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Blamables Laber-Interview

Anwalt Eckart Seith ist ein ausgesprochen mutiger Mann und deckte den Cum-Ex-Skandal auf. Tamedia quatscht ihn weg.

Es war ein kriminelles Gebastel, mit dem viele Beteiligte Milliarden verdienten, indem sie vor allem den deutschen Fiskus übers Ohr hauten. Es gelang ihnen, zweimal Steuern zurückzufordern, vereinfacht gesagt. In vorderster Linie war auch die Bank J. Safra Sarasin beteiligt; das kostete den letzten der Dynastie, Eric Sarasin, seinen Job, als die reiche Familie Safra die Bank schluckte.

Komplizierte Zusammenhänge, aber damals vom «SonntagsBlick» mundgerecht aufgearbeitet:

Und ja, der Artikel stammte von ZACKBUM-Redaktor René Zeyer, als man ihn noch im Hause Ringier schreiben liess. Während Seith seither in Deutschland als Held gefeiert wird, verfolgen ihn die Zürcher Strafverfolgungsbehörden bis heute, wegen angeblichem Verstoss gegen das Schweizer Bankgeheimnis.

Eine etwas komplizierte Kiste, also doch genau richtig für die Cracks vom sogenannten «Recherchedesk» des Tagi. Oliver Zihlmann ist dessen Co-Leiter: «Schwerpunkte seiner Berichterstattung sind vertiefte Recherchen – regelmässig in Kooperation mit internationalen Journalisten. Er ist Mitglied des International Consortium of Investigative Journalists ICIJ.»

Mit anderen Worten: er war daran beteiligt, dass von unbekannter Täterschaft gestohlene Geschäftsunterlagen als Hehlerware aufbereitet wurden, zu «Leaks», «Papers» und «Secrets» umbenannt, um dann mit ihrer Hilfe Ankläger, Richter und Henker zu spielen, indem nach undurchsichtigen Kriterien ausgewählte Personen an den medialen Pranger genagelt wurden.

Wie man inzwischen weiss, wurde die «Kooperation» internationaler Journalisten von einer Gruppe angefüttert, die ihrerseits von der US-Regierung mit Millionen finanziert wurde. Das mag erklären, wieso niemals die USA in all diesen Papers vorkamen. Obwohl dort die grössten Geldwaschmaschinen der Welt stehen, obwohl dort bis heute problemlos undurchsichtige Trusts und Holdings gebastelt werden können, nach der Devise «no questions asked».

Aber darüber schweigt das «Recherchedesk» peinlich berührt. Dafür ist Zihlmann aufgefallen, dass das Zürcher Obergericht darüber entscheidet, ob das Verfahren gegen Seith endlich eingestellt wird. Eine gute Gelegenheit, so als Recherchiercrack, mal kurz die Hintergründe des Falls auszuleuchten, der auch dem deutschen Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz Kopfzerbrechen bereitet, der sich einfach an nichts mehr erinnern mag.

Gute Gelegenheit, mal mit Anwalt Seith zu sprechen, der noch nie ein Blatt vor den Mund nahm. Gute Gelegenheit, die mehr als dubiose Rolle von J. Safra Sarasin auszuleuchten. Aber stattdessen:

Journalistisches Kleingeld, ein Interview. Ein Interview mit dem Verteidiger von Anwalt Seith. Mit Hammerfragen wie «Wird das Urteil auch politisch wichtig?» oder «Aber hat Eckart Seith dabei nicht das Bankgeheimnis verletzt

Aus dem müden Geplätscher von Frage und Antwort saugt Zihlmann dann den Aufreger-Titelquote: «Die deutsche Öffentlichkeit hat keinerlei Verständnis für die Schweiz». Und die Tagi-lesende Öffentlichkeit hat keinerlei Verständnis dafür, wieso das sogenannte Qualitätsorgan es nicht fertigkriegt, anlässlich dieses Prozesses nochmal die üblen Hintergründe des Cum-Ex-Skandals, die vielen Spuren in die Schweiz und das tapfere Verhalten der Schweizer Steuerbehörden aufzurollen.

Da wäre ein hübscher Finanzkrimi mit allen saftigen Details zu erzählen, wie der letzte der Sarasins reiche Deutsche einseifte und umgarnte, wie der ehemalige Steuerbeamte Hanno Berger den ganzen Betrug erfand und meinte, im Alpenreduit vor dem Zugriff der deutschen Staatsanwaltschaft sicher zu sein. Und es sogar schaffte, Wirtschaftsjournalisten so vollzuquatschen, dass sie ihm abnahmen, dass das die legale Ausnützung einer Gesetzeslücke sei. Es wäre die Unfähigkeit der deutschen Finanzminister zu erwähnen, es gäbe wirklich viel Unterhaltsames zu erzählen.

Nicht mal die Begründung, mit der Seith die Einstellung des Verfahrens beantragt, ist Zihlmann eine Frage wert. Seith hat nämlich erfolgreich – das Obergericht stellte das Verfahren am Donnerstag ein – bemängelt, dass einer der Staatsanwälte befangen gewesen sei. So wurde den Beschuldigten beispielsweise Akteneinsicht verweigert, rechtsstaatlich ungeheuerlich.

Es hätte also wahrlich einiges zu berichten gegeben.

Wenn man den Finger aus einer dafür nicht vorgesehenen Körperöffnung nehmen würde. Aber offenbar kommt das Recherchedesk nur mehr auf Touren, wenn ihm aus unbekannter Quelle ein Datenberg vor die Haustüre gekippt wird.

Stattdessen ein nicht mal an der Oberfläche kratzendes Interview mit dem Anwalt des Anwalts. Das jeder Praktikant auch nicht schlechter abgeliefert hätte. Bei dem jeder qualitätsbewusste Ressortleiter hätte sagen müssen: und wenn wir die Luft rauslassen, könnte das nicht auch eine Meldung auf fünf Zeilen werden?

Ach, Simon Bärtschi, der Qualitätsguru des Hauses, hätte eigentlich so viel zu tun. Was zur Frage verleitet: was tut er eigentlich so? Und gibt es ihn überhaupt noch?

Sprachrohr Tagi

Zuerst anprangern, dann übers Anprangern schreiben. Sagenhaft.

Zuerst brauchte es gleich drei Nasen, um über einen Vorfall zu berichten. Dafür spannten Mario Stäuble (ehemals Chefredaktor, bzw. Mann am Fenster), Christian Brönnimann (bekannt für Fertigmacherjournalismus wie im Fall Bastos) und Oliver Zihlmann (glückloser Verwurster von Hehlerware, genannt Leaks und Papers) ihre Muskeln an:

Als wäre er their master’s voice, zitieren sie ehrfürchtig den übergriffigen Scott Miller: ««Die Schweiz (…) kann und muss mehr dafür tun, damit ihr Rechtsrahmen nicht für illegale Finanzaktivitäten missbraucht wird», lässt sich der US-Botschafter in Bern in einer Pressemitteilung zitieren.» Das ist dieser schnarrende Befehlston, für den Amis bekannt sind, die meinen, die ganze Welt müsse nach ihrer Pfeife tanzen.

Als Hilfsknüppel haben die USA dafür ihre Sanktionsliste des Ofac. Wer aus welchen Gründen draufkommt, ist der völligen Willkür der US-Behörden überlassen. Gegenwehr ist sinnlos, Rechtsmittel dagegen gibt es nicht. Im Wettlauf, ein sinnloses Sanktionspaket mit dem nächsten zu ergänzen, haben die USA «zwei Schweizer Anwälte mit Büro in Zürich auf ihre schwarze Liste (gesetzt): Andres Baumgartner und Fabio Delcò von der Kanzlei Dietrich, Baumgartner & Partner.»

