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Jetzt wird’s eng für Natalie Rickli

Nach Paul Vogt schiesst Herz-Kollege Thierry Carrel Torpedo ab: „100 bis 200“ Verstorbene am Zürcher Unispital seien wohl vermeidbar gewesen.

Von Lukas Hässig*

Der Sommer 2024 wird zum Stresstest für die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli.

Die SVP-Magistratin hat die vier Jahre zuvor ausgebrochene Krise in der Herzchirurgie des Unispitals Zürich (USZ) schöngeredet.

Sie tut das bis heute. Nun legte der SonntagsBlick zweimal vor.

Diesen Sonntag lässt er Thierry Carrel, den Berner Herzchirurgen, zu Wort kommen.

100 bis 200 Patienten „wohl“ unnötig verstorben (T. Carrel; SonntagsBlick)

Carrel rettete von 2021 bis 2022 notfallmässig mit Paul Vogt, dem zuvor im Expressverfahren eingesetzten Chef der Herzchirurgie, die Klinik vor dem „Verbluten“.

Heute sagt Carrel der Zeitung mit Blick auf öffentlich zugängliche Statistiken, dass es sich „vermutlich um 100 bis 200 Patienten“ handle, „die beim gleichen Eingriff in einem anderen Universitätsspital höchstwahrscheinlich nicht verstorben wären“.

Carrel spricht im SonntagsBlick von der Zeit von 2016 bis 2020, als Francesco Maisano die USZ-Herzchirurgie geleitet hatte. Dabei setzte der von Mailand gekommene Operateur umstrittene Implantate ein, die ihn reich machten.

Maisano verkaufte sie zusammen mit Mitinvestoren für Hunderte von Millionen Dollar in die USA, nachdem er sie am USZ bei Patienten eingesetzt hatte, obwohl nach Aussage Dritter traditionelle Behandlungsmethoden möglich gewesen wären.

Gesundheits-Magistratin rückt ins Zentrum des Falls (SonntagsBlick)

Carrels „100 bis 200 Patienten“ passen zu Paul Vogts 150 Verstorbenen, die nicht hätten ihr Leben verlieren müssen.

Die Aussage hatte Vogt im April in einem Strafprozess gegen ihn wegen Urkundenfälschung gemacht, von der ihn das Bezirksgericht Zürich vollständig freisprach.

Laut Vogt, der im Juli 2020 das Steuer in der USZ-Herzchirurgie übernommen hatte, war es in der Zeit seines Vorgängers zu „unethischem und kriminellem Verhalten“ gekommen.

Die Staatsanwaltschaft will jetzt aber trotzdem gegen Vogt vorgehen; sie hat Berufung gegen den Freispruch des Bezirksgerichts eingelegt.

Umgekehrt hat die Ermittlungsbehörde bisher kein Verfahren wegen des von Vogt behaupteten „kriminellen“ Tuns eröffnet.

Es bestehe „kein hinreichender Anfangsverdacht auf eine Straftat, der die Eröffnung einer Strafuntersuchung rechtfertigen würde“, so ein Sprecher gegenüber dem SonntagsBlick vor Wochenfrist.

Damals hatte die Zeitung eine Strafanzeige des „Whistleblowers angekündigt. Es handelt sich um einen ehemaligen Leitenden Herzchirurgen des USZ, dem gekündigt wurde.

Dies, nachdem er kurz zuvor die Missstände unter Vogt-Vorgänger Maisano der Leitung des Spitals sowie Gesundheitsdirektorin Rickli offengelegt hatte.

Ricklis Sprecherin meinte vor Wochenfrist gegenüber dem SonntagsBlick, die „Verantwortlichen“ wären nach unzähligen Untersuchungen „zum Schluss gekommen, das Patientenwohl sei nicht gefährdet und es bedürfe keine Sofortmassnahme“.

Die (indirekt wiedergegebene) Aussage steht diametral zu den 150 „nicht nötigen“ Verstorbenen (Paul Vogt) und den „100 bis 200“ Patienten, die laut Carrel „höchstwahrscheinlich nicht verstorben wären“.

Der Whistleblower hat am Freitag in einer Medienmitteilung die Einreichung seiner Strafanzeige offiziell bekannt gemacht.

Diese umfasst 12 Seiten, hinzu kommen 19 Seiten Anhänge, darunter Emails und Schreiben an die Gesundheitsdirektion, das USZ und die Anwälte von Walder Wyss, die im Auftrag des USZ die Maisano-Jahre untersuchten.

In seinem Communiqué vor zwei Tagen erwähnte der Whistleblower auch die Tatsache, dass das USZ inzwischen Patienten respektive deren Angehörige entschädigt habe.

Tatsächlich hat die Zurich-Versicherung mehrere am USZ in der Herzchirurgie zwischen 2016 und 2020 behandelte Patienten oder deren Angehörige eine Summe überwiesen.

Die Rede ist von mindestens fünfstelligen Beträgen – pro Fall.

Um das Geld zu erhalten, müssen die Entschädigten eine absolute Stillhalteklausel unterzeichnen. Sie dürfen somit kein Wort mehr zu ihrem Fall sagen.

