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Xplain hat einiges zu erklären

Behörde, Datensicherheit, Widerspruch.

Zögerlich sind Bundesbehörden und Medien aufgewacht. Bei der privaten Sicherheitsfirma Xplain sind mehrere Millionen sensible Daten abhanden gekommen und waren zeitweise im Darknet einsehbar.

Mehr als 30 Schweizer Amtsstuben sind Kunden der IT-Firma aus Interlaken. Vertraulich sind dabei in erster Linie die Geschäftsbeziehungen. Wie wird eine solche Firma ausgewählt, wie wird ihr Sicherheitsstandard überprüft. Oder einfach gefragt: wie kann es offenbar russischen kriminellen Hackern gelingen, dermassen viele Daten abzusaugen und nach einem misslungenen Erpressungsversuch zu veröffentlichen?

Gleich sieben Kräfte wirft Tamedia in die Informationsschlacht. Die bringen so wertvolle Erkenntnisse an die Oberfläche wie die, dass die IT-Bude ihre Räumlichkeiten oberhalb einer Kebab- und einer India-Bude hat. Scharf recherchierte Erkenntnis: «Es duftet nach Tandoori Chicken und Döner mit scharf.»

Das war sicherlich insofern eine gute Nachricht, weil die dortige Einkehr im Rahmen des Spesenreglements von Tamedia gelegen haben dürfte. Aber obwohl es den Informationsbeschaffern sogar gelungen ist, mit dem  Gründer und CEO von Xplain zu sprechen, ergibt sich daraus nur: «Darüber kann Löwinger derzeit nicht sprechen.»

Worüber aber zu sprechen wäre, listet «20 Minuten» auf. Der neuste Datenskandal ist ein weiterer in einer langen Liste. Den Anfang machte «Insieme» im Jahr 2012. Korruption vom Feinsten, freihändige Vergabe von Millionenaufträgen, ungetreue Amtsführung. 120 Millionen Franken später zog der Bundesrat die Notbremse und beendete das Projekt.

Der bundeseigene Rüstungsbetrieb Ruag wurde ein Jahr lang ausspioniert, bis die angebliche Expertin für Datensicherheit vom Nachrichtendienst des Bundes 2016 darauf aufmerksam gemacht wurde; selbst hatte sie nix bemerkt.

2022 poppte das Milliardenprojekt für die Cybersicherheit der Armee auf. Es soll zwischen 800 Millionen und 3 Milliarden kosten, oder so. Es soll auch irgendwann fertig werden, zu unbekannten Kosten.

Zur Bearbeitung der Welle von Asylgesuchen nach Ausbruch des Ukrainekriegs beschaffte sich der Bund schnell ein Registriertool für 2,8 Millionen Franken. Freihändig, also ohne Ausschreibung. Und jetzt Xplain.

Dazu kommt noch das Datenleck bei den Corona-Krediten und der Skandal um die angeblich sichere Verschlüsselungstechnologie der Crypto AG.

Und jetzt Xplain. Neben vielem anderen kann man die Adressen von Bundesräten oder Top-Kadern einsehen, heikle Daten von Interpol, SBB-Datensammlungen über Kunden, Fahndungslisten, und, und, und.

Anscheinend soll sich die Firma in Absprache mit dem Bund geweigert haben, ein gefordertes Lösegeld zu bezahlen. Das alles ist sozusagen normaler Bestandteil des aktuellen Kampfes um Datensicherheit. Dabei gilt grundsätzlich: was von A nach B transportiert wird, kann auch abgegriffen werden.

Sowohl die Verschlüsssler wie die Knacker rüsten unablässig auf, aber es bleibt die Tatsache bestehen, dass nicht einmal nur physisch gelagerte Daten vor Diebstahl sicher sind. Allerdings erhebt sich hier wieder einmal eine ganze Latte von Fragen.

In erster Linie: wieso die Unsitte von Behörden, Aufträge freihändig zu vergeben, obwohl es klare und eindeutige Vorschriften gibt, dass ab einer niedrigen Schwelle obligatorisch eine Ausschreibung zu erfolgen hat, niemals Konsequenzen hat. So bekam Xplain offenbar nach Gewohnheitsrecht mehr und mehr Aufträge in Millionenhöhe, ohne dass die Behörden in der Lage wären, deren Sicherheitsstandards zu überprüfen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sensible Daten offenbar auf Servern von Xplain gelagert wurden, möglicherweise sogar in der Cloud. Auch wenn sie dort verschlüsselt sind, ist das natürlich eine laut ausgesprochene Einladung an Hacker.