Warum genau, aufgrund welcher Indizien, Belege, Beweise? «Washington wirft den beiden vor, «wichtige Verwalter russischer Vermögenswerte» zu sein. Sie hätten für «viele russische Kunden, darunter sanktionierte russische Privatpersonen», Dienste erbracht. Beide seien Direktoren zahlreicher russischer Unternehmen», zitieren die drei Recherche-Genies von der Werdstrasse. Und geben wieder dem US-Botschafter das Wort, der dafür eigentlich einbestellt und gerügt werden müsste, wenn die Schweizer Regierung Rückgrat zeigen wollte:

«Die Botschaft ist klar: Die Vereinigten Staaten fokussieren darauf, die Umgehung von Sanktionen überall auf der Welt zu bekämpfen. Wir müssen zusammenarbeiten, um die Fähigkeiten des Kremls zu stoppen, seine Kriegsmaschinerie gegen das ukrainische Volk einzusetzen. Und wir müssen auf der richtigen Seite der Geschichte stehen – zur Unterstützung des ukrainischen Volkes, das die demokratischen Werte verteidigt, die wir teilen

Die eigentliche Botschaft ist klarer: die USA pfeifen wieder einmal auf die Rechtssouveränität der Schweiz. Aber das schreiben die drei Tagi-Nachplapperer natürlich nicht. Sondern sie klopfen sich selbst auf die Schultern:

«Die Panama-Papers-Recherche zeigte, dass Roldugins Firmen Einfluss auf Medien und gar auf Rüstungsbetriebe in Russland hatten. Durch Dokumente liess sich minutiös nachzeichnen, wie die Angestellten der Zürcher Kanzlei Befehle aus Russland annahmen und Kontoverbindungen für Roldugin errichteten.» Das ist ein Vertrauter von Präsident Putin, dem vorgeworfen wird, einen Teil von dessen Finanzhaushalt zu regulieren.

Allerdings muss der Tagi einräumen, dass «bis heute keine Massnahmen gegen die Zürcher Anwälte bekannt» seien. Das liege aber am «Schweizer Geldwäschereigesetz», fahren sie fort. Auf Deutsch: offensichtlich geht hier alles mit rechten Dingen zu, aber den Tagi-Journalisten passt dieses Gesetz nicht. Nach der Devise: ist’s nicht illegal, so doch illegitim. Oder einfach: wir finden, es sei illegal.

Daher zitieren sie nochmals den Befehlshaber in seiner Botschaft in Bern: «Andres Baumgartner und Fabio Libero Delcò ermöglichten den illegalen Geldfluss und umgingen dabei die Aufsicht aufgrund einer Gesetzeslücke im Schweizer Recht», heisst es in der Mitteilung. «Botschafter Miller hat die Schweiz öffentlich und privat vor den Reputationsrisiken gewarnt, die mit dieser Gesetzeslücke verbunden sind.»

Schon einen Tag später wird zurückgerudert. Diesmal sind Thomas Knellwolf (nicht ganz ausgelastet mit dem promoten seines neusten Buchs) und wieder Oliver Zihlmann am Gerät:

«Angeprangerte Anwälte», schreiben sie neutral im Titel, als hätte nicht der Tagi selbst die beiden angeprangert, als Sprachrohr des US-Botschafters in Bern. Zunächst wiederholen die beiden Redaktoren die gleiche Leier wie im ersten Artikel. Um dann nochmals einzuräumen:

«Baumgartner und Delcò (die beiden neu auf die US-Sanktionsliste genommenen Anwälte) hingegen blieben in der Schweiz bislang – nach allem, was bekannt ist – unbehelligt. Darauf lässt insbesondere eine Stellungnahme schliessen, welche die beiden am Tag nach Bekanntwerden ihrer Sanktionierung durch die USA an die Medien verschickten.»

Offensichtlich haben die Rechtsanwälte beim Tagi Druck gemacht, der daher diesmal als Windfahne deren Position referiert:

«Während unserer über 30-jährigen Anwaltstätigkeit wurden wir weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich jemals zur Verantwortung gezogen.»

Natürlich japst der Tagi nach: «Dies würde auch bedeuten, dass weder eine Selbstregulierungsorganisation noch die Anwaltsaufsicht ein- bzw. durchgegriffen haben. Unabhängig überprüfen lässt sich dies allerdings nicht, weil allfällige Verfahren dieser Organisationen nicht öffentlich sind.» Womit er den beiden Rechtsanwälten unterstellt, möglicherweise die Unwahrheit gesagt zu haben, eine gelinde Unverschämtheit.

Dass die beiden Juristen mehr Durchblick haben als die geballte Fachkraft des Tagi, beweisen sie mit ihrer Stellungnahme, die das Blatt sicherlich nicht ganz freiwillig publiziert:

«Baumgartner und Delcò bestreiten jegliches Fehlverhalten: «Geschäfte zur Umgehung von Sanktionen wurden durch uns weder vorgenommen, noch haben wir diesbezüglich irgendjemanden beraten.» Anderslautende Verlautbarungen der US-Behörden seien «falsch und rufschädigende Unterstellungen». Die amerikanischen Sanktionen zielten darauf ab, «die europäischen Länder im geopolitischen Streit mit Russland hinter sich zu scharen». Die Vereinigten Staaten wollten «internationale Finanzplätze wie die Schweiz unter ihren totalen Einfluss und ihre umfassende Kontrolle bringen»

Auch das können die Journis natürlich nicht unwidersprochen stehen lassen und geben nochmals dem US-Botschafter das Wort, der «wehrt sich gegen den Vorwurf der unzulässigen Einmischung». Was ein vom Tagi unkommentierter Witz ist, denn natürlich mischt er sich massiv und völlig unzulässig in die Rechtshoheit der Schweiz ein. Und wie wehrt sich der Diplomat? Indem er auf die nachrichtenlosen Vermögen verweist und «auf die Raubkunstdebatte». Zwei absurde Vergleiche.

Aber er kann noch einen draufstehen: ««Meine Hoffnung ist es», sagt Miller mit Blick auf die aktuelle Diskussion, «dass die Schweiz dies nicht als eine Attacke auf ihre Souveränität und die Demokratie sieht.»»

Ja was sonst soll das denn sein, müssten Stäuble, Brönnimann, Knellwolf und Zihlmann zumindest fragen. Aber selbst zu viert fällt ihnen das nicht ein, weil sie in ihrer Gesinnungsblase solche offensichtlichen Realitäten nicht sehen wollen.

Dass der Tagi auch noch zum Sprachrohr und Mitteilungsorgan der US-Botschaft in Bern denaturiert, das lässt sich selbst mit der Bärtschi-Peinlichkeitsskala nur schwer fassen.

Es ist überhaupt nicht zu fassen.

 

Neues vom Qualitätsjournalismus

«Prawda»-Bärtschi ist unermüdlich.

Sein grauenhafter Kommentar «Weichenstellung für den unabhängigen Qualitätsjournalismus» hat gute Chancen, als schlimmste Fehlleistung des Jahres an das Schandmal der höchsten Peinlichkeit genagelt zu werden.

Darüber hat es der Oberchefredaktorin Raphaela Birrer offenbar die Sprache verschlagen. Der gröbste Kahlschlag aller Zeiten in ihrer Redaktion, der dummdreiste Kommentar von Bärtschi, wäre es nicht angebracht, dass die oberste Redaktionsleitung mal einen Ton sagt? Ihrer Rumpfmannschaft Mut zuspricht, vielleicht gar gelinde Kritik übt? Aber doch nicht Birrer; dazu bräuchte es Rückgrat …

Die von Bärtschi publizistisch geleiteten Frauen und Männer von Tamedia, durch seine träfen Worte zu höchster Leistung und grandioser Motivation angestachelt, beschäftigen sich vornehmlich mit der Frage: trifft es mich oder trifft es dich beim nächsten Rausschmeissen zur Steigerung der Qualität?