Die Schadenszahlungen werfen ein neues Licht auf die öffentlichen Aussagen der Spital-Chefs und der Gesundheitsdirektion. Warum braucht es solche, wenn doch nach deren Ansicht „das Patientenwohl nicht gefährdet“ gewesen sei?

Und weshalb ist Schweigen zwingend?

Wenn keine Patienten gefährdet wurden, dann hätten die Verantwortlichen nichts von möglichen Aussagen der Betroffenen zu befürchten.

So aber erweckt es den Anschein, dass die Zuständigen versuchen würden, sich gegen Geld Ruhe zu verschaffen – öffentliche Gelder, notabene.

*Dieser Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz». Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Skandal um Skandal um Skandal

Die Zürcher Staatsanwaltschaft will sich demontieren.

Der Skandal um die Herzchirurgie am Unispital Zürich weitet sich nochmals aus.

Zum Thema «Todesfalle Unispital» hat ZACKBUM bereits umfangreich berichtet. Oder die Berichterstattung von Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz» übernommen.

Durch eine umfangreiche Recherche hat gerade die deutsche «Welt am Sonntag» den versammelten Schweizer Pseudo-Investigativjournalisten – und der Öffentlichkeit – gezeigt, was hier alles wahrhaft kriminell ablief.

Es ist eine Kette von Versagen über alle Kontrollinstanzen hinweg bis hinauf zur obersten Verantwortlichen, der Regierungsrätin Natalie Rickli. Auch sie zeichnet die ungeheuerliche Arroganz aus, mit der bislang alle Verantwortlichen versuchten, den Skandal auszusitzen, zu vertuschen, kleinzureden, wegzudrücken. Nach dem erschütternden Artikel in der WamS ging Rickli nicht etwa in sich, sondern verlangte nassforsch eine «Richtigstellung», die natürlich abgelehnt wurde.

Die einzige Lichtfigur in diesem völligen Desaster ist der Herzchirurg Paul Vogt, der sich breitschlagen liess, an der Herzklinik aufzuräumen. Das brachte ihm von den intriganten Überlebenden der Maisano-Clique eine Strafanzeige ein.

Den Prozess mit seinem dröhnenden Freispruch benützte Vogt dazu, nochmals auf die über 150 ungeklärten Todesfälle hinzuweisen, die in der Ära seines Vorgängers stattgefunden hatten.

Alleine diese (im übrigen wohldokumentierte) Anschuldigung hätte schon längst die Zürcher Staatsanwaltschaft auf den Plan rufen müssen. Denn nicht nur ein einzelner, gar 150 ungeklärte Todesfälle sind ein potenzielles Verbrechen, dem mit aller Energie nachgegangen werden muss. Müsste.

Nun ist die Staatsanwaltschaft endlich tatsächlich tätig geworden. Denn ihr reicht die dröhnende Ohrfeige nicht, die ihr von der Bezirksrichterin verabreicht wurde, die Vogt über jeden Zweifel erhaben freisprach.

Gegen diese Urteil hat die Staatsanwaltschaft tatsächlich Rekurs eingelegt und zieht es ans Obergericht Zürich weiter.

Das ist in diesem wilden Reigen von Skandalen ein weiterer, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt. Damit verbrät die Staatsanwaltschaft ungeniert und sinnlos Steuergelder und belästigt das Obergericht mit einem Fall, der bereits vollständig aufgeklärt ist und wo es nicht das Fitzelchen eines Restverdachts gibt, dass eine angebliche Urkundenfälschung stattgefunden haben könnte.

Wo sie nicht tätig werden sollte, wird sie es – wohl aus gekränkter Eitelkeit. Wo sie aber zweifellos und unbedingt tätig werden müsste, wird sie es nicht.

Hier gibt es eine von intriganten und anonym bleibenden Spitalangestellten mutwillig eingereichte Strafanzeige. Die zu einer Strafuntersuchung führte, zu einer Anklage – und einem erstklassigen Freispruch. Dagegen rekuriert die Staatsanwaltschaft.

Dort gibt es seit Jahren unaufgeklärte Todesfälle in der erschreckenden Höhe von 150 Menschenleben. Dort gibt es möglicherweise strafbare Verletzungen von Aufsichtspflichten. Dort gibt es das Versagen aller Beteiligten, die schon zuvor von einem Whistleblower und dann von Prof. Vogt in aller Deutlichkeit über diese Ungeheuerlichkeit informiert wurden – und ausser einer Pseudountersuchung nichts, schlichtweg nichts taten. Ausser alles, um den Skandal unter dem Deckel zu halten.

Welchem dieser beiden Verdachtsfälle auf strafbare Handlungen sollte eine verantwortungsbewusste Staatsanwaltschaft nachgehen?

Das sollte keine Frage sein, aber ihre Beantwortung durch die Zürcher Staatsanwaltschaft ist skandalös. Ungeheuerlich. Verstörend.

Kriminell

Welche Versagen aller Orten beim Skandal um die Uniherzklinik.

Am 30. Juni liess die «Welt am Sonntag» eine Bombe platzen. Unter dem Titel «Ein Gewinn fürs Herz» rollte sie nochmals den Skandal an der Herzklinik des Unispitals Zürich auf. Auf 35’000 A seziert das deutsche Blatt die unglaublichen Zustände in Zürich.