Hacken ist dabei ein Geschäft wie jedes andere. Es geht um Aufwand und Ertrag. Hacker haben null Interesse, sich an mit allen Schikanen und modernsten Mitteln verschlüsselten Daten die Zähne auszubeissen. Sie nehmen sich immer Kandidaten vor, bei denen Schwachstellen zu vermuten sind.

Etwas anderes sind übrigens Hacks, von denen nicht zuletzt Tamedia immer wieder profitiert. Hier geht es um das Stehlen von Geschäftsunterlagen, die dann als «Papers» oder «Leaks» ausgeschlachtet und als Hehlerware veröffentlicht werden. Wobei die Motive der Hacker, die diese Datenseen gratis zur Verfügung stellen, immer im Dunklen bleiben. Genau wie die Kriterien der profitierenden Medien, nach welchen sie einzelne Personen medial ans Kreuz nageln – und andere nicht.

Diese Veröffentlichungen hatten bei den Profiteuren der Hehlerware noch nie personelle oder andere Konsequenzen. Genau so wird es nun wohl auch bei den schlampigen Bundesbehörden gehen, obwohl Alfred Heer, Mitglied der Geschäftsprüfungskommission, bereits «lückenlose und rasche Aufklärung» sowie personelle Konsequenzen gefordert hat. Abgesehen davon, dass er dafür das falsche Parteibuch hat – SVP – wird es höchstens zu ein paar Frühpensionierungen kommen.

Ob allerdings Xplain diesen Schlag überlebt, ist mehr als zweifelhaft.

Wir basteln uns einen Skandal

Recherchieren war gestern. Anonyme Quelle ist heute.

Was im Grossen schlecht ist, wird im Kleinen nicht besser. In einer unseligen Reihe von angeblichen «Leaks» und «Papers» schlachteten internationale Konsortien von Journalisten gestohlene Geschäftsunterlagen aus, die ihnen von anonymen Quellen zugespielt worden waren.

Ohne sich einen Moment die Frage zu stellen, welche Motive dahinterstecken könnten, aufwendig geraubte Datenberge mit ungeheuerlichem Erpressungspotenzial einfach wegzuschenken, versuchten die Journalisten dann mit viel Aufwand, daraus gigantische Skandale zu basteln. Die regelmässig verröchelten, bis ein Mitglied des sogenannten «Investigativ Desk» von Tamedia frustriert über einem «Skandal, der keiner wurde» jammerte. Weil nach der x-ten Wiederholung das Publikum sich gähnend abwandte.

Hier sind die Quellen anonym und trübe, aber was aus ihnen heraustropfte, war tatsächlich echtes Material, echte Hehlerware mit echten Namen und dann auch echten Opfern. Im Kleinen ist es allerdings noch viel schlimmer.

In der Affäre um die Anschuldigungen von Anuschka Roshani ist wenigstens die Motivation der Anklägerin klar. Sie wollte selbst Chefredaktorin des «Magazin» werden, scheiterte mit ihrer Blindbewerbung und scheiterte im ersten Anlauf mit ihren internen Vorwürfen gegen ihren Chef. Darauf sorgte sie dafür, dass es eine zweite Untersuchung gab, die aber leider auch zum Schluss kam, dass fast alle ihrer Behauptungen nicht erhärtet werden konnten. Das hatte dann die unselige Konsequenz, dass zwar ihr Chef gefeuert wurde, sie aber auch.

Nach Ablauf ihrer Kündigungsfrist holte sie dann zum grossen Schlag aus und hatte das Glück, bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber «Der Spiegel» eine Trommel zur Verfügung gestellt zu kriegen, mit der sie einen wahren Paukenschlag landen konnte.

In ihrer vierseitigen Anklageschrift kolportiert sie Anschuldigungen, die ihr offenbar zugesteckt worden waren. Natürlich ohne ihre Quellen zu nennen. Eine ist inzwischen enttarnt.

