Schlagwortarchiv für: Peter Rothenbühler

Ach, NZZaS

Quo vadis, wie der Lateiner im Denkerblatt sagen würde.

Selbst der eher sanftmütige Peter Rothenbühler hat die Nase voll. Das Blatt verlottere zusehends, und Chedredaktor Beat Balzli möge doch bitte, bitte, keine Editorials mehr schreiben, bei denen einem die Füsse und das Hirn einschlafen.
Sagt ZACKBUM schon länger.

Auch die neuste Ausgabe will das – leider – beweisen.

Das Editorial trägt den Titel «Der Dichtestress ist das kleinere Übel als …» Offenbar geht Balzli zu recht davon aus, dass sowieso keiner weiterliest. Wer’s aber dennoch tut, wird mit einer Anekdote aus dem deutschen Trash-TV über Auswanderer bestraft.

Apropos eingeschlafenes Gesicht, das hier soll Kaufreiz auslösen?

Die (gähn) 10-Millionen-Schweiz, Trump und die Nahrungsmittel (schnarch), Machtmissbrauch der UBS (nun auch die NZZaS), «Tödlicher Sex» (huch), und als Duftnote: «Röstis Bruder spritzt Gülle auf geschützte Wiese» (Sippenhaft).

Auch die grafische Gestaltung des Blatts setzt Massstäbe – nach unten:

Sowas wäre selbst Verwendern von CoralDRAW zu peinlich. Apropos, «Rapper vs. Swift», die musikalische Auseinandersetzung im US-Wahlkampf, ein ganz zentraler Aspekt wird hier von Andreas Mink aufgegriffen. Ist halt auch blöd, wenn man sich ständig etwas aus den Fingern saugen muss – statt einfach mal pausieren.

Aber immerhin, kleine Lichtblicke gibt es auch:

Die NZZaS kümmert sich auch um Wichtigeres als eine misslungene Provokation eines Politik-Pin-up, nämlich um das Massaker, die Tragödie, den Menschheitsskandal im Sudan. Wo die Welt zuschaut, wegschaut. Falsche Gegend, falsche Hautfarbe.

Apropos 10-Millionen-Schweiz, ob das subversive Absicht ist?

Grossbritannien sei einstmals Vorbild bei der Integration von Ausländern gewesen (wann?). Aber nun nähmen Muslime immer mehr «Raum in der Gesellschaft ein. Und die Politik tut rein gar nichts», gesteht Bettina Schulz.

Dann bricht wieder das grosse Gähnen aus:

Wenn es ein Thema gibt, über das alle alles gesagt haben, das von oben, unten, links und rechts beäugt wurde, dann das. Deshalb ist ZACKBUM ein Ameti-freier Raum – und wird das auch bleiben.

Wie schön wäre es, wenn die NZZaS eine Patti-Basler-freie Zone würde. Denn wenn die sich über Satire Gedanken macht, dann kann man das nicht einmal als Realsatire nehmen. Hier schlafen nicht die Füsse ein, aber die Zehennägel rollen sich nach oben vor peinlicher Berührtheit.

Dass Peter Hossli, zufällig Leiter der Ringier-Journalistenschule, über die «Journalistenschule als Geschenk für die Schweiz» salbadern darf – die Ergebnisse ihrer hochkarätigen Ausbildung kann man täglich im «Blick» bewundern –, ist selbst als Kollegensolidarität einem ehemaligen Mitarbeiter gegenüber hochnotpeinlich.

Der Aufmacher der «Wirtschaft» zeigt, dass der AD sich weiterhin austoben darf. Rohes Fleisch mit einem Text, der kaum lesbar ist, wieso steht da nicht besser schwarz auf weiss (oder weiss auf schwarz): Überblätter mich!