Es ist eine Anhäufung von Skandalen, wie sie die Schweiz bislang nicht gekannt hat. Im Zentrum des Skandals steht der Mediziner Francesco Maisano. Obwohl nicht mal im Besitz eines Doktortitels, wurde er zum Professor und zum Leiter der Zürcher Herzklinik am Unispital gemacht. Dort wandte er seine angeblich revolutionäre Erfindung, das sogenannte Cardioband, an.

Dabei spielte er mit dem Leben seiner Patienten, aus reiner Geldgier offensichtlich. Denn diese fatale Erfindung verkaufte er gewinnbringend an einen US-Multi. Der dann aber die zweite Tranche der vereinbarten Zahlung von insgesamt 690 Millionen Dollar nicht überwies: es hatte sich längst herausgestellt, dass diese Erfindung Pfusch war.

Dennoch konnte Maisano jahrelang unbehelligt wüten, geschützt von der Spitalleitung, während die politisch Oberverantwortliche von nichts wusste, nichts hörte, nichts sah. 150 ungeklärte Todesfälle müssten aufgearbeitet werden, eine ungeheuerliche Zahl.

Der zweite Skandal besteht darin, dass es einen Whistleblower gab, der die Führung des Unispitals «vertraulich, schriftlich und detailliert» über die kriminellen Machenschaften an der Klinik in Kenntnis setzte. Auf 43 Seiten «beschreibt Plass exemplarisch und in medizinisch-analytischer Präzision das Schicksal von Opfern Maisanos, von schwer Geschädigten, von Toten». Einzige Konsequenz: er wurde entlassen. Der Whistleblower, wohlgemerkt.

Cliquenwirtschaft, turmhohe Mortalität, der Chefarzt operiert ins Elend, es werden erfundene Posten verrechnet: «Ein Ermittlungsbericht hält fest, es seien „interdisziplinäre Arztgespräche im Wert von 2,5 Millionen Franken abgerechnet worden, die nie stattgefunden hatten“», schreibt die WamS.

Und dann zitiert sie aus einem bislang nicht veröffentlichten Bericht einer Arbeitsgruppe, die aus 24 Professoren und leitenden Ärzten besteht. Es ist ein Dokument des Grauens. Unter Maisano war die Sterberate massiv gestiegen, «zehn bis fünfzehn mal höher als in vergleichbaren Kliniken in der Schweiz oder in Deutschland».

Und: «Besonders schockierend die Bilanz der Herztransplantationen mit tödlichem Ausgang: von zwölf Prozent 2016 sei sie unter Maisano auf 50 Prozent im ersten Halbjahr 2020 gestiegen

Von einem ganz anderen Kaliber ist der Herzchirurg Paul Vogt, der sich 2020 breitschlagen liess, das Schlamassel aufzuräumen, das Maisano hinterlassen hatte. Gegen den erbitterten Widerstand der Reste seiner Seilschaft und gegen die Unileitung.

Vogt liess sich nicht einschüchtern, auch ihm wurde eine Intrige angehängt, sogar eine Strafanzeige. Sein Freispruch vor dem Bezirksgericht war nicht erster Klasse, er war ein vernichtendes Urteil gegen alle Vorgesetzten und Verantwortlichen. So sagte die Richterin: «„Herr Vogt, Sie haben unter sehr schwierigen Verhältnissen versucht, diese Herzklinik wieder dorthin zu führen, wo sie hingehört.“ Sie hoffe, der Freispruch wirke versöhnlich auf ihn.»

Vogt hatte schon bei seinem Stellenantritt Klartext gesprochen:

«Vogt trug den Klinikchefs vor, es bedrückten ihn all die „Toten und die schweren Komplikationen“. Und dass der Satz „Patienten sind keine zu Schaden gekommen“, mit dem die Leitung der Uniklinik zu Maisanos Zeiten versucht habe, die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, „auf keine erdenkliche Art und Weise haltbar ist“. Dieses Statement des USZ sei „schlicht gelogen“. Dann ließ Vogt seinen neuen Arbeitgebern eine Kampfansage zukommen: „Ich werde nicht schweigen zu den Toten.“ »

Das tat er dann erst an diesem Prozess vor wenigen Wochen; dort sprach Vogt in aller Offenheit von rund 150 ungeklärten Todesfällen. Nachdem die Klinikleitung tapfer alles ausgesessen hatte, will sie nun nochmals eine «Taskforce» einsetzen, die im Herbst mit der Arbeit beginnen soll. Ein Hohn, der nächste Skandal.

Denn hier geht es eindeutig um strafbare Handlungen schwerster Art, die Staatsanwaltschaft hätte schon längst tätig werden müssen. Die oberste Verantwortliche für diesen Skandal, die Zürcher Regierungsrätin und Vorsteherin der Gesundheitsdirektion, Natalie Rickli, muss zurücktreten.