Was in dem Monat seit dieser Veröffentlichung geschah, ist ein weiterer Niedergang zu einem neuen Tiefpunkt der medialen Berichterstattung. Der Angeschuldigte wurde öffentlich hingerichtet, die Unschuldsvermutung bis zur Lächerlichkeit missachtet. Die Anschuldigungen wurden ungeprüft und unrecherchiert kolportiert. Aber damit nicht genug.

In allen Konkurrenzmedien wurden angebliche «anonyme Quellen» zitiert, die die Anschuldigungen Roshanis bestätigen würden, sogar behaupteten, es sei alles noch viel schlimmer gewesen. Nun weiss jeder Journalist, dass einer Quelle, die darauf besteht, nicht namentlich genannt zu werden, mit äusserster Vorsicht zu begegnen ist. Was sind ihre Motive, will da jemand als Heckenschütze Rache nehmen, wie stichhaltig sind seine Behauptungen? Kann er sie belegen oder ist es bloss Hörensagen?

Der Untersuchungsbericht exerzierte eine solche Quellenkritik in einem Fall vor. Und kam zum Ergebnis, dass die Behauptungen von Mathias Ninck nicht glaubhaft waren, nicht zutrafen, mit den Fakten nicht übereinstimmten. Oder in einem Wort: frei erfunden waren.

Ein ehemaliger redaktioneller Mitarbeiter des «Magazin» setzte einen Tweet ab, in dem er behauptete: «Wer es auf der Redaktion miterlebte, kann immer noch schwer begreifen, dass Canonica danach noch sieben Jahre länger Chefredaktor bleiben konnte.» Immerhin stand er mit seinem Namen dazu. Aber auf die Frage von ZACKBUM, was genau er denn miterlebt habe, verfiel Dominik Gross dann in tiefes Schweigen.

Machen wir doch ein rein theoretisches Beispiel. ZACKBUM würde behaupten, dass Pietro Supino unbefugt in die Kasse von Tamedia gegriffen habe, um die Renovation seines Luxusanwesens in Zürich zu finanzieren. Das würden mehrere, voneinander unabhängige Quellen bestätigen, deren Namen leider nicht genannt werden könnten, die aber glaubwürdig und mit dem Vorgang vertraut seien.

Supino würde sofort seinen Anwalt in Marsch setzen, der ohne Federlesens die sofortige Löschung dieser Behauptung und eine Entschuldigung fordern würde. Sich zudem weitere Schritte wie Verurteilung samt Schadenersatz ausdrücklich vorbehielte. ZACKBUM wäre sehr gut beraten, allen diesen Forderungen sofort nachzugeben, zu Kreuze zu kriechen und darum zu betteln, keinen Krach vor Gericht anzufangen.

Ausser, wir würden tatsächlich über Versicherungen an Eides statt plus entsprechende Dokumente verfügen. Aber die blosse Behauptung, darüber zu verfügen, reicht eben nicht. Da nützt auch die Berufung auf Quellenschutz nichts, wie schon Philipp Gut schmerzlich erfahren musste.

Denn der Trick ist einfach. Der Journalist selbst stellt eine ehrenrührige und geschäftsschädigende Behauptung auf. Dafür muss er den Beweis antreten. Er kann nun aber nicht den Trick verwenden, als Quelle einen Informanten anzugeben, den er mit Berufung auf sein Recht auf Quellenschutz leider nicht identifizieren könne, der es ihm aber mit heiligen Eiden versichert habe.

Im Fall Roshani kann nun der Schweizer Journalismus seine neuerlich verlorene Ehre und seine Glaubwürdigkeit nur zurückgewinnen, wenn Auskünfte über diese allgemein verwendeten «anonymen Quellen» erteilt werden. Zuvorderst sind da «Spiegel» und «Die Zeit» gefordert. Auch ZACKBUM gegenüber behauptet beispielsweise «Die Zeit», dass ihr die Quellen der einschlägig vorbelasteten Mitarbeiterin Salome Müller bekannt seien. Hand aufs Herz: das kann doch wohl nicht stimmen, behauptet ZACKBUM, ohne dafür eine andere Quelle als den gesunden Menschenverstand zu haben.

