Schlagwortarchiv für: Peinlichkeit

Das «Magazin» des Schreckens

Die Welt ist garstig genug. Braucht’s auch noch Nina Kunz?

Und als ob Kunz alleine nicht schon für Leserschwund sorgen würde, das lässt sich noch steigern. Schwer vorstellbar? Aber einfach realisierbar.

Wenn Kunz Franziska Schutzbach interviewt. Auf 25’600 A! Welchen Kreis der Hölle sich Dante wohl so vorgestellt hat?

«Frauen bekommen Freiheit von anderen Frauen. Oder sie bekommen sie gar nicht.»
Also gebt endlich auf, Männer.

Nina Kunz, das ist die Kolumnistin, die Texte absondert wie: «Unsere Autorin fühlt sich entfremdet von der Natur und möchte das ändern. Eine Selbsterkundung in elf Kapiteln.» Schutzbach behauptet, eine Genderforscherin zu sein, ist aber garantiert eine feministische Antidemokratin. Sie ging so weit, dass sie Redeverbot oder Boykott für «rechtsnationale Politiker» forderte, selbst wenn «diese gewählt wurden». Als das Gegenwind gab, ruderte sie schnell zurück, das sei nur ironisch gemeint gewesen.

Beide zusammen lupfen der Bärtschi-Skala der Peinlichkeit den Hut. Er selbst garantiert normalerweise für eine stabile 10. Die geballte Frauenpower Kunz/Schutzbach schafft problemlos eine 25. Ach was, nach Lektüre dieses Interviews vergibt ZACKBUM matt und verwundet eine 30.

Das fängt schon beimTitelzitat an:

«Verbünden sich Frauen, wird männliche Herrschaft infrage gestellt.»

Bei diesem Beispiel ist es allerdings so, dass dieses Bündnis, diese Verbrüderung, Pardon, Verschwesterung, männliche Herrschaft höchstens so in Frage stellt, dass sich auch Männer beim Lesen totlachen können.

Hingegen vermisst man in den langen, langen und laberigen Zeilen ein Thema, das doch durchaus interessieren könnte. Es gab ja mal den Roshani-Skandal. Da richtete eine frustrierte Intrigantin ihren ehemaligen Chefredaktor im «Spiegel» hin, weil sie dessen Stelle wollte, aber nicht bekommen hatte und stattdessen selbst gefeuert wurde. Sie behauptete unter anderem, der Chefredaktor habe sie vor versammelter Mannschaft des «Magazins» verbal niedergemacht und übel angegangen. Zu dieser Mannschaft gehörte damals nicht nur die schreibende Schmachtlocke Binswanger, sondern auch der Lebensgefährte von Schutzbach.

Es wäre also für beide, wie auch für den feigen Sportreporter Christof Gertsch, problemlos möglich gewesen, diese Behauptungen von Roshani zu verifizieren – oder zu falsifizieren. Aber hat Mikael Krogerus, sicherlich ein grosser Feminist vor dem Herrn, den Mund aufgekriegt? Nein, auch er schwieg verkniffen und antwortete nicht mal auf Anfragen – wie seine sonst mit dem Zeigefinger wackelnden Kollegen –, und Schutzbach bat öffentlich um Verständnis, dass auch sie sich zu diesem Fall nicht äussern könne und wolle. So viel zu weiblichen Bündnissen im Ernstfall.

In der grauen Theorie kann Schutzbach allerdings «eine aufregende Frage» stellen, die allerdings wohl nur Kunz aufregt: «Was wäre, wenn es generell mehr Solidarität und Freundschaft unter Frauen, Lesben, inter, nicht binären, trans und agender Personen (kurz: Flinta-Personen) gäbe

Darüber hat Schutzbach (schon wieder) ein Buch geschrieben, und Kunz gibt ihr in weiblicher Solidarität eine grosse Plattform, um Plattes abzusondern. Aus ihrem «neuen Werk «Revolution der Verbundenheit»». Da das Werk erst am 1. Oktober erscheint, figuriert es nicht mal auf dem Platz 1’724’315 der Amazon-Verkaufsliste. Den es aber bald erobern wird.

Obwohl Schutzbach hier ewig gültige und daher schon x-mal geäusserte Flachheiten von sich gibt:

«... meine eigenen Freundschaften vertieft habe … eine positive Haltung gegenüber dem Leben einzunehmen … Hoffnung ist harte Arbeit, Pessimismus und Zynismus sind reaktionäre Gefühle … ein Buch, das auch die Spuren solidarischer Praxis, von Liebe und Freundschaft aufspürt (!) … orientierte ich mich stark an feministischen Denkerinnen wie Silvia Federici oder Christina Thürmer-Rohr. Die sagen, und ich vereinfache jetzt stark, dass sich unsere Sehnsucht nach Verbesserung auf unsere unperfekte Welt richten sollte und wir nicht zuerst – wie in männlich geprägten Revolutionskonzepten – das ganze System zertrümmern müssen.»

Wir lassen eine Alarmsirene erklingen, damit wenigstens ein paar Leser aufwachen. Denn was ZACKBUM sich angetan hat, da muss mann (und frau and everybody beyond) auch durch, denn Kunz fragt den ganzen Katalog dämlicher (nomen est omen) Fragen ab, auf die Schutzbach ebenso antwortet: «Das romantisierte Eins-Werden bedeutet für Frauen in heterosexuellen Beziehungen häufig, die eigenen Wünsche zurückzustellen zugunsten der Wünsche des Partners oder der Familie.» Das wird nun Krogerius gar nicht gerne hören, der alte Macho.