Nebenher blubbern sie noch so etwas wie Artikel raus. Dabei begeben sie sich auch mal ins Reich des Raunens, der Andeutungen, der Leserverwirrung:

Die beiden Recherchiercracks Catherine Boss und Oliver Zihlmann machen etwas Originelles. Sie gehen mit einer unvollendeten Story an die Öffentlichkeit. An der ETH gebe es Vorwürfe «gegen einen renommierten Professor». Worum es allerdings genau geht, das zu beschreiben «verbietet das Bezirksgericht Zürich auf Antrag des Professors hin», wie es in leicht holprigem Deutsch einleitend heisst.

Qualitätsjournalismus würde bedeuten, dass man halt noch solange wartet, bis dieses Hindernis aus dem Weg geräumt ist. Aber doch nicht im Qualitätsblatt Tagi. Da wird nur etwas von «unangemessenem Verhalten» gemurmelt.

Dafür wird gleich eine Kampagne draus gemacht:

Und noch einer:

Da darf natürlich die selbsternannte Feministin nicht fehlen, die zwecks Gleichberechtigung die Offenlegung der Löhne fordert, nur nicht des eigenen. Also plappert Kerstin Hasse:

Ausser dieser wohlfeilen Forderung hat sie eigentlich nichts zu bieten. Denn sie kritisiert, dass Personen, die einen Vorgesetzten anschuldigen, ihre Anonymität aufgeben müssen. Andererseits räumt sie ein: «Gleichzeitig muss sich ein kritisierter Vorgesetzter auch gegen Vorwürfe wehren können. Und das kann er nur, wenn er weiss, worum es geht.» Das war beim via Spiess-Hegglin an die Öffentlichkeit durchgestochenen Protestbrief von erregten Tagi-Frauen, zu denen allerdings Hasse nicht gehörte, anders. Sie unterzeichneten zwar mit Namen, aber alle angeführten Beispiele von angeblichen sexistischen Belästigungen erfolgten anonym, wodurch kein einziger verifiziert – oder falsifiziert werden konnte.

Wohlgemerkt: es handelt sich hier um bislang nicht bewiesene Anschuldigungen von anonymen Denunziantinnen, während der Beschuldigte sagt, dass nichts davon zutreffe. Theoretisch würde da die Unschuldsvermutung gelten, aber wenn man gerne endlich mal wieder «Skandal» quäken möchte, kann man sich um solchen Pipifax doch nicht kümmern.

Nutzwert, Ratgeber, Leserbedürfnis, hat wahrscheinlich die publizistische Leiter nach unten gemurmelt, voilà, sagt die Redaktion:

Allerdings übersteigen solche Höchstleistungen im Banalen ihre Leistungsfähigkeit (wahrscheinlich nicht herzhaft gefrühstückt, die Sparrunde ist auf den Magen geschlagen). Also muss Johanna Adorján ran, die ihr Frühstück bei der «Süddeutschen Zeitung» verdient.

Noch mehr Nutzwert? Aber bitte:

Das Beste an dieser Ansammlung von Banalitäten: sie ist hausgemacht, Matthias Schüssler ist (noch) auf der Payroll von Tamedia.

Aber auch auf höchster Ebene nimmt man sich eines brennend aktuellen Themas an, das die Mehrheit der LeserInnen* dort abholt, wo sie nicht sind:

Denn der Tagi wüsste ja nicht, was er ohne die «Tages-Anzeigerin» machen würde. Hier blödeln Annik Hosmann und Kerstin Hasse als «Host» (was immer das sein mag), während Sara Spreiter die Produzentin macht. Daraus entstehen über 31 Minuten Gequatsche, die man problemlos als Folterinstrument verwenden könnte. Da gesteht jeder alles, wenn man es nur abschaltet.

Der SZ-Journalist Martin Wittmann hat ebenfalls den Blick fürs Wesentliche:

Das ist eine Frage, die unbedingt einmal beantwortet werden musste. Sozusagen mit einem Griff ins Klo.

Einen neuen Gipfel des Bauchnabeljournalismus erklimmt Nadine Jürgensen:

Selten, aber möglich: TA-Korrespondent Fabian Fellmann schafft es sogar in die SZ, allerdings auch in den Tagi. Aber während die Münchner noch gedämpft den Titel setzen «Trump entweiht die Gräber», haut das Qualitätsorgan von der Werdstrasse einen raus:

Echt jetzt, so weit geht der schon? Hat er nun doch einen erschossen, was ihm nicht schaden würde, wie er mal sagte? Nicht ganz, Donald Trump hat sich bei einem Besuch des Soldatenfriedhofs Arlington filmen lassen, was dort nicht erlaubt ist. Aber Qualitätsjournalismus heisst dann, daraus einen richtigen Brüller als Titel zu zwirbeln.

Und dann gibt es noch die qualitativ herausragende Kolumne von Ronja Fankhauser: «Ich will nicht, dass Roboter Gedichte schreiben». Wenn kümmert’s, hört ja auch niemand auf die Tagi-Leser, die nicht wollen, dass Fankhauser Kolumnen schreibt. Aber deren Inhalt, ZACKBUM hat nach dieser Galerie des qualifizierten Grauens ein Einsehen, ersparen wir unseren Lesern. Auch die sind keine Übermenschen.

 

 

 

Erstaunliche SoZ

Das kann in der Gesinnungsblase Ärger geben.

Diesen Sonntag dürfte so manchem SoZ-Leser das vegane Gipfeli aus der Hand und in den Fair-Trade-Kaffee gefallen sein.

Denn ausgerechnet die SoZ liess erheben, dass bereits 58 Prozent der 0- bis 6-Jährigen Kinder in der Schweiz in einem Haushalt leben, in dem mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde oder Ausländer ist. Und es wird noch toller: «In der Stadt Zürich haben bereits 70 Prozent aller 15- bis 60-Jährigen Wurzeln im Ausland.»

Erschwerend kommt hinzu, dass die Zahlen für 2019 und 2021 erhoben wurden; seither dürfte sich das Verhältnis noch mehr zu Ungunsten der reinen Eidgenossen verschoben haben. Natürlich wird dann relativiert, umgedeutet und der einzige «Soziologe», der befragt wird, darf sich umfangreich äussern. Sein Name: Ganga Jay Aratnam. Er ist der Soziologe der Wahl, wenn Tamedia (oder auch der «Blick») einen solchen Fachmann brauchen. Offenbar gibt es nur ihn.

Dann lässt die SoZ noch weitere Klischees zerbrechen: «Diese Initiative ist reiner Populismus und hat mit Sozialpolitik nichts zu tun». Wer sagt das über die 13. AHV-Rente? Sicher ein Rechtsausleger. Nun ja, das sagt der ehemalige Zürcher SP-Stapi Elmar Ledergerber. Während auf der gleichen Seite für den SVP-Präsidentschaftskandidaten Marcel Dettling staatliche Kinderbetreuung durchaus in Frage kommt. Das vegane Gipfeli ruht im Fair-Trade-Kaffee und der Gesinnungsblasenleser blättert auf Seite eins zurück, ob er wirklich die SoZ in der Hand hat und nicht etwa die «Schweizerzeit».

