In der Höhle des alten, aber hungrigen Löwen
Claudia Blumer, Mitunterzeichnerin des Frauenprotests, wagte sich zu Roger Schawinski. Keine gute Idee.
Ums positiv zu formulieren: Mut hat die Dame. Ums machomässig zu formulieren: er passt ja in ihr Beuteschema. Aber wie auch immer, es bleibt hörbar, dass Blumer sicher einige Male bereute, sich den Besuch im «Doppelpunkt» angetan zu haben und sehnlich auf das Ende von 60 Minuten hoffte.
Aber die können sich dehnen; vor allem, wenn Schawinski mit eleganter Schärfe jemanden zerlegt. Dazu brauchte der alte Löwe nicht mal seine Beisserchen, ein paar Tatzenhiebe reichten völlig aus.
Schon nach den ersten zehn Minuten hatte Blumer die Mitunterzeichnete Salome Müller als «Initiantin» des Schreibens geoutet, eingestanden, dass sie selbst noch nie mit einer der im Schreiben zitierten Aussagen konfrontiert gewesen sei. Ob ihr die Ähnlichkeit in der Wortwahl beim Buckingham Palast und bei Tagi-CR Arthur Rutishauser aufgefallen sei? Da flüchtete sich Balmer in eine Kunstpause, bevor sie sich einen Fluchtweg ausgedacht hatte.
«Geben Sie uns mehr Zeit»
Ob sie es denn richtig finde, dass Tamedia ausgerecht eine Unterzeichnerin damit beauftragt habe, diese Vorwürfe zu untersuchen, während «Bild» das zum Beispiel extern machen lasse. «Geben Sie uns mehr Zeit», war ihre schlappe Antwort.
Aber Schawi wendete sein erprobtes Prinzip an: wenn der Interviewparter schon meint, er habe diese Klippe überwunden, gibt’s noch einen zweiten Hieb mit der anderen Tatze. Was sie denn davon halte, dass sich Oberchefredaktor Arthur Rutishauser bereits präventiv entschuldigt habe, bevor ihre Untersuchung begonnen habe und wenigstens in ein paar Fällen der Wahrheitsbeweis angetreten worden sei? Da fiel ihr schon ausser «ähm, das ist spitzfindig» nichts mehr ein.
Themen wie Frisuren und Kinder seien doch – Schawi spielt einen Ausschnitt aus seinem Interview mit Rutishauser ein – laut dem Oberchef Themen für Frauen, aber im Protestschreiben wird das als diskriminierend kritisiert? Man hofft schon auf den Gong, der die in den Seilen hängende Blumer erlöst.
Erster grosser Artikel von Nora Zukker als Benchmark?
Aber er legt mit Nora Zukker nach, die neue Literaturchefin, die als erstes Meisterstück sich mit der Drittklass-Poetin Simone Meier auf der Bank eines Friedhofs eine Flasche Champagner reinpfeift. Aber zusammen mit Bettina Weber, Michèle Binswanger und anderen Exponenten das Protestschreiben nicht unterzeichnete. Von weit unten kamen nur noch unklare Signale der unglaublich geschrumpften Blumer.
Dann wandte sich der Talkmaster dem Thema Fehlerkultur zu, was sie davon halte, dass fast alle Kantonsratsfraktionen – einmalig – die Berichterstattung des Tagi kritisierten? «Einzelfall», japste Blumer, ob er denn mehr Beispiele für Fehler habe. Er hatte, Blumer wird ganz blümerant zumute.
Er kann auch noch ganz anders
Den Blumer-GAU hatte sich der weisse, alte Mann, der zumindest ein weiser alter Mann ist, bis zum Schluss aufgespart: Wie es denn mit den geforderten anständigen und höflichen Umgangsformen zusammenpasse, über seine damalige Talkshow beim Schweizer TV zu schreiben: «Der Pitbull hat ausgedient»? Nun ja, windet sich Blumer, die diese Schlagzeile zu verantworten hat, Vergleiche von Menschen mit Tieren, das sei tatsächlich dann intern kritisiert worden.
Und dass er «nie die Regeln des Anstands befolgt hätte», setzt Schawinski zum letzten tödlichen Hieb an, und dass sein angeblicher «Fertigmacherjournalismus nicht mehr goutiert» werde? Dass man seine Sendung absetzen solle, was Wappler dann ja auch tat? Ersparen wir uns die windelweiche Antwort einer eigentlich schon bewusstlos in den Seilen hängenden Blumer. Er habe sie dann als «Landei» bezeichnet, das sei auch nicht nett gewesen, blubbert sie noch.
Die Chance für Schawinski, nicht nur darauf hinzuweisen, dass er doch Blumer gerade hier die Chance gebe, sich zu erklären, und dass er nicht den Eindruck habe, er verstosse gegen Regeln des Anstands oder der Höflichkeit. Neun, zehn, aus. K.o. nach Punkten und Treffern. Das mit dem Landei sei dann übrigens freundlich gemeint gewesen, gibt Schawi noch den coup de grâce.
Tamedia, you have a big problem
Schlussfolgerung: Bei Tamedia muss tatsächlich dringend etwas geschehen. Dass Dilettanten weiter ihren Ruf ruinieren, Journalismus per Identität und Geschlecht fordern, selber wie Berserker austeilen, aber bei einem Lufthauch schon tödlich beleidigt sind, keine zwei Sätze sagen können, ohne sich mindestens einmal zu widersprechen, das geht nicht.
Statt präventiver Betroffenheit und gar Entschuldigungen, bevor klar ist, ob es überhaupt etwas gibt, das eine Entschuldigung verlangt, muss da schleunigst durchgegriffen werden. Neben Müller hat sich Blumer hiermit in die Poleposition dafür geschoben.
Das Ganze schadet Tamedia, schadet der Sache der Frau, zeugt von Schmerzfreiheit, Kritikunfähigkeit und Hinterfotzigkeit. Das darf sich kein Unternehmen bieten lassen.