Schlagwortarchiv für: Oligarch

Schnäppchen

Bis gestern konnte man auf diese Yacht bieten. Auktion, schlappe 70 Mio. wert.

Zugegeben, es gibt grösser Yachten. Und neuere. Diese ist 2013 gebaut, hat die üblichen Annehmlichkeiten, kann 177’000 Liter Sprit tanken, auf 17 Knoten (33 km/h) beschleunigen und bei einer sparsamen Geschwindigkeit von 8 Knoten 5000 nautische Meilen (9260 km) zurücklegen, ohne nachzutanken. Eigentlich wäre sie so schlappe 70 Millionen Dollar wert, aber bei einer Auktion weiss man ja nie.

Vor allem, wenn es eine Zwangsauktion ist. Eigentlich gehört die Yacht dem Milliardär Dmitri Pumpyansky. Konnte der etwa die Benzinrechnung nicht bezahlen? Wurde die letzte Kaviar- und Wodkalieferung nicht beglichen? Nein, keines davon. Im Rahmen der Sanktionen wurde die Yacht im Hafen von Gibraltar beschlagnahmt. Denn der Besitzer ist natürlich ein russischer Milliardär.

Nun dürfen aber eigentlich beschlagnahmte Besitztümer nicht einfach verkloppt werden, heisst es doch immer. Auch wenn es ständig Forderungen gibt, auch in der Schweiz, dass man alles bei reichen Oligarchen Beschlagnahmte doch verkaufen sollte – um mit dem Erlös irgendwie die Ukraine zu beschenken. Was eine tolle Idee wäre, weil dort die Gesellschaft mindestens so korrupt ist wie in Russland.

Wieso dann diese Ausnahme? Weil der Milliardär einen Kredit an die US-Bank JP Morgan nicht zurückzahlen kann. Aha, und da hat dann die Bank in Gibraltar vorgesprochen, und die englische Gerichtsbarkeit hat in ihrer unendlichen Weisheit beschlossen: gut, wenn der nicht zahlt, dann wird verwertet. Und da haben wir ja zufällig seine Yacht bei uns im Hafen dümpeln. Die ist beschlagnahmt und stört, also weg damit.

Nun gut, wenn der Milliardär nicht zahlt, dann ist es doch wie bei jedem Schuldner üblich, dass man dann halt verwertet, was rumsteht und nicht lebensnotwendig gebraucht wird. Und selbst ein russischer Oligarch braucht nun keine Yacht zum Überleben. Aber wieso zahlt er denn nicht? Ganz einfach, er könnte schon, aber JP Morgan darf wegen den Sanktionen kein Geld von ihm annehmen.

Das nennt man auf Englisch «Catch 22». Der Doppeltrick. Was, Sie wollen und können Ihren Kredit zurückzahlen? So sorry, aber wir können ihr Geld nicht annehmen, damit ist der Kredit überfällig und wir verwerten.

Dabei gibt es noch ein weiteres Problem. Der Kredit läuft laut «Blick» über rund 20,4 Millionen US-Dollar. Es ist doch anzunehmen, dass bei der Versteigerung einer 70-Millionen-Yacht etwas mehr in die Kasse des Auktionshauses gespült wird. Davon gehen dann 20,4 Mio. an die Bank, das Auktionshaus kassiert auch für seine Bemühungen. Gibraltar wird die Liegegebühren geltend machen. Aber es bleibt wohl noch das eine oder andere Milliönchen übrig. Kriegt das nun der weiterhin rechtmässige Besitzer der Yacht? Aber nein, der ist doch sanktioniert.

Hat das alles etwas mit Rechtsstaat, Eigentumsgarantie, Unschuldsvermutung, kein Eingriff ohne rechtliche Grundlage und ohne die Möglichkeit, sich vor Gericht dagegen zu wehren, zu tun? Die Frage stellen, heisst sie beantworten.

Ausser, man kehrt ins Faustrecht und die Willkür zurück und sagt: reich, Russe, sowieso ein Gangster, der sein Vermögen gestohlen hat. Beweis? Beweis überflüssig. Gerichtsverfahren? Überflüssig. Urteil? Überflüssig.

Eigentum war gestern

Feuchte Revolutionsträume werden wahr. Nehmt den Reichen ihr Geld weg! Heuchelei und Doppelmoral, Part II.

Nach der Oktoberrevolution von 1917 flüchteten viele reiche Russen ins Ausland, auch in die Schweiz. Oftmals konnten sie nur einen kleinen Teil ihrer Vermögen mitnehmen, meistens in Form von Kunstwerken oder Fabergé-Eiern oder Ähnlichem.

