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Ach, Bodenmann

Peter Bodenmann ist noch recht kregel. Aber dann lässt er nach.

Der Anfang war nicht schlecht. Als mein Artikel «Bodenmanns Furz-Idee» erschien, klingelte kurze Zeit später das Telefon. Am Apparat war Bodenmann himself.

Er fragte mich einleitend, ob ich schon jemals eine Solaranlage installiert habe. Als ich zurückfragte, ob das irgend einen Einfluss auf die Richtigkeit meiner Argumente haben könnte, liess er das Thema. Fuhr aber fort, dass ich nun wirklich keine Ahnung habe, überhaupt nix verstehen würde und seine Berechnungen selbstverständlich alle richtig, meine alle falsch seien.

In gelöstem Gelächter endete das Telefonat, als er mich fragte, ob ich ein Mandat von der Atomlobby hätte. Ich ersparte ihm die Gegenfrage, ob er an chinesischen Herstellern von Photovoltaik-Anlagen beteiligt sei.

Auf jeden Fall rechnete ich fest damit, dass es im Anschluss daran hier oder auf «Inside Paradeplatz» eine gepfefferte Replik von ihm absetzen würde. Denn es wäre ja dringend nötig, allgemeine Sprüche wie «hat keine Ahnung» mit konkretem Inhalt zu füllen. So nach der guten, alten Devise: falsch ist, wenn Zeyer schreibt, richtig ist vielmehr.

Also so war das jedenfalls mal, als man sich noch nicht mit Verbalinjurien allgemeiner Art bewarf, sondern auf faktenbasierte Ansichten mit faktenbasierten Meinungen replizierte.

Bodenmanns Furz-Idee

Alt-Genosse Peter Bodenmann hat einen originellen Strom-Vorschlag. Politiker und Medien sind begeistert.

Nachrechnen sei erlaubt, schreibt er. Wenn man’s tut: kann und wird nicht funktionieren. «Solarstrom aus den Bergen wird künftig unser Winterloch stopfen – weil es sich rechnet.» Diese frohe Botschaft verkündet Peter Bodenmann in der NZZ. Seine Kernthese:

«Der Alpenraum der Schweiz weist eine Fläche von rund 18 Milliarden Quadratmetern auf. Pro Quadratmeter kann man an guten Lagen pro Jahr kostengünstig und umweltfreundlich 250 bis 400 Kilowattstunden Strom produzieren. Davon die Hälfte im Winter. Mit 0,7 Prozent der Fläche in den Alpen kann die Schweiz ihr Winterloch stopfen, die bestehenden Atomkraftwerke abschalten sowie den durch Elektroautos und Luft-Wasser-Wärmepumpen geschaffenen Zusatzbedarf decken.»

«Nachrechnen erlaubt», verkündet er frohgemut, und fügt noch neckisch hinzu: «Das gleiche Solarpaneel produziert im Saflischtal drei- bis viermal mehr Winterstrom als auf dem Dach der NZZ an der Falkenstrasse in Zürich.»

Rechnen wir nach: Auch im Saflischtal ist die Tageslänge im Winter wesentlich kürzer als in Zürich. Während Bodenmann vor Wochen vom zweifachen Winterertrag einer Anlage in den Bergen im Vergleich zu einer Talanlage sprach, sind es nun drei bis viermal mehr. Tatsache ist: es ist maximal das Doppelte.

250 bis 400 KWh pro Jahr. Es dürften maximal 250 KWh sein. Im Mittelland fallen davon ¾ im Sommer- ¼ im Winterhalbjahr an. Nehmen wir an, in den Bergen sei es fifty-fifty, also 125 KWh pro m2 im Winterhalbjahr.

0.7% der nutzbaren Alpenfläche entspricht 126 km2. Dies ergäbe im Winterhalbjahr eine Stromproduktion von rund 16 TWh.

Die Schweizer Kernkraftwerke produzieren pro Jahr ca. 18 TWh Strom; davon im Winter ca. 10 TWh.

Die von Bodenmann errechneten rund 16 TWh Strom im Winterhalbjahr würden also die Stromimporte (Stromlücke) von ca. 6 TWh im Winterhalbjahr und den Ausfall der Kernkraftwerke decken.

Was in den Ausführungen Bodenmanns fehlt: Die Kosten. Ein KWp Leistung kostet bei einer Hausanlage ca. 2’000 Fr.; dies ergibt etwa 1’000 KWh Strom pro Jahr. Bodenmanns Anlagen produzieren 32 TWh pro Jahr. Bei diesem Tarif würde dies Kosten von 32 Milliarden Fr. verursachen. Es ist fraglich ob die Konstruktion in den Bergen wesentlich billiger zu stehen kommt als im Tal auf Dächern. Des Weiteren müssen für die geplanten Grossanlagen in den Bergen entsprechende Stromleitungen, Strassen etc. gebaut werden, was bei Anlagen auf Häusern entfällt.

