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Bravo, «Blick»

Ob die oberste Chefin mit ihrem neuen hohen Amt so ausgelastet ist, dass der «Blick» zu alten Formen aufläuft?

Gut, es ist keine Original-Story, sondern wurde vom «Beobachter» übernommen. Aber viel mehr zu meckern gibt es nicht.

Einleitend weist Lukas Lippert auf die düsterste Dunkelkammer der US-Administration hin: «Es ist wohl die gefürchtetste Liste der Welt. Wer auf der Russland-Sanktionsliste des Office of Foreign Assets Control (Ofac) landet, ist so gut wie erledigt. Wer bei den Amerikanern als Feind gilt, mit dem will niemand mehr etwas zu tun haben, vor allem keine Bank.»

Das Problem mit der Ofac ist: niemand weiss, aus welchen Gründen man auf deren schwarze Liste kommt. Was aber jeder, der drauf ist, weiss: man kommt fast nicht mehr runter, es gibt kaum rechtlichen Möglichkeiten. Selbst wenn eine Namensverwechslung dazu führte. Und anschliessend wird das Leben zur Hölle.

Die Sanktionen von angeblichen Feinden der USA mag theoretisch Sinn machen. Aber: «Doch in der Schweiz scheint man vergessen zu haben, dass es auch noch einen Rechtsstaat gibt. Das zeigt der Fall von Bruno Koller.»

Plötzlich war der Schweizer Geschäftsmann samt seiner Firma auf dieser schwarzen Liste. Das merkte er daran, dass seine Kreditkarte nicht mehr funktionierte. «Warum er auf der Liste steht und was ihm vorgeworfen wird, ist ihm bis heute nicht klar. Er erhält dazu keine Informationen von der US-Behörde.»

Hinzu kommt, dass seine Firma Konkurs ging, er von der AHV und Pensionskasse lebt.

«Er wird auch weder von der Schweiz noch von der EU sanktioniert. Es läuft kein Strafverfahren. «Ich habe nichts falsch gemacht», sagt er. Trotzdem ist nun auch die letzte Bank, bei der er ein Konto hatte, vor den Amerikanern eingeknickt – offenbar auf Druck der Schweizer Aufsichtsbehörde.»

Kafkaesk: sowohl AHV wie Pensionskasse machen keine Barauszahlungen, sondern nur Überweisungen auf ein Konto. Erst auf Intervention des «Beobachter» geht es dann doch per Barcheck. Das ist aber kein Einzelfall, auch einem anderen von den USA sanktionierten Rentner wurde sein Konto gekündigt, was aber das Handelsgericht Bern zurückwies.

Die Postfinance hatte argumentiert, «dass ihr «schwerwiegende Rechts- und Reputationsschäden» drohten und ein «massiver Abklärungsaufwand» bei jeder Kontobewegung bestehe. Darum verweigerte sie die Kundenbeziehung, auch wenn sie eigentlich eine gesetzliche Grundversorgungspflicht hätte

Schon der reiche Russe Viktor Vekselberg musste bis vors Bundesgericht, um sich ein Konto im Rahmen der Versorgungspflicht der Postfinance zu erstreiten.

Ins Bild passt auch, dass die Staatsbank vor einigen Jahren plötzlich alle Geldüberweisungen nach Kuba einstellte. Obwohl das – in jeder Währung der Welt, ausser US-Dollar – völlig legal ist und von vielen Banken ausserhalb der Schweiz ausgeführt wird. Mit diesem Entscheid der Postfinance gerieten nicht nur NGO, sondern auch Schweizer Geschäftsleute in die Bredouille, die plötzlich ihren Zahlungsverpflichtungen aus Geschäften auf Kuba nicht mehr nachkommen konnten. Weil die Postfinance die letzte Schweizer Bank war, die diese Dienstleistung noch anbot.

