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Schlechte Nachrichten für Israel

Denken Journalisten auch mal über den Tellerrand hinaus?

Wer nicht vorhersagte, dass die Ukraine den Eurovision Song Contest gewinnen wird, lebt auf einer Insel – oder ist Journalist. Welche Entschuldigung der «Komiker» Karpi und die «Literaturchefin Tamedia» Nora Zukker wohl für ihre selten peinlichen Kommentare haben? Karpi: «Und so geht die Schweiz heute ins Bett: enttäuscht ungeliebt, alleine.» Zukker (unter dem Pseudonym Zukki): «Schweden ist schwanger.»

Aber zu Wichtigem. Nach der vollständigen Pressezensur verbietet die Ukraine nun auch alle politischen Bewegungen, die Kontakte mit Russland haben sollen. Der ukrainische Aussenminister bekräftigte: «Es gibt nichts Schlechtes an einem Waffenstillstand, wenn er der erste Schritt hin zu einer Lösung wäre, wo das ukrainische Staatsgebiet befreit wird. Wir werden uns aber nicht damit abfinden, dass es eine Teil-Abtrennung von Territorium gibt.» Verhandlungen, Waffenstillstand? Aber Putin will doch angeblich nicht, die Ukraine schon.

Noch spannender: Beim Treffen der G7 in Deutschland wurde erklärt, dass man niemals mit Gewalt verschobene Grenzen anerkennen werde. Natürlich ist damit die Ukraine gemeint.

Es wäre aber eine interessante journalistische Frage, ob das auch für das NATO-Mitglied Türkei gilt, das Teile Syriens annektiert hat. Oder gar für Israel, das zurzeit im Zusammenhang mit der Ermordung einer palästinensischen Journalistin im (kleinen) Kreuzfeuer der Kritik steht. Laut Videoaufnahmen und Zeugenaussagen hatten israelische Scharfschützen eine deutlich gekennzeichnete Gruppe von Journalisten unter Feuer genommen; es gab mehrere Verwundete und eine Tote.

Zudem hat Israel seine Landesgrenzen auch nicht ganz friedlich erweitert. Schliesslich könnte der über seine Nasenspitze hinausschauende Journalist mal die Frage in den Raum stellen, wieso der vom Westen unterstützte, verbrecherische, seit Jahren andauernde und schon über 300’000 Tote verschuldende Stellvertreterkrieg im Jemen kein Thema der G7 ist. Dabei kann Saudi-Arabien diesen schmutzigen Krieg nur führen, weil es für Multimilliarden mit westlichen Rüstungsgütern beliefert wird.

Aber das sind wohl alles Fragen, die sich an Redaktionskonferenzen niemand zu stellen traut. Arbeitsplatzsicherung geht vor.

 

 

WUMMS: Priska Amstutz

Ein Jahr Protestbrief. Man liest halt ZACKBUM. Der Beweis.

Am 9. März wies ZACKBUM darauf hin, dass zwar der Tag der Frau in Tamedia gewürdigt wurde und Aleksandra Hiltmann Kollegen und Leser mit einem feminisitischen Interview quälte.

Am 6. März war ZACKBUM, das Zentralorgan des Feminismus, ganz alleine auf weiter Flur und bedauerte das tiefe Schweigen der 78 erregten Tamedia-Mitarbeiterinnen, die sich vor genau einem Jahr mit herzzerreissenden Wehklagen an die Geschäftsleitung und an Jolanda Spiess-Hegglin gewandt hatten.

Und siehe da, am 9. März  geruht die «Co-Chefredaktorin» Priska Amstutz, die «Leiterin einer internen Arbeitsgruppe», zu diesem Thema ein Interview zu geben. Das letzte Lebenszeichen von ihr war eine zusammen mit Oberchefredaktor Arthur Rutishauser unterzeichnete Entschuldigungsarie wegen eines verunglückten Artikels.

Nun aber, wie wogt der Kampf der Tamedia-Frauen gegen Sexismus, Diskriminierung, Demotivierung und üble Machosprüche weiter? Leider vernittelt Amstutz diese Informationen nicht dem Tamedia-Leser (dabei hätte sich ein Interview durch Hiltmann angeboten), sondern den Beobachtern von persoenlich.com.

Aber item, was ist passiert, was ergab die interne Untersuchung, welche der über 60 Beispiele übelsten Verhaltens konnten verifiziert werden, welche Konsequenzen hatte das für diese Machoschweine?

Wie steht es mit dem jüngsten Protestschreiben bezüglich der fristlosen Entlassung eines Jungredaktors? Alles interessante Fragen, nicht wahr? Leider gibt es keine einzige Antwort.

«Erleben immer wieder anspruchsvolle Phasen, interne Prozesse überprüft und wo nötig angepasst, Abklärung und Aufarbeitung, Brief sehr ernst genommen, wird nicht toleriert, vertiefte Kommunikation, Kulturdialog, viele Massnahmen umgesetzt.»

Das ist nicht mal heisse Luft. Das sind zu Worten geformte Buchstaben, die schlichtweg nichts, einfach gar nichts aussagen. Wurde ein einziger Vorwurf erhärtet? Einer? Bitte? «Zu Einzelfällen kann ich mich aus personalrechtlichen Gründen nicht äussern.»

Wir hätten da einen neuen Einzelfall. Die Literaturquälerin Nora Zukker über die Premiere der neuen «Kassensturz»-Moderatorin: «Die Anwältin der Mäuse». Ob diese Mausi-Verniedlichung den Respekt und den Kulturwandel verkörpert, von dem Amstutz salbadert?

 

Was bleibt?

Spielanlage: Keine Artikel über C oder D. Was serviert Tamedia sonst noch?

Es ist die 756-Franken-Frage. Denn das kostet ein «Classic-Jahresabo» des «Tages-Anzeiger». Alles drin. Zeitung täglich im Briefkasten, SoZ und «Das Magazin» dabei, E-Paper und werbefrei im Digitalen.

Schrumpfen wir das auf einen Tag hinunter, bedeutet das am Mittwoch, 12. Januar 2022, ein Investment von 2 Franken.

Ist nicht viel. Dafür gibt’s auch nicht viel. Nehmen wir den Online-Auftritt des Tages. Klammern wir, bevor es uns allen vor Überfütterung schlecht wird, die Themen C wie Corona und D wie Djokovic (die sich ja auch überschneiden) aus.

