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Das passende Tamedia-Thema

Nora Zukker hat Humor. Galgenhumor. Den braucht’s auch bei Tamedia.

Eigentlich soll Zukker angeblich die Literaturchefin von Tamedia sein. Davon merkt man aber wenig, was der Literatur durchaus nicht schadet. Stattdessen kümmert sie sich in der Adventszeit um solche Themen:

«Ein Tag mit einer Bestatterin». Gehört zu den Betroffenheitspornos des Journalismus. So in der Liga «Weihnachten auf einer Polizei- oder Notfallstation» Oder «Eine Nacht mit Obdachlosen unter der Brücke».  Irgendwie hat Tamedia dann auch noch Pech mit dem eingeklinkten aufdringlichen Inserat:

Das macht den Kunden sicherlich froh …

Was hat denn die Bestatterin (Achtung, politisch korrekter Ausgleich nach dem «Bestatter»!) so zu erzählen: «Die Särge sind bei uns auch in gekühlten Räumen und nicht im ‹Kühlraum›, da denkt man direkt an den Schlachthof.» Wow, da sind wir aber gleich beruhigt und sehen dem Tod gelassener entgegen. Was plaudert sie denn sonst so aus dem Nähkästchen? Nun, auch Tote können noch tropfen, aber: «Wenn noch etwas aus der Nase rinnt, gibt es eine spezielle Watte, genannt «Engelshaar», die dagegen hilft.» Ob das die gleiche ist, die in der Dubai-Schoggi verwendet wird? Man darf ja wohl noch fragen.

Während der Leser noch weiter jeden Schrecken vor dem Tod verlieren soll, kommt schon wieder so ein blödes Inserat in die Quere:

Slapstick, Realsatire oder pietätlos, was darf’s denn sein?

Was ist denn so das Schlimmste für eine Bestatterin, stellt Zukker dann die Allerweltsfrage. Und bekommt die Antwort, die Bestatter überall auf der Welt geben, es sei «der Geruch der Verwesung. Seit sie ihn einmal gerochen habe, werde sie ihn nie mehr los. Ein bestialischer Geruch, der immerhin nicht schlimmer werde, wenn man ihn immer wieder rieche. «Ich merke auch, wenn irgendwo ein toter Igel liegt», Verwesung sei Verwesung

Asche zu Asche, Mensch zu Igel, kann man da nur sagen.

Dann die Arbeit an einer Leiche, da muss Zukker, da muss der Leser durch: die Bestatterin «faltet die Hände, der eine Arm rutscht immer wieder zur Seite, es ist eine komische Szene, auch weil ich das Gefühl habe, dass ich nur flüstern darf, um die Verstorbene nicht zu stören». Das ist aber noch harmlos, denn Zukker kann sich natürlich in der schonungslosen Beschreibung noch steigern, nun muss der Leser ganz stark sein und die Nase zuhalten:

«Es sei eine einzige braune Sauce gewesen, man habe noch die Haare erkennen können, die Beine und den Oberkörper. Abgesehen von den Zähnen, sei der Rest des Gesichts zerfressen gewesen. Von Maden? «Ja, es reicht ein gekipptes Fenster, durch das eine Fliege in die Wohnung gelangt und in einer Körperöffnung Eier legt», sagt sie.»

Der Leser putzt sich die Nase, schüttelt sich kurz und hat ein paar Fragen. Was soll das? Was soll das in der Adventszeit? Hat eine Literaturredaktorin nichts Besseres zu tun? Wieso soll die Beschreibung von verwesenden Leichen den Umgang mit dem Tod den Schrecken nehmen?

Oder aber, soll das eine Allegorie auf den Zustand von Tamedia sein? Soll das die Stimmung auf der Redaktion paraphrasieren, wo zwar nicht Särge, aber Mitarbeiter hinausgetragen werden? Liegt auch im Glashaus schon ein leichter Verwesungsgeruch in der Luft? Herrscht etwa Grabesstille, wenn Raphaela Birrer, Simon Bärtschi oder Jessica Peppel-Schulz durch das Grossraumbüro huschen, wo die Redaktoren so eng zusammengequetscht sind, dass sich der Tierschutz melden würde, handelte es sich um Hühner oder Schweine?