Seit dem Steuerstreit gibt es wohl nichts Feigeres als Schweizer Banken, die in vorauseilendem Gehorsam alles dafür tun, um Liebkind bei den Amis zu sein. Der Schweizer Rechtsstaat ist ihnen dabei furzegal.

Ein Bravo für den «Blick», auf solche Missstände hinzuweisen.

Zufälle gibt’s

Die NZZaS lässt sich inspirieren.

Anders ist es nicht zu erklären, dass die hochgeschätzte Zoé Baches einen Artikel über die US-Knüppelbande OFAC schreibt. Das «Office of Foreign Assets Control» (Assets mit s bitte, liebe NZZaS) sorgt dafür, dass sich die ganze Welt an US-Sanktionen zu halten hat.

Das geht ganz einfach. Eigentlich gelten US-Gesetze nur in den USA. So wie Schweizer Gesetze in der Schweiz. Aber damit US-Gesetze auch in der Schweiz gelten, gibt es den Riesenknüppel US-Dollar. Der gehört den USA, und wer ihn benutzt, wer in den USA Geschäfte macht, wer Geschäfte macht, in denen US-Produkte vorkommen, wer in Richtung USA niest, ist fällig. Denn ein Entzug der Möglichkeit, mit Dollar zu handeln, bedeutet – vielleicht von ein paar abgelegenen Einsiedler-Tätigkeiten abgesehen – den sofortigen Exitus jedes Unternehmens. Und wer als Privatperson auf die über 12’000 Einträge umfassende OFAC-Liste kommt, ist auf milde Gaben seines Freundeskreises angewiesen. Alle Bankkonten werden gesperrt, nichts geht mehr.

Das alles weiss ZACKBUM, weil das (und noch viel mehr) am 26. April ein ausführlicher Artikel auf «Inside Paradeplatz» erklärt hat. Es dürfte nun keine Autoreneitelkeit sein, wenn sich daraus die Frage ergibt, wie weit sich die NZZaS davon motivieren liess, rund zwei Wochen später einen Artikel über «Uncle Sams sehr lange Arme» zu publizieren.

In dem haarklein erklärt wird, was das OFAC ist und was es kann. Angereichert um die Mitteilung eines «Beobachters, der anonym bleiben will», dass OFAC-Büttel regelmässig in die Schweiz reisen, um auch hier nach dem Rechten zu schauen. Das verwundert ja nicht wirklich, so sass in der Credit Suisse jahrelang ein US-Anwalt, um deren Wohlverhalten nach der Riesenbusse im Steuerstreit zu überprüfen. Und sicherheitshalber macht das der gleiche Anwalt neuerdings bei der UBS. Was jeweils Multimillionen kostet, denn hier muss der Kontrollierte auch noch den Kontrolleur bezahlen.

Das Monster UBS kann noch so gross ein, ein Dinosaurier, der die ganze Schweiz erschüttern würde, fiele er um, aber selbst dieser Dinosaurier hat Schiss vor dem OFAC und den langen Armen der USA. Denn mit dem Knüppel US-Dollar und der Atombombe ISDA Master Agreement können die USA jede Bank innert 48 Stunden in die Knie zwingen.

So zitiert die NZZaS einen älteren Artikel der deutschen «Welt», auf einen Hinweis zu IP verzichtet sie aber schamvoll. Vielleicht ist auch sie sauer, dass die One-Man-Show Lukas Hässig mehr Primeurs raushaut als die immer noch vielköpfigen Wirtschaftsredaktionen der sogenannten Qualitätsmedien.

Allerdings ist es dann doch etwas befremdlich, dass im ganzen Artikel von Baches nur «anonyme Beobachter» vorkommen, dazu «Befragte, die bestätigen», was auch ein «Vertreter einer grossen international tätigen Bank» tut (was das wohl für eine Bank ist?). Dann gibt es wieder «Befragte», oder aber «niemand will hier offiziell Stellung nehmen», auch «das Seco will nicht konkret Stellung nehmen», selbst die FINMA gebe sich «verhalten», worauf nochmals ein «Befragter» zu Wort kommt, schliesslich räumt gar «ein Vertreter einer Behörde» etwas ein.

