Schlagwortarchiv für: NZZamSonntag Magazin

Schall und Rauch

Neues aus der Bauchnabelbetrachtungs-Zone.

Im Exil in Paris treffen sich zwei deutsche Autoren, die vor dem Hitler-Faschismus geflohen sind. Sagt der eine: «Ich habe da so einen dummen Pickel auf der Nase.» Sagt der andere: «Mach doch ein Drama draus.»

Neuerdings hat Rafaela Roth einen Pickel auf der Nase. Und sie macht die Titelgeschichte des «NZZamSonntag Magazins» draus.

Natürlich muss ein Journalist einen gewissen Mitteilungsdrang haben. Natürlich steigert sich der, desto unwichtiger die Meinung eines Journalisten wird.

Aber neben der Meinung zu allem und vor allem zu Themen, von denen der Journalist keine Ahnung hat, gibt es ein Gebiet, bei dem er sich wenigstens ein wenig auskennt: ihn selbst. Davon könnte er stundenlang erzählen, und es ist ihm auch herzlich egal, ob den Leser diese Bauchnabelschau interessiert.

Nun hat Roth (so viel wir wissen) keinen Pickel auf der Nase, deshalb schreibt sie auch nicht darüber. Aber sie hat aufgehört zu rauchen. Das scheint ein schmerzlicher Prozess gewesen zu sein, die Entwöhnungspflaster verursachten «juckende, rote Beulen».

Natürlich ist sich Roth bewusst, dass das noch nicht seitenfüllend ist, schliesslich muss sie dann schon so rund 14’000 Zeichen absondern, das ist keine Kurzstrecke.

Also langweilt sie den Leser mit den üblichen Einschüben «Ich klappte meinen Rechner auf», lässt den Leser an ihren Erkenntnissen teilhaben «wenn man im Netz nach der Wirkung von Nikotin sucht, landet man meistens bei der Wirkung von Tabak», und auch an ihrem eigenen Suchtverhalten «ich war eine überschwängliche Raucherin, ich zelebrierte es, propagierte es, ich sah gut aus dabei, fand ich».

So weit, so gähn. Dann Auftritt Suchtberaterin, diskreter Hinweis auf die «Rauchstopplinie»; seit Zeitungen frei von Tabakinseraten sind, darf man da auch ungehemmt draufschlagen, die Tabakindustrie könne man «gut und gerne als die verlogenste aller Industrien bezeichnen».

Und schliesslich, wer’s noch erlebt, der versöhnliche Schluss: «Techno bringt mich in den Schreibflow. Ich jogge jetzt. Manchmal, wenn ich einige Tage nicht rauskann, werde ich unruhig, fast nervös.»

Vielleicht gibt es Leser, die dankbar für diese tiefen Einblicke ins Leben einer Journalistin sind. «Ich habe so gerne geraucht», was für eine Hammerstory.

So nebenbei: René Zeyer hat über 40 Jahre lang zwei bis drei Päckchen geraucht. Und dann von einem Tag auf den anderen aufgehört. Einfach so. Aber keine Angst, ZACKBUM macht nun keine Bauchnabelbetrachtungs-Story draus. Wir versuchen, hier ein Niveau zu halten, das wir nur ungern verlassen möchten.

Aber auf eine Story aus dem Hause Roth wären wir echt gespannt: «Ich habe so gerne geschrieben».

Zugabe: bitte keine Zugabe

Wie macht man sich überflüssig? Kein Problem, genau so.

Zugegeben, es ist eine Leidenschaft, die Leiden schafft. Früher einmal, ganz am Anfang, war das «NZZ am Sonntag Magazin» ein echter Lichtblick in der öden Magazin-Landschaft der Schweiz. Tolle Gefässe, gute Reportagen, man hätte sich sogar aufs Niveau des «Zeit Magazin» hinaufhangeln können.

Doch dann muss etwas passiert sein. Die Gefässe verschwanden, der Inhalt verflachte. Aber seit der Wiederauferstehung nach der Sommerpause ist’s ganz schlimm geworden. In der ersten Nummer gab es immerhin noch eine Hommage an Mani Matter.

Aber jetzt?

Es gab mal die kurzlebige Mode, sinnlos Geknipstes mit Unschärfe als das Grösste seit Cartier-Bresson zu verkaufen. Ist längst vorbei. Erlebt nun aber Wiederauferstehung im NZZ Magazin. So geht’s dann auch im viel zu langen und viel zu langweiligen Artikel weiter:

Kann jeder? Nein, es ist schlimmer: man muss sich Mühe geben, um solche Belanglosigkeiten zu knipsen.

Womit wir bereits bei unserer absoluten Lieblingsstrecke im Magazin wären, «Bellevue». Der Name täuscht allerdings schrecklich; nach der Solidaritätsadresse an eine ukrainische Modemacherin, die nicht viel kann, nun eine neue Geschmacklosigkeit:

Der Schwellkörper, den die Dame auf der Nase trägt, kostet schlappe 330 Franken. Das wird hoffentlich genügend Leserinnen abschrecken, worauf uns der Anblick in der Wirklichkeit erspart bleiben möge.

Zudem haben die Macher der Doppelseite einen unseligen Hang zu schrecklichen, wirklich abstossend hässlichen Schuhen. Ihre aktuelle Trouvaille:

Wer sich gefragt haben mag, ob es irgend eine Möglichkeit gibt, Crocs noch hässlicher zu machen, hier findet er die Antwort. Allerdings wird uns dieser Anblick garantiert erspart bleiben, was ja ein Segen ist:

Es bleibt aber das Geheimnis dieser Redaktion, was für einen Sinn es macht, ein ausverkauftes Produkt anzupreisen. Wohl keinen, genau daher wurde es auch getan …

Genauso alt (und überholt) wie die Unscharf-Knipsografie ist das Gefäss «Jetzt rede ich». Man lässt irgend einen, irgend wann mal bekannt Gewordenen seitenweise über sich selbst quatschen:

Brian? Da war doch mal was mit einem schweineteuren Sondersetting. Zerstörten Knastzellen. Jemand, der offenbar seine gewalttätigen Triebe nicht im Griff hat und an dem auch die Zürcher Justiz teilweise scheiterte. So weit, so gähn. Der darf sich nun über Seiten «erklären», verklären, rechtfertigen. Beschuldigen und jammern. Gähn.

Es ist wirklich ärgerlich, wie eine offensichtlich überforderte Redaktion ein eigentlich hübsches Gefäss zu Schanden schreibt. Das hat kein Niveau und kann nur als Hilferuf verstanden werden: erlöst uns endlich von der Aufgabe, jede Woche irgendwie ein paar Seiten zu füllen. Es ist zu hoffen, dass dieser Wunsch so schnell wie möglich erfüllt wird. Oder aber, man wechselt die Redaktion aus und macht wieder etwas Vernünftiges draus.