Wer zusehen will, wie einer Kolumnistin die Luft und die Themen ausgehen, sollte sich die einstmals grossartige Kolumne «Geld & Geist» reinziehen:

Auch auf die Gefahr hin, wieder als misogyn abgestempelt zu werden: eine Kolumne, die so beginnt, bettelt darum, nicht gelesen zu werden: «Vor kurzem hörte ich einem Gespräch über Emotionen zu.» ZACKBUM ist zu höflich, um die Emotionen zu beschreiben, die den Leser überkommen.

Aber ZACKBUM ist auch furchtlos; wir haben quer weitergelesen. Und sind über diese Perlen gestolpert:

«Fakt ist: Jeder Mensch hat Gefühle … ein Gefühlsvokabular aufbauen … am allerwichtigsten ist jedoch, Gefässe für den Austausch von Gefühlen zu schaffen».

Hier braucht es ein ganz, ganz grosses Gefäss, um Dampf abzulassen, dass man mit solchem Flachsinn belästigt wird. Dass es für diese Geistlosigkeit noch Geld gibt …

Jetzt aber, Männer, aufgepasst, ihr könnt mit dem Geschlechtsakt zu Mördern werden. Ungelogen: «Sex kann Auslöser allergischer Reaktionen sein. Männer übertragen mit ihrem Sperma Stoffe, die sie Stunden zuvor zu sich genommen haben – das Liebesspiel endet so gelegentlich tödlich».

Wahnsinn. Männer, verwendet Kondome. Aber sicherheitshalber auf nüchternen Magen.

Dann kommt Serie, Teil zwei. Nachdem in der letzten NZZaS einige Schweizer Kunstschaffende abserviert wurden, nun die vorhersehbare Fortsetzung: «Jung, unkonventionell und mit Mut zum Risiko». Neue, junge Künstler, hereinspaziert; NZZaS-Autoren zeigen ihre subjektive, nicht wirklich interessante Auswahl.

Schliesslich hat sich Linus Schöpfer das «City Bid Book» besorgt; die Gebrauchsanweisung, wie der ESC zu organisieren sei. Das wurde von der SRG an interessierte Städte verteilt, sollte aber geheim bleiben. «Ätsch, Öffentlichkeitsgesetz» sagte Schöpfer. Nicht schlecht, sozusagen ein leise versöhnlicher Ausklang.

Aber: Jonas Projer wurde von der eigenen Redaktion weggemobbt, weil er zu sehr gegen deren Schrebergärten, Hobbys und Überheblichkeiten anging. Dass sich damit die Redaktion selbst ins Knie schoss und nun zu grössten Teilen der NZZ angeschlossen ist, Künstlerpech.

Balzli lässt alle machen, inklusive ein unterirdisches Layout. Da er selbst nicht mal ein interessantes Editorial hinkriegt, dürfen sich alle Schreiber austoben, wie es ihnen drum ist. Oder anders gesagt: wer ein Aufmacher-Meinungsstück über ein verglühtes Politik-Sternchen zulässt, hat die Kontrolle über sein Blatt verloren.

Wenn Eric Gujer gerade mal nicht mit Weltenlenken beschäftigt ist, wird er etwas unternehmen. Aber wahrscheinlich rettet Balzli vorläufig noch, dass man nicht wieder so ein Schlamassel wie bei der Nachfolge von Projer anrichten möchte. Nur: welches Schlamassel ist letztlich grösser, das im Blatt oder das einer rumpeligen Nachfolge?

 

Der Bezwinger des Matterhorns

Peter Rothenbühler wechselt das Organ. Damit setzt er ein Zeichen.

Wenn man nicht mehr der Jüngste ist, aber immer noch aktiv, dann wird man zum Urgestein. Peter Rothenbühler (wir haben mal zusammengearbeitet und mögen uns wohl) hat seine Karriereplanung mit der Besteigung des Matterhorns verglichen.

Früh aufstehen, schnell an die Spitze, dort nur kurz jauchzen und gleich an den Abstieg denken. Er hat das Matterhorn bestiegen, und einige Chefredaktorsessel auch. Mehr als das; als er als letzter Notnagel die serbelnde «Schweizer Illustrierte» übernahm, erfand er den Schweizer People-Journalismus.