Auch das ist nicht gerade eine Glanzstunde der Wirtschaftsberichterstattung.

 

Dummköpfe auf der Jagd

Reich, Russe, Geld weg. So dumm kann ein Weltbild sein.

In linken Kreisen ist’s ein ewig beliebtes Narrativ: Die Schweiz als Hort und Hüter grauslicher Gelder vom gesamten Abschaum der Welt. Steuerhinterzieher, Blutdiamantenhändler, Drogen- und Diktatorengelder – und nicht zu vergessen die reichen russischen Oligarchen, die nur zu Wohlstand kamen, weil sie Speichellecker Putins sind.

Beschlagnahmen, wegnehmen, verwerten. Wie meist zuvorderst fabuliert Fabian Molina, der SP-Nationalrat, Fan des Schwarzen Blocks und Vielschwätzer. Er wollte im Parlament erreichen, dass eine «Whistleblower-Hotline zur Aufdeckung russischer Oligarchengelder» eingerichtet wird. Ist der Bundesrat dazu bereit, fragte er schon 2022 inquisitorisch, «Wenn nein, warum nicht

Vielleicht deswegen nicht, weil staatliche Beihilfe zur Denunziation keine gute Idee ist? Wenn die Schweiz aus guten rechtsstaatlichen Gründen der «Oligarchen-Taskforce» nicht beitritt, schimpft Molina, sein Lieblingsgegner FDP betreibe «Politik für die faulen Eier auf dem Finanzplatz».

Dummschwätzer Molina hat bis heute nicht kapiert, worum es bei dieser Hetzjagd eigentlich geht. Er ist nicht der Einzige. Es geht einzig und allein um den ewigen Streit zwischen Finanzplätzen. Da hat die kleine Schweiz das Pech, dass sie hier ganz gross ist – und damit ein Dorn im Auge der anderen zwei ganz grossen. England und die USA.

Aberwitzig, aber wahr: einerseits haben in den vergangenen 20 Jahren viele reiche Russen Teile ihres Vermögens in die USA transferiert. Weil sie annahmen, dort sei es sicher und rechtsstaatlich geschützt. Aus dem gleichen Grund taten das reiche Russen in der Schweiz.

Nun wird es absolut absurd. Wie auch die NZZamSonntag einmal mehr aufzeigt, sind die USA bei solchen Finanzfragen schamlos verlogen. So wie sie sich im Steuerstreit als rächende Unschuld gebärdeten, in Wirklichkeit aber die grössten Steueroasen der Welt betreiben und nicht mal dem Informationsaustauschsystem AIA beitraten, tun sie so, als müssten sie andere Finanzplätze – wie die Schweiz – massregeln, dass die zu schlapp gegen russische Gelder vorgingen.

Das Gegenteil ist der Fall. Inzwischen ist es sogar so, dass reiche Russen – so sie noch können – ihre Gelder aus der Schweiz abziehen und in Sicherheit bringen. Wohin? Natürlich in die USA, wo in Delaware, in Texas, South Dakota, Alaska und Nevada weiterhin idyllische Zustände für alle herrschen, die den Zugriff auf ihre Vermögen erschweren oder verunmöglichen wollen. Angabe des Beneficial Owner, also des eigentlichen Besitzers eines Vermögens, das hinter einem Dickicht von Holdings, Trusts und Anwälten versorgen ist? In den USA Fehlanzeige. «Don’t tell, don’t ask», die alte Militärparole gegenüber Schwulen gilt auch hier.

Und während die pflichtbewussten – und treudoofen – Schweizer tapfer bekanntgaben, dass sie bis zu 150 Milliarden «russische» Gelder in der Eidgenossenschaft vermuten, sagen die USA dazu keinen Ton. Kritisieren aber lauthals die Schweiz, dass die «erst» einen einstelligen Betrag eingefroren habe.

