Blamables Laber-Interview
Anwalt Eckart Seith ist ein ausgesprochen mutiger Mann und deckte den Cum-Ex-Skandal auf. Tamedia quatscht ihn weg.
Es war ein kriminelles Gebastel, mit dem viele Beteiligte Milliarden verdienten, indem sie vor allem den deutschen Fiskus übers Ohr hauten. Es gelang ihnen, zweimal Steuern zurückzufordern, vereinfacht gesagt. In vorderster Linie war auch die Bank J. Safra Sarasin beteiligt; das kostete den letzten der Dynastie, Eric Sarasin, seinen Job, als die reiche Familie Safra die Bank schluckte.
Komplizierte Zusammenhänge, aber damals vom «SonntagsBlick» mundgerecht aufgearbeitet:
Und ja, der Artikel stammte von ZACKBUM-Redaktor René Zeyer, als man ihn noch im Hause Ringier schreiben liess. Während Seith seither in Deutschland als Held gefeiert wird, verfolgen ihn die Zürcher Strafverfolgungsbehörden bis heute, wegen angeblichem Verstoss gegen das Schweizer Bankgeheimnis.
Eine etwas komplizierte Kiste, also doch genau richtig für die Cracks vom sogenannten «Recherchedesk» des Tagi. Oliver Zihlmann ist dessen Co-Leiter: «Schwerpunkte seiner Berichterstattung sind vertiefte Recherchen – regelmässig in Kooperation mit internationalen Journalisten. Er ist Mitglied des International Consortium of Investigative Journalists ICIJ.»
Mit anderen Worten: er war daran beteiligt, dass von unbekannter Täterschaft gestohlene Geschäftsunterlagen als Hehlerware aufbereitet wurden, zu «Leaks», «Papers» und «Secrets» umbenannt, um dann mit ihrer Hilfe Ankläger, Richter und Henker zu spielen, indem nach undurchsichtigen Kriterien ausgewählte Personen an den medialen Pranger genagelt wurden.
Wie man inzwischen weiss, wurde die «Kooperation» internationaler Journalisten von einer Gruppe angefüttert, die ihrerseits von der US-Regierung mit Millionen finanziert wurde. Das mag erklären, wieso niemals die USA in all diesen Papers vorkamen. Obwohl dort die grössten Geldwaschmaschinen der Welt stehen, obwohl dort bis heute problemlos undurchsichtige Trusts und Holdings gebastelt werden können, nach der Devise «no questions asked».
Aber darüber schweigt das «Recherchedesk» peinlich berührt. Dafür ist Zihlmann aufgefallen, dass das Zürcher Obergericht darüber entscheidet, ob das Verfahren gegen Seith endlich eingestellt wird. Eine gute Gelegenheit, so als Recherchiercrack, mal kurz die Hintergründe des Falls auszuleuchten, der auch dem deutschen Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz Kopfzerbrechen bereitet, der sich einfach an nichts mehr erinnern mag.
Gute Gelegenheit, mal mit Anwalt Seith zu sprechen, der noch nie ein Blatt vor den Mund nahm. Gute Gelegenheit, die mehr als dubiose Rolle von J. Safra Sarasin auszuleuchten. Aber stattdessen:
Journalistisches Kleingeld, ein Interview. Ein Interview mit dem Verteidiger von Anwalt Seith. Mit Hammerfragen wie «Wird das Urteil auch politisch wichtig?» oder «Aber hat Eckart Seith dabei nicht das Bankgeheimnis verletzt?»
Aus dem müden Geplätscher von Frage und Antwort saugt Zihlmann dann den Aufreger-Titelquote: «Die deutsche Öffentlichkeit hat keinerlei Verständnis für die Schweiz». Und die Tagi-lesende Öffentlichkeit hat keinerlei Verständnis dafür, wieso das sogenannte Qualitätsorgan es nicht fertigkriegt, anlässlich dieses Prozesses nochmal die üblen Hintergründe des Cum-Ex-Skandals, die vielen Spuren in die Schweiz und das tapfere Verhalten der Schweizer Steuerbehörden aufzurollen.
Da wäre ein hübscher Finanzkrimi mit allen saftigen Details zu erzählen, wie der letzte der Sarasins reiche Deutsche einseifte und umgarnte, wie der ehemalige Steuerbeamte Hanno Berger den ganzen Betrug erfand und meinte, im Alpenreduit vor dem Zugriff der deutschen Staatsanwaltschaft sicher zu sein. Und es sogar schaffte, Wirtschaftsjournalisten so vollzuquatschen, dass sie ihm abnahmen, dass das die legale Ausnützung einer Gesetzeslücke sei. Es wäre die Unfähigkeit der deutschen Finanzminister zu erwähnen, es gäbe wirklich viel Unterhaltsames zu erzählen.
Nicht mal die Begründung, mit der Seith die Einstellung des Verfahrens beantragt, ist Zihlmann eine Frage wert. Seith hat nämlich erfolgreich – das Obergericht stellte das Verfahren am Donnerstag ein – bemängelt, dass einer der Staatsanwälte befangen gewesen sei. So wurde den Beschuldigten beispielsweise Akteneinsicht verweigert, rechtsstaatlich ungeheuerlich.
Es hätte also wahrlich einiges zu berichten gegeben.
Wenn man den Finger aus einer dafür nicht vorgesehenen Körperöffnung nehmen würde. Aber offenbar kommt das Recherchedesk nur mehr auf Touren, wenn ihm aus unbekannter Quelle ein Datenberg vor die Haustüre gekippt wird.
Stattdessen ein nicht mal an der Oberfläche kratzendes Interview mit dem Anwalt des Anwalts. Das jeder Praktikant auch nicht schlechter abgeliefert hätte. Bei dem jeder qualitätsbewusste Ressortleiter hätte sagen müssen: und wenn wir die Luft rauslassen, könnte das nicht auch eine Meldung auf fünf Zeilen werden?
Ach, Simon Bärtschi, der Qualitätsguru des Hauses, hätte eigentlich so viel zu tun. Was zur Frage verleitet: was tut er eigentlich so? Und gibt es ihn überhaupt noch?