Denn es ist absurd anzunehmen, dass ein Journalist selbst seinem Verlag gegenüber die Namen seiner Quellen preisgäbe. Daher können wir der «Zeit» nur raten, dementsprechend auf Müller einzuwirken. Um dann ein blaues Wunder zu erleben. Denn Müller war schon Rädelsführerin, als vor ziemlich genau zwei Jahren 78 erregte Tamedia-Mitarbeiterinnen ein Protestschreiben verfassten, in dem sie mit über 60 Beispielen belegen wollten, welche frauenverachtenden, demotivierenden und sexistischen Zustände in ihrem Verlag herrschten. Nur: bis heute wurde kein einziges dieser anonymisierten Beispiele verifiziert …

Quellenschutz: Dödäda?

Darf der das? Eine Frage, die sich Journalisten selten stellen.

Ein verjährter Fall als Beispiel. Im Rahmen der unseligen Papers- und Leaks-Serie wurde dem verstorbenen Playboy, Multimillionär und Unternehmer Gunter Sachs unterstellt, er habe sein Vermögen geschickt in einer komplexen Trust- und Holdingstruktur versteckt, um Steuern zu optimieren, sprich zu hinterziehen. In den «Offshore-Leaks», einer Sammlung gestohlener Geschäftsunterlagen, war dargestellt worden, dass Sachs verschiedene Trusts auf den Cook-Inseln unterhalten habe.

Das trompetete die SoZ am 7. April 2013 heraus. Ein Totalflop.

Juristisch geschickt war darum herum eine Story gebastelt worden und mit grossen Trara rausgepustet. Nicht nur in diesem Fall zeigte sich das mehr als zweifelhafte Vorgehen der Journalisten. Ohne grosse Sachkompetenz rissen sie Dinge aus dem Zusammenhang und gebärdeten sich als Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker in einer Person. Ohne natürlich die gestohlenen Daten zuvor mit den Strafverfolgungsbehörden geteilt zu haben.

Resultat: die Steuerverwaltung Bern (der Kanton war der letzte Steuersitz von Sachs) eröffnete eine Untersuchung – und kam zum Ergebnis: alles sauber, alles korrekt, kein Anlass für ein Verfahren. Der Nachlassverwalter von Sachs hatte sofort nach der Publikation dieser Verleumdung eines Toten Protest eingelegt. Er sah aber von rechtlichen Schritten ab, weil in der am Skandal beteiligten «SonntagsZeitung» nur insinuiert hatte, niemals direkt Steuerhinterziehung behauptet worden war.

So erging es Dutzenden von plötzlich an den öffentlichen Pranger gestellten Personen. Besonders übel auch das Beispiel eines schweizerisch-angolanischen Geschäftsmanns, der einen Staatsfonds verwaltete und dem widerliche Bereicherung und natürlich Steuerprobleme unterstellt wurden. Es seien in vielen Ländern der Welt aufgrund der Artikel in der SoZ Prozesse und Strafverfahren unterwegs, meldete das Blatt gross und stolz. Die Verwaltungsfirmen des Geschäftsmanns mussten Konkurs erklären, die Angestellten verloren ihren Job, er selbst verbrachte einige Zeit in einem Höllenknast in Angola, weil er vor Ort die Wogen glätten wollte.

Lobeshymne des Chefredaktors auf den Bastos-Totalflop.

Resultat, von der SoZ nur klitzeklein vermeldet: restlos alle, sämtliche Verfahren überall, auch in der Schweiz, wurden vom Geschäftsmann gewonnen oder eingestellt, mangels Tatverdacht. Hier wurden Existenzen grobfahrlässig vernichtet. Der verantwortliche Redaktor Christian Brönnimann meinte damals nur kühl, dass er ja nicht dafür verantwortlich sei, wenn staatliche Behörden Untersuchungen einleiteten.

Von damaligen Kritiken genervt, publizierte der rachsüchtige Brönnimann, unterstützt von seinem Chefredaktor Arthur Rutishauser, dann einen Schmierenartikel gegen den ZACKBUM-Redaktor René Zeyer, der nach Art des Hauses viel Behauptung und keine Tatsachen enthielt. Man foutierte sich auch darum, dass ich schon vor Publikation dieser Verleumdung alle Unterstellungen öffentlich widerlegt hatte. Nach der Devise: lass niemals die Wahrheit eine tolle Story kaputtmachen.