Was leistet denn die immer noch vielköpfige Zentral- plus Lokalredaktion? Mit mehr Häuptlingen als ein ganzer Indianerstamm? Nun, es wird dürftig, das sei gleich verraten.

Medien sollen auch wegen des Lokalen mit einer Steuermilliarde unterstützt werden, heisst’s. Also beginnen wir mit «Zürich».

Das hört sich nach Lesespass an. Immerhin, Eigenleistung aufgrund des Polizeiberichts. «Der Zopfbeck von Züri gibt seine Backstube bei der Uni auf». Wow. «Brian darf die Einzelhaft verlassen». Huch. «Sechs Magazine, die sich mit der Schweizer Literaturszene auseinandersetzen». Boa.

Das war’s dann im Wesentlichen mit dem Lokalen. Wenden wir uns gleich dem Internationalen zu. «Hakenkreuzfahne auf dem Sarg». Unglaublich. Allerdings: im Norden Roms. Und keine Eigenleistung, SDA. Das gilt auch für einen Bericht über Prinz Andrew. Ach ja, und auch für den Artikel «US-Regierung klagt gegen Facebook». Alles Ticker.

Kommt mal was?

Aber, nun wieder ein kackiger Titel: «Joe Biden kämpft gegen die Bestie». Hallo, ZACKBUM dachte, dass er gegen Gedächtnislücken kämpft. Aber gegen welche Bestie? Ach, da hat mal wieder der Titelsetzer Sauglattismus geübt. Denn auf Englisch sagt man, wenn man an einen sehr unangenehmen Ort geht, man sei «in the  belly of the beast». Also im Bauch der Bestie, während man auf Deutsch die Höhle des Löwen betritt.

Macht ja nix, der Artikel stammt vom berüchtigten Fehlprognostiker (Bürgerkrieg in den USA?) Hubert Wenzel. Und der ist Angestellter der «Süddeutschen Zeitung», nicht vom Tagi. Hoffentlich muss der für dessen Ergüsse nicht mehr als 2 Franken zahlen.

Sport wollen wir, höchste D-Gefahr, weiträumig umfahren, die Meinungen auch. Wen interessieren denn noch die Meinungen von Tagi-Redaktoren? Also bleibt noch die Kultur. Oder so.

Wir retten uns in die Kultur

Nora Zukker (wir können nichts dafür, sie auch nicht) erzählt die Geschichte eines Verlagsangestellten, der sich Manuskripte von Bestsellerautoren erschlich – offenbar einfach, um sie selbst zu lesen.

Wunderbare Anlage für einen literarisch hochstehenden Text. Genau, doch nicht mit Zukker. «Laut der New York Times», «wie die FAZ schrieb», «laut der italienischen Zeitung «Repubblica»». Immerhin, ihre Quellen legt sie schonungslos offen.

Also ein Rehash, ein Zusammenschrieb, sozusagen das Gehackte im Journalismus. Aber vielleicht setzt Zukker noch ein Glanzlicht mit der Schlusspointe?

«Die Geschichte von Filippo Bernardini liest sich wie ein Thriller. Und um gute Geschichten ging es dem Italiener immer. Bloss hätte er für seine eigene wohl ein anderes Ende erfunden

Hallo, ist noch jemand da und wach? Wir blasen nun einen Papiersack auf und hauen kräftig drauf.

Um unser aufgewachtes Publikum so in das Ende dieser Abrechnung zu entlassen.  Ach, da gebe es doch auch noch die Print-Ausgabe? Stimmt.

Schliesslich noch die Print-Ausgabe

Schwein gehabt, dieses Thema beherrscht die Frontseite:

Sonstige Highlights? Nun, das hier ist interessant:

Jacqueline Büchi hat sich in die Todeszone begeben. Eigentlich zuständig für «Gesundheit und Gesellschaftspolitik». In dieser Funktion ist sie als Allzweckwaffe geeignet. So fuhr sie schon einen amtierenden Bundesrat an: «Maurer zündeln zu lassen, ist gefährlich», denn «in trumpesker Manier flirtete er zudem mit Verschwörungstheorien».

 

Da wurde Büchi dann ganz streng: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land.»

Glücklicherweise sind wir nochmal davongekommen. Nun muss sie den Eiertanz aufführen, als Tamedia-Angestellte so zu tun, als könne sie ganz objektiv über die Steuermilliarde für reiche Verlegerclans berichten.

Sozusagen ergebnisoffen. Journalistisch halt. Nur dem eigenen Gewissen und keinesfalls dem Portemonnaie von Coninx-Supino verpflichtet. Dass ihr oberster Boss zuvorderst für das Medienpaket ist – na und? Ist’s ihr gelungen? Nun ja, vielleicht reicht der Blick auf ihre Schlusspointe, wo es darum geht, ob in erster Linie Grossverlage von der Milliarde profitieren. Ja, schon, muss sie einräumen. Aber mindestens 70 Prozent, wie die Gegner behaupten, das sei dann schon «zu grosszügig kalkuliert» und beinhalte «Abenteuerliches».

Überhaupt, wer seien denn die Grosssverlage? Achtung, Kracher:

«Wenn die Gegner auch Publikationen wie die «Engadiner Post in ihre Rechnung einbeziehen, erhält der Begriff «Grossverleger» eine ganz andere Bedeutung.»

Feine Klinge, schneidend gegeben. Nur: ändert nix an der Aussage.

Aber gut, mal Hand aufs Herz: wer möchte schon einen solchen Artikel über ein solches Thema schreiben müssen? Da kann nur umsichtige Karriereplanung dahinterstehen.

 

Oops, she did it again

Nora Zukker erträgt sich nur beschwipst. Der Leser braucht einen Vollrausch.

Wenn man mal einen Einstieg gefunden hat, soll man daran festhalten. Ob Cüpli auf einem Zürcher Friedhof, ob sich «zwei Beine in kurzer Hose» neben die Literaturchefin von Tamedia auf den Barhocker setzen: Wein, Weib und kein Gesang ist ihre Devise.

Daher beginnt auch Nora Zukkers jüngstes Werk so:

«Montagabend in einer Zürcher Bar. Wir zeigen Zertifikat und Ausweis und bestellen Wein

Eine nüchterne Beschreibung einer völlig überflüssigen Information. Denn eigentlich soll es um Lara Stoll gehen – und ihr erstes Buch «Hallo».