Während ihre Besitztümer in Russland enteignet und verstaatlicht wurden, verliessen sich die reichen Russen darauf, dass im Kapitalismus Eigentum respektiert und nicht angetastet wird. Damit hatten sie Recht, und ihre Nachkommen leben zum Teil heute noch in der Schweiz. Angenehm und wohlhabend.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR und den wildwest-kapitalistischen Zuständen ab Anfang der 90er-Jahre hielten es viele reich gewordene Russen für eine gute Idee, ihre Reichtümer und sich selbst im Ausland in Sicherheit zu bringen. Denn der neue Alleinherrscher Wladimir Putin exekutierte am reichsten Oligarchen ein Exempel, nahm dem fast seine gesamten Besitztümer weg und steckte ihn für ein paar Jahre in ein Arbeitslager.

Das alles überlebte Michail Chodorkowski nur deswegen, damit er als abschreckendes Beispiel Kunde davon geben konnte, dass es keine gute Idee ist, sich dem Machtanspruch Putins in den Weg zu stellen.

Andere Oligarchen starben im Ausland unter merkwürdigen Umständen, wenn sie meinten, aus der Sicherheit des Exils in London kritische Bemerkungen Richtung Putin machen zu können.

Eigentum ist im Westen sicher – oder auch nicht

Aber ob Putin-Sympathisant oder -gegner: alle reichen Russen waren sich sicher, dass hier im Westen Eigentum, Besitz respektiert wird. Dass nicht plötzlich und nach vielen Jahren gefragt wird, wie und wo denn diese Vermögen erworben wurden. Dass der reiche Russe nicht plötzlich auf sogenannte Sanktionslisten gerät. Einfach deshalb, weil er in irgendwelchen Listen von Superreichen auftaucht, einen russischen Nachnamen trägt und zu allem Übel irgendwann einmal mit Putin zusammen fotografiert wurde.

Selbst das muss nicht sein, reich und Russe reicht heutzutage, um sein Geld loszuwerden. Und seine Jacht. Und seine Villa. Und seine Autosammlung. Und seine Fabergé-Eier. Und seinen Aktienbesitz. Dass von einem Tag auf den anderen Konten gesperrt werden und Kreditkarten nicht mehr funktionieren: Kollateralschaden, wenn schon, denn schon.

Nun ist die Begründung der Beschlagnahme bereits recht dünn. Durch Geschäfte in Russland reich geworden, kein öffentlicher Widerspruch an der Invasion der Ukraine, immer noch Firmenbesitz in Russland: reicht. Ausser, der Russe ist zwar reich und Putin-nah, aber er spielt eine gewichtige Rolle im Rohstoffhandel. Dann ist er (vorläufig) noch aus dem Schneider und kann schauen, wie er seine Vermögenswerte rechtzeitig in Sicherheit bringt.

Beschlagnahme und Verwertung und Diebstahl

Beschlagnahme heisst, dass Gelder, Konten, Jachten, Besitztümer dem Zugriff des Besitzers entzogen werden. Aber ansonsten unangetastet bleiben. Nun vermeldet die «SonntagsZeitung»:

«Nächste Woche wird die SP im Nationalrat eine Motion einreichen, die verlangt, dass die Schweiz autonom Gelder von sanktionierten Personen nicht nur einfrieren, sondern «einziehen und einem bestimmten Zweck zuführen kann».

Dass die SP ihren alten Traum noch nicht aufgegeben hat, den Reichen ihr Geld wegzunehmen, um es einer angeblich besseren Verwendung zuzuführen, logo. «Ich unterstütze es, wenn wir die konfiszierten Gelder aus Russland als eine Art Akontozahlung für den Wiederaufbau verwenden.» Dass das der Rechtsanwalt und FDP-Vizepräsident Andrea Caroni sagt, verblüfft hingegen.

Immerhin sieht Caroni noch eine Chance für reiche Russen, diesem Schicksal zu entgehen: «Diesen Leuten müsse man zumindest die Möglichkeit einräumen, sich definitiv von Putin loszusagen, um von den Sanktionslisten gestrichen zu werden.»

Bereue, schwöre ab, sage dich vom Satan los; so forderte das die katholische Kirche im Mittelalter ein, und war der Sünder nicht willig, dann überzeugte ihn die Streckbank oder ins Maul gegossenes glutheisses Blei.

