Schlagwortarchiv für: peinlich

«Ich kann nichts dazu sagen»

Professor Iris Bohnet haut der Peinlichkeitsskala den Deckel raus.

Die Dame lehrt in Harvard «Public Policy». Und wettert in einem Interview in der NZZ gegen den neuen US-Präsidenten und seinen Kampf gegen alles Woke. Die Dame war von 2012 bis Juni 2023 die dienstälteste Verwaltungsrätin der Credit Suisse.

Im üblichen Plauderton quatscht sie gerne über Lohnungerechtigkeiten gegen Frauen und überhaupt über all die Formen der Diskriminierung, der sich weibliche Arbeitnehmer ausgesetzt sähen.

Sie selbst war im Vergütungsausschuss der CS und sorgte dort mit dafür, dass die tödliche Gierkultur, wo trotz massiven Verlusten massive Boni ausgeschüttet wurden, die Bank in den Untergang trieb.

So auskunftsfreudig sie im ersten Bereich ist, so verkniffen schweigsam wird sie, wenn es um ihr eigene unselige Rolle im CS-Skandal geht.

Diesen Teil des Interviews muss man sich integral zu Gemüte führen. Aber nur für starke Nerven geeignet, die immun gegen ungeheuerliche, öffentliche Peinlichkeit und Selbstentlarvung einer Dampfplauderin sind:

«Im vergangenen Jahr hat Jamie Dimon von JP Morgan 39 Millionen Dollar verdient, Brian Niccol wurde bei Starbucks mit einem Lohnpaket über 113 Millionen Dollar begrüsst, und der Industriekapitän Larry Culp von GE erhielt 89 Millionen Dollar. Sind das faire Löhne?
Ich kann dazu nichts sagen, ich möchte mich als Wissenschafterin nur äussern, wenn ich etwas beitragen kann, was ich empirisch belegen kann.
Als Verwaltungsrätin der Credit Suisse waren Sie Mitglied des Vergütungsausschusses. Würden Sie die Vergütungen von damals heute wieder akzeptieren?
Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.
Warum nicht?
Ich kann nichts dazu sagen.
Als ehemalige Verwaltungsrätin können Sie nichts dazu sagen?
Nein. Ich kann nichts dazu sagen.
Wir finden es schwierig, mit Ihnen über Fairness und Diversität zu reden und Ihre Erfahrungen bei der Credit Suisse auszublenden. Es ist auch eine Gelegenheit, Ihre Sicht der Dinge darzulegen.
Es ist mir wichtig, etwas zu Dingen sagen zu können, die für die Welt wichtig sind. Aber ich spreche nur als Wissenschafterin.
Eine Fehlerkultur zu leben, hat das nicht auch mit Fairness zu tun?
Ich kann Ihnen dazu nichts sagen.
Uns interessieren nicht nur akademische Fragen, sondern auch die reale Welt. Aus Schweizer Sicht ist es nicht verständlich, wenn der ganze Verwaltungsrat einer Grossbank auf Tauchstation geht.
(Bohnet schweigt.)
Wechseln wir das Thema und kommen zurück auf Ihr Buch. Sie sagen, alle könnten den Arbeitsplatz fairer machen, ob Praktikant oder CEO. Haben Sie ein paar Ideen?»

Will jemand wirklich das Buch einer solchen Versagerin lesen, die nicht einmal den Anstand hat, sich selbst als gutes Beispiel für das, was sie anprangert, kritisch zu hinterfragen?

Wie soll man so jemanden bezeichnen? Dazu kann ZACKBUM nichts sagen. Nicht, weil wir nichts zu sagen hätten. Aber leider gibt es da rechtliche Schranken …

 

Peinlich oberhalb jeder Schmerzgrenze

Der Herr links hat endlich den Titel für all seine Ergüsse gefunden. Die Dame rechts, au weia.

Der Herr links hat das wohlerarbeitete Privileg, dass ZACKBUM ihn ignoriert. Dabei ist er – trotz allen Anstrengungen – nie so peinlich geworden wie Katja Früh.

Tochter eines berühmten Vaters zu sein, das ist für das «Magazin» eine ausreichende Qualifikation für eine Kolumne. Hatten wir schon mal, aber Früh schlägt alles und alle.

Dass Autoren die Welt durch ihren Bauchnabel betrachten, Ergebnisse ihrer Darmperistaltik gerne mit allen teilen, das ist nichts Neues. Dass Ereignisse für sie nur eine Bedeutung bekommen, wenn sie an ihren dürren intellektuellen und schreiberischen Fähigkeiten gespiegelt werden – auch nichts Neues.

Also ist es eigentlich nicht überraschend, dass Früh zwar spät, aber immerhin noch den Tod von Peter Bichsel dafür missbraucht, über sich selbst zu schreiben.

Ihre geheuchelte Trauerarbeit beginnt sie so: «Ich habe einmal, vor langer, langer Zeit, einen Brief von Peter Bichsel bekommen. Ich von ihm!» Unglaublich, was dieser Bichsel alles gemacht hat. Ähm, was genau? «Er lobte mich darin.» Das hätte er wohl nicht getan, wenn er gewusst hätte, dass Früh das für eine Leichenfledderei verwendet.

Lieber spät als nie, also nimmt Früh am 12. April zur Kenntnis, dass Bichsel am 15. März gestorben ist: «Und jetzt ist Peter Bichsel tot. Das hat mich aufgewühlt und beschäftigt.» Aber, viel wichtiger als sein Tod: nun sucht Früh nach diesem Brief.

