Und lebt. Oder so
«Interview by Ringier» hat die vierte Ausgabe, nun, gedruckt.
Denn ob 110’000 Exemplare wirklich einen anderen Abnehmer als die Altpapiersammlung finden, man weiss es nicht. Man weiss allerdings auch nicht mehr, ob so viele gedruckt werden. Auf jeden Fall ist das Cover schön bunt und in hoffnungsfrohem Grün gehalten:
Die aufgeführten Interviewten haben allerdings etwas Gemeinsam: sie lösen Gähnreflex aus. Marina Abramovic, echt nochmal? Jacques Herzog? Der hat ja noch nie was gesagt. Margarita Louis-Dreyfuss? Wie geht’s denn Phillip Hildebrand? Tyler Brûlé, der meistüberschätzte Selbstvermarkter der Gegenwart? Au weia.
So richtig fröhlich tanzen nur die beiden Pudel im merkwürdigen Logo.
Aber es gibt Neues. Das Sponsoring durch UBS und Peugeot ist weg. Die Auflagenhöhe ist auch weg. Beda Achermann als AD ist ebenfalls weg. Berset ist natürlich weg. Susanne Walder und Peter Hossli sind immer noch in der Chefredaktion.
Und was kommt raus, rein, womit wird der Leser unterhalten? «Tyler, wo treffen wir dich heute an? – Du findest mich hoch über Dubai an einer Technologiekonferenz.» Das würde er auch sagen, wenn er gerade in London in einem McDonald’s sässe.
Da darf der in der Schweiz überschätzteste Selbstdarsteller natürlich nicht fehlen: Frank Bodin. Offenbar hat Ringier ihm schon verziehen, dass er die Logos der «Blick»-Familie so verhunzte, dass das Regenrohr und die Kästchen schnell entsorgt werden mussten.
Wenn die Interviews schon überspannt langweilig sind, dann dürfen die Fotos dem natürlich nicht nachstehen. Was wohl Louis-Dreyfuss von diesem Quatschschnappschuss hält?
Soll das dem Wort «Brett vor dem Kopf» eine neue Bedeutung geben, hier als Ast vor dem Kopf?
Wir sind bereits beim Überblättern bei Seite 103 angelangt, und können immerhin das erste Mal herzlich lachen. Denn hier wird Patrick Forte interviewt. Patrick who? Na, der «Leiter Corporate Finance Schweiz bei der UBS». Nach einem Autor sucht man vergebens, nach kritischen Fragen auch. Ganz am Schluss kommt dann die Auflösung; bis dahin meinte man, das sei ein redaktioneller Beitrag: «Präsentiert von der UBS Schweiz».
Dann kommt ein Hammer-Interview mit Samantha Anderson. Samantha who? Na, die Gründerin eines Start-ups für die Wiederverwertung von Plastik. Mega. Deshalb: «Präsentiert von UBS Schweiz».
Gefolgt von einer Agenda von Kunstausstellungen. Immerhin etwas Niveau. Wobei: «Sponsored Content, dieser Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit den aufgeführten Galerien umgesetzt». Zusammenarbeit? Die Galerien haben diesen Werbeplatz gekauft und bespielen ihn.
Fehlt noch eine abgenudelte Erfolgsstory? Richtig, da kommt einem doch sofort die Schuhmarke On in den Sinn. Die ist tatsächlich unkaputtbar. Hoher Anspruch, hohe Töne. Dabei vor allem eine unglaublich hohe Profitspanne, während alle Behauptungen, in Vietnam korrekt und anständig zu produzieren, hohles Gewäsch sind. Aber kritische Fragen stellen, das ist nicht so das Ding von Chefredaktorin Walder.
Aber die gute Nachricht ist dann: mit Seite 140 ist’s überstanden. Allerdings, das muss der Neid lassen, das Blatt ist ziemlich gut gefüllt mit Luxusinseraten. Daher steht zu befürchten, dass es noch weitere Ausgaben geben wird.