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Peter Hartmeier über ZACKBUM

Zu viel Häme, zu wenig didaktische Angebote, dafür erstaunliche Recherchen.

Peter Hartmeier ist als Partner der Agentur Lemongrass Communications AG für die einen der grosse Strippenzieher im Schweizer PR-Zirkus. Für die anderen ist Hartmeier einer der vielen gescheiterten Tagi-Chefredaktoren (er war sieben Jahre CR). So oder so kennt Hartmeier den Journalismus und auch die Welt der Unternehmenssprecher (er war von 2010 bis 2013 Leiter der UBS-Unternehmenskommunikation) aus dem Effeff.  Der 68-Jährige hat als Journalist beim Badener Tagblatt begonnen.  Nun  hat sich der Kreis geschlossen. Seit 2019 ist er Vorsitzender des Publizistischen Ausschusses von CH Media, zu dem auch das Badener Tagblatt gehört. Die CH Media-Publizistik ist eine Instanz, die ZACKBUM immer mal wieder auf dem Kieker hat. Stichwort Pascal Hollenstein (Leiter Publizistik CH Media) und sein nicht immer glückliches Agieren.

Peter Hartmeier, Sie haben auf persönlich.com der Zeit-Redaktion zum 75-Jahr-Jubiläum gratuliert. Warum haben Sie Matthias Daum und seine Redaktionskolleginnen Sarah Jäggi und Barbara Achermann nicht erwähnt?

Für mich stand die historische publizistische Leistung dieses ausserordentlichen Mediums im Mittelpunkt und damit mein Respekt für die Gründergeneration um Marion Gräfin Dönhoff. Diese starke Frau hat mich seit meiner Jugend beeindruckt.

Was halten Sie denn vom Schweiz-Split?

Ich habe mich gefreut, als er eingeführt wurde: seither lese ich ihn aufmerksam Woche für Woche.

Von den Abozahlen her sind die Zeit (Schweizer Ausgabe) und die Republik ähnlich gross. Warum hat aus Ihrer Sicht die Schweiz-Ausgabe der Zeit so viel weniger öffentliche Resonanz?

Der Schweizer Split der «Zeit» ist eine zusätzliche, von der Leserschaft geschätzte Leistung innerhalb eines etablierten Titels; die «Republik» hingegen muss als spektakuläre Neugründung plakativ auf sich aufmerksam machen, um sich durchzusetzen

Wie finden Sie generell das Online-Magazin Republik?

Eine originelle Neu-Gründung, die ich aus Freude an der Schweizer Medienlandschaft schätze. Dieser Sympathie-Bonus ist eine Grundlage, von der aus ich mich dann kritisch über einzelne Beiträge oder ganze Serien äussere.

Wer bleibt länger bestehen: «Die Zeit» oder die «Republik»?

Die «Zeit» hat einen Verleger und ein entsprechendes Medienhaus im Hintergrund und wird kontinuierlich von starken Chefredaktions-Persönlichkeiten geführt – das merkt man diesem Titel an, der immer wieder junge Talente findet und engagiert.

Die «Republik» hingegen hat den Charakter einer Neugründung und muss ihre Unverzichtbarkeit erst noch beweisen. Die beiden Titel befinden sich in völlig unterschiedlichen Zyklen.

Deshalb ist die Frage nicht zu beantworten.

Noch ein Wort zu ZACKBUM: Wie nehmen Sie diese Plattform wahr?

Ich lese die Plattform in der Regel einmal wöchentlich: das genügt mir, weil für mich das Mass an Häme oft überschritten wird.

Was können wir Macher also aus Ihrer Sicht besser machen?

Ich bin oft im Gespräch mit jungen Talenten, die sich überlegen, eine journalistische Karriere zu beginnen, sie fortzusetzen oder in verwandte Branchen zu wechseln. Ausschliesslich hämische und vernichtende Medien-Kritik stösst diese jungen Talente eher ab, weil damit der Eindruck vermittelt wird, Journalismus und Publizistik befänden sich kurz vor dem Exitus – was objektiv gesehen nicht der Fall ist.