Dabei ist die Wirklichkeit eine andere. Kaum noch eine Schweizer Bank – um nicht zu sagen keine – würde heute einen Russen, jemand mit russischen Verbindungen, jemand mit russischen Geschäftsbeziehungen als Neukunden aufnehmen. Compliance viel zu teuer, Risiko, vom Bannstrahl der OFAC getroffen zu werden, viel zu hoch.

Also geht der Russe in die USA, wo er in Delaware zum Beispiel in zehn Minuten einen Trust eröffnen kann. Das grösste Problem dabei: immer wieder einen neuen Namen finden. Sonstige Probleme: keine, and have a nice day.

Geht doch

Die Gegenthese zum «Republik»-Gejammer.

NZZ, Zürcher Lokalteil. Hier legen Fabian Baumgartner, Tobias Marti und Forrest Rogers eine Story vor, die sogar ihre Länge von zwei Zeitungsseiten trägt.

Es ist ja auch etwas kompliziert. Es geht um einen Ex-Banker mit besten Beziehungen nach Moskau und Russland, eine KMU, die Lasermaschinen produzierte und plötzlich auf die Sanktionsliste der USA gerät: «Der Gründer und Mehrheitsbesitzer Koller kann seine Kreditkarten nicht mehr nutzen, die Banken blockieren die Konten der Swisstec. Die Firma kann weder Rechnungen noch Löhne bezahlen.»

Für viele sind «Sanktionen gegen Russland» sowohl etwas Gutes, wie auch etwas sehr Abstraktes. Sie manifestieren sich höchstens bei reichen Russen, denen man Yachten arretiert, die Verfügungsgewalt über Firmen wegnimmt. Recht geschieht’s diesen Oligarchen, sagt da die Mehrheit der Bevölkerung, sollen halt mal wie wir auch ohne Yacht auskommen, diese Putin-Freunde.

Bei Bruno Koller ist’s aber ein wenig anders: «Er ist einer von 16 Schweizer Staatsbürgern, die das amerikanische Office of Foreign Assets Control (Ofac) auf seine Russland-Sanktionsliste gesetzt hat. Wer auf der gefürchteten Liste steht, ist so gut wie erledigt. Keine Bank, die Geschäfte in den USA macht, gibt den Betroffenen ein Konto oder lässt sie auf ihre Vermögenswerte zugreifen. Und niemand darf mit ihnen handeln, ohne harte Strafen zu riskieren.»

Nun lobt sich die NZZ ein wenig selbst, was aber angesichts der aufgewendeten Arbeit durchaus verständlich ist: «Die NZZ ist den Spuren gefolgt. Die Geschichte dahinter führt in ein Reich der Schatten. Eine Welt der Geheimdienstler, Militärs, Politiker und Geschäftsleute. Und zu einem schillernden Schweizer Unternehmer und Ex-Banker mit besten Kontakten in die russische High Society. Der Mann heisst Walter Moretti. Bei ihm laufen in dieser Geschichte alle Fäden zusammen.»

Wenn’s kompliziert und schattig wird, ist normalerweise der Schweizer Journalist überfordert. Wenn’s nicht ums Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen und die Umbenennung in Papers oder Leaks geht, um mit dieser Hehlerware Aufmerksamkeit zu erzielen, ist der Schweizer Journalist überfordert. Wenn’s nicht darum geht, aufgrund von anonymen Denunziationen einen Rufmord zu begehen, ist der Schweizer Journalist überfordert. Wenn’s um einen wirklichen lokalen Riesenskandal wie am Unispital Zürich mit seinen kriminellen Handlungen geht, dann ist der Journalist überfordert.

Aber hier haben die drei tapfer versucht, Licht ins Dunkle zu bringen und herauszufinden, ob hier Unschuldige ins Fadenkreuz der USA geraten sind – oder ob tatsächlich Verstösse gegen die Sanktionen vorliegen. Dafür haben sie mit den Direktbeteiligten gesprochen, mit deren Umfeld, und sie haben versucht, so weit wie möglich alles auf seine Plausibilität zu prüfen.