Sie sei die «Punkerin der Schweizer Poetry-Slam-Szene». Denn sie lässt offenbar längst vergangenen Theater-Unsinn wieder aufleben: «Erst hat sich das Publikum in SRF-Sendungen regelmässig erschrocken, wenn sie plötzlich schrie oder als Spermium auf dem Boden zuckte.»

Megakrasse Partys bei Stoll

Auch privat hat es Stoll echt megakrass, mit ihren «Frittierpartys»: ««Frittiere, was du findest, vorzugsweise in der Küche.» Gleichzeitig werden Haschkekse gebacken, die dann so krass einfahren, dass alle Gäste schnell nach Hause gehen und Stoll ihre Schuhe anzieht, in einen Club geht und erst zwei Tage später wieder nach Hause kommt.»

Saufen zieht sich auch hier wie ein Leitmotiv durch das Porträt: «Also, was spricht denn mit Mitte dreissig überhaupt noch für den 3.95-Franken-Wein aus dem Denner, wenn man genug Geld verdient? «Nichts, absolut gar nichts. Ich habe viel zu oft Kopfschmerzen, aber auch von teurem Wein», sagt Stoll.»

Kante geben, «leicht betrunken ein Hörbuch aufnehmen», das Leben im Rausch, aber keinesfalls berauschend. Nun gut, aber das Werk der Poetin? Wo bleibt das Werk? Das fällt Weinliebhaberin und Literaturhinrichterin Zukker gegen Schluss ihres infantilen Textes auch auf. Also zitiert sie eilfertig ein Werk, mit vollmundiger Ankündigung: «Sie setzt die Pointen gekonnt, und ihr Blick auf die Dinge ist zart.»

Wir sind gespannt – und dann das:

«Mir sind alli elai / bim Rüschte / sind elai / mitem Basilikum / Mir sind immer elai / mit üsne Molekül /». Es ginge noch weiter, aber es gibt Menschenrechte.

Zukker ist gnadenlos, sie hat noch einen Werkkasten dazugestellt, der den Leser weiter quält: «Lara Stoll beweist in ihrem ersten Buch Wortakrobatik vom Feinsten.»

Beispiel? Beispiel, ein «Liebesbrief» an den Duden:

«Ich bin mähnlich schlanger von dir. In mir wächst die Neue peutsche Rechtstreibung! Mund deskalb: Pist du doch seinfach ein verdampfter Nacho. Unser warmes Rind, es raucht doch seinen Kater.»

Flasche leer, wir haben fertig, geben uns die Kante, wollen gar nicht mehr aufwachen. Und nie mehr einen Text von Zukker lesen müssen. Hat denn im Heim des Qualitätsjournalismus niemand Mitgefühl mit der Literatur? Soll dem Leser wirklich ein Widerwillen gegen Bücher eingeflösst werden? Traut sich niemand, diese Schneise der Verwüstung namens Zukker aufzuhalten?

Wohl eher nicht. Sie ist eine Frau

«Absolut crazy»: Wo sie recht hat, hat sie recht.

«Etwas Grausames»

Autoren müssen ihre Bücher promoten.  Also geben sie Interviews. Auch an Nora Zukker. Das tut weh.

Zunächst eine gute Nachricht: «Juden canceln»-Simone Meier, die «Kulturjournalistin des Jahres» («Schweizer Journalist:In*»), hat (noch) keinen Ton zum neusten Werk von Sven Regener gesagt.

Wenn Sie nun sagen: Sven who?, dann sind Sie zwar kein Kulturbanause, aber nicht so wirklich mit der Berliner Szene vertraut. «Element of Crime» (is’ so ‘ne Band), und der Frontmann schreibt in seiner Freizeit Bücher. Als Musiker, das sei vor allem nach seinem neuen Jazz-Album gesagt, ist er klasse.

Mit «Herr Lehmann» landete er 2001 einen Beststeller. Berlin, Kneipen, Mauerfall, Jackpot. Das weidet er seither aus, und so kam es zum neuen Schriftwerk «Glitterschnitter». Bis hierhin ist es eine übliche Literatur-Story. Autor schreibt, Verlag publiziert, Autor wird zu Interviews herumgereicht.

Die «Süddeutsche», die «Schaffhauser Nachrichten», die NZZ, auch die «Nidwalder Zeitung» nimmt dieses Ereignis zum Anlass für Gespräch und Würdigung. Das ist gut so, denn es wird ja immer weniger gelesen.

Einigermassen lustig und unterhaltsam.

Nun hätte Tamedia wie gewohnt das Porträt der «Süddeutschen» übernehmen können. Ist keine Spitzenleistung, aber brauchbar. Das hätte dem Leser aller Tamedia-Kopfblätter, und deren sind viele, das Interview mit Sven Regener erspart, dass die sogenannte Literaturchefin Nora Zukker mit ihm führte.

Auch hier muss man eine gute Nachricht vorausschicken: es fand nicht auf einem Friedhof statt, und – soweit bekannt – wurde auch nicht übermässig dem Alkohol dabei zugesprochen.

Den braucht allerdings der Leser, will er tapfer bis zum Schluss durchhalten. ZACKBUM hat sich – hoch lebe die internationale Solidarität – für einen «Pampero Aniversario» aus Venezuela entschieden. Alles Geschmacksache, aber wohl der beste Rum der Welt. Wenn ein Kuba-Kenner das sagt, muss es wohl stimmen.

Es war nur eine Flasche, im Fall.

Wir kommen nicht um die Beschreibung des Elends herum

Aber es hilft nichts, wir müssen zum Interview schreiten. Der Titel ist immerhin so gewählt, dass der Leser gewarnt wird, ob er sich das wirklich antun will: «Kacki, das hat etwas Grausames». Das mag so sein, aber das ist nix gegen den Fragenkatalog der Literaturchefin ohne Bildungsrucksack.

Das ist wahr, aber es gibt Schlimmeres.

«Was trinken Sie denn hier», «wie lebt es sich denn über die Jahre mit dem ganzen Personal?»,

«Wie haben Sie zu dieser gesprochenen Sprache (!) gefunden?»,

«Dialoge können Sie!», «Im November kommen Sie nach Zürich. Haben Sie eine Beziehung zur Stadt, oder ist sie Ihnen zu klein?»