Angesichts der Untersuchungen eines Sonderermittlers wird zurzeit wieder viel gejammert und gelogen, was die Bedeutung der sogenannten Pressefreiheit betrifft. Die Ermittlungen seien Einschüchterungsversuche, man wolle die Vierte Gewalt an ihrer Arbeit hindern, ihr verwehren, Missstände aufzudecken, unter Verwendung von Quellen, die auch mal Geschäfts- oder Amtsgeheimnisse verletzten.

Das ist blühender Unsinn. Wie nicht nur die Ausschlachtung gestohlener Unterlagen, also die Verwendung von Hehlerware, beweist: die Medien meinen manchmal, sie würden sich in einem rechtsfreien Raum bewegen. Erfüllt von missionarischen Eifer meinen einzelne Exponenten, sie stünden über dem Gesetz, der Zweck heilige die Mittel, wenn es gälte, einen Skandal aufzudecken. Dabei besteht der Skandal häufig in der Art der Aufdeckung.

Denn die Medien haben durchaus Macht. Sie können Menschen an den Pranger stellen, Firmen und Existenzen vernichten, hoch- und niederschreiben. Der Umgang mit dieser Macht bräuchte ethische und moralische Verantwortung. Daran mangelt es nicht nur den heutigen Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen in den Newsrooms.

Da der Journalismus zu Tode gespart wird, Redaktionen bis aufs Skelett abgemagert sind, ein Tag Recherche schon die Luxusvariante ist, überforderte Redaktoren am Laufmeter Texte ins Netz knallen müssen, bei denen gnadenlos die Performance, also die Klickrate, gemessen wird, ist jeder «Primeur», jeder vermeintliche «Aufreger», jeder hochgezwirbelte «Skandal» Gold wert.

Dabei ist es doch ganz einfach: natürlich dürfen Medien Personen und Unternehmen kritisieren, anrempeln, skandalisieren, beschuldigen. Nur: je nachdem, wie dafür Belege gesammelt wurden, müssen sie sich auch verantworten. Wer in die Privatsphäre eines Menschen eindringt, wer Geschäftsgeheimnisse ausplaudert, muss sich dafür verantworten. Wer Behauptungen aufstellt, muss dafür den Wahrheitsbeweis antreten.

Wenn der offenbar angetüterte Chefredaktor der «Republik» in persoenlich.com sagt, «wir heben die Gläser auf den Quellenschutz», dann gibt er nicht nur einen Einblick in die Zustände im Rothaus. Sondern er bringt auch den unreflektierten und falschen Umgang mit dem Quellenschutz auf den Punkt. Denn natürlich kann man einen Journalisten im Allgemeinen nicht zwingen, die Quelle einer von ihm verwendeten Information preiszugeben.

Aber er kann sich nicht hinter dem Quellenschutz verstecken, wenn er den Wahrheitsbeweis für seine Behauptung antreten muss. Würde ZACKBUM mit Verweis auf drei unabhängige Quellen behaupten, Oliver Fuchs sei Alkoholiker und ständig in der Entzugsklinik, dann könnten wir uns nicht hinter dem Quellenschutz verstecken, wenn wir diese Schmähung beweisen sollten. So einfach ist das, nüchtern betrachtet.

Weinerlichkeiten

Tamedia traute sich nicht, gestohlene Bankdaten zu veröffentlichen. Nun wird nachgetreten.

Es gibt eine «UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit». Dieses Amt wird zurzeit von Irene Khan ausgeübt. In ihrem jüngsten Bericht kritisiert sie die Schweiz scharf.

Die Juristin aus Bangladesh machte in der UNO-Bürokratie Karriere, bis sie 2001 Generalsekretärin bei Amnesty International (AI) wurde. Von diesem Amt trat sie 2009 zurück. Aufsehen erregten ihre Bezüge (632’000 Franken), deren Publikation sie mit einer Geheimklausel im Vertrag verhindern wollte.

In diesem Zusammenhang ist ihr also Privatsphäre, vor allem im Finanziellen, durchaus wichtig. Das hindert sie aber nicht daran, die Schweiz scharf zu kritisieren, weil nach deren Bankengesetz Daten, die aus Banken gestohlen wurden, nicht veröffentlicht werden dürfen. Bzw. es drohen Strafen, wird dawider gehandelt.