Aber nicht nur die Antworten sind hirnerweichend, auch die Fragen schaffen das: «Geblieben ist mir auch, dass der Philosoph Michel de Montaigne (1533–1593, Anm. der Red.) meinte, die weibliche Seele sei nicht «fest» genug, um Freundschaften einzugehen. Was hat es mit dieser absurden, misogynen Abwertung auf sich?» Ist das wirklich alles, was Kunz vom grossen Denker Montaigne geblieben ist? Ein einziger seiner Essays enthält mehr Esprit als diese beiden Damen im ganzen Leben aufbringen werden.

Niemals hätte Montaigne eine Flachheit wie diese von sich gegeben: «Männliche Herrschaft funktioniert unter anderem dadurch, dass Frauen von Männern abhängig gemacht werden.»

Ach was, und was können Frauen dagegen tun (ausser sich von Krogerius trennen)? «In einer separatistischen Praxis beginnen Frauen, den Zugang zu sich selbst zu kontrollieren und das schlechte Gefühl, das sie dabei oft haben, zu verlernen.»

Zugang zu sich selbst kontrollieren? Hä? Muss man flinta sein, um das zu verstehen?

ZACKBUM ist’s zu viel geworden, daher schliessen wir mit einer der intelligentesten Fragen oder Feststellungen von Kunz im ganzen lähmend langen Interview:

«Eben

Eigentlich ist dieses Werk ein kaum verhüllter Aufruf an Pietro Supino: bitte, machen Sie dieser Leserqual ein Ende. Viele werden es Ihnen mit einer Spende danken.

 

 

Der Tagi lernt’s nimmermehr

Mal wieder eine Peinlichkeit mit Bärtschifaktor 12.

Da Tamedia in vielen Regionen eine Monopolzeitung ist, pflegt sie den breiten Dialog, versteht sich als Forum, auf dem verschiedene Meinungen im edlen Wettstreit stattfinden können und sollen.

So würde das wahrscheinlich die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi sülzen, womit er eine stabile 10 auf der Bärtschi-Peinlichkeitsskala erreichte. Womit klar wäre, dass die Realität ganz anders aussieht. Nämlich so:

Das durfte der ehemalige Leiter der «humanitären Hilfe bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit» Toni Frisch im Juni 2024 schönschreiben.

So viel parteiische, zudem faktisch falsche Meinung bräuchte ein Korrektiv. Also reichte ZACKBUM-Autor René Zeyer eine Erwiderung ein, da er sich bei diesem Thema ein wenig auskennt. Daraufhin bekam er nach einigem Zögern diese Antwort von Tamedia:

«Vielen Dank für Ihre Zuschrift. Die Chefredaktion hat aufgrund wiederholter persönlicher Diffamierungen von Mitgliedern unserer Redaktion auf Ihrem Blog entschieden, keine Beiträge mehr von Ihnen zu publizieren.»

Worin denn diese wiederholten Diffamierungen – schliesslich ein happiger Vorwurf – bestanden haben sollen, auf diese Frage verfiel die Chefredaktion in tiefes Schweigen, sicherlich als Ausdruck der Debattenkultur im Qualitätsjournalismus.

Es kam erschwerend hinzu, dass solche Warnungen bestens in die Gesinnungsblase der Rumpfredaktion an der Werdstrasse passen. Deshalb kann man sie, das zeichnet eben eine pluralistische Forumszeitung aus, nicht oft genug wiederholen:

Am 6. September darf Martin Dahinden ans Gerät, ein ehemaliger Direktor des Deza und daher ebenfalls ein völlig unabhängiger und objektiver Fachmann.

So wie sein Vorschreiber Frisch stapelt auch er einen falschen Gemeinplatz auf den anderen.

«Der Leistungsausweis der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit ist gut … Die Schweiz unterstützt direkt bedürftige Menschen … schweizerische Entwicklungszusammenarbeit schafft damit längerfristig gute Bedingungen dafür, dass die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können … Entwicklungszusammenarbeit ist ein sichtbarer Ausdruck dafür, dass der Schweiz die Lebensverhältnisse in armen und von Spannungen und Konflikten geprägten Ländern nicht gleichgültig sind.»

Unsinn. Schon auf das Geflunker von Frisch versuchte Zeyer, mit ein paar Fakten zu antworten:

So geht das Narrativ, geht die Mär. Damit leben auch in der Schweiz viele NGOs, leben ihre Funktionäre und Mitarbeiter mit exorbitanten Managerlöhnen und lernen auf Entdeckungsreisli viele Gegenden der Welt kennen. So war der SP-Nationalrat und Präsident von Swissaid Fabian Molina auf Erkundungstour in Kolumbien. Bezahlt von Spenden- oder Steuergeldern.
Aber die bittere Wahrheit ist: Entwicklungshilfe nützt nicht, sie schadet nur. Schwarzafrika, wenn man den Teil zwischen der arabischen Welt und Südafrika so nennen darf, ist exemplarisch dafür. Seit der Unabhängigkeit der Staaten floss rund die Hälfte aller Entwicklungshilfsgelder dorthin, rund eine Billion Dollar. Gleichzeitig verdoppelte sich dort die Zahl der absolut Armen, also der Menschen, die kaufkraftbereinigt weniger als 1,9 Dollar pro Tag zur Verfügung haben.
Schlimmer noch: Länder wie der Tschad bestreiten den Grossteil ihrer Staatsausgaben mit Entwicklungshilfsgeldern. Die korrupte Oberschicht und das herrschende Regime entledigen sich so der eigenen Verantwortung für das Wohlergehen seiner Bürger. Damit stabilisiert die Entwicklungshilfe solche Unrechtsstaaten, wird zum Helfershelfer von Ausbeutung und Unterdrückung und Vernachlässigung.