Da dürfen wir ganz genau hinschauen: «ich mache sorgfältig Häufchen, einige Briefe, sogar aus der Kindheit, fesseln mich und ich vergesse fast, was ich eigentlich suche.» Hallo, Sie suchen den Brief von Bichsel …

Aber dieser Hinweis ist ganz falsch, denn:

«Ich fühle mich unter Druck. Ich muss diesen Brief finden. Ich muss noch einmal Bichsels Handschrift sehen, seine Wörter, die an mich gerichtet sind, fühlen.»

Etwas viel fühlen hintereinander, aber niemand ist zum Schriftsteller geboren, nicht wahr.

Schon wieder geht Bichsel vergessen, denn Früh möchte alle ihre Fundstücke vor dem armen Leser ausbreiten: «Finde verrücktes Zeug, wie diesen ein Jahr lang dauernden täglichen Briefwechsel zwischen einem alten Schauspieler und meinem jungen Ich, wunderschöne Zeichnungen von meiner Grossmutter, Gedichte von meinem Vater, Liebesbriefe von ihm an meine Mutter, Kinderzeichnungen, eigene Tagebücher, die ich längst hätte entsorgen sollen, weil sie wahrscheinlich an Peinlichkeit nicht zu überbieten sind. Ich schaue jedenfalls lieber nicht rein.»

Der Leser atmet auf, wenigstens das bleibt ihm erspart.

Aber, oh je, der Platz ist dann mal alle, eine Schlusspointe muss her: «Irgendwann gebe ich weinend auf, beende die Suche, sage mir aber: Wir alle haben Peter Bichsel verloren, ich nur diesen Brief.» Ach, also ist ihr der Verlust Bichsels weniger wichtig als der verlorengegangene Brief. Nebenbei: gab es den überhaupt?

Sehr verehrte Frau Früh, wir glauben Ihnen nicht, dass Sie geweint haben. Wir sind aber sicher, dass viele Leser vor Schmerz und Qual geweint haben, weil sie diese unwürdige Selbstentblössung lesen mussten, hereingelegt durch den Titel, dass es hier um Bichsel gehe. Dabei geht es nur um Früh, Früh, und Früh. Aber so, dass man peinlich berührt vor so viel Egoshooter sich fragt, wieso denn niemand die Dame vor sich selbst schützt.

Oder die Leser vor ihr.

Ganz billige Nummer

Tamedia macht eine Leserumfrage. Mit Gutscheinen!

Früher, ja früher, da haben Zeitungsverlage für Leserumfragen noch Geld in die Hand genommen. Denn gelegentlich fällt es den Redaktionen auf, dass der Inhalt des Organs nicht durch die Gemütslage, die Bauchnabelschau oder die Weltsicht der Journalisten bestimmt werden sollte.

Sondern dass es hier eigentlich um eine bezahlte Dienstleistung geht. Nämlich die Vermittlung von nach professionellen Kriterien aufbereiteten Nachrichten. Samt Auswahl, Gewichtung, Analyse, Hintergründe. Das geht allerdings nur zu oft vergessen, wenn der Schreiber mal wieder auf dem Kriegspfad gegen Trump, für mehr Inklusion, gegen Sexismus und Diskriminierung und zu andere weltbewegende Themen unterwegs ist.

Dabei missbraucht er gerne seine Plattform als Abführmittel für eigene Wehwehchen, Boboli, für sein Unwohlsein über dies und das und vor allem für seinen grossen Frust, dass niemand auf ihn hört, obwohl er doch die Lösung für (fast) alle Probleme der Welt parat hätte.

Irgendwann fällt es dann jemandem auf, wahrscheinlich beim Blick auf die schrumpfenden Abozahlen und die abbröckelnde Leserschaft, dass man sich vielleicht mal nach deren Bedürfnissen erkundigen könnte. Wie macht man das, wenn man’s billig haben will?

Genau, mit einer leicht zu manipulierenden Online-Umfrage. Ganze zehn Minuten will da Tamedia seinen Lesern stehlen:

«Wie nutzen Sie digitale Nachrichten? Welche Formate wünschen Sie sich? Helfen Sie uns, unsere Angebote besser auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen.
Die Umfrage dauert rund 10 Minuten und enthält Audio- und Video-Beispiele. Stellen Sie bitte sicher, dass Sie beim Ausfüllen der Umfrage die Möglichkeit haben, diese Audio- und Video-Beispiele zu hören

Falls das nicht sichergestellt werden kann, macht nix: man kann ja auch eine Meinung haben, ohne zu wissen, um was es eigentlich geht. So entstehen doch auch die meisten Kommentare bei Tamedia.

Aber immerhin, man muss ja schliesslich einen Preis ausloben, um die Leser in Scharen dazu zu motivieren, an der Umfrage teilzunehmen. Da Redaktionen immer noch mit Gratismustern, Gratisreisen, Gratiskosmetik, Gratis-Probefahrten und so weiter überschüttet werden, könnte man da einen netten Strauss von Guetzli ausloben.

Aber doch nicht im modernen Elendsjournalismus:

«Unter allen Teilnehmenden verlosen wir zwei Coop-Gutscheine im Wert von je 100 Franken!»