Ist es das, was Tamedia unter einem werbefreundlichen Umfeld versteht?

Man weiss es nicht. Man versteht es nicht. Man will es auch gar nicht wissen oder gar verstehen. Ist der ganze Text eine Allegorie oder enthält er nur Metaphern über den Zustand von Tamedia? Gut, dafür müsste die Tamedia-Redaktion den Unterschied kennen. Ein kleiner Scherz, um die Stimmung bei diesem schriftlichen Leichenbegängnis zu heben. Und das ist eine Metapher.

Ach, du liebe NZZ

Immer wieder Glanzlichter in diesem Schattental namens Journalismus.

Wir gestehen: ZACKBUM mag Botho Strauss nicht wirklich. Sein «Anschwellender Bocksgesang» hatte zwar einen tollen Titel, aber der Inhalt war zu sehr Blut-und-Boden-Geschwurbel. Auch sein dichterisches Werk erscheint uns zerquält, gewunden, ohne rechten Lustgewinn zu lesen.

Aber dann schreibt Roman Bucheli eine Würdigung zum 80. Geburtstag von Strauss (der im Übrigen in der «Kulturredaktion» des Qualitätskonzerns Tamedia völlig unbekannt sein dürfte), die einen sogar fast dazu verleitet, doch wieder Strauss zu lesen. So gut ist die.

Bucheli schwingt sich beschwingt in Strauss hinein und kommt mit ziemlich luziden Erkenntnissen wieder heraus:

«Das Ganze nämlich, eine in sich geschlossene und sich selbst genügende Welt, wie sie der Roman vorstellt, ist Botho Strauss längst suspekt geworden. Er sieht, wenn er in die Welt schaut, zwar auch das Zusammenhängende. Vor allem aber sieht er Bruchstücke. Überreste eines vormals Ganzen, die sich nicht mehr zueinanderfügen. Doch im Fragment schlummert eine Erinnerung an das Ganze, so bleibt dieses gegenwärtig, selbst im Zustand der Zerstörung.»

Zu eben diesem runden Wiegenfest ist eine neue Sammlung von, nun ja, Bruchstücken von Strauss erschienen: «Das Schattengetuschel». 230 Seiten für leicht unverschämte Fr. 38.90, die Versuchung ist da, es dennoch zu kaufen und vielleicht sogar zu lesen.

Denn Bucheli macht einem schon etwas den Mund wässrig:

«Botho Strauss hat nie verhehlt, dass er die Gegenwart als eine Verfallsgeschichte betrachtet. Der Mensch ist ein spätes Wesen in der Evolution und zugleich eines der unvollkommensten. Über viele Jahre und viele Theaterstücke hinweg hat Botho Strauss diese rätselhaft unbeholfenen Figuren auf die Bühne gebracht. Heute, da dieser melancholische Rebell achtzig Jahre alt wird, bündelt er seine Beobachtungen im Bestiarium der Menschenwesen zu ungeschliffenen Bruchstücken von herber Schönheit. Doch die Schärfe der Gedanken hat nichts an Brisanz eingebüsst.»

Was soll man dazu mehr sagen als: so soll ein Feuilleton sein. Aber dafür hat Tamedia ja Nora Zukker, die mit einer zweitklassigen Schriftstellerindarstellerin im Friedhof Prosecco schlürft.

Die NZZ hat zudem noch Guido Kalberer, der durchaus auf Flughöhe Peter Sloterdijk ist. Der Mann ist nun in der Lage, aus dem Stand anhand des Einschlagens eines Nagels in die Wand ein kulturhistorisches Essay zu verfassen, dass Bögen von den alten Griechen über die Aufklärer, die Strukturalisten, die Poststrukturalisten plus Prisen von Habermas, Derrida und Althusser spannt.

Sloterdijk war im Frühling zu Vorlesungen ans Collège de France eingeladen. Das ist eine grosse Ehre, von einer grossen Institution ausgesprochen, die ihre Geschichte bis 1530 zurückverfolgen kann. Sein Wahlspruch lautet «docet omnia», es lehrt alles.