Es gibt noch einen letzten Skandal. Obwohl der «Tages-Anzeiger» ein wenig und vor allem der Finanzblog «Inside Paradeplatz» immer wieder über diesen Skandal berichtet hat, muss eine deutsche Zeitung vorführen, was eine sorgfältige Recherche ist, eine deutsche Zeitung gräbt diesen bislang unter Verschluss gehaltenen Bericht aus, der nochmals bestätigt, dass am Unispital unhaltbare Zustände herrschten.

Was hier auf Kosten von Patienten getrieben wurde, ist kriminell. Das Versagen aller Aufsichtsbehörden, die Maisano sogar noch mit Lobliedern verabschiedeten, ist abstossend. Die Verantwortung der zuständigen Politikerin ist evident.

Ob etwas passieren wird? Bei dem hier immer noch existierenden Zürcher Filz, bei der quallenartigen Geschmeidigkeit der Führungspersonen, bei der ärztlichen Kumpanei, ja nichts Böses über einen Kollegen zu sagen, ist das zu bezweifeln.

Die Reaktion Ricklis, sie verlangte von der WamS «Richtigstellungen», die sie nicht bekam, lässt Übles ahnen.

In all diesem Elend ist besonders beelendend, dass keines der Leitmedien der Schweiz richtig recherchierte, dass all die Angeber in den Recherchedesks und all die «investigativen» Journalisten – auch und gerade bei SRF – sich von deutschen Journalisten vorführen lassen, während sie selbst wohl bedauern, dass seit den «Pandora Papers» keine Hehlerware mehr ausgeschlachtet werden kann.

Hier wäre die sogenannte vierte Gewalt wirklich mal gefordert gewesen. Sie hat genauso kläglich versagt wie die Spitalleitung bis hinauf zu Regierungsrätin Rickli.

Gibt es in Zürich denn auch in der Staatsanwaltschaft niemanden mehr, der angesichts dieser hochkriminellen Machenschaften Handlungsbedarf sieht? Sind inzwischen 150 ungeklärte Todesfälle höchstens ein Antragsdelikt? Ein Kavaliersdelikt?

Das wollen wir nicht hoffen …

 

Todes-Falle Unispital: Anatomie eines Skandals

Paukenschlag von Herzchirurg Paul Vogt im Gerichtssaal, mit 150 Toten und „kriminellen“ Taten: Affäre Maisano muss neu beurteilt werden.

Von Lukas Hässig*

Der Skandal um Francesco Maisano, den Herzchirugie-Chef am Zürcher Unispital (USZ) mit Pfusch-Implantaten und 340-Millionen-Reibach, wird zum Krimi mit Netflix-Potential.

Auslöser ist Maisano-Nachfolger Paul Vogt. Der fuhr heute (Freitag) im Gerichtssaal schweres Geschütz gegen das USZ und seine Exponenten auf.

150 Patienten seien von 2016 bis 2020 unter fragwürdigen Umständen ums Leben gekommen.

n jener Herzchirurgie, wo unerprobte Herz-Produkte an Kranken ausprobiert worden seien und ein „unethisches und kriminelles Verhalten“ geherrscht habe.

Vogts Vorwürfe haben Gewicht. Der langjährige Hirslanden- und USZ-Chefarzt geniesst hohes Renommee, sein Wort zählt.

Er machte klar: Patienten seien in der Herzchirurgie zu Schaden gekommen, alles andere sei „schlicht gelogen“.

Für die Abrechnung mit den USZ-Chefs wählte Vogt einen Saal des Zürcher Bezirksgerichts, wo er alles sagen durfte, weil er selber als Beschuldigter vor den Schranken der Strafjustiz stand.

Vogt nutzte das Recht des Angeklagten – zu seinen Gunsten. Die Richterin liess den Mediziner frei reden. Am Ende sprach sie ihn auf ganzer Linie frei.

Es sei dem Herz-Arzt Unrecht zugefügt worden, eine „politische Intrige“ seiner Gegner könne nicht ausgeschlossen werden.

Der Fall um Maisano und all jene, die den Italiener mit seinen Geschäftsinteressen und Interessenkonflikten bis heute schützen, erhält eine dramatische Wendung.

Allen voran für die oberste Zürcher Gesundheitspolitikerin Natalie Rickli. Die SVP-Vorzeigefrau mit Bundesratsambitionen kennt das ausufernde Dossier in- und auswendig, seit es 2020 auf ihrem Tisch landete.

Gemacht hat sie … nichts. Hätte es dafür noch einen Beweis gebraucht, so lieferte sie ihn heute, an diesem fürs USZ und für Zürich historischen Tag, gleich selbst.

Ihr Sprecher meinte nämlich auf die Frage, was die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich als USZ-Oberaufseherin nach Vogts im Tages-Anzeiger prominent gebrachten Vorwürfen unternehme:

„Wenn Sie den Artikel genau lesen, dann stellen Sie fest, dass es sich um alte Geschichten handelt, die der Tages-Anzeiger immer wieder aufwärmt und die allesamt erledigt sind.“

Schnee von gestern – so Ricklis Mann für die Kommunikation. Der fuhr fort: „Falls Sie den Eindruck haben, dass es etwas Neues gibt, fragen Sie bitte beim USZ nach.“

Das tat schon die NZZ, sie brachte die Position des USZ. Man habe alles untersucht und dabei „keine Gefährdung von Patienten“ gefunden, zitierte sie eine Sprecherin des Spitals.