Man wagt es tatsächlich, dieses blamable Schmürzelangebot zu fetten und mit einem Ausrufezeichen zu versehen. Man muss aber der Gerechtigkeit halber sagen: es hätte auch nur ein einziger Gutschein sein können, da wäre also noch Luft nach unten gewesen.

Tata. OneLog ist wieder da

Was lange währt, wird nicht mehr gut.

Am 24. Oktober brach OneLog zusammen. Diese Login-Plattform wird von insgesamt über 40 Online-Portalen genutzt. Darunter auch Tamedia, Ringier und SRG. Ebenfalls dabei sind die NZZ und CH Media, die aber den Dienst noch nicht nutzen.

Die Idee war, durch ein gemeinsames Login die Schweizer Medien gegen ausländische Konkurrenz zu schützen, bzw. ein Gegengewicht zu schaffen. Für die technische Umsetzung war Ringier zuständig. Dessen CEO Marc Walder schnappte sich die Position des VR-Präsidenten: «Der Schritt zum einheitlichen Login ist für die Schweizer Verlage eminent wichtig», flötete er nach der Einführung im Frühling 2021. Natürlich sei das ein Erfolgsmodell mit Hunderttausenden von Anmeldungen, und: «Irgendwann kommt der Punkt, an dem Leser unsere journalistischen Angebote nur noch dann lesen können, wenn sie sich einloggen

Stattdessen kam aber der Punkt, dass sich die Leser überhaupt nicht mehr einloggen konnten. Schlimmer noch: in einem Hacker-Angriff verschwanden sämtliche gespeicherte Daten. Bis heute ist völlig unklar, ob dieses Datenmeer abgesaugt oder schlichtweg gelöscht wurde.

Es ist ebenfalls völlig unklar, wer diesen Angriff ausführte und mit welcher Motivation. Normalerweise verlangen Hacker Lösegeld. Oder aber, sie werden von der bösen Konkurrenz beauftragt. Was hier der Fall ist? Tiefes Schweigen.

Wie es überhaupt möglich war, eine Plattform, deren sichere Datenverwaltung existenziell wichtig ist, zu knacken und ausser Betrieb zu setzen – tiefes Schweigen. Ob die persönlichen Daten der Nutzer nun irgendwo im Netz herumschwirren? Tiefes Schweigen. Das schafft ungemein Vertrauen.

Stattdessen die trockene Mitteilung: «OneLog, das Login-Tool der Schweizer Medien- und Verlagshäuser und ein Gemeinschaftsunternehmen von CH Media, NZZ, Ringier und TX Group, ist wieder verfügbar.»

Nach ganzen elf Tagen, im Internet eine Ewigkeit. Ein Skandal.

Welche Massnahmen ergriffen wurden, um eine Wiederholung der Peinlichkeit zu vermeiden? Tiefes Schweigen. Wie es Ringier passieren konnte, dermassen auf den Rücken gelegt zu werden – tiefes Schweigen. Walder spielt einfach Auster und sagt nix.

Dafür gibt OneLog seinen Nutzern noch gute Ratschläge auf den Weg: «Vorsicht vor Phishing: Ohne ein vorheriges aktives Anstossen des Logins durch die Nutzerin oder den Nutzer versendet OneLog keine derartige Aufforderung per Mail an die Nutzerinnen und Nutzer. Dies gilt auch für die einzelnen Medienmarken und andere Partner (z.B. JobCloud), die OneLog einsetzen.»

Abschliessend endet die Mitteilung mit einem echten Schenkelklopfer:

«OneLog setzt alles daran, seinen Nutzerinnen und Nutzern eine stabile und vertrauenswürdige Umgebung zu gewährleisten und bedauert die entstandenen Unannehmlichkeiten.»

Die bestanden zum Beispiel darin, dass alle Artikel hinter der Bezahlschranke frei zugänglich waren. Bei «Blick+» kein grosser Verlust, aber bei Tamedia schon eher. Ob das Ringier übernimmt? Zudem vertraut Tamedia offenbar noch nicht wirklich auf OneLog. Gegenüber persoenlich.com sagt das Medienhaus, dass es lieber während den US-Wahlen auf das «hauseigene Login» setze. Anschliessend nähere man sich OneLog in Trippelschritten. So viel zum Vertrauen eines der Mitbetreiber.

Die entscheidende Frage beantwortet OneLog allerdings nicht: nach einem solchen Totalschaden – woher soll da das verloren gegangene Vertrauen der Nutzer wieder herkommen? Trust building, das weiss jeder Anfänger im Marketing, ist sowohl zentral wichtig, wie auch extrem schwierig nach einem solchen Riesenflop.

Eine nüchterne Meldung «he, wir sind wieder da, kannst dich mit neuem Passwort wieder einloggen – bis zum nächsten Mal», das kann’s ja nicht sein. Aber im Medienbereich wird halt überall gespart. Auch am Hirnschmalz.

Wumms: Alex Baur

Peinlich, wenn ein guter Journalist sich öffentlich lächerlich macht.

ZACKBUM-Autor René Zeyer hatte ein Kurzfassung seiner Abhandlung über Kriegsverbrechen in der «Weltwoche» veröffentlicht. Daraufhin sah sich Baur genötigt (wieso eigentlich?), darauf zu replizieren. Daraus ist ein Dokument der Selbstverzwergung geworden. Wer’s nachlesen mag, bitte sehr.