Ukraine ändert die Rechtmässigkeit von Besitz

Zu solchen Methoden greifen aufgeklärte Zeitgenossen natürlich nicht mehr. Sie vergreifen sich ja auch nicht am Körper des reichen Russen, sondern an seinem Eigentum. Das zum Teil mehr als 30 Jahre lang in der Schweiz sehr willkommen war, von Bankern gehegt und gepflegt wurde, von Immobilienmaklern gerne entgegengenommen, und überhaupt die Luxusindustrie in der Schweiz freute sich zusammen mit Hotel- und Restaurantbesitzern, dass neureiche Russen es gerne krachen lassen und klaglos die Folgen bezahlen.

Aber die Ukraine ändert das alles. Fertig Toleranz, so geht das nicht. Wer sein Vermögen im Umfeld eines Unrechtsregimes erworben hat, das zudem einen schmutzigen Krieg führt, dem soll es weggenommen, verwertet und einem guten Zweck zugeführt werden.

Das gilt dann doch hoffentlich für alle, oder nicht? Oder nicht, denn bislang ist kein einziger Fall bekannt, dass einem saudischen Scheich in der Schweiz seine Besitztümer beschlagnahmt oder gar verwertet wurden. Obwohl der sein Geld auch im Umfeld eines Unrechtsregimes erworben hat, das zudem einen schmutzigen Krieg führt, und zwar schon seit acht Jahren im Jemen.

Heuchelei und Doppelmoral im Doppelpack

Wieso wird denn dann beim Scheich nicht der gleiche Massstab angelegt? Gibt es irgendwelche sachdienlichen Hinweise auf Unterschiede zum Oligarchen? Nein, es gibt keinen einzigen. Diese bodenlose Heuchelei und Doppelmoral erklärt sich nur daraus, dass Saudi-Arabien ein Verbündeter des Westens ist, dessen schmutziger Krieg mit milliardenschweren Waffenlieferungen unterstützt wird. Und von dem der Westen noch abhängiger sein wird, wenn tatsächlich ein Ölembargo gegen Russland zustande kommt.

Der wichtigste Grundpfeiler einer aufgeklärten kapitalistischen Gesellschaft wird ohne Not angesägt. Die Eigentumsgarantie ist zwar nicht unbegrenzt, aber Enteignung darf nur nach einem rechtsstaatlichen Prozedere erfolgen. Eigentlich. Beschlagnahmung ist in der Sanktionsgesetzgebung sogar vorgesehen. Aber Verwertung und Wegnahme nicht.

Warum nicht andere auch enteignen?

Sollte das passieren, hätten wir eine absurde Wiederholung der Geschichte. Nur werden diesmal nicht von Russland, sondern von der Schweiz Vermögenswerte reicher Russen geklaut.

Als Sahnehäubchen servieren uns hier alle, die für solche Sanktionen sind und die Enteignung russischer Reicher mit viel Moralinsäure fordern, einen widerlichen Anblick von Doppelmoral, von unterschiedlichen Massstäben. Denn jede Massnahme gegen eine reichen Russen, die nicht auch gegen einen reichen Saudi gerichtet ist, enthält eine Riesenportion an Heuchelei.

Und wenn wir schon dabei sind: wie wäre es denn mit der Enteignung reicher Amis? Solcher, die am schmutzigen Krieg in Vietnam verdient haben, am völkerrechtswidrigen Einfall im Irak. Am völkerrechtswidrigen Eingreifen in Ex-Jugoslawien. Oder gleich, da kämen dann noch Engländer, Franzosen und Deutsche dazu, wieso nicht Enteignung von allen Profiteuren am schmutzigen Krieg im Jemen? Das Land hätte es nach 8 Jahren Gemetzel und Zerstörung auch dringend nötig, etwas Aufbauhilfe zu bekommen.

Es ist leider zu befürchten, dass nicht alle, aber einige russische Reiche einen intakteren moralischen Kompass haben als all diese Politiker in der Schweiz, die populistisch Enteignung, Verwertung und Umnutzung von Privatvermögen fordern.

Kleine Abschlussfrage: Gibt es denn keinen einzigen Schweizer, der von Putins Regime profitiert hat? Den gibt es sicherlich, und wieso sollte der sein Vermögen behalten dürfen?

Reich, Russe: rasieren!

Reich, Russe, Jacht. Drei Gründe für eine Beschlagnahme.

Über Jahre hinweg waren reiche Russen, sogenannte Oligarchen, gern gesehene Gäste. Nicht überall, manche Hotels belegten sie mit einem Bann, weil sie sich nicht immer zivilisiert benahmen.

Die gute Nachricht war jeweils, dass der reiche Russe nach dem teuersten Wein auf der Karte suchte – und gleich drei Flaschen bestellte. Die schlechte, dass er sie auch trank und spätestens nach ein paar nachgeschenkten Wodkas eher lautstark und unangenehm wurde.

