Schlagwortarchiv für: Peinlichkeit

Pfeifen im Wald, Part xxx

Kann man peinlich steigern? Fabian Fellmann versucht’s.

Was soll man zu einer solchen «Analyse» noch sagen? «Donald Trump verschafft sich am Super Tuesday einen entscheidenden Vorsprung für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. Doch der Wahltag offenbart auch seine grösste Schwäche.»

Worin besteht die denn?  Nun, da hätten wir dieses gravierende Schwächezeichen: «Mit Vermont gewann Nikki Haley nach der Bundesstadt Washington bereits die zweite Vorwahl. Auch in Virginia trat Trumps Schwäche offen zutage. Haley, von sämtlichen Kommentatoren längst abgeschrieben, konnte ihm mehr als ein Drittel der Stimmen abringen.»

Ein Kandidat hat 995 Delegiertenstimmen, der andere 89. Der eine Kandidat hat die Kandidatur im Sack, die andere Kandidatin hat ihren Ausstieg verkündet. Weil sie nicht nur von allen Kommentatoren (ausser dem tapferen Fellmann) «abgeschrieben» ist, sondern das auch selber eingesehen hat (im Gegensatz zu Fellmann).

Aber man kann, wenn man nur laut genug pfeift, noch mehr Schwächezeichen bei Trump entdecken: «Aber Haley hat bewiesen, dass mehr als ein Drittel der Republikaner auch genug hat von Trumps Chaos, seinen Rache- und Diktatorenfantasien. Ohne ihre Stimmen aber kann er am 5. November nicht gewinnen.»

Haley allerdings erst recht nicht, weil sie trotz diesem Drittel aussichtslos im Rennen gelegen hat. Aber was soll auch Logik in einer Analyse. Wenn sie von Fellmann stammt.

Das ist noch nicht alles. Kommt es dann zum Zweikampf zwischen einem senilen Greis und einem Amok-Greis, dann hat der Mann mit der gewöhnungsbedürftigen Frisur über zu viel Bräuner im Gesicht noch mehr Schwächen: «Trump betreibt schon seit 14 Monaten Kampagne, und seine Geldbeutel leeren sich. Biden verfügt über prall gefüllte Kassen, die er in den kommenden, entscheidenden Monaten konzentriert einsetzen kann. Das Rennen um die US-Präsidentschaft kann beginnen – der Ausgang ist offen

Da bleiben auch einige Fragen offen.

  1. Wieso heisst dieses Stück demagogischer Polemik «Analyse»?
  2. Wieso wird der verbliebene Tamedia-Leser damit belästigt?
  3. Wieso hat Fellmann nicht das geringste Schamgefühl und kein Gespür für Peinlichkeit?
  4. Kann jemand einen einzigen Grund nennen, wieso das geldwert sein soll?
  5. Warum müssen hier 4452 Zeichen verschwendet werden? Weil es die Gefässpolitik im Kopfblattsalat nicht kürzer zulässt?
  6. Wieso schreibt Fellmann nicht einfach: Ich finde die Vorstellung, dass Trump wieder Präsident wird, zum Kotzen und wünsche ihm bis dahin alles Schlechte? Das wäre wenigstens mal eine ehrliche Ansage.

Und die Bonusfrage: Wieso betreibt Tamedia Etikettenschwindel und bezeichnet etwas, das man noch ganz knapp als Kommentar rubrizieren könnte, als «Analyse»? Seit wann ist Pfeifen im Wald eine Analyse? Weiss Fellmann überhaupt, was das ist?

Damit er nicht in Wikipedia nachschlagen muss: «Eine Analyse ist eine systematische Untersuchung, bei der das untersuchte Objekt in seine Bestandteile (Elemente) zerlegt wird.»

Ähnlichkeiten mit der «Analyse» von Fellmann wären rein zufällig und nicht beabsichtigt …

Pfeifen im Wald, Part x

Haben die Berichterstatter kein Gefühl für Peinlichkeit?

Diesmal ist Fabian Fellmann dran. «Seit Sommer 2021 berichtet der Nidwaldner als USA-Korrespondent aus Washington, D.C. Der Politologe lernte den Nachrichten-Journalismus unter anderem bei der Viehschau-Berichterstattung für die lokale Zeitung.»

Schon für eine solche Selbstbeschreibung braucht es unterentwickeltes Schamgefühl. Nun musste Fellmann in den saueren Apfel beissen. Donald Trump hat auch in South Carolina den Caucus gewonnen. Da stimmt für einmal, wenn er sagen würde «huge, gigantic, never before». Denn dort, wo seine letzte verbliebene Konkurrentin mal Gouverneurin war, holte er zwei Drittel der Stimmen – und alle 44 Delegierten. Nikki Haley «gewann keinen einzigen Distrikt – und null Delegierte», muss Fellmann einräumen und bilanziert bitter: «Es war die letzte reale Chance für seine einzige verbliebene Widersacherin, Nikki Haley, dem Platzhirsch noch gefährlich zu werden. South Carolina ist ihr Heimatstaat, sie war dort Gouverneurin, und bei der Vorwahl konnten nicht nur Republikaner mitmachen, sondern auch Demokraten.»