Dafür wird Baur schon vom WeWo-Leser kräftig geprügelt, dem ist nicht viel hinzuzufügen. Ausser dem hier:

Baur hat keine Ahnung, aber viel Meinung. Das ist eine üble Mischung, wenn es um Kriegsverbrechen oder Massaker und die Schuldfrage geht. Aber jeder hat das Recht, sich öffentlich zum Deppen zu machen.

Zeyer würde «die Leier von angeblichen israelischen Kriegsverbrechen nachbeten», behauptet Baur. Zeyer betet nicht, und «nach» schon gar nicht. Dann schwirrt Baur in ein Paralleluniversum ab, indem er hinzufügt, dass Israel keinen Krieg gegen den Libanon oder die Palästinenser führe, sondern gegen den Iran. Das wüsste man allerdings, wenn Beirut, Libanon oder der Gazastreifen neuerlich zum Iran gehörten.

Der Höhepunkt der Realitätsverweigerung: «Der Iran und seine Vasallen hätten es in der Hand, das Blutvergiessen sofort zu beenden. Sie allein tragen die Verantwortung für das Elend.» Wie sollten sie das tun? Indem sich die Führung freiwillig selbst in die Luft sprengt?

Dabei wäre es doch so einfach. Wer Kriegsverbrechen begeht, trägt dafür die Verantwortung. Ob er das in Reaktion auf andere Kriegsverbrechen tut oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Jeder, auch Baur, kann nachlesen, was ein Kriegsverbrechen ist. Darüber kann es unter vernunftbegabten Menschen keine Meinungsverschiedenheit geben.

Alleine der Bericht von 99 US-Ärzten, den auch ZACKBUM zitiert hat, lässt keinen Zweifel daran, dass die israelische Armee nicht vereinzelt, sondern systematisch, systemisch und institutionell Kriegsverbrechen begeht. Womit erstellt ist, dass das keine Einzeltaten einer unkontrollierten Soldateska sind, sondern den Oberbefehlshabern bekannt und von ihnen geduldet.

Es gibt inzwischen eine neue Spielart von Realitätsverweigerern.

Nach den Holocaust-Leugnern gibt es nun die Kriegsverbrechen-Leugner.

Schade, dass Baur seine Reputation als ernstzunehmender Journalist so leichtfertig, ohne Not und ohne Kenntnisse beschädigt.

PS: Kommentator Müller empfiehlt einen Besuch im Ziv Medical Center, das regelmässig von Hezbollah-Raketen beschossen werde.

Nun, das hier ist ein aktuelles Foto des Spitals:

Und das hier ist ein aktuelles Foto des al-Ahli Spitals in Gaza City, nachdem es von der israelischen Armee bombardiert wurde:

Geht’s noch peinlicher?

Der Wettbewerb ist eröffnet. ZACKBUM misst mit der Bärtschi-Skala.

Simon Bärtschi hat vorgelegt. So wie es die Scoville Skala gibt, um die Schärfe von Chilis zu messen, gibt es neuerdings die Bärtschi-Skala, um den Grad von Peinlichkeit zu quantifizieren. Er selbst liegt mit seinem Kommentar bei 10 Bärtschis. Das ist ein solider oberer Wert. Er kann unterboten werden, aber nur schwer gesteigert.

Ausser natürlich von Patrizia Laeri. Die kennt inzwischen nichts mehr, wenn es darum geht, an die Öffentlichkeit zu drängen. Da arbeitet sie auf Dieter-Bohlen-Niveau. Vor mehr als zwanzig Jahren soll sie ein TV-Mitarbeiter bedrängt haben, was sie dermassen traumatisierte, dass sie erst viel, viel später öffentlich darüber sprechen konnte.

Leider ergab dann die Untersuchung, dass nichts dran war und es sich auch nicht so, wie von ihr behauptet, abgespielt haben konnte. Blöd auch.

Das war noch eine stabile 9 auf der Bärtschi-Peinlichkeitsskala. Nachher hörte man nichts mehr, obwohl sie vollmundig angekündigt hatte: «Sobald ich den Bericht geprüft habe, werde ich informieren.» Dafür geben wir eine glatte 10.

Das Problem ist: mit ihrer Finanzplattform für Frauen läuft es halt nicht so gut, also kann sie keine Erfolgsmeldungen herbeischwurbeln. Was tun, wenn sie trotzdem in die Medien will?

Da landete sie schon einen Treffer auf der Bärtschiskala im oberen Bereich, glatte 12 Bärtschis:

Damals musste sie noch mit der feministischen Forderung «Heiratet alle» nachlegen, um sich in den Medien zu halten, wofür ihr jede Geschmacklosigkeit recht ist. Dafür gibt’s wieder eine 10.

Eigentlich könnte man meinen, dass damit das Thema ausgereizt ist, tot ist tot. Aber doch nicht bei Laeri. Sie kann nachlegen, und damit stellt sie einen bislang nicht ansatzweise erreichten Rekord auf.

«Nun feierte sie erstmals nach seinem Tod den Geburtstag des Investment-Bankers», schwülstelt Berit-Silja Gründlers, «Redaktorin People» beim Qualitätsblatt «Blick».

Laeri hat in tiefer Trauer und in aller Stille des Geburtstags des Toten gedacht:

«Erster Geburtstag im Himmel», der Versuch, das Adjektiv geschmacklos zu steigern. Dazu das übliche Partyvolk im Partydress, Luftballons, und in der Mitte, wo sie sich am wohlsten fühlt, Laeri.

