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Qualitätsprodukte

Nicht gewusst? «Das Vertrauen in die Medien steigt». Ohne Scheiss, wie der Journalist sagt.

Wenn’s der «Leiter des Faktencheck-Teams» von Tamedia sagt, muss es doch stimmen: «Das Vertrauen der Leserinnen und Leser in die Medien steigt

Nun neigt Yannick Wiget auch zu Fakefakten-Checks; dreht klare Fakten solange durch die Mühle, bis das Geriesel seinem Faktenweltbild entspricht. Aber das ist hier doch sicher nicht der Fall.

Ach, eigentlich alles gut, meint Wiget.

Schliesslich hat er die «wichtigsten Erkenntnisse» des «Jahrbuch Qualität der Medien 2021» in sechs Punkten zusammengefasst. Wenn er sich nicht schön ausgewogen dreimal auf die linke und dreimal auf die rechte Schulter gehauen hat, läuft er seither ziemlich schief rum. Denn es ist alles wunderbar, ohne Scheiss:

«Keine Panikmache betrieben, Vorwurf «Hofberichterstattung» haltlos, Vertrauen ist gestiegen, Desinformation ist eine wachsende Gefahr».

 

Echt nix zu kritisieren? Nun ja, doch: «Die Corona-Pandemie hat die ökonomische Krise des Informationsjournalismus weiter akzentuiert», schreiben die Forschenden.» Aber glücklicherweise seien laut Umfragen in der Schweiz europaweit die meisten für eine staatliche Unterstützung der Medien.

Das ist alles an Meckerei? Nein, es gibt noch einen Punkt: «die Vielfalt war zu gering». Ach, «zum Beispiel die mangelnde Vielfalt bei der Auswahl von Fachleuten». Wahnsinn, wird wirklich kritisiert, dass überwiegend bis ausschliesslich staatstreue Befürworter der Corona-Politik zu Wort kamen? Nicht ganz: rund 80 Prozent der Fachleute seien aus dem medizinischen Bereich gekommen, «sozial- und geisteswissenschaftliche Disziplinen wurden zu wenig berücksichtigt».

Es fehlen natürlich die Frauen, Pardon, die Körper mit Vagina

Selten so gelacht, sonst noch was? Wir ahnen es: «Der Untersuchung zufolge sind Frauen im Vergleich zu Männern stark unterrepräsentiert und werden weniger oft in statushohen Positionen dargestellt. Positionen und Anliegen von Frauen haben so weniger eine Chance, Beachtung zu finden.»

Aber gerade im Hause Tamedia werden doch energische Massnahmen ergriffen, das zu ändern. Frauen an die Macht, Frauen in Kaderpositionen, Frauen in Artikeln, Frauen schreiben Artikel. Piedra Supino, Agathe Rutishauser und Mara Boselli sind schon als leuchtende Vorbilderinnen vorangegangen.

Der geneigte Leser bemerkt auch einen Überhang an Frauenthemen, Pardon, Artikeln über Körper mit Vagina, die free bleeding betreiben.

Was ist denn das Wichtigste für die Medien?

Aber am wichtigsten, das sagt jeder Banker, das sagt jeder Produkteverkäufer, am wichtigsten ist natürlich, neben hoher Qualität für niedrigen Preis, am wichtigsten ist das Vertrauen. Sinkt es, ist Feuer im Dach. Steigt es, kann man das Dach vergolden. So wie das die Verlegerclans in der Schweiz tun. Also ihr Dach, nicht das ihrer Konzerne. In das regnet es eher rein, aber dafür soll ja ein milliardenschwerer Schutzschirm aus Steuergeldern aufgespannt werden.

Damit das Vertrauen noch mehr steigt, wenn das überhaupt möglich ist. ZACKBUM freut sich mit, also ist auch das Vertrauen in uns gestiegen, super. Wir klopfen uns auch fest auf beide Schultern. Danach fragen wir uns allerdings: und wie misst man das, das Vertrauen?

Vertrauen ist gut, Vertrauen messen ist besser

«In einer Umfrage für die Studie gaben 51 Prozent der Befragten an, dass sie den Nachrichtenmedien überwiegend bis komplett vertrauen. Das ist im europäischen Vergleich ein hoher Wert, der 7 Prozentpunkte über dem Vorjahr liegt. Erstmals seit längerem ist das Medienvertrauen also wieder gestiegen.»

Ohne Scheiss? Spannend. Denn wenn das so ist, Vertrauen und auch Nachfrage nach Informationen durch die sogenannten Qualitätsmedien steigen, wieso müssen die dann schmerzliche Verluste hinnehmen? Wenn immer mehr Vertrauen herrscht, wieso drückend das immer weniger durch den Kauf der Produkte aus?

Mehr Vertrauen, weniger vertrauende Leser?

Diese mit Vertrauen überschütteten Leitmedien haben in der Corona-Krise bis zu 15 Prozent Leser verloren. Das sind keine Peanuts, das ist ein Massenexodus. Wenn eine Partei 15 Prozent ihrer Wähler verliert, wird normalerweise das Führungsteam gewechselt. Wenn eine Aktie 15 Prozent an Wert verliert, gibt es – ausserhalb der CS – betretene Gesichter und personelle Konsequenzen.

Täte da einer von «gestiegenem Vertrauen» quatschen, würde er aus dem Saal gelacht. Aber auf eine so blöde Idee käme ja niemand. Öhm, ohne Scheiss? Doch, auf eine so blöde Idee kommen die Verfasser der Studie, die bislang Jahr für Jahr den Niedergang der Medien beklagt haben.

Eine so blöde Idee übernimmt der Oberfaktenchecker des Hauses Tamedia ungecheckt. Aber es gibt eine gute Nachricht. Solche Quatschfakten-News belegen – allerdings ungewollt – den Grund für diese Abwanderung von ganzen Leserscharen. Die wollen nämlich weder über weibliche Befindlichkeiten und Unterleibsgeschichten tropfengenau informiert sein, noch wollen sie einseitige Meinungen von staatstreuen Wissenschaftlern hören, noch wollen sie schlichtweg verarscht werden. Ohne Scheiss.