Richtig beruhigen tun ihn Artikel über Schneewandern im Bikini oder Müll unter Luxusapartments dann nicht. Ganz sauer wird der Leser dann wieder, wenn sich Rico Bandle die Verwendung von über einer Milliarde Steuerfranken durch den Nationalfonds vornimmt. Ein typischer, rechtspopulistischer und wissenschaftsfeindlicher Ansatz. Denn bitte, Whiteness im Werk Friedrich Dürrenmatts, eine digitale Geografie marginalisierter Sexualitäten in Kirgiesien,  Erforschung fellbespannter Streichinstrumente des späten  Mittelalters, und als Höhepunkt «Der Klang der Bäume: ökophysiologische Prozesse hörbar machen», das sind doch alles Untersuchungen, die uns nicht reuen sollten, ein paar hunderttausend Steuerfranken darin zu verlochen, Pardon, sinnvoll zu investieren.

Aber es kommt noch schlimmer. Im «Fokus» wird der Gottseibeiuns persönlich interviewt. Der darf doch tatsächlich sagen: «Dieses EU-Mandat ist noch schlimmer als das Rahmenabkommen». Womit er zwar recht hat, aber in der SoZ?

Erst auf Seite 22 erkennt der Leser sein Blatt einigermassen wieder. «Hat ein Schweizer Jetsetter den Fiskus um über 100 Millionen gebracht?» Allerdings ist das ein Bericht des Dreamteams Christian Brönnimann und Oliver Zihlmann über einen skurrilen Erbstreit. Ihre Recherchierleistung bestand darin, sich einfach anfüttern zu lassen. Denn die Witwe des längst verstorbenen Jetsetters, deren Scheidung vor seinem Tod noch nicht durch war, kommt nur an einen grossen Batzen Erbgeld, wenn sie nachweisen kann, dass der Jetsetter in Wirklichkeit seinen Wohnsitz in der Schweiz und nicht im Ausland hatte. Irre Sache, aber wieso damit eine Seite gefüllt werden muss? Um der Witwe die Kosten für ein Inserat zu ersparen?

In der «Wirtschaft» dann immerhin eine nette Enthüllung. Der ehemalige Migros-Manager, der für Benko den Globus-Deal einfädelte, hat eine Gattin. Und die kassierte fett Millionen als Beraterin bei Benno ab.

Brandheiss dann die News bei «Leben & Kultur», dem Abfall-, Pardon, Sammelgefäss für alles, was zwischen Leben und Kultur Platz hat. Zum Beispiel Piero Esteriore. Ja, das ist der, der schon mal seinen Karren in die Eingangstüre des Ringier-Pressehauses an der Dufourstrasse setzte. Aber dann wird wenigstens ein auch etwas in Vergessenheit geratener Star der Gutgesinnung abgefeiert: the one and only Hazel Brugger. Schlagzeile: sie «hätte sich gerne für den «Playboy» ausgezogen». Soll man zu so viel Sauglattismus was sagen? Eben.

Es ist ein Auf und Ab, denn sehr im woken Sinne ist dann wieder ein Biertest. Nein, nicht so einer, ein Test alkoholfreier Biere. Dann noch etwas Beratungskleingeld «Mit diesen Tipps wird aus jedem Badezimmer eine kleine Wohlfühloase». Ach was, wie denn das? Nun, mit einem Tortenständer als Tablettersatz. Plus mildes Licht. Plus eine Wannenbrücke. Und wussten Sie, dass für Badetücher «ihre Saugkraft wichtig» ist? Geben Sie es zu, dass wussten Sie nicht, deshalb baden Sie auch nicht in einer Wohlfühloase.

Gibt es in diesem Brei irgendwo einen absoluten Tiefpunkt? Natürlich, den erkennt man daran, dass auf einer Seite Gülsha Adilji und Markus Somm dilettieren, ergänzt um einen Schnappschuss, diesmal mit – Überraschung – Marco Odermatt. Der hat doch tatsächlich eine Bratwurst gegessen, man hält es kaum für möglich, wenn es nicht fotografisch festgehalten worden wäre.

Aber eine Bratwurst ist meistens schmackhaft- und nahrhaft. Diese SoZ macht es weder ihrem Stammpublikum, noch Zaungästen recht. Sie ist einfach ungeniessbar.

 

Sackschwach

«Cyprus Confidential»: Neuer Name, alte Leier.

Immerhin: für Hubert Seipel gibt es ein Leben vor und eines nach den Enthüllungen darüber, dass er Hunderttausende aus kremlnahen Kreisen in Russland erhalten hat. Natürlich für seine Buchprojekte, ohne dass ihm inhaltliche Vorgaben gemacht worden seien. Blöd nur, dass er immer entrüstet abstritt, für seine Russland-Erklärungen von dort bezahlt zu werden.

Das ist nun echt peinlich; ungefähr so peinlich wie die Enthüllungen, welche deutschen Journalisten indirekt von den USA bezahlt werden.

Damit hat nun der «Spiegel» einen schönen Hammer gelandet, der allerdings vor allem in Journalistenkreisen interessiert. Für Seipel ist zu hoffen, dass auch eine Leibrente ausgesetzt wurde, denn als Publizist war’s das für ihn.

Tamedia hat allerdings wie meist die Arschkarte gezogen. «Der Mitbesitzer von Putins Propagandasender war UBS-Grosskunde», «Diese 20 sanktionierten Russen hatten Schweizer Konten». Eingeschlafene Füsse, frisch aufgewärmt. Das übliche Team bemüht sich, mal wieder zu erklären, wieso sie monatelang auf der Payroll standen, ohne gross Output zu leisten. Aber jetzt können Christian Brönnimann, Sylvain Besson, Arielle Peterhans, Oliver Zihlmann und Sophia Stahl wieder Artikel am Laufmeter absondern.

Da «Papers» und «Leaks» und «Secrets» nun wirklich abgenudelt sind (und sich auch nicht schön stabreimen würden) diesmal also «Cyprus Confidential». Man macht sich gar nicht mal grosse Mühe, zu erklären, von wem mit welchen Motiven man mit gestohlenen Geschäftsunterlagen zugeschüttet wurde. Dafür macht die Arbeit mit dieser Hehlerware viel zu viel Spass.

Da es die ewig gleiche Leier ist, will ZACKBUM nicht auch ins Leiern geraten. Keinem der geouteten russischen Geschäftsleute kann offenbar eine strafbare Handlung oder eine Verurteilung vorgeworfen werden. Ausser, dass sie früher oder später auf irgendwelchen Sanktionslisten der USA oder der EU landeten. Wie man da drauf kommt, ist längst bekannt. Eine Erwähnung unter den 500 Reichsten des «Forbes» Magazins, russischer Name, reicht. Oligarch, kremlnah, Kriegsverbrecher mindestens Verbrecher.

So tauchen auch russische Reiche auf, die oft jahrelang völlig legal in der Schweiz lebten, eine Niederlassung besitzen, brav ihre Steuern zahlen, ihren Firmensitz sogar in die vermeintlich neutrale und rechtsstaatliche Schweiz verlegten – und sich nie etwas zuschulden kommen liessen. Bis sie im eilfertigen Nachvollzug von der Schweizer Regierung ebenfalls sanktioniert wurden.

Das führte dann einfach dazu, dass die sich enttäuscht von der Schweiz abwandten und an deren Rechtsstaatlichkeit zweifeln. Denn gegen diesen Beschluss des Bundesrats, sanktioniert zu werden, gibt es keine Rekursmöglichkeit, kann kein ordentliches Gericht angerufen werden. Und wer beim Bundesrat selbst protestiert, bekommt nicht mal eine Antwort.

Das wäre nun durchaus eine interessante Geschichte, die Tamedia eigenständig recherchieren könnte. Sie hat nur zwei Nachteile. Sie entspricht nicht dem gepflegten Narrativ reich, Russe, Räuber. Und sie wäre mit etwas Aufwand verbunden, der über das Aktenstudium in Datenbergen hinausginge.

Aus Erfahrung weiss man: auch «Cyprus Confidential» wird genauso spurlos verschwinden wie seine Vorgänger. Oder erinnert sich noch jemand an die «Panama Papers» und wie die gestohlenen Datenberge alle hiessen?