Das ist also keine Niederlage, sondern eine Klatsche, noch schlimmer als das, was dem Staatsanwalt im Vincenz-Prozess widerfuhr. Es ist eine Demütigung, eine krachende Niederlage, da wächst kein Gras mehr. Haley wird dadurch nicht länger zur Verliererin, sie wird zur Witzfigur, bemitleidenswert, Objekt tiefen Bedauerns, Anlass für Fremdschämen.

Oder nicht? Oder nicht, meint Fellmann. Denn er zaubert eine Erklärung aus dem Hut, ungefähr so gesucht wie die Versuche von Flatearthlern, die Erde zur Scheibe zu erklären:

«Warum gibt Haley nicht einfach auf? Weil die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner nicht zufrieden ist mit der Auswahl zwischen dem 81-jährigen Joe Biden und dem 77-jährigen Donald Trump. Und weil die 52-Jährige und ihre Geldgeber einen verzweifelten Kampf führen um die Seele der republikanischen Partei

Äh, selbst wenn das so wäre: offensichtlich sieht aber nur eine kleine Minderheit Haley als Möglichkeit, dieser angeblichen Unzufriedenheit der Mehrheit Ausdruck zu verleihen. Und «verzweifelter Kampf und die Seele»? Seit wann haben Parteien Seelen, und wie verzweifelt müssen diese Geldgeber sein, dass sie weiter Geldbündel zum Fenster rausschmeissen, in einem längst verlorenen Kampf?

Wogegen denn? Na, gegen den Gottseibeiuns: «Er hat weite Teile der Partei seinen persönlichen Interessen unterworfen, er lässt im Kongress die Migrationspolitik sabotieren und die Ukraine-Hilfe blockieren, regieren ist ein Ding der Unmöglichkeit geworden.» Also werden die USA gerade nicht mehr regiert? Im Paralleluniversum Fellmann offensichtlich.

Was tut denn Haley, ausser eine krachende Niederlage nach der anderen einzustecken? «Haley führt Trump damit vor Augen, dass er die politische Mitte nicht aus den Augen verlieren darf.» Obwohl er ohne das sämtliche Delegiertenstimmen einheimst?

Zum Schluss von Fellmanns Irrlichtern war der Titel dieser Serie «Pfeifen im Wald» noch nie so angebracht. Sollte Trump die Wahl verlieren oder über einen der Prozesse stolpern, wolle Haley bereit sein, Tagträumer Fellmann: «Es wären kathartische Momente, die Gelegenheit für Politikerinnen wie Haley und ihre Unterstützer, auf den Ruinen der republikanischen Trump-Partei wieder eine Grand Old Party aufzubauen, die ihren Übernamen einigermassen verdient und mehrheitsfähig ist.»

Ähem, sollte Trump aber gewinnen, dann wäre doch seine republikanische Partei mehrheitsfähig, oder nicht? Macht nix, das hätte doch mit Logik zu tun, pfuibäh. Stattdessen pfeift Fellmann aus dem letzten Loch, beziehungsweise im Wald, beziehungsweise lässt Haley pfeifen: ««Wenn die Zukunft des Landes auf dem Spiel steht, gibt man nicht auf.» Es ist derzeit eines der wenigen ermutigenden Zeichen für den Zustand der ältesten Demokratie der Welt, dass sie im Rennen bleibt.»

Einfach noch zum Verdeutlichen: dass eine Verliererin trotz einer krachenden Niederlage nach der anderen nicht aufgibt, um noch weitere krachende Niederlagen zu kassieren, das sei ein «ermutigendes Zeichen»?

Ein Boxer kassiert einen Kinnhaken nach dem anderen, steht wieder auf und sagt: ein ermutigendes Zeichen. Zack, wird er wieder auf die Bretter geschickt. Steht auf und sagt …

Leider gibt es in der Politik keinen Ringrichter, der einen solchen Irrwisch vor sich selbst schützt.

Zwei Gescheiterte

Nicht einmal ein Interview können die Helden vom «Blick».

Normales Handwerk. Zwei Redaktoren empfangen einen Gesprächspartner zum Interview. Aus der mündlichen Aufzeichnung entsteht eine schriftliche Fassung. Im deutschen Sprachraum (im angelsächsischen nicht) wird die dem Interviewten zur Autorisierung vorgelegt.