Allein diese Aussage ist Zündstoff pur.

Für die eigene Untersuchung ab Anfang 2020 hatte die USZ-Leitung die Zürcher Kanzlei Walder Wyss mandatiert.

Maisanos Behauptung, es habe „keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung“ bestanden, sei „zu relativieren“, schrieben die Anwälte im Ergänzungsbericht i.S. Projekt Neptun“.

Weiter steht im Dokument, das mit „STRENG VERTRAULICH“ gekennzeichnet ist und vom 23. September 2020 datiert:

Die „fehlende Erwähnung des nicht (mehr) verankerten Teils des Cardiobands“ habe „eine erhöhte Gefährdung (z.B. mit Blick auf einen etwaigen Folgeeingriff bewirken“ können.

Weiss die USZ-Leitung nicht mehr, was in ihren selbst bestellten Berichten steht?

Oder versucht sie auch jetzt noch, nach dem heutigen Paukenschlag durch Spitzen-Herzarzt Vogt, die Causa Maisano schönzureden?

Sicher ist: Das USZ war in der Zeit von Maisano zur Todes-Falle geworden – mit 150 verstorbenen Patienten, deren Ableben Fragen aufwarf.

Wie konnte das passieren? Wer trägt dafür die Verantwortung? Und was wurde bis heute unternommen, damit das USZ wieder sicher wird?

Ins Haus gelassen und bis zuletzt die schützende Hand über Maisano gehalten hatte Gregor Zünd.

Der CEO des Unispitals war stolz auf seinen aus Italien eingewechselten „Star“. Der brachte im Rucksack neuartige Implantate für die Reparatur am Herzen mit, sogenannte Cardiobänder.

Was kaum einer wusste: Sie stammten aus Maisanos eigener Unternehmung, der Valtech. Die wollten Maisano und seine Partner rasch verkaufen.

Dafür brauchten sie Patienten, denen sie ihr Cardioband einpflanzen konnten. Sie fanden sie, indem sie ihnen die neue Methode als gute Sache ans Herz legten.

In der Folge kam es zu Tragödien, Maisano und Co. hingegen wurden reich.

Ihr „Exit“ mit Verkauf an den US-Multi Edwards spülte als 1. Tranche enorme 340 Millionen Dollar in die eigene Kasse.

Gregor Zünd hatte für den Reibach kräftig die Werbetrommel gerührt.

Eine Weltneuheit, posaunten seine Marketing-Leute nach dem Premiere-Eingriff hinaus. Dass das Promovideo manipuliert war und die das Cardioband haltenden Schrauben bald schon aus dem Gewebe flogen:

Dazu gabs dann keinen Ton.

Im 2020, als ein Whistleblower Zünd über diesen und weitere Vorgänge unter Maisano und seine Gefährten ins Bild setzte und die Walder Wyss-Anwälte sie nicht aus der Welt schaffen konnten, kams zur Trennung.

Von beiden, also Maisano und dem Whistleblower.

Der Herz-Chef wurde aber nicht etwa mit Schimpf und sogar Klagen in die Wüste geschickt, sondern er durfte unter Abgesang von Lobeshymnen von dannen ziehen.

Der Whistleblower jedoch wurde mit dem Recht drangsaliert.

Die Affäre hatte da bereits zu hohe Wellen geschlagen, als dass man sie einfach hätte aussitzen können. Köpfe mussten rollen.

Einer tat es: jener von Spitalrats-Präsident Martin Waser.

Der ehemalige Zürcher Stadtrat, der sich einst von einem später verurteilten Chefbeamten einen Transporter des Abfuhrwesens der Stadt zum Sondertarif aushändigen liess, räumte seinen Sessel.

CEO Zünd blieb – mit dem Segen seiner höchsten Chefin, Natalie Rickli. Um die Wogen zu glätten, brauchte es nun noch das Plazet der Legislative.

Eine Subkommission USZ kam zum Einsatz, geführt von Arianne Moser, einer Freisinnigen, die später mit einer Raiffeisen-Karriere zu reden gab.

Dass der Fall derart explodiert sei, führten Moser und ihre Kommissions-Gspänli auf ein Zerwürfnis zweier Alphas zurück: Klinikchef Maisano gegen Leitender Oberarzt und dann Whistleblower.

Nötig sei im Übrigen mehr Macht für den CEO des USZ. Für Zünd.

Ausgerechnet.

Der hatte zig Affären zu verantworten, von Bauaufträgen für einen vorbestraften Immobilien-Entwickler bis zu USZ-Millionenaufträgen für die deutsche Fresenius Medical.

Beim deutschen Multi sass Zünd im VR.

Flankenschutz bei der Reinwaschung von Maisano erhielt Mosers Subkommission vom Online-Edel-Magazin Republik.

Das Medium mit den vielen Köpfen und den raren, dafür langen Texten vertauschte die Rollen. Maisano der Gute, der Whistleblower der Schlechte.