Eben. Bloss für Seipel ist die Sache ziemlich blöd gelaufen. Dabei sollte er doch wissen, dass das Bankgeheimnis auch nicht mehr das ist, was es einmal war.

Aufruf zum Rechtsbruch?

Mit Vollgas in den Wilden Westen.

Oliver Zihlmann, einmal losgelassen, lässt nichts aus. Neben zwei Kampagnen-Artikeln, in denen drittklassige «Experten» dafür herhalten mussten, der Schweiz Saures zu geben, greift er nun zum Äussersten: dem Kommentar.

Unter der neuen Leitung wuchert eine Sittenverluderung ohnegleichen im «Tages-Anzeiger». Eigentlich wäre es die Aufgabe der Chefredaktion, reputationsschädigende Texte vor Publikation abzufangen. Denn wenn Zihlmann das Wort ergreift, spricht er nicht nur für sich, lädiert er nicht nur den Ruf des sogenannten Recherchedecks – er beschädigt auch die Restreputation der einstmals angesehenen Tageszeitung. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sein Gewäffel durch ein rundes Dutzend Kopfblätter multipliziert wird.

Schon der erste Satz stammt aus Absurdistan: «Warum kritisierten die Botschafter der G-7 und der EU den Bundesrat in einem harschen Brief für die nachlässige Umsetzung der Russland-Sanktionen?» Erstens gibt es dafür naheliegende Gründe, auf die Zihlmann aber trotz scharfen Nachdenkens nicht kommt. Zweitens unterstellt er hier, die Schweiz sei nachlässig. Wofür es – ausser haltlosen Behauptungen – keinerlei Beleg gibt.

Nicht mal in einem Kommentar, nicht mal im Tagi sollte erlaubt sein, ausnahmslos anonyme Zeugen für wilde Behauptungen aufzuführen: «In einem Universum leben jene, die in Russlands Angriffskrieg einen Zivilisationsbruch sehen, gegen den man ankämpfen muss, und zwar mit allem, was menschenmöglich ist. In den Gesprächen spürt man eine grosse Entschlossenheit. Sie wollen ermitteln, jeden Schlupfwinkel aufspüren, um die Umgehung der Sanktionen zu verhindern. Rechtliche und bürokratische Hürden gilt es zu beachten, aber wo immer möglich zu überwinden, um letztlich dieses grössere Ziel zu erreichen. Diese Haltung findet man bei vielen Diplomaten aus anderen westlichen Staaten.»

Rechtliche und bürokratische «Hürden» überwinden, für das «grössere Ziel». Das ist der Sprech von Antidemokraten, von Verächtern des Rechtsstaats. Kein Wunder, wollen diese «vielen Diplomaten» anonym bleiben, sie wissen um die Fragwürdigkeit solcher Aussagen. Zihlmann kennt diese Hemmung allerdings nicht.

Hier haben wir also die Guten, die Anhänger einer Wildwest-Justiz, wo das Recht nur eine Hürde ist, die man zu überwinden habe. Auf der anderen Seite die Schnarchsäcke aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco: «Dort heisst es, man sei keine Polizei, man gehe zwar Hinweisen nach, aber grundsätzlich sei doch davon auszugehen, dass sich alle im Land an die Gesetze hielten. Die Grundannahme ist also erst einmal, dass alles in Ordnung sei.»

Es gilt die Unschuldsvermutung, im Zweifel für den Angeklagten, es braucht einen Anfangsverdacht, es gibt keinen Generalverdacht, es gibt keine angebräunte Stigmatisierung «Russe – Geld – suspekt», unglaublich, meint Zihlmann. «Wenn man mit Vertretern des ersten Universums über das Seco redet, dann spürt man sehr viel Ärger über die defensive Haltung der Schweiz

Das Einhalten von rechtsstaatlichen Regeln, das Bestehen darauf, dass in der Schweiz Schweizer Verfahren und Gesetze gelten; statt sich da dummdreiste Anrempeleien aus dem Ausland zu verbitten, behauptet Zihlmann: «Es geht um das mörderische Regime von Putin und seiner Entourage. «Wir können leider nichts machen» ist die falsche Haltung dazu

Falsch, Zihlmann. Wir werfen deswegen unseren Rechtsstaat mitsamt seinen fundamentalen Prinzipien über Bord, das ist die kreuzfalsche Haltung dazu. Dass eine solche Wildwest-Meinung ungefiltert, ohne korrigiert zu werden einem Millionenpublikum serviert werden darf, ist eine mehr als bedenkliche Sittenverluderung im Hause Tx. Wenn es um seinen eigenen Ruf geht, bemüht Big Boss Pietro Supino schnell einmal die Gerichte. Geht es um den Ruf seines Hauses, bleibt er untätig.

Schmerzhaft peinlich

Oliver Zihlmann unterbietet alles, diese Schande für seinen Beruf.

«Jetzt äussert sich der frühere Topbeamte der USA Juan Zarate erstmals zu den Erwartungen an die Schweiz.» Der «Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia» (heisst das nicht «Tages-Anzeiger»?) hat einen Coup gelandet. Er hat Zarate ein Exklusiv-Interview entlockt. Bravo. Denn: «Er gehört zu den wichtigsten Experten, wenn es um die Umsetzung der Russlandsanktionen geht.»

Nur: exklusiv hat man das, was kein anderer will. Denn «Zarate war stellvertretender nationaler Sicherheitsberater der USA», prahlt Zihlmann. Was er nicht sagt: diese bedeutende Position hatte Zarate ein Jährchen lang inne. Von 2004 bis 2005. Unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush. Das ist der, der Massenvernichtungswaffen im Irak erfand. Und die «Achse des Bösen».

Zarate hingegen, dieser «wichtige Experte», ist seit 2014 für das «Institut für die religiösen Werke» (IOR) tätig, die hochkorrupte und dubiose Vatikanbank, auch bekannt als «ein Offshore-Paradies mitten in Europa». Dazu ist er bei zwei der zahlreichen Think Tanks in den USA an Bord. Diese qualifizierte Fachkraft darf sich nun zur Schweiz äussern. Zihlmann interviewt ihn – natürlich in der neuen Tagi-Tradition – dermassen unterwürfig und liebedienerisch, dass es einem beim Lesen übel wird. Teilweise stellt er nicht einmal mehr Fragen, sondern gibt lediglich Stichworte: «Die G-7 erwartet einen Sondereffort von der Schweiz wie nach 9/11.»

Zarate hingegen darf unwidersprochen Ungeheuerliches sagen. Eigentlich müsste man Zihlmann die Lizenz zum Journalistsein wegnehmen, so peinlich ist das: «Neutralität hilft nur noch Moskau», behauptet der Vatikan-Mann zum Beispiel. Vielleicht hätte man ihn fragen können, wieso dann seine IOR-Bank die Sanktionen nicht mitträgt, oder was er von der scharfen Kritik des Papstes hält, der imperiale Interessen als Kriegsursache sieht und klar urteilt: «Man führt Krieg, verkauft die alten Waffen und probiert neue aus

Aber das hätte ja etwas Recherche, etwas Vorbereitung bedeutet, und dafür ist der «Co-Leiter» irgendwie nicht qualifiziert. Auch ohne solche Bemühungen: Der Satz, dass Neutralität nur Moskau helfe, ist von einer solch impertinenten Dummheit, dass jeder anständige Journalist eingehakt hätte. Der Satz ist so bescheuert, wie wenn man während des Zweiten Weltkriegs behauptet hätte, die Schweizer Neutralität helfe nur Berlin oder Hitler-Deutschland.

