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Tagi: Rücksturz in die Realität

Nach dem Highlight der SoZ wieder zurück in die Niederungen des Tagi.

Selbst dem «Blick», der SI oder anderen Klatschblättern ist das Nicht-Ereignis keine Zeile wert. Aber das Blatt der Auslotung von Tiefenbohrungen ist ganz aus dem Häuschen. «Besuch aus der Boulevardwelt», schreibt Pascal Unternährer verschämt, im untauglichen Versuch, sich von seiner eigenen Schreibe zu distanzieren.

Begleitet wird die Sosse von superscharfen Fotos des ehemaligen Models:

Diese qualitativ hochstehende Aufnahme wurde aus dem Instagram-Account von Heidi Klum kopiert. Dann zeigt Unternährer, was knallharter Recherchierjournalismus ist: «Ins Fischer’s Fritz gelangten die Feiernden am Sonntag per Schiff vom Bauschänzli aus, wie Augenzeugen berichten.» Augenzeugen, au weia.

Und dann hat offensichtlich ein «Leserreporter» noch diesen Schnappschuss beigetragen:

Darauf weist dezent die Fotobyline hin: «PD», das steht für Pressedienst, bedeutet gar nichts, bzw. dass es gratis verwendet werden kann. Und was man hier sieht? Dass man nichts sieht, ist doch auch eine starke Bildaussage. Aber damit ist der Rechercheur noch nicht am Ende seiner Kunst: «Einen Schwumm im Zürichsee haben sich die Gäste auch gegönnt – offenbar spontan, denn die Badekleider und -hosen mussten sie sich im Lokal ausleihen

Aber es fehlt noch die Abrundung, daher wird nochmals die Berichterstattung über den «Superstar Zendaya» rezykliert. Die gönnte sich nämlich nicht nur eine Glace in Zürich, sondern «tanzte dort sogar Hip-Hop».  Wahnsinn: «Zendaya, die völlig ungeschminkt unterwegs war, sei entspannt, offen und völlig frei von Starallüren gewesen, sagte die Glaceverkäuferin.» Da sieht man mal, was man alles rauskriegt, wenn man richtig recherchiert. Und auch hier darf das Beweisfoto – natürlich PD – nicht fehlen:

Zendaya! Hält! Eine Glace! In der Hand! Wow.

Aber damit ist zwar der Leser, aber Unternährer noch nicht am Ende. Denn «auch Justin Bieber (Mitte) und seine Frau Hailey gönnten sich am See eine Glace.» Der Beweis (PD; was sonst):

Allerdings ist sich ZACKBUM nicht sicher, ob der Schattenriss in der Mitte (und nicht etwa der links) Bieber sein könnte. Da hätte der knallharte Rechercheur vielleicht noch mit der Lupe nacharbeiten müssen.

Ach ja, dann fanden noch Wahlen in den neuen Bundesländern oder einfacher «in Ostdeutschland» statt. Da ist natürlich digitales Storytelling gefragt. Das geht dann so:

Für diejenigen, die das überlesen haben sollten, kommt dann noch eine eigene Rubrik:

Nun hat der Deutschland-Korrespondent Dominique Eigenmann auch nur zwei Hände, also werden einzelne Artikel hier rezykliert.

Was ist sonst noch so berichtenswert, aus nah und fern? Zum Beispiel das hier:

Ein Restaurant von und für Veganer. Extremes Randgruppenpublikum, nur 5 Prozent der Schweizer bekennen sich zu dieser ungesunden Mangelernährung. Aber gibt es wenigstens einen Anlass für diese Schleichwerbung? Nicht wirklich, wie man dort esse, «knapp fünf Jahre nach der Eröffnung», fragt sich Claudia Schmid, die sonst eher Spezialistin für Nutella ist. Und für schweineteure Lokale. Denn wer meint, etwas Früchte und Gemüse wären billig, täuscht sich: «Vier Gänge kosten 109, fünf Gänge 120 (unsere Wahl) und sechs Gänge 134 Franken

Darauf einen Schluck «spritzigen Cava» für läppische 14 Franken.

Bei solchen Gewaltsleistungen ist es verständlich, dass im Ressort «Schweiz» Erschöpfung herrscht.

Vier Artikelanrisse am 2. September 2024, und es handelt sich wohlgemerkt um eine Tageszeitung. Theoretisch, denn der jüngste Artikel ist vom 31. August, die anderen sind vom 30. August.

Die Videos «Die Jagd nach der schnellsten Frau der Welt» und «Dein knusprigster Su Börek» sind zwar auch nicht mehr taufrisch (2. und 27. August), aber enthalten immerhin Bewegtbilder.