Gut, die ersten Leser winseln bereits um Gnade, ich habe ein Einsehen. Was antwortet Regener nun auf diese strenges Desinteresse auslösenden Fragen? Besonders zu der über die «gesprochene Sprache»? Nun, er ist ein Profi, der auch auf die Frage: Wie gefällt Ihnen das Wetter heute?, eine zumindest anekdotische Antwort geben könnte. Aber hier verschlägt es selbst ihm etwas die Sprache, also die gesprochene: «Ich verzichte darauf, zu beschreiben, wie die Leute aussehen, das interessiert mich nicht so sehr.»

Nun könnte es ja sein, dass ein solches Interview dem Leser dabei hülfe, sich zu entscheiden, ob er sich diese 480 Seiten antun will. Das Interview selbst ist dafür nicht zweckdienlich, schliesslich sagen höfliche und sogar witzige Antworten auf Nonsens-Fragen nichts über literarische Qualitäten aus.

ZACKBUM findet es aber eher unfair, dass Zukker mit dieser Beschreibung sicherlich unfreiwillig vor der Lektüre abschrecken will:

«Sven Regeners Stil der gesprochenen Sprache hat manchmal einen Hang zur Länge, weil er die Leute beim Reden denken lässt. Wobei dabei auch Dialoge entstehen, die toll sind: «Wie schon Toulouse-Lautrec sagte: Wir haben unser ganzes Leben gebraucht, damit wir das erst seit drei Wochen machen können.» – «Das hat er gesagt?» – «So ähnlich.»»

Nein, das haben wir nicht erfunden. Das geht gar nicht. Ausser, man heisst Zukker und ist Literaturchefin bei Tamedia.

 

Ob die Literatur Zukker überlebt?

Nora Zukker ist Literaturchefin bei Tamedia. Gut für sie, schlecht für die Literatur.

Seit Anfang dieses Jahres hat der eine der beiden Duopolkonzerne im Medienbereich eine neue Literaturchefin. Ihr jugendliches Alter und die vielleicht damit einhergehende Unreife wollen wir ihr nicht vorwerfen. Es hat ja jeder Literaturchef mal klein angefangen. Auch so Leute wie Alfred Kerr, Frank Schirrmacher, Marcel Reich-Ranicki usw. Das waren dann alles erst noch Männer, im Fall. Und ihr sicherlich alle unbekannt, im Fall.

Also setzte Zukker schon früh ein erstes Zeichen, indem sie sich mit der Dumm-Literatin Simone Meier («Juden canceln») auf einem Friedhof mithilfe einer Flasche Chlöpfiwasser die Kante gab. Lassen wir das mal als erste Jugendsünde vorbeigehen.

Sie hat auch schon ein Buch geschrieben. Und mitsamt Crowdfunding – nun ja,  publiziert. Wir spürten kurz die Versuchung, Fr. 50.- für ein «Treffen mit der Autorin» zu investieren, konnten uns aber doch zurückhalten.

Dafür trifft die Autorin immer wieder Bücher, und das bekommt denen überhaupt nicht gut. Noch weniger den Lesern ihrer Berichte über solche Begegnungen. Streifen wir kurz, aber nur sehr kurz durch das literaturkritische Schaffen von Zukker. Sagen wir, so der letzten Wochen. Da hätten wir mal diesen da: «Claudio Landolt hat einen Berg vertont und dazu Prosaminiaturen geschrieben.» Oh, und wie tönt er denn so, der Berg? Nun, nach «grellem Pfeifen». Falsch, lieber Laie: «Das ist die absolute Aufnahme, das ist der ultimative Liebesakt zwischen den Ohren und dem Berg.»

Ohä, und wie tönt er denn, der Dichter?

«Da drüben sprechen zwei Männer mit Sand im Mund. Es scheint um Netze zu gehen.»

Ja, da knirscht der Leser auch mit den Zähnen, spuckt Sand und sucht das Weite.

Wir folgen der Schneise der Verwüstung

Wir folgen aber tapfer Zukker zum «Berner Autor Michael Fehr». Womit erfreut der uns? «Ein Mann brät in der Pfanne eine Katze, die sich in seiner Wohnung verirrt hat. Pistolen schiessen in offene Münder hinter dem Bankschalter, ein Paar plündert ein Lebensmittelgeschäft.» Was soll uns nun das sagen? «All das geschieht in den auf das Kreatürlichste destillierten Texten von Michael Fehr.» Oh, was löst das in Zukker aus? «Man möchte schreien und verstummen, man möchte tanzen und sich hinlegen. So unerbittlich uns Michael Fehr an unsere Begrenztheit und zutiefst menschliche Widersprüchlichkeit erinnert, so tröstlich fühlt sich der Raum an Möglichkeiten an.» Ohä, worum geht’s schon wieder? ««super light» ist unerbittlich und von brachialer Zartheit und die Einladung, sich einzulassen aufs Leben, weil es so oder so kein Entkommen gibt.»

Ja, den Eindruck hat der Leser inzwischen auch, aber wir flüchten nun zum «neuen Roman von Judith Keller». Das ist nämlich «Milena Moser auf Acid». Oh. Als ob Moser ohne Acid nicht schon schlimm genug wäre, aber worum geht’s denn hier? Natürlich kommen auch Roger Federer, Virginia Woolf, Hölderlin und die Odysee vor. Ohä, einfach, damit das klar ist: wir verneigen uns hier vor «Prosaminiaturen». Wie dieser:

«Dazu sagen sie Sätze wie: «Es ist so still. Was wollen wir reden?»»

Nichts, rufen wir erschöpft, aber unsere Odyssee, bei Hölderlin und Federer, ist noch nicht vorbei. Wir sind nun beim Debutroman von Andri Hinnen. Etwas Leichfüssiges über «unsere inneren Dämonen». Da könnte sich Dostojewski wohl noch eine Scheibe von abschneiden, wenn Zukker wüsste, wer das ist. So aber lobt sie: «Ein rasanter Roman, der durch den Einfall, die Psychose zur Figur «Rolf» zu machen, überrascht.» Vielleicht eine Schlaufe zu viel, meldet sich die strenge Literaturkritikerin aber: «Wenn es richtig reinknallt, sind wir am Leben.»

Überleben, das ist alles bei der Lektüre von Zukker

Wir sind hingegen froh, immer noch am Leben zu sein nach diesem Martyrium, nach diesen Stahlgewittern (Jünger, das war, aber wir haben ja schon aufgegeben). Noch ein letzter, matter Blick auf die Fähigkeiten von Zukker als Feuilletonistin. Da wird sie launig: «Sommer nach der Pandemie: 3, 2, 1 … Ausziehen!» Hui, wird’s jetzt noch sinnlich? «Ich bin in der Bar meines Vertrauens. Zwei Beine in einer kurzen Hose setzen sich neben mich, und ich komme nicht damit klar.» Oh, damit wäre die Frage nach Sinnlichkeit bereits beantwortet: Nein. Nach Sprachbeherrschung auch. Beine setzen sich? Aua.