Wo stimmt die Rechnung Bodenmann nicht? Man kann nicht davon ausgehen, dass man die 126 km2 voll mit Solarpanelen bedecken kann; es braucht Zwischenräume zwischen den Panelen (z.B. für den Unterhalt), und es wird Stellen geben, wo man keine Panele aufstellen kann (Bäume, Felsen, Bäche etc.). Man sollte vorsichtigerweise mit dem Doppelten, also 250 km2, rechnen.

Was in den Überlegungen Bodenmann nicht ausgeführt wird: Was geschieht mit dem massiven Stromüberschuss im Sommerhalbjahr? Selbst wenn man diesen Überschuss exportieren kann, dürften die erzielbaren Preise nicht sehr hoch sein. Fraglich auch, ob die Leitungen dazu existieren. Sicher ist, dass die temporäre Speicherung in Stauseen nur zu einem minimalen Teil möglich sein wird.

Hinzu kommt: die Rechnung Bodenmann stimmt insofern nicht, als die Nordseiten von Tälern völlig ungeeignet sind und viele Ost- und Westseiten ebenfalls wenig bringen. Kommt dazu: Flächen über den Grasnarben dürften ungeeignet sein, dito Gletscher, etc. Der nutzbare Alpenraum beträgt also nicht 18’000 km2, sondern bestenfalls 6’000 km2. Man müsste also 4 Prozent der nutzbaren Fläche bedecken mit Panelen. Die besten Flächen notabene, wo das beste Gras wächst und die schönsten Alpen sind.

Beispiel Schächental

Das Schächental liegt in diesem Gebiet und umfasst ca. 135 km2:

Davon ist nur der Nordhang für Photovoltaik (PV) geeignet, und auch dies nur über 1’000 m. Darunter hat es zu wenig Sonne wegen Nebel und der Beschattung durch die Berge im Süden. Darüber hinaus ist es bewohnt (Spirigen, Unterschächen).

Die maximal mit PV auszustaffierende Fläche wäre etwa diese:

Also 18 km2, oder 13% der Gesamtfläche.

Davon gehen noch ein paar Prozente ab für Stellen wo man keine PV bauen kann oder wo der Ertrag zu klein ist. Und will man dort nicht tausende von Bäumen abholzen, die Skigebiete schliessen, die dort oben lebenden Leute umsiedeln, so bleibt nicht einmal die Hälfte.

Es eignen sich höchstens 6% der ganzen Fläche des Schächentals für PV. Die Sonnenhänge wären damit aber praktisch mit PV bedeckt. Dabei ist das Schächental noch ein positives Beispiel.

Im Klartext: Es dürfte in den Schweizer Alpen keinen Aussichtspunkt mehr geben, wo man nicht in grosse bis riesige Panelenflächen schaut.

Nehmen wir das Gebiet um den Walensee. Der Südteil ist weitgehend ungeeignet für PV. Im Nordteil bietet sich aber einzig die Höhe von Amden an und vielleicht ein paar kleinere Flecken im ganzen Gebiet.

Merke: der direkte Nordteil des Walensees dürfte für PV mehrheitlich zu steil sein. Er ist notabene nicht erschlossen durch Strassen etc.:

Man kann also sagen, dass praktisch die ganze Fläche von 550 km2 rund um den Walensee für die PV ausfällt, will man Amden nicht dicht machen.

Wenn man ein paar konkrete Beispiele herausgreift, wird schnell klar: eine schöne Idee. Theoretisch. Praktisch aber unverwirklichbar. Eine genaue Untersuchung würde wohl ergeben, dass keine 2% oder 360 km2 der Alpen für Photovoltaik (PV) geeignet wären ohne massiven Eingriff in die Landschaft (siehe Beispiele).

Die bodenmann’sche Rechnung verlangt (korrigiert durch mich) 250 km2 Fläche + etwa 80 km2 für zukünftige Bedürfnisse, also gegen 330 km2. D.h. die gesamten auch nur einigermassen geeigneten Südhänge (die besten Hänge!) müssten mit PV überdeckt werden. Dass dies völlig ausgeschlossen ist, bedarf keiner weiteren Erklärung. Die betroffenen Gemeinden würden auf keinen Fall ihre Zustimmung geben, oder allenfalls für ein paar m2. Dies wäre wirtschaftlich aber sinnlos.

Fazit: Auf den ersten Blick erscheint Bodenmanns Idee einleuchtend. Bei genauerer Betrachtung ist «Solarstrom aus den Bergen» eine Furz-Idee. Nicht zu Ende gedacht, realitätsfern, unbrauchbar. An den bestehenden Kernkraftwerken und dem Bau neuer Anlagen führt kein Weg vorbei.

Was bei allem Obigen noch nicht berücksichtigt ist: der zusätzliche Strombedarf für die Elektromobilität und die Umstellung auf Wärmepumpen. Über den Daumen gepeilt muss man die obigen Zahlen dafür generell um etwa 30 Prozent erhöhen.