Dafür gibt es eine stolze 20; sie verdoppelt den Peinlichkeitsfaktor von Bärtschi mühelos.

Wer dermassen geschmacklos den Tod seines Partners, der sich nicht mehr dagegen wehren kann, öffentlich ausschlachtet, sollte man dem wirklich sein Geld anvertrauen? Die Frage stellen, heisst sie beantworten.

Peinlicher

Kann Bärtschi peinlich steigern? Oh ja.

Seine Münchhauseniade «Weichenstellung für den unabhängigen Qualitätsjournalismus» hat, Stand Mittwochvormittag, über 250 Kommentare ausgelöst. Angesichts der Zensurpolitik des Tagi im Kommentarbereich, wo selbst harmlose und höfliche Stellungnahmen abgebürstet werden, dürften weitere 750 im Orkus gelandet sein.

Hier haben wir das Problem, dass dennoch fast alle negativ sind. Wobei man sicher sein kann, dass alle positiven Wortmeldungen ungefiltert aufgeschaltet wurden. Vielleicht auch redaktionsnahe Kräfte dazu animiert wurden, mal was Nettes zu sagen. Zum Beispiel das hier, was ganz einsam herausragt:

«Die Massnahmen sind leider notwendig, aber richtig. Wir brauchen unbedingt weiter einen eigenständigen und kompetenten Qualitätsjournalismus!»

Allerdings ergibt eine Auswertung der Kommentare im Rahmen des Qualitätsjournalismus, dass sehr wohlwollend gezählt haargenau 8 positive und 9 neutrale darunter sind. Alle anderen regen sich in mehr oder minder harschen Worten über die Schönschreibübung von Bärtschi auf:

«Das Wort heisst nicht Qualitätsjounalismus, sondern Konzernjournalismus. Und dieser hat über die letzten 30 Jahre die Qualität im Journalimus sukzessive abgebaut.»
«Tamedia will seinen Lesern das Verhältnis von Qualitätsjournalismus zur Anzahl Journalistenstellen als umgekehrten Dreisatz verkaufen?»
«Bei diesen Sparmassnahmen geht es alleine darum, das prallgefüllte Portemonnaie der Aktionäre noch weiter zu füllen.»
«Ein Stellenabbau in den Redaktionen führt zwangsläufig zu einem Rückgang des Angebots und der vielbeschworenen Qualität. Verständlich, dass immer weniger Leute bereit sind dafür zu bezahlen. Ich gehöre bald auch dazu.»

Wenn man versucht, den Leser zu verarschen, und dann von ihm dermassen eins über die Rübe kriegt, dann muss sich ein «publizistischer Leiter» schon fragen, ob er an der richtigen Stelle ist. Und ob so ein kontraproduktives Geschwurbel karrierefördernd ist.

Bärtschis Bewerbung bei der «Prawda»

Kann man peinlich steigern? Simon Bärtschi versucht’s.

Die ehemalige kommunistische Parteizeitung «Prawda» machte im Verlauf der Jahre ihrem Namen («Wahrheit») immer weniger Ehre. Schönschreiben, hochschreiben, lügen, Triumphe vermelden, wo es Niederlagen gab. So begleitete sie die Sowjetunion in den Untergang.

Der «Leiter Publizistik Tamedia, Mitglied der Geschäftsleitung» Simon Bärtschi hat die zweifelhafte Ehre, das neuerliche grosse Rausschmeissen und Einsparen zu erklären. «Liebe Leserin, lieber Leser», beginnt er schleimig, was ich Ihnen hier erzähle, ist die reine Verarsche, peinliches Gedöns, unerträgliches Schönfärben, zum Fremdschämen, macht ein Gefühl wie kreischende Kreide auf der Wandtafel, wie das Beissen in ein nasses Handtuch.

Das wäre wenigstens eine ehrliche Einleitung gewesen, aber natürlich schreibt Bärtschi das nicht. Sondern fabuliert schon im Titel:

Hier stimmt nun schlichtweg kein einziges Wort. «In eigener Sache», nein, in der Sache der geldgierigen Aktionäre von TX müsste er hier schreiben. Das ist keine Weichenstellung, sondern das Wüten mit der Abrissbirne. Unabhängig ist der Journalismus schon lange nicht mehr, und wo versteckt sich denn bei den Erzeugnissen aus der Werdstrasse die Qualität? Wer hat sie rennen gesehen? Bitte sofort bei ZACKBUM melden.

Auch die Unterzeile stimmt mit keinem Wort. Es gibt keinen «grundlegenden Umbruch in der Medienbranche». Es gibt, wie von der Droschke zum Automobil, von der Dampflock zur Elektrolok, eine seit vielen Jahren bekannte Veränderung. Oder will jemand das Internet im Jahr 2024 als «grundlegenden Umbruch» verkaufen? Und was heisst «Bündelung seiner Kräfte»? Was ist an einer Massenentlassung bündeln?

23 Wörter insgesamt, immerhin orthografisch und syntaktisch alle richtig gesetzt. Aber inhaltlich (abgesehen von ein paar Artikeln, Präpositionen und Pronomen) allesamt falsch. Hohl. Dazu noch offenkundig unwahr. Wie wenn die «Prawda» eine neue Planerfüllung und Überproduktion an Schuhen verkündete, während jeder Leser wusste, dass die Schuhregale leer sind.