Nun ist es das Normalste der Welt, dass die Verschriftlichung eine verdichtete, zusammengefasste Variante der Aufzeichnung darstellt. Normales Handwerk. Es ist auch normal, vor allem bei Kontroversen, dass der Interviewte an der ihm vorgelegten Fassung Änderungen vornehmen möchte.

Unter Profis macht man deswegen ab: es gilt das gesprochene Wort. Allerdings liegt das Recht an diesem Wort, wie das Recht am Bild, beim Sprecher. Also ist es eine Frage des Handwerks, dass man sich bei Änderungswünschen zusammenrauft.

Ausser, die interimistische Oberchefredaktorin Steffi Buchli und der frischgebackene SoBli-Chefredaktor Reza Rafi tun sich zusammen:

Auch das kommt ab und an vor. Normalerweise schmeisst man dann das Manuskript in den Papierkorb, bzw. versenkt es im elektronischen Archiv. Aber doch nicht die Restenverwertungsanstalt «Blick».

Wenn schon diese beiden Koryphäen ihre wertvolle Zeit aufwendeten, wenn schon Buchli ein gestelltes Blick TV-Interview mit Marco Rima machte, in der Abteilung Sauglattismus, wenn man dann eine geschlagene Stunde miteinander sprach (was normalerweise für eine Seite gedrucktes Interview reichen würde; beim SoBli wäre es sicherlich auf mindestens drei Seiten ausgewalzt worden), dann kann man dieses welterschütternde Ereignis dem Leser nicht vorenthalten.

Dann erzählt man gerne und hemmungslos die Geschichte des eigenen Versagens. Im Print steht nur Rafi als Autor da, online gesellt sich noch Buchli dazu, obwohl sich am Text nichts geändert hat.

Eingeleitet wird die Story eines gecancelten Interviews mit Nachtreten: «Die Mutation vom Sonnenkönig zum Nachtschattengewächs war nicht mehr zu stoppen.» Welch schiefes Bild, welche Bösartigkeit.

Aber das ist erst der Vorspann: «Am Abend meldete sich seine Frau und Managerin Cristina: So könne man das Stück unmöglich freigeben, ihr Mann werde absolut unvorteilhaft und oberflächlich dargestellt.»

Auch diese Reaktion ist nicht unbekannt, wie der SoBli sogar selber einräumt: «So weit, so gewöhnlich im Medienbetrieb. SonntagsBlick wartete die autorisierte Fassung ab. Am Samstag lag sie vor. Doch fanden sich im abgeänderten Manuskript wohlformulierte Sätze im Polit-Jargon, die der Befragte so nie gesagt hatte. Das ist bei Interviews nicht unüblich, allerdings eher bekannt von Bundesräten oder Firmenchefs; PR-Arbeit eben

Dann die Schlusspointe: «Die SonntagsBlick-Redaktion respektiert das – hält es aber für wenig sinnvoll, ein Gespräch abzudrucken, aus dem die streitbarsten Passagen nachträglich entfernt wurden

Auch das ist erlaubt. Rima darf – wenn eben keine professionellen Abmachungen getroffen wurden – am gesprochenen Wort rumfummeln. Der SoBli darf auf den Abdruck verzichten (was er bei einem Bundesrat zum Beispiel, wenn dessen Nachnamen mit B. beginnt – nein, nicht B wie Blocher – niemals tun würde).

Jetzt kommt aber das Problem. Der SoBli enthält dem Leser vor, worum es hier geht. Hat sich das Umfeld von Rima zu recht über eine unvorteilhafte und oberflächliche Darstellung aufgeregt? Hat Rima mit wohlformulierten Sätzen im Politjargon geglättet?

Man weiss es nicht, man erfährt es nicht.

Problem: bei der mangelnden Glaubwürdigkeit, die sich der SoBli mit viel Arbeit erwirtschaftet hat, nimmt doch kein mündiger Leser diese Erklärung ab. Abgesehen davon, dass ein solches Scheitern nicht dem Interviewpartner anzulasten ist.

Dass gleich zwei Chefredaktoren sich nicht entblöden, das eigene Versagen öffentlich zu machen, ist an Peinlichkeit schwer zu überbieten. Oder doch, durch das Editorial von Rafi. Aber das wäre dann eine echte Überdosis. Wir denken an die Gesundheit unserer Leser und lassen das.

Und dieses Bild ist so was von gestellt
(man beachte das Ladekabel).

Beziehungsdelikte

Die Steigerung zu: Journalisten interviewen Journalisten? Enkelin interviewt Grossmutter.

Es ist eine altbekannte Unart. Wenn Journalisten überhaupt nichts mehr einfällt, dort, wo sie herumstehen, nichts los ist, dann interviewen sie sich gegenseitig. Als würde es den Leser interessieren, wenn Journalist A zu Journalist B sagt, dass er genauso wenig Ahnung hat wie sein Interviewer.