Obwohl die US-Behörden notorisch in solchen Angelegenheiten verschlossen wie eine Auster sind, hat die NZZ deren Ansicht über die beiden Geschäftsleute zusammengefasst: «Für das Finanzministerium in Washington ist er (Moretti, Red.) die zentrale Figur eines Netzwerks aus Firmen und Personen, das den Transport von militärisch nutzbaren Gütern über Tarnfirmen organisiert hat. Und Unternehmer wie Bruno Koller und seine Swisstec sollen ihn dabei tatkräftig unterstützt haben

Auch wenn es zumindest verdächtige Kontakte gegeben habe, die NZZ hält fest:

«Die Betroffenen stehen als angebliche Schergen Putins am Pranger, handfeste Belege für ihre Schuld gibt es allerdings nicht. Auf eine entsprechende Anfrage der NZZ hat das US-Finanzministerium nicht reagiert.»

Es gibt dem Hauptbeschuldigten Moretti auch Raum, seine Sicht der Dinge darzulegen: «Das Ofac handelt nicht in dem uns bekannten Rechtsraum. Es ist eine politische Organisation, die nur die Interessen der USA verfolgt und keine Rechenschaft gegenüber einem Gericht oder den Beschuldigten ablegen muss.»

Auch Koller, der seine Firma Swisstec schliessen musste, beklagt sich: ««Ich habe ja nichts verbrochen, ich bin nicht angeklagt, von niemandem. Ich bin auf einer politischen Liste.» Er betont, das Staatssekretariat für Wirtschaft habe überprüft, ob die Swisstec AG gegen Sanktionen verstossen habe. «Das wurde klar verneint.» Das Seco selbst will sich auf Anfrage nicht zum Fall äussern. Bis heute kann Koller kein Bargeld ins Ausland überweisen, einzig eine Regionalbank hat ihn noch als Kunden akzeptiert. «Ich bin völlig blockiert», sagt er.»

Dennoch wahren die Autoren genügend Distanz gegenüber den Protagonisten ihrer Story. Das sind mal knapp 18’000 A, die man gerne liest. Weil sie eben all die Elemente, an denen sonst der Schweizer Recherchierjournalismus leidet, nicht enthalten. Was beweist, dass interessanter Lokaljournalismus durchaus möglich ist. Wenn man’s kann, genügend Zeit und professionelle Beherrschung des Handwerks in eine Story investiert. Statt einfach zu jammern oder Oberflächliches und ewig Gleiches wiederzukäuen. Und sich dann zu wundern, dass einem die zahlenden Leser davonlaufen.

Ganz schön geheuchelt

Runzeln die USA die Stirn, zucken Schweizer Medien zusammen.

Das Framing ist gesetzt. Allenthalben kann man in den Gazetten – von der NZZ über CH Media, Tamedia bis «Blick» – lesen, dass die USA (und auch die EU) ziemlich angepisst seien, dass die Schweiz angeblich die Sanktionen nicht richtig umsetze. Nicht energisch genug nach Oligarchengeldern suche.

Meckerbrief, geschrieben von den USA, unterzeichnet von Frankreich, Italien, Grossbritannien und Japan. Öffentliche Schimpftirade des US-Botschafters in der Schweiz, die eigentlich seine sofortige Ausweisung wegen Einmischung in innere Angelegenheiten hätte nach sich ziehen müssen. Dann diese «Helsinki-Kommission», ein selbsternannter und selbstherrlicher Club von Hinterwäldler-Parlamentarieren, die sicher nicht Sweden und Switzerland voneinander unterscheiden können.

Also warnen und mahnen die Medien. Dürfe man ja nicht auf die leichte Schulter nehmen, das sei auch schon bei den nachrichtenlosen Vermögen und dem Bankgeheimnis in die Hose gegangen. Und überhaupt, wieso sind eigentlich erst 7,5 Milliarden von vermuteten 200 Milliarden «Russengeldern» in der Schweiz beschlagnahmt? Da geht doch noch was.