Weniger Entwicklungshilfe heisst weniger Geld für Sesselfurzer im Deza, weniger Geld für Entwicklungshilfsorganisationen wie Swissaid, die fast zur Hälfte von Steuergeldern lebt, die ihr vom Deza rübergeschoben werden. Um völlig unsinnige und wirkungslose Projekte in Ländern der Dritten Welt zu betreiben. Darunter die Diktaturen Nicaragua, Myanmar, Niger oder Tschad.
Eine Untersuchung und Analyse der Verflechtungen zwischen Bürokratien wie das Deza, NGOs in der Schweiz und dem Pöstchengeschacher von SP und Grünen wäre sowieso überfällig.
All diesen Ländern der Dritten Welt geht es trotz jahrzehntelangem Einsatz von Swissaid und anderen heute entschieden schlechter als früher. Kürzungen bei der Schweizer Entwicklungshilfe schaden nicht dort, sondern helfen dabei, die Ausgaben für eine veritable Helferindustrie in der Schweiz zu verkleinern, die in erster Linie sich selbst hilft.

Im Gegensatz zu Tamedia ist ZACKBUM der Meinung, dass es nicht nur eine richtige Meinung gibt. Sondern dass im Widerstreit der Meinungen und Argumente Erkenntnis entsteht.

Wer aber immer wieder versuchen will, einen Treffer weit oben auf der Bärtschi-Peinlichkeitsskala zu landen, der wiederholt in kurzer Zeit die gleiche Meinung von zwei ehemaligen Deza-Mitarbeitern. Das ist nun wirklich die Bankrotterklärung des journalistischen Niveaus, ergibt 12 Bärtschis.

Auf diesem Gebiet bräuchte Tamedia selbst Entwicklungshilfe, aber dringend. Nur: sie wäre genauso sinn- und wirkungslos wie die in der Dritten Welt.

Qualitätsjournalismus? My ass

Kurt W. Zimmermann knöpft sich den Qualitätsanspruch von Tamedia vor.

Eine Massenentlassung, die mehr als 100 Journalisten bei Tamedia die Stelle kosten wird. Gleichzeitig blamierte sich die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi mit einem Kommentar in «eigener Sache» unsterblich.

Oder wie Zimmi in der «Weltwoche» schreibt:
«Die aberwitzigste Begründung für die Sparübung kam vom obersten publizistischen Leiter des Verlags. Die Massenentlassung, schrieb er, sei ein Glücksfall. Es sei eine «Weichenstellung für den unabhängigen Qualitätsjournalismus».
Qualitätsjournalismus durch Massenentlassung? Weichenstellung? Die Branche brüllte vor Lachen, von der nahen NZZ bis zu den ferneren Le Monde in Paris und der Frankfurter Allgemeinen.»
Seither gibt es endlich einen Masstab zur Messung von Peinlichkeit im Journalismus. Es ist die Bärtschi-Skala. Mit dieser Lachnummer legte er die Benchmark vor: 10 Bärtschis. Sie wird selten übertroffen, häufig unterboten.
Diese lachhafte Behauptung, die wohl nicht einmal karrierefördernd war, nimmt Zimmi zum Anlass, selbst Kriterien aufzustellen, nach denen sich «Qualitätsjournalismus» messen lässt. Nein, Massenentlassungen gehören nicht dazu. Dafür aber vier Dinge, die eben eine NZZ, eine Le Monde, eine FAZ oder eine NYT zu Qualitätsmedien machen.

Wie bei Bärtschi kann man das ganz einfach messen, es sind nur vier Kriterien:

– Auslandberichterstattung
– Feuilleton
–Wirtschaftsberichterstattung
– offene Meinungsbildung

Nun könnte man noch diskutieren, wenn ein Blatt nicht alle vier Kriterien erfüllt. Bei Tamedia hingegen ist es ganz einfach: hier wird Qualität nur behauptet, nicht geliefert. Das Medienhaus fällt bei allen vier Kriterien durch.

Statt eigener Auslandberichterstattung mit eigenen Korrespondenten übernimmt es flächendeckend die Berichterstattung der «Süddeutschen Zeitung», die mit sehr linker, teutonischer Sicht die Welt betrachtet und mit typisch deutscher Rechthaberei bewertet und benotet. Nicht nur hier, nebenbei, der halbe Tagi ist voll von Artikeln aus der SZ, wenn sie nicht von der DPA, SDA oder AFP stammen.

So etwas wie ein Feuilleton oder eine Kulturberichterstattung gibt es nicht mehr. Es gibt zwar noch ein Team «Kultur», das diesem Namen aber Schande macht. Man kann ja nicht im Ernst behaupten, dass Andreas Tobler oder Nora Zukker etwas mit Kultur zu tun hätten.

Tamedia hat sich gerade rumpelig von seinem Wirtschafts-Chef getrennt; niemand weiss, warum. Was früher mal eigenständig war, ist inzwischen ein Mischmasch von «Politik & Wirtschaft». Der einzig ernst zu nehmende Wirtschaftsjournalist Arthur Rutishauser kann das im Alleingang auch nicht rausreissen.

Debattenkultur ist das letzte Kriterium. Alle grossen Qualitätszeitungen pflegen den Gastkommentar, die andere Meinung, den Widerspruch. Bei Tamedia kommentieren meistens die eigenen Schreiber. Am liebsten auch noch sich selbst und ihren Bauchnabel. Will aber zum Beispiel René Zeyer einen Gastkommentar als Erwiderung zu einer unerträglichen Kriegstreiberei schreiben, dann wird ihm mitgeteilt, er habe «Schreibverbot». Ausgesprochen von zwei unsicheren Weibern der Chefredaktion, die sich durch ihn «diffamiert» fühlen.

Auf die Frage, ob sie dafür vielleicht ein, zwei Beispiele nennen könnten, verstummt die Chefredaktion. Das ist mal echte Debattenkultur.

