.

Auf persoenlich.com sagt Nik Niethammer zu den Vorwürfen: «Mit Verlaub, das ist grober Unsinn. Wir wissen nicht, was den Autor geritten hat. Der Text strotzt vor Unwahrheiten, Behauptungen und Mutmassungen. Was mich am meisten stört, ist der gehässige, herablassende Tonfall. Der Autor hat uns im Vorfeld einen Fragenkatalog zukommen lassen. Wir haben seine Fragen ausführlich beantwortet und stellen erstaunt fest: Keine Silbe davon findet sich im Text wieder.»

In einer umfangreichen Gegendarstellung regt sich auch die Herausgeberschaft darüber auf. Sie zerpflückt in 11 Punkten die Anwürfe und hält fest: «Herr Frenkel hat der Stiftung Elternsein in der vergangenen Woche über verschiedene Kanäle drei Fragen schriftlich zukommen lassen. Wir haben diese Fragen ausführlich beantwortet und uns darüber hinaus Zeit genommen, auch Rückfragen zu beantworten. Wir sind ausserordentlich erstaunt, feststellen zu müssen, dass ganz offensichtlich vorsätzlich unsere Antworten in keiner Weise in den Text eingeflossen sind, sondern gezielt Falschinformationen gestreut werden.»

Und was sagt Frenkel? Plötzlich mit Schweigegelöbnis …

Wie es bei ZACKBUM Brauch ist, haben wir Ex-Kollegen Beni Gelegenheit gegeben, zu diesen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Denn als er noch bei uns publizierte, wusste er ja, dass das zum unverzichtbaren Bestand journalistischer Benimmregeln gehört.

Aber leider hat er sich der Unsitte von so vielen anderen, den 78 erregten Tamedia-Frauen, der «Republik» usw. angeschlossen: austeilen wie ein Weltmeister. Aber Stellung zu höflich, jedoch präzise gestellten Fragen nehmen: nein, danke. Das ist eine Unsitte. Diese Feigheit macht den ganzen Inhalt der Polemik nicht nur fragwürdig, sondern nicht mehr glaubhaft. Unabhängig davon, wer hier Recht hat; «Fritz + Fränzi» oder Frenkel: er hat sich damit selbst ins Unrecht gesetzt, seine Glaubwürdigkeit verspielt, seine Reputation beschädigt.

Schon wieder können wir hier nur die Fragen publizieren, gerne hätten wir das mit den Antworten getan.

  1. Du schreibst, Ellen Ringier pumpe seit Jahren Geld in Fritz + Fränzi. Das wird aber von der Stiftung Elternsein herausgegeben, die seit Jahren eine ausgeglichene Rechnung präsentiert. Wie kommst Du auf diese Behauptung?
  2. Du verwechselst wohl «das Haus Ringier» und diese Stiftung, nicht?
  3. Du schreibst, die «Blick»-Anzeigenabteilung habe auch für F+F Anzeigen «anbaggern» müssen. Das stimmt offenbar nicht, woher hast Du das?
  4. Du schreibst, F+F koste «Verleger Michael Ringier Millionen». Ellen Ringier sagt, dass sie am Anfang ihr eigenes, geerbtes Geld investiert habe. Was stimmt?
  5. Kannst Du den Unterschied zwischen Auflage und Reichweite definieren?
  6. Du schreibst, die Leserbriefe seien «künstlich auf sieben Seiten aufgepumpt» worden. F+F sagt, dass die Redaktion normalerweise viermal mehr Zuschriften erreichen als abgedruckt werden können. Wie belegst Du Deine Behauptung?
  7. Die Stiftung behauptet, Deine ihr zugestellten Fragen und Rückfragen seien umfangreich beantwortet worden, davon fände sich aber nichts im Artikel. Stimmt das?
  8. Die Stiftung und der Chefredaktor von F+F behaupten, die würdest gezielt Falschinformationen wider besseres Wissen verbreiten. Was sagst Du dazu?
  9. Folgt man der Stiftung, scheint kein einziger von Deinen gravierenden Vorwürfen zuzutreffen. Siehst Du das auch so? Wenn ja, gibt es eine Gegendarstellung?

Schade auch, dass er bei ZACKBUM nicht mehr gelernt hat.

 

*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert gelegentlich auf «Inside Paradeplatz».