Die Journalisten bezogen sich auf das Gericht, das der Whistleblower angerufen hatte, weil er seine Entlassung nicht akzeptieren wollte.

„Das Spital trennte sich von zwei Hauptexponenten des Konflikts, mit dem einen einvernehmlich, mit dem anderen im Streit“, so die Republik.

„Es durfte dies tun, so die Auffassung des Verwaltungsgerichts: weil es um das Wohlergehen der Patientinnen gegangen sei. Und weil gerade bei Herzoperationen kein Risiko eingegangen werden dürfe.“

Der Whistleblower, also der Warner vor möglichem Pfusch und Gier durch Maisano, habe das „Wohlergehen“ der Patienten mit seinem Verhalten ebenso gefährdet wie sein Vorgesetzter.

Die Version des Hahnenkampfs als Ursache des tödlichen Klimas in der Zürcher Herzchirurgie hatte sich ein für allemal durchgesetzt.

Heute steht diese Interpretation als das da, was sie war, seit sie von FDP-Moser, Republik, Zünd, Waser und implizit auch von Regierungsrätin Rickli in die Welt gesetzt worden war:

Als komplette Schimäre.

Die Zeche zahlte der Whistleblower mit seinem Ausscheiden aus dem Arztleben. Neu politisiert er für die SVP im Schwyzer Kantonsrat und führt Unternehmen im Medizinalbereich.

Verlierer ist auch das US-Unternehmen Edwards Lifesciences.

Ein Gerichtsurteil hat gezeigt, dass die Umsätze mit dem für Hunderte von Millionen gekauften Cardioband kaum messbar sind.

„In the past three years, Cardioband’s global annual net sales ranged from approximately $2.76 million to $4.93 million, falling significantly below the net sales target in the Merger Agreement of $650 million.“

Diese jährlichen Verkaufserlöse, aufgeführt im Richterspruch vom 12. Dezember 2023, lagen weit weg von dem, was Maisano und Co. den Käufern in Aussicht gestellt hatten:

Bei nicht einmal 1 Prozent des Versprochenen.

Die Edwards-Chefs verweigerten denn auch die 2. Tranche des vereinbarten Preises für die Valtech von 350 Millionen Dollar, was zum Streit mit den Verkäufern führte.

Am Ende gab das Delaware-Gericht Edwards Lifesciences recht.

Spätestens da war klar, dass die ganze Valtech mit ihrem Cardioband nicht viel mehr als Show war – und Opfern, die darob ihr Leben verloren.

Doch Maisano, der wie vom „Beobachter“ später enthüllt nicht einmal einen echten Doktortitel erworben hatte, blieb unbehelligt. Das Mailänder San Raffaele-Spital nahm ihn bei sich auf.

Prüft das Unispital jetzt, nachdem das Delaware-Gericht Maisanos Cardioband endgültig entzaubert hat, Strafanzeige gegen ihren Ex-Vorzeige-Chirurg?

„Wir haben die hinter dem genannten Urteil stehenden Sachverhalte analysiert und sehen von Seiten USZ keinen weiteren Handlungsbedarf“, meinte ein Sprecher des Spitals vor Monatsfrist.

Auch die anderen zentralen Figuren im Drama bleiben unbehelligt.

Maisanos Schirmherr Gregor Zünd dürfte zum eigenen Abschied im 2023 einen goldenen Fallschirm von einer halben Million erhalten haben; dies nach Verlusten ohne Ende.

Spitalrats-Präsident Martin Waser geniesst sein Rentnerleben mit üppiger Beamten-Pension; er dürfte noch knapp wissen, wie man USZ buchstabiert.

Am besten geht es Arianne Moser, Maisanos Weisswascherin.

Kaum sass sie nicht mehr im Kantonsrat, schon wählte sie der USZ-Verwaltungsrat unter Waser-Nachfolger André Zemp in den Verwaltungsrat der ZüriPharm.

Das ist die verselbständigte ehemalige Kantonsapotheke, die neu als Aktiengesellschaft dem Unispital angehängt ist.

„Ich bin seit vergangenem Mai nicht mehr Mitglied des Kantonsrates (bei den letzten Erneuerungswahlen nicht mehr angetreten) und habe entsprechend seit dem Frühjahr keinerlei politische Aufgaben in diesem Bereich“, so Moser.

„Daher ergibt sich kein Governance-Thema.“

Moser, die mit ihrem Mann eine Consultingfirma leitet und von Medikamenten so viel Ahnung hat wie eine Tantra-Masseurin von Neurochirurgie, kriegt von jener Organisation Prestige und Geld, der sie in grösster Not zu Hilfe geeilt war.

Zürich, diese Weltstadt der Eidgenossenschaft, wie es effektiv operiert.

Dieser Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz»; mit freundlicher Genehmigung des Autors.

«Republik» zusperren, Part I

Der Skandal um die Maisano-Reportage ist der letzte Zwick an der Geissel.

Als der Herzchirurg Paul Vogt vor ZACKBUM-Redaktor René Zeyer sass und in ruhigem Ton Ungeheuerliches über das Unispital Zürich erzählte – aber um Vertraulichkeit bat –, blieb selbst dem abgebrühten Journalisten die Spucke weg.