Es ist schon lachhaft, ein grosses Rausschmeissen als Weichenstellung für Qualitätsjournalismus verkaufen zu wollen. Schlimmer noch, selbst der dümmste Leser merkt, dass er hier verarscht wird, auf den Arm genommen, über den Löffel balbiert.

Aber auch unabhängig davon ist Tamedia schon lange nicht mehr ein Qualitätsorgan. Der Tagi ist in weiten Teilen eine (oft schlechte) Kopie von «20 Minuten». Mit zwei Unterschieden: der Tagi ist nicht gratis, und er ist vollgesosst mit Meinungen und Kommentaren der Redaktoren, die meistens keinen Menschen interessieren.

Kein Qualitätsorgan käme auf die Idee, die Autoren eines angeblichen Scoops sich selber produzieren zu lassen, mit stolzgeschwellter Brust über ihre übermenschliche Leistung zu schwadronieren. Das dürfen auch die Autoren einer Podcast-Serie über eine Sprinterin, die vor langer Zeit gestorben ist und keinen Menschen mehr interessiert.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, heisst es. Den will Tamedia offenbar nicht tun. Ein erstes Zeichen wäre es, wenn sich das Medienhaus von seinem publizistischen Leiter trennen würde. Denn mit einer solchen Lachnummer kann es nicht besser werden.

Der Name des Baumes

«Das Magazin» begibt sich auf das Niveau einer Schülerzeitung.

Von Thomas Baumann
Die Magazin-Redaktorin Nina Kunz, deren Peinlichkeiten schon einige Male Thema auf ZACKBUM waren, hat es wieder getan.
In einem «Essay eines Stadtkindes» fragt sie sich: «Warum kenne ich die Namen der Bäume in meiner Strasse nicht
Naheliegender wäre eigentlich gewesen: ‹Warum kenne ich die Betonmischungen und Eisenarmierungen der Häuser nicht, obwohl ich freiwillig in der Stadt wohne?›
Der Lead sagt eigentlich schon alles: «Unsere Autorin fühlt sich entfremdet von der Natur und möchte das ändern. Eine Selbsterkundung in elf Kapiteln.»
Wer da noch weiterliest, ist selber schuld. Wir haben für Sie, liebe Leserin, lieber Leser, das Kreuz auf uns genommen. Immerhin war die Autorin jenes Textes zweimal «Kolumnistin des Jahres» der Fachzeitschrift «Schweizer Journalist:in».
Bereits im ersten Satz gesteht die Autorin ein, dass sie «kein Gespür» für die Natur habe. Eine erste Duftmarke ist gesetzt. Im fünften Satz «macht» (nicht: gibt) ihr «diese fehlende Sensibilität ein ungutes Gefühl», in Satz Nummer sieben «denke» sie nie, ihr «Leben sei irgendwie verwoben mit dieser Welt», und in Satz Nummer neun «fühlt es sich so an, als wäre da permanent eine Barriere zwischen der Natur und mir.»
Grosse Gedanken, grosse Literatur benötigen nicht immer komplizierte Sätze à la Immanuel Kant. Siehe Camus› «L’étranger». Aber simple Gedanken machen weder grosse Literatur noch Philosophie.
Gleich hinter der «Barriere» «keimt» bei der Autorin «da auch ein Unbehagen auf», weil ein Baum sie daran erinnere, «dass meine ganze Existenz von ausgeklügelten Ökosystemen abhängt
So weit müsste sie gar nicht blicken: Ein Blick in die Hinterlassenschaften in der Toilettenschüssel reicht, um jedermann daran zu erinnern, wie sehr er vom «ausgeklügelten Ökosystem» des Mikrobioms abhängt.
Aber natürlich ist es viel poetischer, sich von Bäumen daran erinnern zu lassen, vor allem, wenn da auch gleich noch etwas «keimen» soll. Bäume könnte man ja gegebenenfalls auch noch umarmen, im Gegensatz zu, na eben…
Das erste Kapitel beginnt dann gleich mit dem Zauberwort, das alle ersehnt haben: «Entfremdung». Bedeutet zwar nichts, macht sich aber immer gut.
In Kapitel zwei interviewt sie wieder einmal ihre Grossmutter. Wie Lesern dieser Plattform wohlbekannt ist, nicht zum ersten Mal .
Offiziell tönt es zwar so: «Wie immer, wenn ich ein Problem habe, frage ich meine Grossmutter.» In Wirklichkeit dürfte es bei besagtem «Problem» vor allem darum gehen, Zeilen zu schinden.
In Kapitel drei kommt die Autorin dann zur Erkenntnis, dass sie «nicht nur die Natur, sondern die ganze Welt als eine Art Kulisse für mein Leben» wahrnehme.
Spätestens jetzt sollte jedem nur ein wenig gewitzten «Magazin»-Leser eigentlich klar werden, dass er selber bloss zu dieser Kulisse gehört, vor der sich diese Selbstdarstellung eines Lebens als «Autorin» vollzieht.
Ohne Leser gibt es keine Autoren-Existenz, gleich wie es ohne Fans keine Stars geben würde.
An ihre Leser, diese blosse «Kulisse» ihrer bedeutungsvollen Existenz, verschwendet sie jedoch keinen Gedanken, sondern führt ihr Problem darauf zurück, dass sie «in einem grotesken Überfluss gross geworden» sei, während die Grossmütter weiland noch die Rüben aus dem eigenen Garten essen musste.
Grotesk ist an der Autorin bzw. an ihrer Schreibe ja so allerhand — aber kaum der angebliche Überfluss, in dem sie gross geworden sein will.
In Kapital vier geht es mit «Entfremdungsgefühlen» weiter und wie der Mensch begonnen habe, «die Erde gewaltvoll auszubeuten» (symbolisiert unter anderem durch den Produktionsprozess von Avocados), bevor es in Kapitel fünf zum Landdienst auf den Acker geht. Ganz in homöopathischer Dosierung nur für einen Nachmittag.
Wäre ja zu schlimm, wenn sich infolge längerer, direkter Auseinandersetzung mit der natürlichen Umwelt das «Entfremdungsgefühl» und damit die Grundlage für den ganzen Artikel verflüchtigen würde.
Natürlich ist es in Kapitel sechs der Autorin nicht zu blöd, uns darüber zu informieren, dass sie auch in der freien Natur nicht lassen könne, auf den Bildschirm ihres Telefons zu starren.
Und kommt so zur Erkenntnis: «Wenn ich ein [Pflanzen-]Blatt anschaue, denke ich jedenfalls nicht: ‹Ich will mehr davon.›» Ein durchaus naheliegender Gedanke übrigens. Jeder Bauer denkt so beim Anblick von Unkraut.
Diese quälende Entfremdung — und die Sehnsucht: «Das Erhabene — ich will mehr staunen können».
Auf der Suche nach diesem Erhabenen lässt uns die Autorin wissen, dass sie gerne am Zürichsee spaziere. Also wieder etwas Natur in homöopathischer Dosierung. Doch selbst dort «durchfährt» sie «ein gewaltiges Schaudern», «weil ich mir versuche vorzustellen, dass es dieses Seebecken ja nur gibt, weil sich vor rund zwanzigtausend Jahren der Rhein-Linth-Gletscher zurückgezogen hat.»
Stellt sich die Frage: Warum soll einem ein Schaudern durchfahren, weil ein See in einer ehemaligen Gletschermulde entstanden ist? Beziehungsweise war die Mulde ja schon da und wurde einzig durch den Rückzug des Gletschers frei.
Mit gleichem Recht könnte erschüttert sein, wer sich vorstellt, dass ein Kinosaal sich leert, damit andere Besucher hineinströmen können.
Doch wenn es kompliziert sein soll, dann so richtig: Das Schaudern überkommt die Autorin ja nicht wegen der geologischen Fakten, sondern «weil [sic!] ich mir versuche vorzustellen», dass es eben jene geologischen Gegebenheiten gab.
Spätestens jetzt durchfährt den Liebhaber gepflegter Literatur, nicht nur aufgrund einer Satzstellung, welche einem schlecht gerichteten Gebiss ähnelt, selber ein gewaltiges Schaudern.
Und der Freudianer fragt sich: Nimmt der sich langsam aus der Mulde zurückziehende Gletscher in der Phantasie der Autorin womöglich eine ähnliche einschüchternde Rolle ein wie das Pferd in der Phantasie des Knaben aus der «Phobie eines fünfjährigen Knaben»?
Doch damit sind die gequälten Leser noch nicht entlassen: «In diesen Momenten fühle ich mich winzig und riesengross, weil [sic! schon wieder!] ich begreife, dass es eine Zeitrechnung gibt, die nicht für meine Menschenhirn gemacht ist. Ausserdem staune ich in diesen Momenten über alles, und es kommt mir absurd vor und wie das grösste Glück, dass es die Erde gibt und Seen und flache Pfirsiche und Wolken.»
Böse Avocados, gute Flachpfirsiche? Dass es letztlich wohl in erster Linie darum geht, sich selbst «riesengross» zu fühlen, verrät die Autorin dankenswerterweise gleich selbst.
Sonst merkt man dem Text nur eins an: Es geht immer nur um die Autorin — und ihren kaum verhohlenen Wunsch, dass endlich einmal etwas in ihrem Leben geschehen möge.
Dabei fällt ihr gar nicht auf, wie infantil es im Grund ist, freiwillig in der Stadt zu wohnen und sich darüber zu beklagen, dass es dort zu viel Beton gebe.
Unweigerlich fühlt man sich da an Marxens Diktum vom «Geist geistloser Zeiten» erinnert. Wobei Marx damit ja ursprünglich die (christliche) Religion meinte. Welche im Gegensatz zu solchem Geschreibsel wenigstens noch grosse Literatur hervorgebracht hat.