Ist’s wenigstens unterhaltsam? «Ich bestelle einen weiteren Negroni sbagliato und frage mich, gibt es auf Ibiza eigentlich FKK-Strände, denn: Würde ich die Entwicklung dieser Entkleidungszeremonie weiterdenken, müsste die kurze Hose neben mir eigentlich auf der Baleareninsel nackt rumlaufen.» Ohä, auch nein.  Nochmal aua, eine kurze Hose läuft nackt herum? Gibt’s noch irgendwie eine Pointe, etwas, das «richtig reinknallt»? Na ja: «Ich rufe meinen guten Freund in Deutschland an und frage ihn: «Wie nackt sind die Beine im Norden?»»

Nein, die Antwort wollen wir nicht wissen. Aber immer noch besser, als wenn sich Zukker in Debatten einmischt, für die man lange Hosen anhaben müsste, um wirklich mitdiskutieren zu dürfen. Wie zum Beispiel das längst verstummte Geschrei um eine Provokation von Adolf Muschg. «Twitter richtete. Dass der Schweizer Intellektuelle die Cancel Culture mit Auschwitz verglich, löste harsche Kritik aus», blubberte Zukker damals. Schlimmer noch:«Dieses Wort lässt keinen spielerischen Umgang zu.» Entweder weiss sie auch hier nicht, was sie schreibt, oder sie unterstellte Muschg, er habe das Wort Auschwitz «spielerisch» verwendet. Wir regten damals an, dass sich Zukker wenigstens bei Muschg für diesen unglaublichen Ausrutscher entschuldigen sollte. Tat sie nicht.

Also bitte, bitte, lieber Arthur Rutishauser. Lieber Herr Supino. Liebe Minerva, liebe Hüter der letzten Reste von Niveau und Anspruch: wer sorgt wann dafür, dass diese Frau die deutsche Literatur nicht mehr länger quälen, zersägen, misshandeln darf – und den Leser auch noch?

 

Es darf gelacht werden: diesmal über Interviews

Ein schriftlich geführtes Gefälligkeits-Interview ist die Hölle.

Wir betreten den ersten Kreis der Hölle, wie übrigens auch ein Roman von Alexander Solschenizyn heisst (Nora Zukker, aufgepasst, sollte man gelesen haben).

Aber während es da um sowjetische Gulags ging, geht es hier um die Hölle des «Blick»-Newsrooms. Das einzige Organ mit eingebautem Regenrohr hat mal wieder einen neuen Chef gekriegt. Zu den übrigen Häuptlingen (und immer weniger Indianern) gesellt sich Sandro Inguscio als neuer Chäf von blick.ch und Blick TV.

Interessiert zwar nicht wirklich, aber die Gelegenheit für ein schriftlich geführtes Interview. Schriftlich geführte Interviews sind gar keine, weil hier schon von Anfang an alles Spontane, alles, was eben den Unterschied zwischen Dialog und Geschriebenem ausmacht, wegradiert ist. Nun könnte man einwenden, dass das ja auch häufig während des Autorisierens geschieht. Schon, aber da kann sich eine Redaktion, so sie noch etwas Ehre im Leib hat, dagegen wehren oder auf die Publikation verzichten.

Aber schauen wir mal, mit welchen Antworten Inguscio die kritischen Fragen von persoenlich.com pariert hat. Nein, das war ein Scherz mit den kritischen Fragen.

  • «Ich freue mich wahnsinnig auf die Aufgabe und habe gleichzeitig grössten Respekt davor.»
  • «Es würde den grossartigen Teams nicht gerecht werden, wenn ich bereits vor meinem Start Änderungen ankündigen würde.»
  • «Jetzt gilt es, die Synergien noch besser zu nutzen.»
  • «Ich werde diese beiden digitalen Vektoren näher zusammenführen.»
  • «Als Teenager hatte ich mir zum Ziel gesetzt, eines Tages für den Blick arbeiten zu dürfen.»

Mit Wumms im «Blick»: Sandro Inguscio.

Immer mehr Leser winseln um Gnade? Also gut, lassen wir es bei diesen inhaltsschweren Brocken bewenden, die Inguscio über den Lesern abwirft. Wobei man den Verdacht nicht loswird, dass er einfach die Antworten anderer Antrittsinterviews aus dem Stehsatz geholt hat, kurz abgestaubt, leicht geschüttelt und gemixt, dann eiskalt serviert hat.

Resultat: wunderbar angemalte Luft. Vielleicht fürs nächste Mal; ein Aspekt fehlt: die Frauenförderung, der Einsatz für Inklusion, der Kampf gegen Rassismus, gerade auch in der Schweiz. Das Bekenntnis zur humanitären Tradition, zur Neutralität und zur EU. Aber das wird schon.

Wir kommen unten an: bei Simone Meier

Simone Meier, ja, die One and Only, hat auch ein Interview gemacht. Nämlich mit Xavier Naidoo. Der ehemalige Sänger der «Söhne Mannheims» entwickelt durchaus etwas schräge Ansichten über Gott, die Welt und das Virus. Dazu hat er zwei neue Songs veröffentlicht. Dem geht nun Meier nach und kommt nach vielen, vielen Buchstaben zum Schluss:

«Am Ende ist es ganz einfach: Der Körper, der sich niemals impfen lassen will, und die Heimat, in deren Boot kein Platz mehr ist, verschmelzen bei Naidoo und seinen Geschwistern auf beängstigende Weise zu einem Brandbeschleuniger. In Form eines aggressiven, abwehrbereiten und in allem selbstgerechten Volkskörpers.»

Wir versuchen, der Kulturjournalistin des Jahres zu folgen. Ein ungeimpfter Körper, eine Heimat als Boot ohne Platz verschmelzen zu einem Brandbeschleuniger. Der wiederum hat die Form eines Volkskörpers.

Ohne Durchblick: Simone Meier.