Aber das war sozusagen ein kleiner Kollateralschaden. Pelzgeschäfte, Luxusboutiquen, Immobilienmakler, Kunstauktionen (insbesondere Fabergé-Eier), Privatschulen, aber auch Steuerbehörden: alle profitierten gerne. Natürlich auch Banken, die eigens ein Russland-Desk mit kampferprobten und mit gesunden Lebern ausgestatteten Mitarbeitern vorhielten.

Wie die reichen Russen zu ihrem Reichtum gekommen waren, interessierte nicht sonderlich. Schon früh investierten Oligarchen wie Viktor Vekselberg auch in Schweizer Industrieunternehmen. Sie erwiesen sich dabei nicht immer als gute Geschäftsleute, aber sie hatten auch keine Heuschreckenmentalität – schnell rein, schnell raus.

Wer hat die längere Jacht?

Richtig in Champagnerlaune waren Werften, die nun Privatjachten bauen durften, die eigentlich mehr Kreuzfahrtschiffen ähnelten und so gross wurden, dass sie ein Beiboot brauchten, weil die Jacht selber nicht mehr in die schönen Luxushäfen reinpasste.

Soll über 500 Millionen Euro gekostet haben:
Melnichenkos Spielzeug.

Gerne liessen die reichen Russen ihre Jachten in italienischen Häfen ankern, das Mittelmeer hatte es ihnen besonders angetan. Nun sind diese idyllischen Zeiten vorbei. Nehmen wir als Beispiel Andrey Melnichenko, denn es gibt ja viele reiche Russen mit Jacht.

Melnichenko hat sein Geld zuerst mit einer Bank, dann mit Beteiligungen an dem bedeutendsten Düngemittelhersteller Russlands und einem Kohle- und Stromkonzern gemacht und vermehrt.

Sein Privatvermögen wird auf rund 19 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der 50-Jährige hat einen Wohnsitz in der Schweiz. All diese Angaben kann man Wikipedia entnehmen. Das machen alle Behörden auch, die Listen von zu sanktionierenden Russen zusammenstellen. Darauf ist auch Melnichenko aufgetaucht.

Das bedeutet, dass seine Vermögenswerte im Westen und sein sonstiger Besitz beschlagnahmt wurden. Melnichenko habe sich Mitte März «als einer der ersten Oligarchen gegen Putins Krieg und gegen den Diktator ausgesprochen», weiss ebenfalls Wikipedia. Das nützt ihm aber nicht; zur Beschlagnahme kommt auch noch ein Einreiseverbot in die EU und in die Schweiz.

Auch auf die Gefahr hin, als Putin-Versteher beschimpft zu werden: Melnichenko macht sich in seinem Statement vor allem und völlig zu Recht Sorgen um die Nahrungsmittelpreise, die ihrerseits von der Kornkammer Ukraine und dem wichtigsten Düngemittelproduzenten Russland abhängen.

Laut unvollständigen Erhebungen sollen reiche Russen seit dem Ukrainekrieg über 45 Milliarden Dollar an Vermögenswerten eingebüsst haben. Wessen Jacht noch nicht beschlagnahmt wurde, versucht, sie in Sicherheit zu bringen. Richtung Türkei, oder ganz auf Nummer sicher Richtung Malediven.

Darf nicht mehr an Bord: Andrey Melnichenko.

Diese Massnahme kann die Beschlagnahme verhindern, wie hingegen der reiche Russe auf seine Jacht kommt, ist dann das andere Problem.

Was ist mit der Eigentumsgarantie?

Bei aller Schadenfreude, die Verluste bei reichen Menschen auslösen: kann es wirklich sein, dass im Kapitalismus die Eigentumsgarantie obsolet wird, wenn ein Krieg ausbricht? Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Besitztümern eines reichen Russen und dem Überfall des russischen Autokraten auf die Ukraine? Sollte jemand wie Melnichenko nicht eher mit dem Prix Courage augezeichnet werden, wenn er trotz gewaltiger Besitztümer in dessen Machtbereich Putin scharf kritisiert?

Wie wird das weitergehen? Die USA haben eine Task Force namens «KleptoCapture» installiert, die sich speziell mit der Beschlagnahmung von russischen Besitztümern in den USA befasst. Hier gilt das gute, alte Wildwestprinzip: zuerst schiessen, dann fragen. Also zuerst beschlagnahmen, dann kann sich der Enteignete vor Gericht dagegen wehren. Wenn er noch die Kohle dafür hat.

Apropos Kohle: was geschieht eigentlich mit all den eingesackten Besitztümern? Sie werden in den USA versteigert, und der Erlös fliesst ins Staatssäckel. Das chronisch leer ist …