Vogt war gerade notfallmässig als Chef an die Herzchirurgie berufen worden und fand dort skandalöse Zustände vor. Rund 150 Patienten waren unter fragwürdigen Umständen ums Leben gekommen, sein Vorgänger Francesco Maisano – der aber nicht einmal einen richtigen Doktortitel besitzt – habe an Patienten eine eigene Erfindung, ein Cardioband ausprobiert. Das funktionierte nicht, aber er brauchte Erfolgsmeldungen, um den Hersteller, an dem er beteiligt war, profitabel an ein US-Unternehmen zu verkaufen.

Das gelang und sollte 340 Millionen Franken in die Taschen spülen. Intern beklagte Vogt «kriminelle Taten» und drohte damit, an die Öffentlichkeit zu gehen. Maisano wurde entsorgt – offiziell mit Dank verabschiedet –, und der wohl grösste Skandal des an Skandalen nicht armen Unispitals nahm seinen Lauf.

Denn Maisano hatte Seilschaften und Unterstützer höheren Orts, die mit ihm einig waren, dass man diesen Skandal unbedingt unter dem Deckel halten sollte. Es begann ein Intrigen- und Drecksspiel; der Whistleblower, der die unglaublichen Zustände der Spielleitung gemeldet hatte, wurde gefeuert, gegen ihn und Vogt wurden falsche Anschuldigungen erhoben und in die Medien gestreut.

Auch die «Weltwoche» spielte dabei eine klägliche Rolle, aber am schlimmsten war die «Republik». Das Organ der arroganten, bösartigen Gutmenschen liess sich wie journalistische Kindergärtner einseifen und veröffentlichte unter voller Namensnennung einen Schmierenartikel gegen den Whistleblower, der für immer in den Schrein widerlicher journalistischer Fehlleistungen gehört.

«Zürcher Herzkrise»: Der Whistleblower war ein «massgeblicher Akteur des Konflikts»», so dröhnte das Organ der Besserwisser unter voller Namensnennung:

Das war aber nur ein «Update», zuvor hatte das Schmierenblatt eine ganze Trilogie auf die «Zürcher Herzkrise» gegossen; insgesamt über 134’000 A Halbgares und Halbwahres und Angefüttertes. Dafür wurde die «Republik» dann unter anderem vom Presserat gerügt und musste knirschend eine Gegendarstellung des «Tages-Anzeigers» abdrucken – eine der Keimzellen einer späteren Racheserie gegen Tamedia.

«Die Medien spielen dabei eine unrühmliche Rolle», behaupten die drei «Rechercheure» Philipp Albrecht, Dennis Bühler und Brigitte Hürlimann, meinen damit aber natürlich nicht sich selbst. Statt zu recherchieren, liessen sie sich von «besorgten USZ-Angestellten» aufs Glatteis führen und übernahmen deren anonyme Anschuldigungen gegen den Whistleblower. Dass der am Schluss von allen Vorwürfen freigesprochen wurde, was soll’s, damit lässt sich doch die «Republik» keine schöne Skandalstory kaputtmachen. Schliesslich zitieren sie eine ganze Latte von Vorwürfen genüsslich, um dem Whistleblower dann Gelegenheit zu geben, sie «als haltlos, absolut falsch, fakten­widrig und durch nichts belegt» zu bezeichnen. Das ist doch objektiver Journalismus.

In diesem Schwarzweissjournalismus muss es einen Guten geben, das ist der «Klinikdirektor Maisano»; ihm gegenüber habe sich das Unispital als «illoyale Arbeit­geberin» erwiesen. Das Gegenteil ist knapp richtig; die Spitalleitung tat alles, um möglichst den Deckel auf dem Skandal zu halten.

Der wirkliche Held in dieser Geschichte war und ist ein anderer. Man sollte zu Vogt vielleicht noch wissen, dass er als Gründer der Eurasia Heart Foundation seit vielen Jahren ehrenamtlich in Osteuropa, Asien und Afrika Herzoperationen durchführt. Dass er zu den kompetentesten und unerschrockenen Kritikern der  Pandemie-Bekämpfung in Europa gehört. Durch politisch-ideologisch begründetes Ignorieren medizinischer Fakten sei Europa zum weltweiten Pandemie-Zentrum geworden, kritisierte er schon 2020.

Nun hat der renommierte Herzchirurg Vogt den Prozess gegen sich selbst (Auswirkung einer weiteren haltlosen Anschuldigung in diesem Intrigensumpf zum Schutz Maisanos und seiner Vorgesetzten) benützt, um öffentlich schonungslos mit den damaligen Zuständen abzurechnen. Der Prozess endete letzten Freitag, wie der gegen den Whistleblower, mit Freispruch auf ganzer Linie. Mehr noch; die Richterin sagte in aller Klarheit, dass Vogt Unrecht zugefügt worden sei, « eine «politische Intrige» seiner Gegner könne nicht ausgeschlossen werden.

Das ist vornehmes Juristendeutsch für: die Staatsanwaltschaft musste zwar von Amts wegen eine Untersuchung aufnehmen, aber das Ganze stinkt zum Himmel und sollte einzig den tadellosen Ruf von Vogt beschmutzen.