Zarate darf das ganze Interview hindurch unwidersprochen eine fragwürdige Aussage auf die nächste stapeln: Länder wie die Schweiz müssten verstehen, «dass es sich im Fall Russland zwar effektiv um normale Sanktionen handelt wie zum Beispiel gegen Nordkorea. Politisch und strategisch sind sie aber viel relevanter».

Ein reiner Nonsens-Satz, abgesehen davon, dass diese relevanteren Sanktionen gegen Russland lediglich von einer Handvoll Staaten mitgetragen werden; wenn man die EU als ein Gebilde betrachtet, sind es gerade mal 10 von 199.

Denn Gipfelpunkt der Unverfrorenheit erreicht Zarate, der «weltweit führende Sanktionsexperte» –wahrscheinlich mit Gottes Segen – hier: «Es wird klar erwartet, dass jedes Land aktiv die Netzwerke der Russen bei sich aufdeckt und diese Informationen unaufgefordert mit den anderen teilt. Einfach nur zu reagieren, also auf Sanktionen anderer Staaten zu warten und diese rein technisch umzusetzen, ist zu passiv. Wird ein für die Russen wichtiger Finanzplatz wie die Schweiz hier als Bremser wahrgenommen, kann das sehr schnell zum Problem werden

Netzwerke der Russen aufdecken? Solch Unsinn mag vielleicht im Vatikan praktiziert werden, in einem Rechtsstaat wie der Schweiz ist das dann doch etwas komplizierter. Immerhin räumt Zarate ein: «Natürlich, es muss rechtlich korrekt ablaufen. Die Fakten müssen stimmen. Die Schweiz oder jedes andere Land kann nach einer Prüfung zum Schluss kommen, dass diese Villa oder jene Firma nicht blockiert werden muss. Das wird niemand kritisieren.»

Dann kann er es wieder nicht lassen, sein mehr als fragwürdiges Verständnis der Grundprinzipien eines Rechtsstaats raushängen zu lassen: «Aber entscheidend ist, dass man alle diese Vermögen aktiv sucht und prüft.» Mit anderen Worten: Es gilt nicht mehr die Unschuldsvermutung, das Prinzip eines Anfangsverdachts. Sondern:

«all diese Vermögen stecken seit letztem Jahr unter einem Generalverdacht

Das ist ein Satz, der deswegen ganz übel riecht, weil man hier statt Russen nur eine andere Bezeichnung einsetzen müsste, und schon wäre man wieder mitten in den dunklen Zeiten des Hitler-Faschismus. Damit keine Missverständnisse aufkommen, wes Geistes Kind Zarate ist, doppelt er nach:

«Die Vermögensnetzwerke der Russen sind jetzt von sich aus suspekt. Sollte sich nach Ermittlungen herausstellen, dass alles in Ordnung ist, dann ist das gut. Aber man muss sie zwingend prüfen. Dieser Übergang zu einem generellen Korruptionsverdacht ist ein entscheidender globaler Wandel

Die Frage, die Zihlmann (neben vielen anderen) hier nicht stellte: Sie fordern also, dass die Schweiz ihre Neutralität noch mehr aufgibt, nicht nur alle EU- und USA-Sanktionen gehorsam übernimmt, sondern dass sie fundamentale Prinzipien ihres Rechtssystems über Bord wirft und einen Generalverdacht gegen Russen ausspricht, die dann beweisen müssen, dass mit ihren Vermögenswerten alles in Ordnung ist, eine glatte Umkehr der Unschuldsvermutung?

Nicht nur deswegen, sondern weil dieses Interview Bestandteil einer ganzen Kampagne ist, die das Recherchedesk des «Tages-Anzeiger» losgetreten hat, ist Zihlmann eine Schande seines Berufs. Damit ist er allerdings auf seiner Redaktion in guter, schlechter Gesellschaft.

Mehr als ein Geschmäckle hat die Tatsache, dass diese Kampagne rechtzeitig zur Debatte über die «Lex Ukraine» im Nationalrat losgetreten wurde. Aber auch hier muss Tamedia eine Niederlage einstecken: die Ausnahmeregelung für die Weitergabe von Schweizer Waffen via Drittstaaten an die Ukraine wurde im Nationalrat bachab geschickt.

 

Nur die allerdümmsten Kälber …

Neben Genderfragen beschäftigt Tamedia Unterwürfigkeit sehr.

«Hinter der Trommel her
Trotten die Kälber                                 
Das Fell für die Trommel                          
Liefern sie selber.»

Das ist von Bertolt Brecht. Es ist denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich, dass Oliver Zihlmann oder Christian Brönnimann, die beiden Heros vom «Recherchedesk» von Tamedia, es kennen. Normalerweise beschäftigen sie sich mit dem Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen, die sie als «Leaks» oder «Papers» schönreden.

Nun haben sie ein anderes Thema auf die Hörner genommen:

Die USA hätten bereits «16 Schweizer Personen und 14 Schweizer Firmen auf ihre Sanktionsliste gesetzt». Sauber recherchiert, nur wären hier die Fragen: aufgrund welcher Kriterien, welcher Indizien, mit welcher Begründung? Haben sich die Betroffenen tatsächlich eines Verstosses gegen die Sanktionsbestimmungen schuldig gemacht? Wer hat das wo entschieden? Werden hier US-Gesetze oder Schweizer Bestimmungen angewendet? Handelt es sich wieder um einen rechtsimperialistischen Übergriff der USA?

Das alles wären interessante Fragen für Recherchierjournalisten. Daher fühlen sich Zihlmann und Brönnimann davon nicht angesprochen.

Nun haben sich die beiden Asse den Brief nochmals vorgenommen, den die Botschafter der G-7-Staaten an den Bundesrat richteten. Tapfer unterschrieben von allen:

Der US-Botschafter hatte die Schweiz bereits mit dem Loch in der Mitte eines Donuts verglichen, was ihre Teilnahme an den Sanktionen betrifft. Das wären eigentlich zwei Gründe gewesen, ihn zur persona non grata zu erklären. Erstens der Vergleich als solcher, zweitens die Verwendung des Donuts, ein grauenhaftes US-Süssgebäck.

In diesem Brief vom April wird die Schweiz nun nochmals aufgefordert, «verdächtige Finanzstrukturen aktiv zu untersuchen». Mehr noch: «Das Schreiben ignoriert die üblichen diplomatischen Gepflogenheiten und kritisiert die Schweiz massiv für ihr zögerliches Sanktionsregime.»

Um hier die Kirche im Dorf und das Loch im Donut zu lassen: Die Schweiz übernimmt sklavisch und ohne Prüfung alle neuen Sanktionslisten der EU und der USA. Wie klug das für einen neutralen Staat ist, sei dahingestellt. Die rechtsstaatlichen Implikationen sind hingegen gravierend und beunruhigend. Denn ein von solchen Sanktionen Betroffener hat keine Möglichkeit, sich auf dem Rechtsweg dagegen zu wehren.

Das ist ein Skandal, nicht mehr und nicht weniger. Er kann sich lediglich an den Bundesrat wenden, der damit die Aufgaben der Exekutive, Legislative und Judikative auf sich vereint. Ein Skandal. Allerdings beantwortet der Bundesrat solche Anschreiben schlichtweg nicht, sondern schmeisst sie in den Papierkorb. Ein weiterer Skandal.

Darüber hätte dieses Duo von angeblichen Recherchierjournalisten auch schreiben können. Tat es aber nicht. Denn es betreibt keinen Recherchier-, sondern einen Thesenjournalismus. Und die These ist: die Schweiz beteilige sich zu wenig an den internationalen Sanktionen gegen Russland. Aber immerhin mehr als die überwältigende Mehrheit aller Staaten. Denn lediglich 36 Länder haben Sanktionen gegen Russland beschlossen. Zählt man die EU als eine Staatenunion, sind es noch ganze 10, von 199 Staaten auf der Welt.