Im Lauftext wird es nicht besser. «Tamedia, die auch diese Publikation herausgibt, hat unter der Führung von CEO Jessica Peppel-Schulz eine neue Strategie entwickelt.» Eine neue Strategie? Was war denn die alte? Und wo sieht man eine Führung des CEO?

Wie sieht denn die neue Strategie aus? «Das Medienunternehmen fokussiert künftig auf starke digitale Marken, das bestehende Print-Portfolio wird weitergeführt.» War das nicht schon die alte Strategie unter Chefstratege Mathias Müller von Blumencron? Hat man beim alten Dampfplauderer einfach ein paar PPP-Folien abgestaubt, rezykliert und mit neuem Datum versehen? Dieses dumme Gequatsche hörte man doch auch schon von ihm.

Man muss nur eine kleine Zeitreise in den März 2023 unternehmen, und schon hat mein ein Déjà-vu vom Feinsten.

Da hat sich Bärtschi offenbar kräftig bedient: «Der Qualitätsjournalismus ist und bleibt unser Kerngeschäft. Er ist für unsere direkte Demokratie von zentraler Bedeutung und trägt wesentlich zu einer freiheitlichen Gesellschaft in unserem Land bei.» Bullshit ist eigentlich zu schwach dafür. Dabei kann er sich noch steigern:

«Die Qualität steht für uns zuoberst. Umfassende Recherchen, Porträts und Reportagen, interaktive Karten, Ticker zu relevanten Ereignissen, präzise Einordnungen der politischen Aktualität auf allen Ebenen sowie praktischer Service machen unsere Angebote einzigartig. Diese wollen wir laufend ausbauen.»

Ausbauen mit Abbauen? Da lachen ja die Hühner, und der Hahn kriegt einen Schluckauf. Aber Bärtschi kennt keine Gnade und legt noch eine Münchhausen-Nummer drauf:

«Dabei werden wir unsere journalistische Kraft noch besser zusammenführen und uns in den Redaktionen auch noch mehr Gedanken dazu machen, welche Art von Journalismus Sie von uns eigentlich erwarten. Alle Titel und Redaktionen bleiben dem Journalismus mit hohen Standards verpflichtet. Glaubwürdigkeit, Relevanz, Wahrhaftigkeit und Fairness sind die Pfeiler unserer Publizistik.»

Noch besser, noch mehr, Grundpfeiler. Und erst noch mit viel weniger Personal. Dass Jesus übers Wasser lief, das ist ein Dreck gegen dieses Wunder an der Werdstrasse.

Aber wodurch wurde denn dieses Wunder nötig? Nun, es ist unerwartet, aus heiterem Himmel, eigentlich erst vorgestern was Fundamentales passiert: «Sie fragen sich vielleicht, wieso es diese neue Strategie braucht. Der Grund ist der Umbruch in der Medienbranche. Die Nutzung hat sich durch Smartphones und Social Media rapide verändert.»

Nein, das fragt sich niemand. Aber jeder fragt sich, wieso Tamedia bis heute noch nichts eingefallen ist, wie man der Digitalisierung und dem Internet begegnen könnte – so nach 3o Jahren Existenz. Vielleicht hat sich das noch nicht bis in die Geschäftsleitung von Tamedia rumgesprochen, aber das Internet gibt es seit 1993. Echt wahr.

Wenn schon, ist bei Tamedia Fundamentales passiert. Die Werbeeinnahmen aus dem Stellen-Anzeiger, aus dem Automarkt, dem Wohnungsmarkt, aus Verkaufsinseraten sind dem Tagi weggenommen worden, der sie grossmachte. Und als eigenes Profitcenter ausgelagert, während Tamedia jetzt ohne diese Einnahmen 8 Prozent Profit machen soll. Mission impossible.

Zum Schluss wagt Bärtschi noch einen Knaller, über den schallend gelacht werden kann. Bloss die Abonnenten überläuft dabei ein Schauer kalter Wut, dass sie dermassen unverfroren verarscht werden: «Unser Anspruch bleibt hoch: Wir wollen Sie täglich mit unabhängigem, neugierigem und inspirierendem Journalismus versorgen.»

Ob da die Umfrage dazugehört «Wie oft haben Sie Sex, und wie zufrieden sind Sie damit?»? Von den Qualitätsjournalisten Marc «Corona-Kreische» Brupbacher und Sebastian Broschinski. Oder «Märtha Louises Zukünftiger sieht sich als Reptiloid und Wiedergeburt des Pharao» von der Qualitätsjournalistin Alexandra Kedves?

Allerdings, ein Körnchen Wahrheit steckt hier drin. Der Anspruch mag vielleicht vorhanden sein …

Vizepräsident Trump

Im Altersheim wäre das alles nicht so schlimm. Aber in der NZZ und im Tagi schon.

Auch die bedächtige NZZ ist sich nun sicher: «Joe Biden muss sich jetzt zurückziehen, das ist die einzige Chance für die Demokraten», weiss Isabelle Jacobi. Die vormalige Chefredakorin des «Bund», die vormalige Mitarbeiterin von SRF, ist seit April 2024 bei der NZZ im Dienst. Als frühere US-Korrespondentin hält sie sich offenbar für qualifiziert, dem US-Präsidenten den Rücktritt nahezulegen. Ach was, sie befiehlt es ihm.