Pfeifen im Wald, Part xxx

Kann man peinlich steigern? Fabian Fellmann versucht’s.

Was soll man zu einer solchen «Analyse» noch sagen? «Donald Trump verschafft sich am Super Tuesday einen entscheidenden Vorsprung für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. Doch der Wahltag offenbart auch seine grösste Schwäche.»

Worin besteht die denn?  Nun, da hätten wir dieses gravierende Schwächezeichen: «Mit Vermont gewann Nikki Haley nach der Bundesstadt Washington bereits die zweite Vorwahl. Auch in Virginia trat Trumps Schwäche offen zutage. Haley, von sämtlichen Kommentatoren längst abgeschrieben, konnte ihm mehr als ein Drittel der Stimmen abringen.»

Ein Kandidat hat 995 Delegiertenstimmen, der andere 89. Der eine Kandidat hat die Kandidatur im Sack, die andere Kandidatin hat ihren Ausstieg verkündet. Weil sie nicht nur von allen Kommentatoren (ausser dem tapferen Fellmann) «abgeschrieben» ist, sondern das auch selber eingesehen hat (im Gegensatz zu Fellmann).

Aber man kann, wenn man nur laut genug pfeift, noch mehr Schwächezeichen bei Trump entdecken: «Aber Haley hat bewiesen, dass mehr als ein Drittel der Republikaner auch genug hat von Trumps Chaos, seinen Rache- und Diktatorenfantasien. Ohne ihre Stimmen aber kann er am 5. November nicht gewinnen.»