Wahnsinn, welche Bilderfülle, wie Meier es auf so engem Platz schafft, so ziemlich jedes verwendete Wort mit einem anderen kollidieren zu lassen. Wir sehen hier einer Massenkarambolage nichtssagender Gedankentrümmer zu. Einem sprachlichen Schrotthaufen, einem Versuch, Unsinn so zu schreddern, dass er den Verstand verliert.

Und hat Meier Naidoo echt interviewt? Natürlich nicht, da hat ZACKBUM gelogen. Wir beschäftigen uns hier schliesslich mit «watson», da muss man sich anpassen.

Jetzt noch der Aufschwung ins Gehirn

Wollen wir die Reihe mit einem richtig hochstehenden Interview abschliessen? Also gut, da nehmen wir doch Barbara Reye vom «Tages-Anzeiger» interviewt den «Neuropsychologen Lutz Jäncke» von der Uni Zürich. Der hat nämlich herausgefunden: «Viele Leute hängen wie Junkies an ihren Smartphones».

Will nur spielen: Lutz Jäncke.

Es wird gemunkelt, dass Jäncke für diese bahnbrechende Forschung auf der Shortlist für den nächsten Nobelpreis für Psychologen steht. Oh, den gibt es nicht? Na, dann wird es aber höchste Zeit.

Jäncke lässt es aber nicht nur bei dieser erschütternden Diagnose bewenden, er bietet auch Lösungen für dieses neue Problem: «Wir müssen unsere Selbstdisziplin trainieren und wieder lernen, uns nicht ständig ablenken zu lassen.» So paraphrasiert Reye den Wissenschaftler.

Den muss aber der Verdacht beschlichen haben, dass er vielleicht einen Tick zu wenig wissenschaftlich rüberkommt, wenn er schlichtweg eine Banalität rezykelt. Also gibt er mal kurz Gas auf die Frage, was sich eigentlich so alles im Hirn abspiele:

«Durch die emotionalen Impulse wird erst einmal das «Reptiliengehirn» aktiviert. Zu diesen evolutionär alten Hirnstrukturen des limbischen Systems gehört auch der Nucleus accumbens als Zentrum für Lust und Freude oder die Amygdala für negative Gefühle wie Angst und Wut. Anschliessend werden die Informationen gemäss dem Bottom-up-Prinzip nach oben etwa an das stammesgeschichtlich neu entstandene Stirnhirn, den Frontalkortex, geleitet.»

 

Die Amygdala  ist allerdings, soweit man das überhaupt mit Sicherheit sagen kann, auch für Lust und Freude zuständig, aber das würde wohl wissenschaftlich zu weit führen.

Wir wollen unsere Leser mit einer weiteren bahnbrechenden Erkenntnis des Wissenschaftlers verabschieden, die ihm Reye entlockte:

«Man sollte beim Lesen nicht in oberflächliches und schnelles Konsumieren verfallen. Denn das ist die Geissel der modernen Welt.»

Merken Sie sich das; hier bei ZACKBUM wird nicht oberflächlich und schnell konsumiert, okay?

Alles wird gut: Zukker greift ein

Immerhin durfte Adolf Muschg 86 Jahre alt werden, bevor er dieser «Literaturchefin» in die Hände fiel.

Wenn sich – wie immer in der Welt der blubbernden Blasen namens Social Media – die Blaser einer neuen Themenblase zuwenden, kommen die Erwachsenen und ordnen ein, fällen das endgültige Urteil.

Nachdem so ziemlich alle etwas zur Verwendung des Wortes Auschwitz durch Adolf Muschg gesagt haben, ist es natürlich höchste Zeit, dass die Literaturchefin von Tamedia immerhin rund eine Million Leser damit beschallt, was ihr noch zu diesem Thema einfällt.

Dabei haben sich doch schon Geschichtsprofessoren lächerlich gemacht, CH Media überraschte sogar mit einer differenzierten Darstellung, nun kommt Nora Zukker mit ihrer «Analyse zur Rechtfertigung von Adolf Muschg». Leider kann sich weder das Wort Analyse noch Muschg dagegen wehren.

«Twitter richtete. Dass der Schweizer Intellektuelle die Cancel Culture mit Auschwitz verglich, löste harsche Kritik aus.»

Schon hier möchte man Zukker, zu ihrem eigenen Besten, zurufen: halte ein, bevor dich Lächerlichkeit tötet.

Denn Twitter richtet sicherlich nicht. Auf Twitter zwitschern – meist wie ein Schwarm Spatzen im Baum – viele schräge, dumme, kurzatmige, dauererregte Verfasser von Kurzgedanken vor sich hin. Die Relevanz ihres Zwitscherns ist meist schon verklungen, bevor jemand die Textlein gelesen hat. Fängt ein Spatz an zu tschilpen, stimmen sofort Hunderte ein – und eine Sekunde später haben alle alles vergessen.

Ob Zukker jemals etwas von Muschg gelesen hat?

Nein, Frau Zukker, der Schweizer Schriftsteller Muschg (schon mal was von ihm gelesen? Was? Und was davon behalten?) hat das nicht getan. Das versucht er seither unermüdlich zu erklären, was überhaupt nichts mit einer Rechtfertigung zu tun hat. Sonst hat Zukker aber bisher alles richtig verstanden und wiedergegeben. Zum Beispiel? Ähm, also der Name des Intellektuellen ist richtig geschrieben. Ist doch was.

Wie steht es nun mit der Verwendung des Synonyms für den Plan der deutschen Faschisten, alle Juden Europas auszurotten?

«Das Wort «Auschwitz» ist nicht verhandelbar.»

Sagt wer? Sagt Zukker. Mit Verlaub: wer wollte denn darüber verhandeln? Niemand; also was soll der Quatsch? Sie nimmt einen zweiten Anlauf: «Wird es in einen neuen Kontext gesetzt, relativiert und verharmlost es den Holocaust.»

Hört sich irgendwie apodiktisch-richtig an. Ist aber hanebüchener Unsinn. «Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch», dekretierte Theodor W. Adorno 1949. Wikipedia kann allen weiterhelfen, die keine Ahnung haben, wer das war. Adorno relativierte dann immerhin 1966 in seiner «Negativen Dialektik»: «Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe sich kein Gedicht mehr schreiben.»

Perennierend bedeutet «durch die Jahre dauernd», «ausdauernd». Den Rest versuche der Leser selbst zu verstehen. Das gilt auch für Zukker, ist dort aber wohl aussichtslos. Denn ob mit oder ohne Champagner, da herrscht im Oberstübchen ziemlich Sonnenfinsternis. Das ist übrigens der Titel eines Romans von Arthur Koestler, aber das würde hier wirklich zu weit führen.