Auf den mit Nachbeben über 150’000 A in der «Republik» steht kein Wort über die eigentlichen Hintergründe dieses Skandals, auch bis heute kein Wort zu diesem Urteil oder der Rede Vogts. Irrer berichtete nur Konservendosen-«Blick». Der vermeldete zwar den Freispruch für einen «Ex-Herzchirurgen», auf den eigentlichen Skandal und die Rede Vogts ging das Dünnblatt aber mit keinem Wort ein. Vielleicht ein neues Tätigkeitsgebiet für «Republik»-Journis.

Der Skandal reicht hinauf bis zur Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli. Involviert sind der mit goldenem Fallschirm abgesprungene  CEO des Unispitals Gregor Zünd, dazu der damalige Spitalratspräsident Martin Waser*, plus Marianne Moser. Der typisch Zürcher Filz halt. Zünd lag schon im September 2020 ein streng vertraulicher Untersuchungsbericht der Kanzlei Walder Wyss vor (das die Recherchiergenies der «Republik» nicht auftreiben konnten oder wollten).

Dort steht eine nur leicht verklausulierte Bombe: «… unvollständige Dokumentation des Operationsergebnisses» könne «... eine erhöhte Gefährdung (z.B. mit Blick auf einen etwaigen Folgeeingriff) bewirken».

Denn das wahre Problem, dass den Flaschen der «Republik» völlig entgangen war, bestand darin: dieses Cardioband funktionierte nicht richtig, es löst sich gelegentlich in seine Bestandteile auf, es gefährdete sogar Patienten. Aber das hätte die Verkaufsverhandlungen gefährdet, also mussten stattdessen Triumphmeldungen her.

So gelang es, die Herstellerfirma mit Maisanos Beteiligung für sagenhafte 350 Millionen Dollar an den US-Multi Edwards zu verkaufen. Die Verkäufer fantasierten von Jahresumsätzen von über 650 Millionen Dollar. Aber in Wirklichkeit, wie Gerichtsakten erweisen, lag der Umsatz bei höchstens knapp 5 Millionen, worauf sich Edwards weigerte, die zweite Zahlungstranche auszulösen. Das Gericht gab dem Multi recht, das Herzband ist ein Flop.

Vogt beklagt unwidersprochen, dass es vor seinem notfallmässigen Eingreifen am Unispital zu «kriminellen Handlungen» kam und 150 Patienten unter dubiosen Umständen verstarben. So schreibt «Inside Paradeplatz»: «Er machte klar: Patienten seien in der Herzchirurgie zu Schaden gekommen, alles andere sei „schlicht gelogen“.» Dass die Übersterblichkeit signifikant höher als in vergleichbaren Spitälern lag, ist unbestritten.

Aber ansonsten wollen alle Beteiligten am liebsten nur eins: Schwamm drüber, Ruhe, vorbei. Was sagt das Unispital zu «Inside Paradeplatz», der damals, gefolgt vom Tagi, den Skandal publik machte? «Wir haben die hinter dem genannten Urteil stehenden Sachverhalte analysiert und sehen von Seiten USZ keinen weiteren Handlungsbedarf.»

Was sagt der Sprecher von Rickli zum «Tages-Anzeiger»? «Wenn Sie den Artikel genau lesen, dann stellen Sie fest, dass es sich um alte Geschichten handelt, die der Tages-Anzeiger immer wieder aufwärmt und die allesamt erledigt sind.»

Aufgewärmte, alte Geschichten, dass an einem Zürcher Spital 150 Patienten unter dubiosen Umständen starben, dass an einigen von ihnen ein nicht erprobtes und fehlerhaft funktionierendes Cardioband ausprobiert wurde, dessen Schrauben rausflogen und das unzählige Notnachoperationen nötig machte?

Dass sich alle Verantwortlichen klammheimlich davonschleichen wollen und nicht mit dem Mut des Herzchirurgen Vogt rechnen, wohlan. Aber dass die «Republik» nicht einmal hier die Grösse hat, auf ihre damalige Fehlleistung hinzuweisen, das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht.

Wäre es der einzige «Republik»-Skandal, wäre er einfach peinlich. Aber er ist (nicht der letzte) Höhepunkt in einer ganzen Reihe von Skandalen, von angeblichen Primeurs, Aufdeckungsstorys, Anklagen, Behauptungsartikeln, die etwas von Anfang an gemein hatten: die kamen grosstönend und grossspurig daher, behaupteten Ungeheuerliches – sprangen als Löwen des kompetenten Recherchierjournalismus hoch – und landeten als räudige Bettvorleger.

ZACKBUM veröffentlicht im Folgeartikel einen unvollständigen Auszug aus dieser Liste der Schande.

Zusammen mit dem Maisano-Skandal der «Republik» reicht es nun zur Forderung: sperrt das Blatt endlich zu; finanziell pleite (also korrekter überschuldet und nur durch Forderungsverzicht vor dem Gang zum Konkursrichter bewahrt) ist es sowieso schon. Nun ist es auch noch moralisch-ethisch bankrott. Worauf also warten?

*Nach Leserhinweis korrigiert.