Aber auch das interessiert die beiden einen feuchten Furz. Stattdessen kommen sie zum Höhepunkt, zum wirklichen Knaller ihrer «Recherche»: «Liechtenstein zeigt, wie man es besser macht.» Liechtenstein? Das Raubritter-Fürstentum in der Mitte Europas, in dem wenige Treuhänder unablässig für Riesenskandale sorgen, die fürstliche Justiz weder willig noch fähig ist, diesen Sumpf auszutrocknen? Wo Stiftungen dekantiert, ausgenommen und bestohlen werden, die Besitzer am ausgestreckten Arm der Justiz gehalten werden, bis sie nach Jahren aufgeben?

Selten so gelacht. Aber nun marschieren die beiden in die Zielgerade: «Im Laufe des Jahres 2022 wuchs in den diplomatischen Vertretungen der G-7 und der EU in Bern die Frustration. Meint die Schweiz es ernst mit den Sanktionen? Oder macht sie nur mit, damit sie nicht weiter unter Druck gerät

Der «Londoner Sanktionsexperte Tom Keatinge» bekommt dann das Schlusswort: Nach dem Problem mit dem Bankgeheimnis sei es nun so: «Wenn jetzt in den Hauptstädten der G-7 ein Verdacht aufkommt, dass die Schweiz den Russen hilft, und sei es nur durch Untätigkeit, dann sind viele bereit, das sofort zu glauben. Das ist politisch brandgefährlich.»

Vielleicht sollte man die beiden tapferen Eidgenossen darauf aufmerksam machen, dass die Schweizer Politik eigentlich in Bern gemacht wird. In den «Hauptstädten der G-7» Stirnrunzeln oder schallendes Gelächter ausbrechen würde, wenn die Schweiz sich dort mit irgendwelchen «Verdächten» melden würde.

Den Russen helfen? Durch Untätigkeit? Das Einzige, was in der Schweiz zählen sollte, ist das Befolgen der Regeln des Schweizer Rechtsstaats. Die Anwendung von Notrecht – oder gar das Einknicken vor Drohungen aus dem Ausland – war noch nie eine gute Idee.

Wenn die G-7 oder die wenigen anderen Staaten, die diese Sanktionen anwenden, sich einen feuchten Kehricht für ihre eigenen Gesetze interessieren, für Rechtsstaatlichkeit, für die fundamentale Eigentumsgarantie, um die Möglichkeit jedes gerade von staatlichen Massnahmen Betroffenen, sich dagegen rechtlich wehren zu können, dann ist das deren Problem. Sie werden die Auswirkungen davon zu tragen haben.

Aber es ist sicherlich nicht ratsam, dass sich die Schweiz auf diesen schlüpfrigen Boden begibt. Dass hier ungeniert und ohne Rücksicht auf diplomatische Gepflogenheiten gedroht wird, ist eine Unverschämtheit. Dass willige Schreiberlinge dem applaudieren, ist eine Dummheit.

Sippenhaft beim Tagi?

Vermutungs-Journalismus vom Schlechtesten.

Was machen die angeblichen Investigativ-Journalisten Christian Brönnimann und Oliver Zihlmann, wenn mal gerade keine gestohlenen Geschäftsunterlagen als Hehlerware zu «Leaks» und «Papers» hochgeschrieben werden können? Abgesehen davon, dass die letzten Versuche eher kläglich verröchelten.

Sie betreiben Unterstellungs- und Vermutungsjournalismus. Nach der alten Devise: hau einen knackigen Titel raus und versuche dann, dem im Text hinterherzurennen. Aktuelles Beispiel: «Der Präsident der Schweizer Fussballliga gerät in den Russland-Strudel». Wahnsinn. Nur: was ist da genau los?

Während dieses journalistische Dreamteam sich in einem Strudel schwindlig schreibt, ist die Wahrheit viel prosaischer. Es gibt in den USA die völlig unkontrollierte Dunkelkammer OFAC. Das ist eine dem Schatzministerium angeschlossene Behörde mit dem hübschen Namen «Office of Foreign Assets Control».

Diese OFAC, dieses «Büro für die Kontrolle ausländischen Kapitals», ist dem «Untersekretär für Terrorismus und finanziellem Geheimdienst» unterstellt. Es erlässt Sanktionsprogramme, so rund 25 an der Zahl, die durch «Anordnung des Präsidenten» beschlossen werden. Dieses Exekutivrecht stammt aus den Zeiten des «Trading with the Enemy Act» von 1917. Eine Massnahme aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, mit welcher der Präsident die Möglichkeit bekam, ohne Federlesen US-Bürgern oder -Firmen zu verbieten, mit feindlichen Staaten Geschäftsbeziehungen zu unterhalten.

Niemand weiss, aus welchen Gründen Länder wie Kuba, Firmen wie BNP Paribas oder auch Individuen auf eine Sanktionsliste des OFAC kommen. Niemand hat das Recht oder die Möglichkeit, mit juristischen Mitteln seine Entfernung zu verlangen. Also ein Prunkstück eines Repressionsorgans, das jeglicher Rechtsstaatlichkeit Hohn spricht.

Das alles müsste man wissen; vielleicht wissen es sogar Brönnimann/Zihlmann. Aber davon wollen die beiden Cracks sich doch keine knallige Schlagzeile kaputtmachen lassen. Denn dieses OFAC hat den russischen Geschäftsmann Suleiman Kerimov auf seine Sanktionsliste gesetzt. Der gehöre zum innersten Zirkel des russischen Machthabers Putin. Lassen wir dahingestellt, ob an dem Vorwurf etwas dran ist oder nicht.

Nun hat das OFAC Anfang dieser Woche nachgelegt und behauptet, der Luzerner Treuhänder und Geschäftsmann Alexander Studhalter habe «beträchtliche Geldbeträge für Kerimov gewaschen». Deshalb kommt er und sechs weitere Schweizer Bürger auch auf diese Sanktionsliste. Natürlich ohne jeglichen Beweis, natürlich unter imperialistischer Ausweitung der Gültigkeit von US-Gesetzen auch ausserhalb der USA.

Das alles ist nun zum grossen Bedauern von Brönnimann/Zihlmann schon bekannt. Ebenso, dass Studhalter alle Anschuldigungen scharf zurückweist und unter anderem klarstellt, dass er seit 2013 keine geschäftlichen Beziehungen mit Kerimov mehr unterhalte. Auch das lassen wir mal dahingestellt.

Nun hat Studhalter nicht nur zwei Söhne, sondern auch noch einen Bruder. Die Söhne stehen auch auf der Sanktionsliste, Bruder Philipp hingegen nicht. Der ist ebenfalls Anwalt und, da wird’s strudelig, Präsident der Swiss Football League.

Das ist mal super, nun muss nur noch irgendwie Russland in den Strudel. Nun war Philipp Studhalter anscheinend im VR einer Firma namens MG International AG in Luzern, die «früher Kerimov gehörte». Aha. Studhalter war das in den Jahren 2008 bis 2018, will der Tagi herausgefunden haben. Lange vor Sanktionen gegen Karimov, lange vor dem Ukrainekrieg.

Nun kommen wir zum Höhepunkt der strubbeligen Beweisführung dieses Duos Infernal: «Noch Anfang 2018 verfasste Philipp Studhalter zwei Referenzschreiben für den Sohn und die Tochter von Kerimow.» Das ist nun sozusagen doppelte Sippenhaft. Philipp Studhalter ist weder sanktioniert, noch liegt irgend etwas gegen ihn vor. Ausser, dass er der Bruder des sanktionierten Studhalters ist und vor Jahren geschäftlich mit Karimov verbandelt war. Zudem sagt er: «In der heutigen Ausgangslage würde ich diese Referenzschreiben selbstverständlich nicht redigieren.»