Haley allerdings erst recht nicht, weil sie trotz diesem Drittel aussichtslos im Rennen gelegen hat. Aber was soll auch Logik in einer Analyse. Wenn sie von Fellmann stammt.

Das ist noch nicht alles. Kommt es dann zum Zweikampf zwischen einem senilen Greis und einem Amok-Greis, dann hat der Mann mit der gewöhnungsbedürftigen Frisur über zu viel Bräuner im Gesicht noch mehr Schwächen: «Trump betreibt schon seit 14 Monaten Kampagne, und seine Geldbeutel leeren sich. Biden verfügt über prall gefüllte Kassen, die er in den kommenden, entscheidenden Monaten konzentriert einsetzen kann. Das Rennen um die US-Präsidentschaft kann beginnen – der Ausgang ist offen

Da bleiben auch einige Fragen offen.

  1. Wieso heisst dieses Stück demagogischer Polemik «Analyse»?
  2. Wieso wird der verbliebene Tamedia-Leser damit belästigt?
  3. Wieso hat Fellmann nicht das geringste Schamgefühl und kein Gespür für Peinlichkeit?
  4. Kann jemand einen einzigen Grund nennen, wieso das geldwert sein soll?
  5. Warum müssen hier 4452 Zeichen verschwendet werden? Weil es die Gefässpolitik im Kopfblattsalat nicht kürzer zulässt?
  6. Wieso schreibt Fellmann nicht einfach: Ich finde die Vorstellung, dass Trump wieder Präsident wird, zum Kotzen und wünsche ihm bis dahin alles Schlechte? Das wäre wenigstens mal eine ehrliche Ansage.

Und die Bonusfrage: Wieso betreibt Tamedia Etikettenschwindel und bezeichnet etwas, das man noch ganz knapp als Kommentar rubrizieren könnte, als «Analyse»? Seit wann ist Pfeifen im Wald eine Analyse? Weiss Fellmann überhaupt, was das ist?

Damit er nicht in Wikipedia nachschlagen muss: «Eine Analyse ist eine systematische Untersuchung, bei der das untersuchte Objekt in seine Bestandteile (Elemente) zerlegt wird.»

Ähnlichkeiten mit der «Analyse» von Fellmann wären rein zufällig und nicht beabsichtigt …

Pfeifen im Wald, Part x

Haben die Berichterstatter kein Gefühl für Peinlichkeit?

Diesmal ist Fabian Fellmann dran. «Seit Sommer 2021 berichtet der Nidwaldner als USA-Korrespondent aus Washington, D.C. Der Politologe lernte den Nachrichten-Journalismus unter anderem bei der Viehschau-Berichterstattung für die lokale Zeitung.»

Schon für eine solche Selbstbeschreibung braucht es unterentwickeltes Schamgefühl. Nun musste Fellmann in den saueren Apfel beissen. Donald Trump hat auch in South Carolina den Caucus gewonnen. Da stimmt für einmal, wenn er sagen würde «huge, gigantic, never before». Denn dort, wo seine letzte verbliebene Konkurrentin mal Gouverneurin war, holte er zwei Drittel der Stimmen – und alle 44 Delegierten. Nikki Haley «gewann keinen einzigen Distrikt – und null Delegierte», muss Fellmann einräumen und bilanziert bitter: «Es war die letzte reale Chance für seine einzige verbliebene Widersacherin, Nikki Haley, dem Platzhirsch noch gefährlich zu werden. South Carolina ist ihr Heimatstaat, sie war dort Gouverneurin, und bei der Vorwahl konnten nicht nur Republikaner mitmachen, sondern auch Demokraten.»

Das ist also keine Niederlage, sondern eine Klatsche, noch schlimmer als das, was dem Staatsanwalt im Vincenz-Prozess widerfuhr. Es ist eine Demütigung, eine krachende Niederlage, da wächst kein Gras mehr. Haley wird dadurch nicht länger zur Verliererin, sie wird zur Witzfigur, bemitleidenswert, Objekt tiefen Bedauerns, Anlass für Fremdschämen.

Oder nicht? Oder nicht, meint Fellmann. Denn er zaubert eine Erklärung aus dem Hut, ungefähr so gesucht wie die Versuche von Flatearthlern, die Erde zur Scheibe zu erklären:

«Warum gibt Haley nicht einfach auf? Weil die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner nicht zufrieden ist mit der Auswahl zwischen dem 81-jährigen Joe Biden und dem 77-jährigen Donald Trump. Und weil die 52-Jährige und ihre Geldgeber einen verzweifelten Kampf führen um die Seele der republikanischen Partei

Äh, selbst wenn das so wäre: offensichtlich sieht aber nur eine kleine Minderheit Haley als Möglichkeit, dieser angeblichen Unzufriedenheit der Mehrheit Ausdruck zu verleihen. Und «verzweifelter Kampf und die Seele»? Seit wann haben Parteien Seelen, und wie verzweifelt müssen diese Geldgeber sein, dass sie weiter Geldbündel zum Fenster rausschmeissen, in einem längst verlorenen Kampf?

Wogegen denn? Na, gegen den Gottseibeiuns: «Er hat weite Teile der Partei seinen persönlichen Interessen unterworfen, er lässt im Kongress die Migrationspolitik sabotieren und die Ukraine-Hilfe blockieren, regieren ist ein Ding der Unmöglichkeit geworden.» Also werden die USA gerade nicht mehr regiert? Im Paralleluniversum Fellmann offensichtlich.

Was tut denn Haley, ausser eine krachende Niederlage nach der anderen einzustecken? «Haley führt Trump damit vor Augen, dass er die politische Mitte nicht aus den Augen verlieren darf.» Obwohl er ohne das sämtliche Delegiertenstimmen einheimst?