Die sowjetischen Befreier vor den Verbrennungsöfen in Majdanek.

Wenn das Wort Auschwitz nicht «in einen neuen Kontext gesetzt» werden dürfe, wie steht es dann mit Treblinka? Sobibór? Majdanek? Belzec? Bloss weil Zukker diese Namen von Vernichtungslagern vielleicht nicht kennt, dürften die dann «in einen neuen Kontext» gesetzt werden? Oder auch nicht? Wie steht es dann mit dem Wort «Endlösung»? Mit dem ganzen Vokabular der Nazi-Verbrecher?

Wenn Zukker nicht eine Frau wäre, hätte sie für die folgende Ungeheuerlichkeit eins hinter die Ohren verdient: «Dieses Wort lässt keinen spielerischen Umgang zu.» Entweder weiss sie auch hier nicht, was sie schreibt, oder sie unterstellt Muschg, er habe das Wort Auschwitz «spielerisch» verwendet.

Eigentlich erübrigt diese Schmähung jede weitere Auseinandersetzung mit dieser Literaturchefin. Aber nur eines noch: «Dass der Schriftsteller in den 1990er-Jahren ein Büchlein mit dem Titel «Wenn Auschwitz in der Schweiz liegt» veröffentlichen konnte, macht die Sache nicht besser.»

Keine Ahnung von nichts, so wird man Literaturchefin

Aus dieser Formulierung geht eindeutig hervor: Zukker hat das «Büchlein» weder gelesen, noch weiss sie etwas über seinen Kontext. Kurz «recherchiert», also Wikipedia, diesen Titel gefunden, aha gesagt, losgeschrieben. Peinlich, ist das peinlich.

Fast so peinlich, wie dass die Literaturbanausin zwar zitiert, dass SRF von Muschg ein «klärendes Statement» verlangte, das er auch sofort geliefert habe. «Ich war naiv genug zu glauben, dass es auch publiziert würde.» Mit anderen Worten: es wurde gecancelt. Das wäre nun eigentlich ein Skandal, dem nicht nur Literaturchefs nachgehen sollten. Tun sie aber nicht.

Stattdessen, wenn Twitter schon urteilt, kann das Zukker doch auch: «Die Stellungnahme des 86-Jährigen bleibt zwischen Entschuldigung im Dienste anderer und trotziger Beharrlichkeit hängen.»

Geschätzte Frau Zukker, ihre «Analyse» hängt zwischen Unwissen, Unverständnis und Unverschämtheit. Es wäre ein Zeichen trotziger Beharrlichkeit, wenn sie sich dafür nicht wenigstens bei Adolf Muschg entschuldigen würden. Finden Sie nicht auch?

 

Wenn zwei Frauen in Champagnerlaune geraten

Dann erreicht der Kulturteil von Tamedia einen neuen Tiefpunkt. Denn es handelt sich um die neue Literaturchefin und eine «watson»-Kolumnistin.

 

«Sowas wie das RTL-Dschungelcamp 2021 hast du noch nie gesehen»

«Die dänische Sex-App ist gut gemeinter Schwachsinn»

«Ist Bill Kaulitz dauerspitz? Seine Autobiografie klingt ganz danach …»

«Der aufwühlende Dokfilm «Framing Britney Spears» und der Tod des Models Kasia Lenhardt sind beispielhaft für die Demütigung von Frauen in den Medien.»

Die Kolumne «Glamour, mon amour»: «Die Weihnachtsbeleuchtung hing noch, leuchtete aber schon lange nicht mehr, Regen begann zu fallen, und die erblindeten Leuchtkörper schimmerten von oben herab wie erstarrte Tropfen. Der silberne Schlangenkopf der Medusa, die neben dem Eingang von Versace auf der nassen Mauer prangte, blickte uns so hart ins Gesicht, dass wir fürchteten zu versteinern.»

Früher einmal gab es Literaturkritik

Ich weiss, das war ein Stahlbad für die Leser, aber da muss man durch. Eine kleine Auswahl aus dem aktuellen journalistischen Schaffen von Simone Meier. Um eines Gags willen kennt sie nichts. Wenn sie über Cancel Culture schreibt, dann hält sie es für einen passenden Geschichtsausflug, dass im Dritten Reich «die Juden gecancelt» wurden.

Früher einmal, ist gar noch nicht so lange her, gab es Literaturkritik. Wo ein flamboyanter Marcel Reich-Ranicki mit jeder Buchbesprechung bewies, ob mündlich oder schriftlich, dass Literaturkritiker Beruf und Berufung ist, die unter anderem sehr viel Bildung voraussetzt.

In der Schweiz prägten Hanno Helbling, Werner Weber und bis heute wache Geister wie Manfred Papst in der NZZ die Literaturkritik, bei der der Kritiker dem Schriftsteller mindestens auf Augenhöhe begegnet. Ich kann’s beurteilen, ich habe bei Weber Literaturkritik studiert.

Zwei Frauen zeigen, was sie können

Das schafft Nora Zukker auch. Ob sie über einen Liebesroman von Herzogin Fergie berichtet oder sich mit Simone Meier auf dem Friedhof Sihlfeld mit «einer Flasche Rosé-Champagner» die Kante gibt. Was für ein Einstieg: «Simone Meiers Romane sind Rosé-Champagner: Sie lesen sich leicht, man merkt kaum, wenn man nachschenkt, und zum Schluss ist man verzückt tipsy

Wie lautet schon wieder mein Lieblingstitel im «Blick», viele Jahre her: «Frauen, Alkohol, Wahnsinn». Wie wahr, denn auf 7100 Anschlägen zeigt die neue Literaturchefin von Tamedia, was sie kann. Gleich viel wie Simone Meier. Also eigentlich nichts. Meier versucht nicht ganz erfolglos, sich als eine Mischung zwischen Charlotte Roche (Feuchtgebiete) und Martin Suter (Allmen) zu verkaufen. Also als Gebrauchsliteratin mit noch weniger Tiefgang als Lukas Bärfuss, aber viel mehr Sex in ihren Werken.

In ihren Kolumnen bei CH Media und bei «watson» greift sie gelegentlich so was von daneben, dass einem das Lachen im Hals steckenbleibt. Dass sie vom abgetakelten «Schweizer Journalist» zur Kulturjournalistin des Jahres ernannt wurde, wird es zukünftig jedem Kulturjournalisten schwer machen, diesen Preis anzunehmen.