Wenden wir wieder die Bärtschiskala der Peinlichkeit an und vergeben für das Gesamtprodukt eine solide 10. Ach, eher 11. Milde gemessen.

Realitätsverlust beim Tagi

Verdrängung als journalistische Disziplin.

ZACKBUM-Leser erinnern sich. Vor einem Jahr brachte der Tagi eine Skandalgeschichte gross heraus. Unerträgliche Zustände im Jugend-Asylheim Lilienberg. Personalmangel, demotivierte Mitarbeiter, Alkohol- und suizidgefährdete Bewohner, schrecklich, furchtbar, ungeheuerlich.

Gestützt war der Bericht in bester «Republik»-Manier im Wesentlichen auf Aussagen anonymer Ex-Mitarbeiter. Anschliessend zog ein Jahr ins Land, und das Asylheim wurde von einer externen Kommission gründlich durchleuchtet. Frustrierendes Resultat für den Tagi: es wurden keinerlei «systemische», systematische oder gravierende Probleme festgestellt, daher wurden keinerlei prinzipielle Veränderungen oder personelle Konsequenzen gefordert.

Das kam dem Tagi schon sehr quer in den Hals; statt die Ergebnisse korrekt zu referieren, machte er nochmals auf angebliche Skandale aufmerksam, berichtete ellenlang über die Verbesserungsvorschläge und tat überhaupt so, als ob sein Bericht bestätigt worden sei.

Zunächst «vornweg» ein verkniffenes Eingeständnis: «Die Firma hat keine «schwerwiegenden Feststellungen gemacht, die auf systemische Mängel der Organisation hindeuten».» Um dann zur verblüffenden Schlussfolgerung zu gelangen: «Trotzdem bestätigt der Bericht im Wesentlichen die von den Mitarbeitenden erhobenen Vorwürfe.»

Irre Logik, aber so ist halt der moderne Qualitätsjournalismus. Der für den Zürich-Teil verantwortliche Schrumpf-Co-Chefredaktor Mario Stäuble hatte vor einem Jahr markig eine solche Untersuchung gefordert, um «menschenwürdige» Zustände wieder herzustellen. Seither schweigt er zum Thema und zum Schrumpf-Skandal. Hat aber einen weiteren Flachsinn zu verantworten:

Logisch, dass die Linke hier Nachklappern muss, auch die kümmert sich eher weniger um Fakten oder Untersuchungsergebnisse. Verständlich, dass der Tagi darüber berichtet. Ganz schräg wird aber dann diese neuerliche Behauptung:

«Wie diese Zeitung kürzlich berichtet hat, sind im Heim Streit und Gewalt an der Tagesordnung. Lärm, Alkohol, fehlende Regeln und beengende Platzverhältnisse machen den Teenagern zu schaffen. Einige seien suizidgefährdet, sagen Insider. So komme es immer wieder zu Notfallplatzierungen und Spitaleinweisungen.» Wie diese Zeitung noch kürzlicher berichten musste, sind das alles keine systemischen Probleme …

Dann berichtet der Tagi korrekt, dass das Sozialamt eine «Untersuchung durch unabhängige Experten angeordnet» habe. Der Betreiber, das AOZ, habe eingeräumt, es gelinge «nicht immer, das Optimum für unsere Mitarbeitenden und die Geflüchteten herauszuholen».

Was aber Autor Pascal Unternährer dem Leser verschweigt: diese Untersuchung ist beendet, die Resultate wurden publiziert, die massiven Vorwürfe entkräftet.

Das ist nun schon höhere Kunst der Leserverarschung. Weil die Ergebnisse nicht in den Kram passen, werden sie einfach unterschlagen und so getan, als seinen alle Vorwürfe bestätigt und nun sogar Anlass für politische Vorstösse.

Mal ehrlich, liebe Tagi-Redaktion: glaubt Ihr wirklich, jemand nehme Euch so noch ernst?

Abgerundet wird dieses traurige Bild durch einen Kommentar der sonst noch nicht gross in Erscheinung getretenen Kerstin Hasse:

Lila Populismus? Populismus ist ganz schlecht. Wenn er rechts ist. Er ist aber gut, wenn er weiblich ist. Die neue Chefredaktorin reiste mit leichtem Gepäck von der «Annabelle» zu Tamedia, ist ansonsten eher den angenehmen Seiten des Lebens zugetan:

So im Goldspiegel des Luxushotels «Trois Rois» in Basel kann man sicherlich sehr gut Populismus fordern und die Benachteiligung der Frau bedauern.