Zum Schluss von Fellmanns Irrlichtern war der Titel dieser Serie «Pfeifen im Wald» noch nie so angebracht. Sollte Trump die Wahl verlieren oder über einen der Prozesse stolpern, wolle Haley bereit sein, Tagträumer Fellmann: «Es wären kathartische Momente, die Gelegenheit für Politikerinnen wie Haley und ihre Unterstützer, auf den Ruinen der republikanischen Trump-Partei wieder eine Grand Old Party aufzubauen, die ihren Übernamen einigermassen verdient und mehrheitsfähig ist.»

Ähem, sollte Trump aber gewinnen, dann wäre doch seine republikanische Partei mehrheitsfähig, oder nicht? Macht nix, das hätte doch mit Logik zu tun, pfuibäh. Stattdessen pfeift Fellmann aus dem letzten Loch, beziehungsweise im Wald, beziehungsweise lässt Haley pfeifen: ««Wenn die Zukunft des Landes auf dem Spiel steht, gibt man nicht auf.» Es ist derzeit eines der wenigen ermutigenden Zeichen für den Zustand der ältesten Demokratie der Welt, dass sie im Rennen bleibt.»

Einfach noch zum Verdeutlichen: dass eine Verliererin trotz einer krachenden Niederlage nach der anderen nicht aufgibt, um noch weitere krachende Niederlagen zu kassieren, das sei ein «ermutigendes Zeichen»?

Ein Boxer kassiert einen Kinnhaken nach dem anderen, steht wieder auf und sagt: ein ermutigendes Zeichen. Zack, wird er wieder auf die Bretter geschickt. Steht auf und sagt …

Leider gibt es in der Politik keinen Ringrichter, der einen solchen Irrwisch vor sich selbst schützt.

Zwei Gescheiterte

Nicht einmal ein Interview können die Helden vom «Blick».

Normales Handwerk. Zwei Redaktoren empfangen einen Gesprächspartner zum Interview. Aus der mündlichen Aufzeichnung entsteht eine schriftliche Fassung. Im deutschen Sprachraum (im angelsächsischen nicht) wird die dem Interviewten zur Autorisierung vorgelegt.

Nun ist es das Normalste der Welt, dass die Verschriftlichung eine verdichtete, zusammengefasste Variante der Aufzeichnung darstellt. Normales Handwerk. Es ist auch normal, vor allem bei Kontroversen, dass der Interviewte an der ihm vorgelegten Fassung Änderungen vornehmen möchte.

Unter Profis macht man deswegen ab: es gilt das gesprochene Wort. Allerdings liegt das Recht an diesem Wort, wie das Recht am Bild, beim Sprecher. Also ist es eine Frage des Handwerks, dass man sich bei Änderungswünschen zusammenrauft.

Ausser, die interimistische Oberchefredaktorin Steffi Buchli und der frischgebackene SoBli-Chefredaktor Reza Rafi tun sich zusammen:

Auch das kommt ab und an vor. Normalerweise schmeisst man dann das Manuskript in den Papierkorb, bzw. versenkt es im elektronischen Archiv. Aber doch nicht die Restenverwertungsanstalt «Blick».

Wenn schon diese beiden Koryphäen ihre wertvolle Zeit aufwendeten, wenn schon Buchli ein gestelltes Blick TV-Interview mit Marco Rima machte, in der Abteilung Sauglattismus, wenn man dann eine geschlagene Stunde miteinander sprach (was normalerweise für eine Seite gedrucktes Interview reichen würde; beim SoBli wäre es sicherlich auf mindestens drei Seiten ausgewalzt worden), dann kann man dieses welterschütternde Ereignis dem Leser nicht vorenthalten.

Dann erzählt man gerne und hemmungslos die Geschichte des eigenen Versagens. Im Print steht nur Rafi als Autor da, online gesellt sich noch Buchli dazu, obwohl sich am Text nichts geändert hat.

Eingeleitet wird die Story eines gecancelten Interviews mit Nachtreten: «Die Mutation vom Sonnenkönig zum Nachtschattengewächs war nicht mehr zu stoppen.» Welch schiefes Bild, welche Bösartigkeit.

Aber das ist erst der Vorspann: «Am Abend meldete sich seine Frau und Managerin Cristina: So könne man das Stück unmöglich freigeben, ihr Mann werde absolut unvorteilhaft und oberflächlich dargestellt.»

Auch diese Reaktion ist nicht unbekannt, wie der SoBli sogar selber einräumt: «So weit, so gewöhnlich im Medienbetrieb. SonntagsBlick wartete die autorisierte Fassung ab. Am Samstag lag sie vor. Doch fanden sich im abgeänderten Manuskript wohlformulierte Sätze im Polit-Jargon, die der Befragte so nie gesagt hatte. Das ist bei Interviews nicht unüblich, allerdings eher bekannt von Bundesräten oder Firmenchefs; PR-Arbeit eben

Dann die Schlusspointe: «Die SonntagsBlick-Redaktion respektiert das – hält es aber für wenig sinnvoll, ein Gespräch abzudrucken, aus dem die streitbarsten Passagen nachträglich entfernt wurden

Auch das ist erlaubt. Rima darf – wenn eben keine professionellen Abmachungen getroffen wurden – am gesprochenen Wort rumfummeln. Der SoBli darf auf den Abdruck verzichten (was er bei einem Bundesrat zum Beispiel, wenn dessen Nachnamen mit B. beginnt – nein, nicht B wie Blocher – niemals tun würde).

Jetzt kommt aber das Problem. Der SoBli enthält dem Leser vor, worum es hier geht. Hat sich das Umfeld von Rima zu recht über eine unvorteilhafte und oberflächliche Darstellung aufgeregt? Hat Rima mit wohlformulierten Sätzen im Politjargon geglättet?

Man weiss es nicht, man erfährt es nicht.