Er hielt gegen alle Häme durch und machte damit die SI zu einem hochprofitablen Organ. Sehr zum Verdruss eines grossen Teils der Redaktion. In den damaligen goldenen Zeiten des Journalismus mussten wir nur einmal den Redaktionsgang runterlaufen, schon hatten wir wieder drei Kündigungen im Rücken.

Mit seinen Kolumnen auf Wanderschaft

Aber genug der Nostalgie, das Leben ging weiter, 2000 brach Rothenbühler zu neuen Ufern auf, nachdem man ihn bei Ringier nicht mehr wirklich wollte. Nach einem misslungenen Abstecher zu Roger Schawinski zeigte er als Chefredaktor von «Le Matin» nochmals, wie man ein erfolgreiches Blatt macht.

Auch mit seiner Kolumne ging er auf Wanderschaft, bis er wieder bei der SI damit landete. In einem vergnüglichen Interview auf persoenlich.com, das er möglicherweise mit sich selbst geführt hat, begründet er die Wahl banal: «Die hat am meisten bezahlt.»

Mit dem ihm eigenen Geschick und Schalk manövriert er sich durch die Fragen, wieso er schon nach sieben Jahren gehe, normal bei ihm seien doch zehn: «Das sind die neuen zehn Jahre.» Wieso zur «Weltwoche»? «What else, kann ich da nur sagen.» Und der politische Kurs des Blatts? «Den suche ich immer noch.»

Vom Piksen und Quälen

Und wie steht es mit dem Widerhall seiner Kolumnen? «Doch, doch, es läuft gut. Grosse Persönlichkeiten lassen sich immer etwas sagen. Nur die Kleinen weinen, wenn man sie pikst.»

Sticheln kann er natürlich auch nicht lassen, er setzt sogar zu einem wahren Manifest an, was bei ihm eher selten ist: «Ja, ich glaube, die Weltwoche hat eine grosse Zukunft. Ich bin ein Überzeugungstäter, glaube an den freien Diskurs, der heute gefährdet ist. Ich schreibe fortan für eine Publikation, wo das offene Wort etwas gilt, wo es keine Zensur, keine vorauseilende Unterwerfung unter die Hüter der Korrektheit, keine Genderpolizei und keine Diversity-Manager gibt.»

Das kleine Wörtchen «fortan» deutet dezent darauf hin, dass das in seinem bisherigen Organ anders war. Da Rothenbühler wirklich ein treuer Mensch ist, muss man ihn längere Zeit garstig gepikst haben, bis er sich entschloss, dass es nun aber reicht.

Ringier und sein unglückliches Händchen beim Personal

Als ich ihm zum Wechsel gratulierte, fragte ich auch, was denn der eigentliche Grund sei. Darauf schweigt Rothenbühler, denn auch dazu hat er eine unschlagbare Erkenntnis aus seinen jahrelangen Aufenthalten in Schlangengruben gewonnen: Er komme leise und gehe leise. Nur dazwischen gebe es manchmal Mais.

Wie schon bei Helmut-Maria Glogger selig zeigt hier Ringier wieder einmal, dass der Verlag ein eher unglückliches Händchen in seiner Personalpolitik hat. Nachdem eine Rabauken-Truppe aus Deutschland den «Blick» fast an die Wand gefahren hatte und ihn zur teuersten Entschuldigung aller Zeiten zwang, wechselte ein belangloser Chefredaktor den letzten ab. Nun leitet Christian Dorer mit seinem Schwiegersohn-Charme das, was von der «Blick»-Familie noch übrig ist.

Auch die SI ist nur noch ein Schatten ihrer selbst; 20 Jahre ohne Innovation, nur Imitation von Rothenbühlers erfolgreicher Idee, das reicht in den garstigen heutigen Zeiten nicht. Ohne Rothenbühler wird das Blatt noch beliebiger, um ein Lieblingswort des Hausgespensts Frank A. Meyer zu benützen, der Meister der Beliebigkeit.