Wäre Biden eine Frau und Jacobi ein Mann, gäbe es ein echtes Diskriminierungsproblem: «Ein Greis, der mit politischen Muskeln spielt und seine brüchige Stimme laut erhebt, wirkt nicht kraftvoll.»

Die führenden Mitglieder der US-Demokraten werden nun sicherlich eine schlaflose Nacht haben, wenn sie dieses vernichtende Verdikt lesen: «Dieser Präsident ist nicht fähig für eine zweite Amtszeit. Er gehört spätestens Ende Jahr in den wohlverdienten Ruhestand.» Jacobi ist gnadenlos: «Es tut weh, zuzuschauen, wie sich ein einst mächtiger Mann selbst demontiert, wie er seine Würde und sein Ansehen verspielt, weil er die Realität seines Alterns verdrängt.»

Dabei hat Biden am Nato-Gipfel doch lediglich Trump zu seinem Vizepräsidenten und Putin zum Präsidenten der Ukraine gemacht. Kann doch jedem passieren. Ist halt blöd, dass man bei Pressekonferenzen die Antworten nicht vom Teleprompter ablesen kann.

Dabei wäre die Lösung doch so einfach für die Demokraten:

«Sie müssten zum Beispiel einen Weg finden, damit sich die unbeliebte Vizepräsidentin schnell profilieren kann. Um Kamala Harris, eine Politikerin mit asiatisch-afroamerikanischen Wurzeln, kommen die Demokraten bei einer Nominierung wohl kaum herum, wollen sie nicht wichtige Wählergruppen vergraulen. Zudem steht der Name Harris bereits auf dem Ticket, dem bisher rund 240 Millionen Dollar Spendengelder zugeflossen sind.»

Harris, die in der gesamten Amtszeit nie eine eigene öffentliche Wahrnehmung schaffte, deren Anwesenheit auf dem Bürgenstock allgemein als Affront empfunden wurde. Eine Frau, eine PoC, die soll in den USA mehrheitsfähig sein? Gegen eine solche Behauptung muss man Bidens Verhältnis zur Realität als ausgezeichnet, glasklar und superkompetent bezeichnen.

Auch die Untergangs-Unke der «Süddeutschen Zeitung» samt Echo im Qualitätsorgan Tamedia wird deutlich: «Die Demokraten brauchen dringend eine neue Kandidatin oder einen neuen Kandidaten», dekretiert Peter Burghardt und hat eine putzige Begründung: «Der Überraschungseffekt könnte die demokratische Wählerschaft aufrütteln und zugleich die Republikaner verwirren – Trump würde ohne Biden etliche Argumente verlieren.» Aufgerüttelte Demokraten und verwirrte Republikaner, wir wischen uns die Lachtränen ab.

Die Welt wäre eine andere und bessere, würde sie auf Jacobi oder Burghardt hören. Da sie das aber nicht tut, macht sich Biden halt auf seine Art und Weise lächerlich. Die NZZ, die SZ und der Tagi  auf eine andere, nicht minder peinliche.

 

Peinlich, kläglich, erbärmlich

Neuerlicher Totalflop. Die Journaille – auch bei Tamedia – blamiert sich ein weiteres Mal bis auf die Knochen.

Grosses Gedöns, wilde Anschuldigungen, Tamtam und Kriegstänze von vor Bedeutungsschwere kaum laufen könnenden Journalisten. Und dann? Nichts. Eine Firma ruiniert, viele Existenzen ruiniert, zwei klägliche Rücktritte, ein paar Pipifaxprozesse, sonst nichts.

Federführend im deutschen Sprachraum war die «Süddeutsche Zeitung». Die Julian Assange frech anrempelt. Der wahre Skandale aufdeckte, keine erfundenen. Auch Tamedia schäumte damals mit, behauptete neue Blicke in Abgründe, Verbrechen, Blutgelder, mindestens Steuerhinterziehung, furchtbar. War dann nix. Kleinlaut bringt Tamedia nun eine AFP-Meldung. Unrechtsbewusstsein? Zerknirschte Entschuldigung von Brönnimanns und Co., die sich wieder mal völlig vergaloppiert hatten? Niemals.

Wenn der Köter bellt, wedelt Tamedia mit. Das ist schändlich. Alles, was dazu zu sagen ist, sagte René Zeyer bereits 2016 in der «Weltwoche». Zeit, den Artikel zu rezyklieren. Denn es gibt journalistische Werke, die eine Halbwertszeit von mehr als 5 Minuten haben. Im Gegensatz zu vielem Geschrei und Geschreibsel …

Wenn der Panamahut hochgeht

Von René Zeyer _ Schon wieder: Der grösste Datendiebstahl aller Zeiten rüttelt die Besitzer von Briefkastenfirmen durch. Der eigentliche Skandal ist das Vorgehen der Ankläger.

Ein «John Doe» schickt einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung eine Nachricht: «Interessiert an Daten? Ich teile gerne.» Und dann kommt ein Berg in der Höhe von 2,6 Terabyte, 11,5 Millionen Dateien. Das überfordert die Kapazitäten der Süddeutschen, also wendet sie sich an das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), eine spendenfinanzierte US-amerikanische NGO, die bereits einschlägig in Erscheinung getreten ist.