Mit welchem Alkoholpegel hat Zukker was geschrieben?

Was passiert, wenn Zukker ihr literaturkritisches Besteck auspackt?

«Die Dialoge sind nie meta, sondern nahe an der Alltagsrealität.»

Hä? Hier vermisse ich zum ersten Mal eine Angabe über die Promille, mit denen das geschrieben wurde. Vor den nächsten beiden Flachsätzen muss aber sicherlich ein grosser Schluck aus der Pulle erfolgt sein: «Meier kann Popkultur. Ihre Kritiken sind die wirkliche Unterhaltung. Echte Satire mit beinahe persiflierendem Charakter.» Hä? Was wäre dann unechte Satire, und wo genau liegt der Unterschied zu einer Persiflage? Oder was wäre Satire ohne persiflierenden Charakter?

Kann Zukker noch mehr? Locker: «Ob journalistisch oder literarisch: Ihre Texte sind sinnlich, sehnend und schlau.» Hicks. «Wenn in Meiers neuestem Buch «Reiz» ein Google-Street-View Männchen auftritt oder Herz-Emojis verschickt werden, ist das stilistisch konsequent.» Ich muss nun selber eine Flasche Dom Pérignon öffnen.

Gibt es denn kein Entkommen? Doch, dem Wettergott sei Dank und Preis: «Plötzlich regnet es frontal unter das Vordach.» Hä? Wie das wohl geht? Aber egal, das zwingt die beiden Wortschmiede (Pardon, Wortschmiedinnen) in die Flucht, wofür der Leser ausgesprochen dankbar ist.

Die Tragödie ist nicht, dass Meier sich bei CH Media bejubeln lässt: «Eine Schriftstellerin, die dank ihrer pointierten Formulierungslust sowohl das erschreckend Ruppige wie das Verträumte in Szene setzen kann. Immer im Auge: unsere Gegenwart, die sie in einem Panoptikum spiegelt.» Man kann nur hoffen, dass das weit jenseits von 0,8 Promille geschrieben wurde.

Eigentlich müsste man Schmerzensgeld verlangen

Die Tragödie ist, dass nicht Meier, aber Zukker schmerzlich zeigt, dass auch die Literaturkritik bei Tamedia erschreckend tiefergelegt keinerlei Orientierung dem nach Lektüre suchenden Leser gibt. Wer aufgrund dieser angetüterten Lobeshymne Lebenszeit verschwendet und den Roman wirklich liest, müsste eigentlich bei Tamedia Schmerzensgeld verlangen. Leider: In den USA stünden die Chancen nicht mal schlecht. In der Schweiz wäre das aussichtslos. So wie die Zukunft der Literaturkritik bei Tamedia.

Wer möchte nach Meier den Preis «Kulturjournalist des Jahres» entgegennehmen? Wer möchte sich von Nora Zukker rezensieren lassen? Vielleicht liegt die Rettung darin, dass beide wohl kaum einen Thomas Pynchon, Marcelo Figueras, einen Martin Cruz Smith, einen George Packer, einen Ismael Kadare kennen. Vielleicht haben sie von Hilary Mantel gehört, aber das sind verdammt dicke Wälzer. Alle diese Autoren dürften sowohl einem Schlammbad in Meiers Kolumnen wie auch einem Alkoholbad von Zukker entgehen. Darauf einen kräftigen Schluck Krug Rosé!

 

Letzte Rose geht an Bachelorette Nora Zukker

Die Nachfolgerin von Martin Ebel

15 Jahre lang schrieb er über die Gegenwartsliteratur, trotzdem wurde er nie an die Redaktionskonferenzen eingeladen. Erst 1972, im Alter von 52 Jahren, wurde Marcel Reich-Ranicki zum Literaturchef der FAZ ernannt – gegen den Widerstand der Redaktion.

Zeiten und Umstände, die heute nicht mehr vorstellbar sind. Was bedeutet heute noch Literatur und welche Bedeutung hat ein Literaturkritiker? Nora Zukker gibt uns die Antwort. Die junge Frau wurde letzte Woche zur Leiterin der Literaturredaktion des Tages-Anzeigers ernannt. Sie löst damit endlich Martin Ebel ab.

Von Nora Zukker ist wenig bekannt, ausser dass sie von einem Bus überfahren wurde. Ein bisschen hier, ein bisschen dort geschrieben. Migros-Magazin, NZZ Folio, Strassenmagazin Surprise. Die Texte sind ein bisschen frech, ziemlich launig geschrieben und schnell vergessen.

Bachelor in Sozialwissenschaften

Auf die Frage hin, welchen akademischen Rucksack Zukker trägt, wird es noch trauriger: einen Bachelor in Sozialwissenschaften (Hauptfach: Populäre Kulturen, Nebenfach: Filmwissenschaft und neuere deutsche Literaturwissenschaften), so die Medienstelle. Schön, dass man sogar damit Karriere machen kann.

Angestellt ist sie zu 80 Prozent und darf auch weiterhin nebenberuflich als Kulturvermittlerin arbeiten. «Es steht Nora Zukker grundsätzlich frei, sich weiterhin entsprechend zu engagieren», schreibt Tamedia.

Grundsätzlich ist das schon etwas heikel, da die Tagi-Literaturchefin den Verkauf neuer Bücher massgeblich beeinflussen kann und den Verdacht, auf zwei Hochzeiten zu tanzen, tunlichst vermeiden sollte. Zumindest theoretisch.

Wir leben aber im Jahr 2020 und nicht 1972. Heute ist es eigentlich egal, ob Ebel, Zukker oder Kermit der Frosch die Literatur im Hause Tamedia leitet. ZACKBUM.ch fragte bei Tagi-Journalisten nach. Niemand kennt sie, niemand interessiert sich für die Affiche. Auch bei den Verlagen ist Zukker kein Begriff.

Das ist wohl das Betrüblichste an Zukker: Die Wogen gehen kniehoch. Ist ähnlich wie bei Napoléon Eugène Louis Jean Joseph Bonaparte (1856-1879), der vierte Napoleon. Von ihm bleibt ihm Gedächtnis nicht ein Bus, sondern die Modelleisenbahn des kaiserlichen Prinzen.

Hinweis: In einer früheren Version stand, dass Zukker von einem Lastwagen überfahren wurde. Richtig ist: von einem Bus.