Problem: bei der mangelnden Glaubwürdigkeit, die sich der SoBli mit viel Arbeit erwirtschaftet hat, nimmt doch kein mündiger Leser diese Erklärung ab. Abgesehen davon, dass ein solches Scheitern nicht dem Interviewpartner anzulasten ist.

Dass gleich zwei Chefredaktoren sich nicht entblöden, das eigene Versagen öffentlich zu machen, ist an Peinlichkeit schwer zu überbieten. Oder doch, durch das Editorial von Rafi. Aber das wäre dann eine echte Überdosis. Wir denken an die Gesundheit unserer Leser und lassen das.

Und dieses Bild ist so was von gestellt
(man beachte das Ladekabel).

Beziehungsdelikte

Die Steigerung zu: Journalisten interviewen Journalisten? Enkelin interviewt Grossmutter.

Es ist eine altbekannte Unart. Wenn Journalisten überhaupt nichts mehr einfällt, dort, wo sie herumstehen, nichts los ist, dann interviewen sie sich gegenseitig. Als würde es den Leser interessieren, wenn Journalist A zu Journalist B sagt, dass er genauso wenig Ahnung hat wie sein Interviewer.

Aber im modernen Elendsjournalismus sind noch Steigerungen möglich. Ist nichts los, berichtet Journalist A über das Innenleben, das Befinden, die Qualen, die Zweifel, die körperlichen Funktionen von Journalist A. Auch das interessiert den Leser herzlich wenig.

Nun gibt es eine weitere Spielart des Selbstbespiegelungsjournalismus. Eines Journalismus, der meint, der Bote sei wichtiger als die Botschaft. Oder der Bote sei gleichzeitig die Botschaft.

Da spielt ein Redaktor, wenn er nicht gerade Elon Musk eintopft, mit seinem Sohn auf der Playstation. Und macht doch tatsächlich einen Artikel draus. Der genauso überflüssig ist wie sein Interview mit Dieter Bohlen.

Andere Kolumnisten lassen sich über Modefragen aus, über ihre Wünsche als Jugendliche, über Restaurantbesuche («war sehr gut»), über bezahlte Reisen, über Kochrezepte oder über ihre Wohnungseinrichtung.

All das, so meint man, sei schwer zu unterbieten. Aber es gibt ja nicht nur das Selbst des Journalisten, seine Sprösslinge oder Lebenspartner oder dramatischen Erlebnisse aus Kindheit, Leben und Krankheit. Es gibt auch noch die Eltern und die Grosseltern.

Da entblödet sich der Qualitätskonzern Tamedia nicht, zu verkünden: «Nina Kunz interviewt ihre Grossmutter». Nina who? Nun, laut Wikipedia ist Kunz eine «Schweizer Journalistin, Kolumnistin und Schriftstellerin». Ihr erstes Buch sei «eine Sammlung ihrer Texte unter anderem zu den Themen Leistungsdruck, Internet und Patriarchat». So wird man von der Kolumnistin zur Schriftstellerin. Der sehr passende Titel des Werks lautet: «Ich denk, ich denk zu viel.» So kann man sich täuschen.

Diese bedeutende Schriftstellerin interviewt nun ihre Grossmutter. Schon die Einleitungsfrage beweist, dass nicht übermässig gedacht wird: «Liebe Oma – du hast im Februar deinen fünfundachtzigsten Geburtstag gefeiert. Wie fühlt sich das an?» Wahrscheinlich wie das Feiern des 85., könnte man denken. Die Grossmutter lässt es bei einem freundlichen «gut» bewenden, gibt aber zu, dass sie mit dem Gedächtnis so ihre kleinen Probleme habe.

Deshalb macht ihre Enkelin gleich einen Gedächtnistest: «Vor einigen Monaten hast du mir erzählt, dass dich die jetzige Zeit immer wieder an deine Kindheit erinnere. Kannst du mir nochmals erklären, warum?» Das ersparen wir aber dem Leser. Wie geht’s weiter? Eine kleine Duftmarke soll genügen, bevor wir uns alle die Nase zuhalten:

«Als du in meinem Alter warst – das war dann 1966 –, warst du schon Mutter, verwitwet … – … und Vollzeit im Spital angestellt.  – Eben. Und ich schaffe es ja kaum, meine beiden Orchideen am Leben zu halten

Das ist vielleicht launig und weist darauf hin, dass die Grossmutter altersmilde ihrer Enkelin alles nachsieht. Wird’s auch noch ernster? Unbedingt:

«Warst du auch mal überfordert vom Grundkonzept des Existierens? – Vom was? – Also, dass man ungefragt auf diese Erde geworfen wird … – … und in den meisten Fällen auch ungefragt wieder gehen muss. – Genau.»

Kaum zu steigern, aber Kunz probiert’s:

«Was willst du mir noch mit auf den Weg geben? –Was ich gemerkt habe, ist, dass man im Alter bescheidener werden muss, was das Programm angeht. Ein gelungener Tag ist für mich einer, an dem ich alles geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe.»

Mit 17’388 Anschlägen quält hier das «Magazin» seine Leser. Wir wagen die Behauptung, dass sich selbst die «Republik» nicht trauen würde, eine solche Peinlichkeit auf eine solche Länge auszuwalzen.

ZACKBUM findet, dass unsere Leser mal wieder kräftig spenden sollten, weil wir ihnen den grössten Teil ersparen. Nur weil’s zum Grölen ist, kommt hier noch der Schluss der Quälstrecke. Uns fehlen dafür die Worte:

«Was hast du denn noch vor? – Ich muss Fallen bauen. Die Kirschessigfliege legt Maden in meine Himbeeren, dann schmecken sie komisch. Ich will nicht, dass sie mir die ganze Herbsternte verderben