Exitus bedeutet Tod (ich musste es nachschauen). Symbolisch kommt das für gewisse Bereiche schon hin. Nochmals, was vermissen Sie an ZACKBUM?

zackbum.ch  könnte zum Beispiel auch einen kritischen Blick auf den Lokaljournalismus werfen.

Überhaupt: berichten Sie täglich über überraschende Ideen, originelle Kommentare, erstaunliche Recherchen.

Wenn «Zackbum» als medienkritische Plattform ernst genommen werden will , muss es das didaktische Angebot ausbauen.

 

Drei Meldungen, eine Geschichte

Peter Wanner schreibt einen Brief, Jean-Martin Büttner muss gehen. SRF baut ab und um.

Er ist wohl das, was man ein Urgestein nennt. Noch länger als Rainer Stadler bei der NZZ harrte Jean-Martin Büttner beim Tagi, bei T, bei TX, bei Tamedia aus. 37 Jahre verbrachte er dort, sein ganzes Berufsleben.

Er ist Jahrgang 1959, fing 1983, nach Abschluss seines Studiums, beim Tagi an. Das heisst, dass er ein paar Jahre zu früh gefeuert wurde, um problemlos ins Rentnerdasein zu rutschen. Aber solche Kleinigkeiten spielen heutzutage keine Rolle mehr.

Wanner hat einen Brief mit Beilage geschrieben

Wie persoenlich.com exklusiv vermeldet, hat Hausherr Wanner allen Journalisten bei CH Media einen Brief geschrieben. Weihnachtsgrüsse, schwierige Bedingungen, «schätzen Ihren Einsatz sehr», Blabla.

Da dem Schreiben kein Zehnernötli beilag, obwohl sich ja auch dieser Verlag das traditionelle Weihnachtsessen sparen kann (der Zunft geschuldet mehr ein Weihnachtstrinken; welche fabulöse Alkoholrechnungen enthemmte Journalisten verursachen können, sagenhaft), schauten sich die Betroffenen eine Beilage genauer an.

«Leitlinien für den Lokaljournalismus», so der Titel des E-Mail-Anhangs. Interessant. Wird hier erklärt, wieso die Leitlinie daraus besteht, Aussenstationen zuzuklappen, Lokaljournalisten rauszuschmeissen oder zu Regional-, wenn nicht Kantonaljournalisten zu machen?

Leitlinien im luftleeren Fantasieraum

Das ist zwar die bittere Realität, aber davon will sich ein publizistischer Ausschuss doch nicht seine Illusionen nehmen lassen. Der Lokaljournalist müsse «den Stallgeruch spüren», vor allem «nahe dran bleiben», nicht zuletzt: «Man muss ihn mögen, damit er an Informationen herankommt.» So stellt sich das ein Club von überwiegend älteren Herren vor, die noch nie oder seit Jahrzehnten nicht mehr so etwas wie Lokaljournalismus gemacht haben.

Schliesslich sitzt der «Kommunikationsberater» Peter Hartmeier* dem «Publizistischen Ausschuss» von CH Media vor, unterstützt von Koryphäen wie Esther Girsberger oder Peter Wanner himself. Natürlich darf auch die publizistische Leiter nach unten nicht fehlen, Pascal Hollenstein.

Man ahnt es, da kann ja nichts Gutes herauskommen. Nachdem man das den älteren Herren erklärt hat, sind sie nun überzeugt: «Mobile first». Irgendwie. Denn dank des Internets wisse man jetzt, «welche Titel und Artikel besonders gut klicken.» Da hat’s auch beim publizistischen Ausschuss (nomen est omen) spät, aber immerhin klick gemacht. Denn wenn man schon beim digitalen «Change» ganz vorne dabei ist, weiss man auch: «Der moderne Journalist ist ein Video-Journalist.» Denn auch das klickt ungemein.