Aber die Anhänger der Sippenhaft beim Tagi rüpeln maliziös: «Dennoch stellt sich die Frage: Sind die früheren Aktivitäten Philipp Studhalters für Kerimows Familie mit seinen öffentlichkeitswirksamen Ämtern im Schweizer Fussball vereinbar

Nein, die eigentliche Frage ist: Ist das Verfassen eines solchen Schmierenartikels mit dem Anspruch, ein seriöses Qualitätsorgan zu sein, vereinbar? Da fällt die Antwort leicht

Weniger leicht fällt es dem Dreamteam Brönnimann/Zihlmann, ihrerseits auf eine journalistische Anfrage zu reagieren. ZACKBUM hatte den beiden Qualitätsjournalisten ein paar Fragen gestellt und um Antwort gebeten. Journalistische Ethik, Anstand oder minime Höflichkeit würden gebieten, wenigstens zu reagieren. Aber im Angriff sind die beiden gross, im Verteidigen oder Rechtfertigen klitzeklein. Feige Angstbeisser halt.

Dabei drängten sich unter anderen diese Fragen auf:

Philipp Studhalter steht offenbar (bislang) auf keiner US-Sanktionsliste. Sie werfen ihm aber vor, bis 2018 im VR einer Firma gesessen zu haben und in diesem Jahr Referenzschreiben für Kinder von Karimov verfasst zu haben. Was genau ist daran anrüchig oder verdächtig?
Sie stellen die Frage, ob diese Aktivitäten mit dem Präsidium der Swiss Football League vereinbar seien. Wieso nicht?
Halten Sie die Anwendung von doppelter Sippenhaft, ein unbescholtener Studhalter-Bruder schreibt Refrenzschreiben für Karimovs Kinder im Jahre 2018, für anständig und statthaft?
Sie behaupten, dieser Studhalter gerate in einen sogenannten Russland-Strudel. Ist es nicht vielmehr so, dass Sie selbst diesen Strudel schreiberisch herstellen?
Ist die Publikation eines solchen Vermutung- und Verleumdungsartikels, der auf wenigen und Jahre zurückliegenden Handlungen beruht, mit den hohen Qualitätsstandards eines seriösen Medienorgans vereinbar?
Zumindest die letzte Frage wurde indirekt beantwortet. Die beiden Gesellen arbeiten für ein Medienhaus, das längst jeden Anspruch an Qualität oder Verantwortlichkeit aufgegeben hat. Daher passen sie prima dorthin.

Weinerlichkeiten

Tamedia traute sich nicht, gestohlene Bankdaten zu veröffentlichen. Nun wird nachgetreten.

Es gibt eine «UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit». Dieses Amt wird zurzeit von Irene Khan ausgeübt. In ihrem jüngsten Bericht kritisiert sie die Schweiz scharf.

Die Juristin aus Bangladesh machte in der UNO-Bürokratie Karriere, bis sie 2001 Generalsekretärin bei Amnesty International (AI) wurde. Von diesem Amt trat sie 2009 zurück. Aufsehen erregten ihre Bezüge (632’000 Franken), deren Publikation sie mit einer Geheimklausel im Vertrag verhindern wollte.

In diesem Zusammenhang ist ihr also Privatsphäre, vor allem im Finanziellen, durchaus wichtig. Das hindert sie aber nicht daran, die Schweiz scharf zu kritisieren, weil nach deren Bankengesetz Daten, die aus Banken gestohlen wurden, nicht veröffentlicht werden dürfen. Bzw. es drohen Strafen, wird dawider gehandelt.

2021 kritisierte AI ein drakonisches neues Sicherheitsgesetz in Bangladesch scharf und forderte die dortigen Behörden auf, sie «müssen die massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet aufheben».

Das interessiert Khan hingegen weniger. Oliver Zihlmann, «Co-Leiter Recherchedesk Tamedia», traute sich wegen dieses Gesetzes nicht, aus der Credit Suisse gestohlene Daten auszuwerten. Das hatte er bereits ungeniert bei anderen Diebstählen gemacht, nur fanden die in weit entfernten Ländern wie Panama statt. In recht postkolonialistischer Manier war das Zihlmann egal; aber den Arm der Schweizer Justiz fürchtete er dann doch. Maxime: Hehlerware ausschlachten, immer gerne. Aber nur dann, wenn damit keine juristische Gefahr verbunden ist.

Ein völlig unvoreingenommenes Interview

Zihlmann eignet sich also ausgezeichnet, ohne Voreingenommenheit die UNO-Berichterstatterin zu interviewen. Die weiss: «Der pauschale Schutz des Bankgeheimnisses im Schweizer Gesetz verstösst gegen internationales Recht.» Denn laut der Juristin verstosse das «gegen die Menschenrechte», weil die «Weitergabe» von gestohlenen Bankdaten mit hohen Strafen belegt würden, «unabhängig davon, ob solche Daten auch im öffentlichen Interesse» stünden.

Dann operiert Khan mit der interessanten Konstruktion, dass es zwar schon möglich sei, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Das müsse aber «notwendig und verhältnismässig sein und darf nur dazu dienen, die Rechte und den Ruf anderer zu achten oder die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, die öffentliche Moral und die öffentliche Gesundheit zu schützen». Daraus ergebe sich im Fall der Schweiz eine Vorzensur, eine Zensur, die Medien dürften nicht recherchieren, «ein klarer Verstoss gegen die Meinungsfreiheit».

Selbst dem juristischen Laien fällt hier auf, dass diese Behauptungen mit Widersprüchen gespickt sind. Bankdaten gehören eindeutig zur geschützten Sphäre eines Menschen oder einer Firma. Werden sie gestohlen und ausgeschlachtet, handelt es sich um die Verwendung von Hehlerware. Sieht ein Journalist trotz der Strafbedrohung ein öffentliches Interesse in der Publikation, muss er halt das Risiko auf sich nehmen, dafür bestraft zu werden.

Dieses Risiko geht jeder Whistleblower, jeder Assange, jeder Snowden ein. Aber weil Zihlmann dafür zu feige ist, lamentiert er lieber mit dieser Berichterstatterin über die unerträgliche Zensur in der Schweiz. Obwohl man hier, im Vergleich zu Bangladesch und anderen Unrechtstaaten, auf sehr hohem Niveau jammert. Immerhin räumt Khan ein: «Es gibt auf der einen Seite ein Recht auf Privatsphäre. Auf der anderen aber auch ein öffentliches Interesse, über illegale Finanzgeschäfte informiert zu werden

Das Problem ist dabei nur: aus den inzwischen Hunderttausenden von veröffentlichten gestohlenen Daten ergaben sich nur eine Handvoll von Strafverfahren weltweit, die in einer vergleichweise verschwindend geringen Zahl von Fällen zu Verurteilungen führten.

Trotz grossem Geheule und Gepolter in der Schweiz kam es allenfalls zu einer Handvoll Bussen, was in krassem Missverhältnis zum Geschrei über Briefkastenfirmen, kriminelle Handlungen, Steuerhinterziehung, Geschäfte mit Blutdiamanten oder Profite aus Menschenhandel steht, mit denen die diversen Datendiebstähle jeweils angepriesen wurden.

Khan legt sich wunschgemäss für Zihlmann in die Kurve:

«Das Schweizer Bankengesetz ist ein Beispiel für die Kriminalisierung von Journalismus. Das ist normalerweise ein Problem in autoritären Staaten.»

Man kann der Schweiz vieles vorwerfen, aber Kriminalisierung von Journalismus? Andersherum wird ein Schuh draus: in der Schweiz ist Journalismus immer öfter kriminell schlecht. So wie dieses Interview.