Bewilligungsverfahren, Bauzeit, Kosten. «Besser geht nicht», schliesst Bodenmann seinen Artikel. Man muss ihm zugestehen: origineller geht nicht. Aber wie sagte Bertolt Brecht mal so richtig: Sorgfältig prüf ich meinen Plan; er ist gross genug; er ist unverwirklichbar.

 

 

 

 

Rettet die Welt!

Denn sie ist schlecht. Aber die «Weltwoche» weiss Abhilfe.

Ihre aktuelle Ausgabe ist wieder einmal voller Hiobsbotschaften. Und leider nur sehr wenigen Hoffnungsschimmern. Noch seltener sind Ratschläge, wie denn die Welt besser werden könnte.

Gleich einleitend berichtet ein gewisser «R.K.» von seinen Erlebnissen in Dubai. Viel Sand dort, da wird ihm «schlagartig bewusst: alle diese Länder möchten sein wie die Schweiz». Passend dazu trifft er einen Riesengeschäftsmann, der sich vor zehn Jahren entschied, in der Schweiz zu leben. Aber, Himmels willen: «Heute überlegt sich der Unternehmer, ob er in der Schweiz bleiben soll.» Denn die ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Banges Fazit: «Ob die Schweiz ihre über Jahrhunderte hart erkämpfte Stellung behauptet oder leichtfertig verscherzt, ist unsicherer denn je.»

Dazu passt: «Der Blackout von Skyguide ist nur das jüngste Beispiel für das schludrige Management und die Verwahrlosung der grossen Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand.» Auch das noch: Das Massnahmenpaket der Freisinnigen zur Flüchtlingskrise «zielt an der Schweizer Lebenswirklichkeit vorbei». Keine Zukunft hierzulande: «Der Nachwuchs wird mit Psychopharmaka ruhigstellt oder gar abgetrieben

Sogar Peter Bodenmann, die rote Unke aus dem Wallis, sieht schwarz: «Die Aufhebung des Mindestkurses war ein gigantischer Fehler. Die Anhebung der Negativzinsen ist ein vergleichbares Eigengoal.» Dieses Verdikt hat die WeWo so beeindruckt, dass sie es gleich zweimal wiedergibt. Auf Seite 19 und auf Seite 25 – zumindest online.

Nicht nur in der Schweiz geht’s zu wie im hölzigen Himmel: «Westen ohne Führung», beklagt Copy/paste-Meister Urs Gehriger. Grundfesten der Schweiz wanken auch: «Was ist nur mit den Bauern los?» Früher seien die erfolgreiche Lobbyisten gewesen, nun «stecken sie empfindliche Niederlagen ein».

Dafür darf dann der Chefredaktor, was halt nur ein Chefredaktor darf: ein viel zu langes Interview mit dem deutschen Schriftsteller Uwe Tellkamp führen.

Sozusagen ausser Konkurrenz läuft der Putin-Missversteher Thomas Fasbender, der endlich die uns alle unter den Nägeln brennende Frage beantwortet: «Warum hat Putin die Ukraine angegriffen?» Die Antwort ist allerdings so hanebüchen, dass wir sie dem Leser ersparen. Fehlt noch etwas? Aber klar, das Schweizer Farbfernsehen. Dazu sagt der berufene Interviewpartner Thomas Matter: «Früher war es eindeutig sachlicher und neutraler.» Früher war halt wirklich alles besser.

Ausser Konkurrenz läuft natürlich das Feuilleton der «Weltwoche», nicht zuletzt deswegen, weil Autor René Zeyer hier gelegentlich publiziert. Ab «Leben heute» wird’s dann endlich heller, aber auch seichter.

Vorher wird aber der Leser mit einer dicken Portion Pessimismus überschüttet. Einziger Lichtblick ist Christoph Mörgeli, der sich mit Lust und List an einem seiner Lieblingsfeinde abarbeitet: «Historiker Tanner vergaloppiert sich». Er schmiert ihm nochmals aufs Brot, dass der seine über 300’000 Franken in der Bergier-Kommission laut eigenen Angaben «redlich verdient» habe. Das aber, so Mörgeli, ohne eine einzige Zeile selbst verfasst zu haben. Hinterfotzige Schlussfolgerung von Mörgeli: «Um seine Haut zu retten, unterstellt Tanner indirekt den wirklichen Autoren, er sei ihr Ghostwriter gewesen und habe ihnen seine Texte untergeschoben. Damit stehen diese «unabhängigen, intelligenten jungen Historikerinnen und Historiker» (Tanner) unter Verdacht, ihn plagiiert zu haben. Eigentlich müssten sie sich gegen diese ungeheuerliche Verdächtigung zur Wehr setzen

Das ist wenigstens mal eine lustvolle Polemik, voll auf die Zwölf. Ein kleines Glanzlicht in der Beschreibung einer elenden, verelendenden Welt.