Aber im modernen Elendsjournalismus sind noch Steigerungen möglich. Ist nichts los, berichtet Journalist A über das Innenleben, das Befinden, die Qualen, die Zweifel, die körperlichen Funktionen von Journalist A. Auch das interessiert den Leser herzlich wenig.

Nun gibt es eine weitere Spielart des Selbstbespiegelungsjournalismus. Eines Journalismus, der meint, der Bote sei wichtiger als die Botschaft. Oder der Bote sei gleichzeitig die Botschaft.

Da spielt ein Redaktor, wenn er nicht gerade Elon Musk eintopft, mit seinem Sohn auf der Playstation. Und macht doch tatsächlich einen Artikel draus. Der genauso überflüssig ist wie sein Interview mit Dieter Bohlen.

Andere Kolumnisten lassen sich über Modefragen aus, über ihre Wünsche als Jugendliche, über Restaurantbesuche («war sehr gut»), über bezahlte Reisen, über Kochrezepte oder über ihre Wohnungseinrichtung.

All das, so meint man, sei schwer zu unterbieten. Aber es gibt ja nicht nur das Selbst des Journalisten, seine Sprösslinge oder Lebenspartner oder dramatischen Erlebnisse aus Kindheit, Leben und Krankheit. Es gibt auch noch die Eltern und die Grosseltern.

Da entblödet sich der Qualitätskonzern Tamedia nicht, zu verkünden: «Nina Kunz interviewt ihre Grossmutter». Nina who? Nun, laut Wikipedia ist Kunz eine «Schweizer Journalistin, Kolumnistin und Schriftstellerin». Ihr erstes Buch sei «eine Sammlung ihrer Texte unter anderem zu den Themen Leistungsdruck, Internet und Patriarchat». So wird man von der Kolumnistin zur Schriftstellerin. Der sehr passende Titel des Werks lautet: «Ich denk, ich denk zu viel.» So kann man sich täuschen.

Diese bedeutende Schriftstellerin interviewt nun ihre Grossmutter. Schon die Einleitungsfrage beweist, dass nicht übermässig gedacht wird: «Liebe Oma – du hast im Februar deinen fünfundachtzigsten Geburtstag gefeiert. Wie fühlt sich das an?» Wahrscheinlich wie das Feiern des 85., könnte man denken. Die Grossmutter lässt es bei einem freundlichen «gut» bewenden, gibt aber zu, dass sie mit dem Gedächtnis so ihre kleinen Probleme habe.

Deshalb macht ihre Enkelin gleich einen Gedächtnistest: «Vor einigen Monaten hast du mir erzählt, dass dich die jetzige Zeit immer wieder an deine Kindheit erinnere. Kannst du mir nochmals erklären, warum?» Das ersparen wir aber dem Leser. Wie geht’s weiter? Eine kleine Duftmarke soll genügen, bevor wir uns alle die Nase zuhalten:

«Als du in meinem Alter warst – das war dann 1966 –, warst du schon Mutter, verwitwet … – … und Vollzeit im Spital angestellt.  – Eben. Und ich schaffe es ja kaum, meine beiden Orchideen am Leben zu halten

Das ist vielleicht launig und weist darauf hin, dass die Grossmutter altersmilde ihrer Enkelin alles nachsieht. Wird’s auch noch ernster? Unbedingt:

«Warst du auch mal überfordert vom Grundkonzept des Existierens? – Vom was? – Also, dass man ungefragt auf diese Erde geworfen wird … – … und in den meisten Fällen auch ungefragt wieder gehen muss. – Genau.»

Kaum zu steigern, aber Kunz probiert’s:

«Was willst du mir noch mit auf den Weg geben? –Was ich gemerkt habe, ist, dass man im Alter bescheidener werden muss, was das Programm angeht. Ein gelungener Tag ist für mich einer, an dem ich alles geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe.»

Mit 17’388 Anschlägen quält hier das «Magazin» seine Leser. Wir wagen die Behauptung, dass sich selbst die «Republik» nicht trauen würde, eine solche Peinlichkeit auf eine solche Länge auszuwalzen.

ZACKBUM findet, dass unsere Leser mal wieder kräftig spenden sollten, weil wir ihnen den grössten Teil ersparen. Nur weil’s zum Grölen ist, kommt hier noch der Schluss der Quälstrecke. Uns fehlen dafür die Worte:

«Was hast du denn noch vor? – Ich muss Fallen bauen. Die Kirschessigfliege legt Maden in meine Himbeeren, dann schmecken sie komisch. Ich will nicht, dass sie mir die ganze Herbsternte verderben