Dass die Schweiz unter Ritzung der Neutralität brav alle EU-Sanktionen ungeprüft übernimmt (und viel konsequenter umsetzt als mancher EU-Staat), was soll’s. Dass die Schweiz ein Rechtsstaat ist und sich vor allem bei Übergriffen aufs Eigentum ganz vorsichtig bewegen muss, na und.

Was all die Schaumschläger in den Medien, die mal wieder der US-Propaganda auf den Leim kriechen, völlig übersehen: Wirtschaftspolitik ist Machtpolitik. Machtpolitik ist die Verteidigung der eigenen Interessen.

Vom sogenannten Steuerstreit, geführt im Namen des Kampfes gegen reiche, steuerhinterziehende Schweinebacken, hat nur ein Staat richtig profitiert: die USA. Sie sind das Steuerhinterzieherparadies der Welt, sie betreiben die grössten Waschmaschinen für schmutziges Drogengeld, für kriminelle Profite aller Art. Sie haben der Welt ihre Datenkrake FATCA aufgezwungen, mit dem «Big Stick» Dollar, sie selbst pfeifen auf den Automatischen Informationsaustausch der übrigen Staaten.

Und sie haben Milliardenbussen von den ungeschickt agierenden Schweizer Banken kassiert, die vom Bundesrat im Stich gelassen wurden, der die Rechtssouveränität der Schweiz nicht gegen diesen imperialistischen Angriff verteidigte. Am Schluss galten US-Gesetze in der Schweiz, sitzen bis zum unseligen Ende eine Horde von US-Anwälten in der Credit Suisse (auf deren Kosten, selbstverständlich), die die Einhaltung von US-Gesetzen in der Schweiz kontrollieren.

Und nun die Sanktionen. Wie dumm muss man sein, um die wirtschaftsimperialistischen Absichten der USA nicht zu durchschauen? Dabei ist es noch viel schlimmer. Wie die «Handelszeitung» in einem wohldokumentierten Artikel aufzeigt, halten sich die USA und die EU nicht mal an die eigenen Sanktionen – wenn es die Eigeninteressen gebieten.

Sechs Beispiele zählt Stefan Barmettler auf, eines schlimmer als das andere. «Wie die USA und die EU Sanktionen untergraben» ist frei im Internet einsehbar – und sollte Pflichtlektüre für all die Sanktions-Besoffenen werden, die die Schweiz unablässig zu strengeren Übergriffen auf fremdes Eigentum auffordern.

Aber: Tesla braucht Aluminium? Na, das verschwindet der russische Hersteller Rusal doch von der Sanktionsliste. Auf die er sowieso aus dubiosen Gründen (das OFAC sanktionierte wegen «malign activities», «bösartigem Verhalten») gekommen war.

General Electric will weiter in Russland Extraprofite einfahren? Ausnahmebewilligung vom OFAC. Grossbritannien sanktioniert reiche Russen unerbittlich, ausser die, die eine «Sonderlizenz» erhalten. Belgien will weiter mit russischen Rohdiamanten handeln, Italien lässt einen Oligarchensohn springen, Griechenland schützt seine Tankerflotte, die flott weiter russisches Erdöl transportiert.

Sicher, wieso wir, die doch auch, das ist nur ein beschränkt gültiges Argument. Was aber all die Sanktions-Winsler kapieren sollten: hier geht es nicht um die Verteidigung westlicher Werte, der Demokratie und abendländischer Zivilisation gegen wilde Horden aus dem Osten.

Hier geht es um Weltpolitik, Machtpolitik, Militärpolitik, Wirtschaftspolitik, Eigeninteressen. Und scheiss auf Moral. Selber schuld, wer dran glaubt. Selber Trottel, wer billigster Propaganda auf den Leim kriecht.