Unter dem pompösen Titel «Swiss Leaks» nagelte das ICIJ 65 Personen an den Internet- Pranger, denen nicht viel mehr vorgeworfen wurde, als dass sie in Geschäftsbeziehungen mit der Grossbank HSBC standen. Man habe in den gestohlenen Datensätzen Hinweise für Steuerhinterziehung oder gar die Finanzierung von Terror-Organisationen und für andere kriminelle Handlungen gefunden, behauptete das ICIJ. Kleiner Schönheitsfehler: In keinem Fall reichte das für eine Anklage. Die einzige Straftat bestand im Diebstahl von mehr als 100 000 Kontounterlagen.

Zuvor gab es die «Offshore Leaks». Unter anderen wurde der verstorbene Millionär Gunter Sachs beschuldigt, mit Trust-Konstruktionen Steuern hinterzogen zu haben. Darüber hinaus gebe das ICIJ endlich einen Einblick in die geheime Welt von Trusts, Offshore-Paradiesen und asozialen Superreichen. Nach kurzer Zeit und entsprechender Erregungsbewirtschaftung lösten sich diese 260 Gigabyte gestohlener Daten in Luft auf; so konnte auch Sachs keinerlei illegales Tun nachgewiesen werden. Nur sein Ruf war postum ruiniert.

Mit den «Panama Papers» wird nun etwas höher gezielt. Die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca, der die Daten gestohlen wurden, habe mehr als 200 000 Gesellschaften gegründet, die unter anderem dazu dienten, internationalen Sanktionen zu entgehen, Steuern zu hinterziehen oder Geld zu waschen. Rund 140 Politiker und Amtsträger weltweit gehören zu den Benutzern, darunter der Premierminister von Island – und «das Umfeld von Wladimir Putin». Schon wieder handle es sich um einen gigantischen Skandal: «Millionen von Dokumenten zeigen, dass Staatsoberhäupter, Kriminelle und Prominente geheime Verstecke in Steueroasen benützen», klagt das ICIJ auf seiner Website an.

«Unschuldsvermutung»

Der ehemalige Spiegel-Chefredaktor Georg Mascolo, in Deutschland federführend bei der Auswertung des Datenbergs, weist in einer Talkshow darauf hin, dass auch hier «die Unschuldsvermutung » gelte und selbstverständlich die Errichtung oder Benützung eines Trusts per se nicht illegal sei. Aber die auch nur behauptete Verbindung zu den Unwörtern Briefkastenfirma, Panama, Steueroasen reicht, um den Ruf zu ruinieren. Umso ferner und unsympathischer der Besitzer ist, umso besser. Sollte sich wieder herausstellen, dass keine Straftatbestände erfüllt wurden – na und?

Was nützt es da, darauf hinzuweisen, dass ein Trust, eine Holding, die Errichtung einer Gesellschaft im Rahmen völlig legaler Steueroptimierung nicht nur für Hunderttausende von kleinen Hausbesitzern in Grossbritannien, sondern auch für jede international tätige Firma notwendig sind? Deren Finanzchef müsste wegen Unfähigkeit entlassen werden, würde er diese Vehikel nicht nutzen. Selbst Bundesrat Schneider-Ammann kann ein Lied davon singen, was passiert, wenn man damit in Verbindung gebracht wird.

Legitim, aber unmoralisch

Die beteiligten Journalisten spielen Ankläger und Richter in einer Person, statt die gestohlenen Daten den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu übergeben. Sie ersetzen die Grenze zwischen legal oder strafbar durch «legitim, aber unmoralisch». Wieder fragen sie nicht: «Cui bono?» Obwohl die USA die grösste Steueroase der Welt sind, im Bundesstaat Delaware in einem einzigen Gebäude die grösste Ansammlung von Briefkastenfirmen existiert, ist bislang unter den «politisch exponierten Personen » kein einziger US-Bürger aufgeführt, keine dort angesiedelte Trust-Konstruktion. Die einfache Erklärung: In Delaware oder Nevada wäre ein Datenleck gar nicht möglich, weil diese Offshore-Zentren über keinerlei Informationen zu den wirtschaftlich Berechtigten verfügen.

Ramón Fonseca Mora weist in seiner bislang einzigen öffentlichen Stellungnahme darauf hin, dass die von ihm mitbegründete Kanzlei Mossack Fonseca in ihrer vierzigjährigen Existenz noch nie angeklagt, geschweige denn verurteilt worden sei. Man stelle lediglich für Zwischenhändler pro Jahr im Schnitt 20 000 solcher Konstrukte her, mit deren Verwendung man nichts zu tun habe. In den USA werden jährlich 200 000 solcher Vehikel verkauft, in Grossbritannien 250 000. Noch Fragen?

Macht es wirklich Sinn anzunehmen, dass ein einzelner Hacker – oder eine kleine Gruppe – diesen grössten Datenklau aller Zeiten bewerkstelligt und sich dann bei einer Zeitung meldet, um ohne die geringste Gegenleistung 2,6 Terabyte zu verschenken? Wichtiger noch: Das einzige erwiesene Verbrechen besteht bislang darin, dass eine Unmenge von vertraulichen Daten gestohlen und veröffentlicht wurde. Eine eklatante Verletzung der Privatsphäre, begleitet von der Anprangerung von Nutzern und Herstellern. Mossack Fonseca ist inzwischen mit umfangreichen Erklärungen zwischen Geschäft in die mediale Gegenoffensive gegangen. Das prallt aber an der aktuellen Pogromstimmung ab.