Neuigkeiten von der Fernbedienung

Wunderbar, man hat sich sagen lassen, dass man nicht mehr nur mit der Fernbedienung, sondern auch mit – wie heisst das Zeugs schon wieder – Streamen bewegte Bilder anschauen kann. Multichannel, you know, Text ist so was von gestern, heute ist Bild und Ton und Text und Illu und Link, und Blog, und Social Media, und, und, und.

Wie macht das der moderne Journalist? Na, piece of cake, wie da der Digital Native sagt: «Mit Video‐ und Audio‐Schnipseln und Fotos bastelt der Journalist eine multimediale Story.» Manchmal gelingen selbst Pfeifen Sätze, die jeden weiteren Kommentar erübrigen. Ausser, dass noch nicht klar ist, ob das der Video-Journalist mit eigenen Mitteln und Selbststudium basteln soll oder nicht.

Bei SRF gibt es keine Bastelstunde

Entschieden weiter mit Video- und Audioschnipseln und überhaupt im Netz ist SRF. Als die Direktorin Nathalie Wappler im Livestream (nimm das, publizistischer Ausschuss) ihre Untergebenen darüber informierte, dass es ihr wirklich ernst ist mit dem digitalen Umbau, meinte man gigabyte-mässig immer noch Unglauben und «lassen uns doch nicht die Festtage völlig versauen» zu spüren.

Denn Wappler kündigte konkret an, dass im Januar die ersten 66 Vollstellen gekündigt werden. Sozialplan vorhanden. Insgesamt verabschiedet sich SRF in den nächsten zwei Jahren von 211 Stellenbesitzern. Das ist bei rund 3000 Angestellten nicht mal 10 Prozent, aber dennoch ist das üppig bezahlte Personal erschüttert, gerüttelt, gerührt und angefasst.

Gleichzeitig aber werden in einem ersten Akt 89 neue Stellen geschaffen. Was bedeutet, dass offenbar viele des Bastelns von Videos und Audios mächtige Mitarbeiter nicht in der Lage sind, ins Modern-Digitale umzusteigen. Eine Zeitenwende wie damals, als man den letzten Printjournalisten ihre Schreibmaschine wegnehmen musste und sie darauf aufmerksam machen, dass faxen nicht mehr die beste Übertragungsmethode ist.

Drei Meldungen, drei Erkenntnisse, eine Frage

Was sagen uns diese drei Ereignisse? Sie verschaffen drei Erkenntnisse. Texte von Büttner wären garantiert nicht besser geworden, wenn er sie mit Video- und Audioschnipseln verunstaltet hätte. Schlichtweg schon deshalb, weil ein guter Schreiber kaum auch ein guter Fotograf, Radio-Reporter oder gar VJ ist.

Was CH Media hier als Blick in die Zukunft vergeigt, ist das typische Resultat eines abgehobenen Altherrenvereins, der selbst vom Millionengrab watson.ch nicht gelernt hat, dass Internet nicht einfach Flimmern statt Drucken bedeutet. Und dass ein Lokaljournalist mit Kamera normalerweise schlechter ist als ohne. Insofern es ihn überhaupt noch gibt.

SRF hingegen, gebadet in genügend Zwangsabgaben, kann es sich leisten, bei der digitalen Transformation Nägel mit Köpfen zu machen. Zuerst ein wohlüberlegter Plan, dann die Strategie zur Umsetzung, dann die personellen Konsequenzen. Muss auch nicht unbedingt funktionieren. Aber im Vergleich zu Tamedia oder CH Media liegen Welten dazwischen.

Zwei Grosskonzerne ohne Konzept, ausser nach Staatshilfe zu krähen. Und ein mehr oder minder Staats-TV, dass verblüffenderweise nicht der Letzte im Umzug ist, wenn es um Paradigmenwechsel geht, sondern den Umzug anführt. Wie absurd ist das denn?

 

*Da sieht man, wie schnell ich abschalte, wenn sein Name erscheint. So heisst er richtig, nicht Hartmann. Schon wieder. Ich schreibe hundert Mal an die Wandtafel: Ich muss meinen Namens-Check verbessern. Aber immerhin, Dürrenmatt habe ich im ersten Anlauf richtig geschrieben.