2021 kritisierte AI ein drakonisches neues Sicherheitsgesetz in Bangladesch scharf und forderte die dortigen Behörden auf, sie «müssen die massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet aufheben».

Das interessiert Khan hingegen weniger. Oliver Zihlmann, «Co-Leiter Recherchedesk Tamedia», traute sich wegen dieses Gesetzes nicht, aus der Credit Suisse gestohlene Daten auszuwerten. Das hatte er bereits ungeniert bei anderen Diebstählen gemacht, nur fanden die in weit entfernten Ländern wie Panama statt. In recht postkolonialistischer Manier war das Zihlmann egal; aber den Arm der Schweizer Justiz fürchtete er dann doch. Maxime: Hehlerware ausschlachten, immer gerne. Aber nur dann, wenn damit keine juristische Gefahr verbunden ist.

Ein völlig unvoreingenommenes Interview

Zihlmann eignet sich also ausgezeichnet, ohne Voreingenommenheit die UNO-Berichterstatterin zu interviewen. Die weiss: «Der pauschale Schutz des Bankgeheimnisses im Schweizer Gesetz verstösst gegen internationales Recht.» Denn laut der Juristin verstosse das «gegen die Menschenrechte», weil die «Weitergabe» von gestohlenen Bankdaten mit hohen Strafen belegt würden, «unabhängig davon, ob solche Daten auch im öffentlichen Interesse» stünden.

Dann operiert Khan mit der interessanten Konstruktion, dass es zwar schon möglich sei, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Das müsse aber «notwendig und verhältnismässig sein und darf nur dazu dienen, die Rechte und den Ruf anderer zu achten oder die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, die öffentliche Moral und die öffentliche Gesundheit zu schützen». Daraus ergebe sich im Fall der Schweiz eine Vorzensur, eine Zensur, die Medien dürften nicht recherchieren, «ein klarer Verstoss gegen die Meinungsfreiheit».

Selbst dem juristischen Laien fällt hier auf, dass diese Behauptungen mit Widersprüchen gespickt sind. Bankdaten gehören eindeutig zur geschützten Sphäre eines Menschen oder einer Firma. Werden sie gestohlen und ausgeschlachtet, handelt es sich um die Verwendung von Hehlerware. Sieht ein Journalist trotz der Strafbedrohung ein öffentliches Interesse in der Publikation, muss er halt das Risiko auf sich nehmen, dafür bestraft zu werden.

Dieses Risiko geht jeder Whistleblower, jeder Assange, jeder Snowden ein. Aber weil Zihlmann dafür zu feige ist, lamentiert er lieber mit dieser Berichterstatterin über die unerträgliche Zensur in der Schweiz. Obwohl man hier, im Vergleich zu Bangladesch und anderen Unrechtstaaten, auf sehr hohem Niveau jammert. Immerhin räumt Khan ein: «Es gibt auf der einen Seite ein Recht auf Privatsphäre. Auf der anderen aber auch ein öffentliches Interesse, über illegale Finanzgeschäfte informiert zu werden

Das Problem ist dabei nur: aus den inzwischen Hunderttausenden von veröffentlichten gestohlenen Daten ergaben sich nur eine Handvoll von Strafverfahren weltweit, die in einer vergleichweise verschwindend geringen Zahl von Fällen zu Verurteilungen führten.

Trotz grossem Geheule und Gepolter in der Schweiz kam es allenfalls zu einer Handvoll Bussen, was in krassem Missverhältnis zum Geschrei über Briefkastenfirmen, kriminelle Handlungen, Steuerhinterziehung, Geschäfte mit Blutdiamanten oder Profite aus Menschenhandel steht, mit denen die diversen Datendiebstähle jeweils angepriesen wurden.

Khan legt sich wunschgemäss für Zihlmann in die Kurve:

«Das Schweizer Bankengesetz ist ein Beispiel für die Kriminalisierung von Journalismus. Das ist normalerweise ein Problem in autoritären Staaten.»

Man kann der Schweiz vieles vorwerfen, aber Kriminalisierung von Journalismus? Andersherum wird ein Schuh draus: in der Schweiz ist Journalismus immer öfter kriminell schlecht. So wie dieses Interview.