Selbst Sloterdijk zeigte sich beeindruckt von dieser Einladung und wusste, dass er hier noch mehr brillieren muss als sonst schon. Kein Problem für den Mann: «Was ist Europa anderes als ein Klub aus Nachfolgern gedemütigter Imperien?» Was für ein Paukenschlag als Einleitung zu seinen Vorlesungen.

Natürlich kann Sloterdijk das unterfüttern: «Der Schriftsteller unter den deutschen Philosophen beschreibt die wechselvolle Geschichte Europas wie ein Theaterstück, das nach seiner Uraufführung im Römischen Reich zahlreiche Reinszenierungen erlebte: Der Traum antiker Grösse führte die Nationalstaaten zuerst zu ungeahnter Grösse, dann zumeist in die Tragödie. Der Untergang des Imperium Romanum wurde so vor wechselndem Bühnenbild mehrmals zur Aufführung gebracht», schreibt Kalberer.

Und tanzt mit Sloterdijk durch dessen Erkenntnisräume: Was Michel Foucault als «dire vrai sur soi-même» beschreibt, meint eine Offenlegung mit einer ausgeprägten Tendenz zur Selbstkritik: Bekenntnisse sind Geständnisse. Die «Selbstentblössungsliteratur», die in Europa heute weit verbreitet ist, wendet Sloterdijk in den letzten zwei Vorlesungen ins Politische: Der «autobiografische Kontinent» neige vor lauter Selbstbespiegelung und -befragung dazu, sich selbst zu marginalisieren und aus dem Spiel zu nehmen.»

Da bekommt Sloterdijk plötzlich eine schneidende Schärfe und seziert das, was in allen woken Gutmenschenumgebungen im Schwang ist, aber eigentlich zutiefst verächtlich. Dafür findet Sloterdijk die passenden Worte, die Kalberer genüsslich wiedergibt:

«Die ‹postkolonialen Studien›», schreibt Sloterdijk, «bilden die jüngste Metastase des von der religiösen Geständniskultur präformierten Geistes der europäischen Selbstkritik». Der «Amoklauf der Selbstbezichtigung», eine Folge des historisch gewachsenen Geständniszwanges, sei Wasser auf die Mühlen der Diktatoren. Für viele westliche Intellektuelle, insbesondere radikale Linke, die ins Lager des globalen Südens übergelaufen seien, sei «der Zivilisationsverrat das Gebot der Stunde».

Wunderbar und wahr. «Der Kontinent ohne Eigenschaften» heisst die Verschriftlichung dieser Vorlesungen, in Anspielung an den Mann ohne Eigenschaften von Musil (das war, aber lassen wir das). Knapp 300 Seiten, die man wohl lesen muss.

Man könnte der NZZ direkt böse sein, dass sie dermassen viele zusätzliche Werke auf den sowieso schon nicht kleinen Bücherturm legt, der der Beachtung harrt. Aber solange die NZZ noch so ein Feuilleton pflegt, seien ihr alle Häslers und sogar die NZZaS verziehen.

Ullsteins Schande

J.D. Vance ist der neue Gottseibeiuns der Journaille. Und eines deutschen Verlags.

«Wieso Trumps Vize jetzt zum Problem wird». Das will Christian Zaschke wissen. Er gehört zur Riege der US-Korrespondenten der «Süddeutschen Zeitung», deren Ergüsse ungefiltert die Schweizer Leser von Tamedia belästigen. Ihre Artikel sind nicht mal aktuell, wenn sie veröffentlicht werden. Interessant sowieso nie.

Auch was er meint und behauptet und woran er zweifelt und was er hofft, hat mit der Wirklichkeit in den USA kaum etwas zu tun. So ausserhalb von New York, Boston, San Francisco und Los Angeles. Also ist es völlig unerheblich.

Vance werden nun unbedachte Äusserungen um die Ohren geschlagen, die er tätigte, als er noch nicht der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten war und als er von Donald Trump keine besonders hohe Meinung hatte. Kann passieren, ist all diesen Korrespondenten auch nicht unbekannt, dass sie lieber nicht an ihre Fehlprognosen und Untergangsarien («so stirbt die Demokratie») erinnert werden möchten.

Das kann man Vance nun aufs Brot schmieren und der Hoffnung Ausdruck geben, dass das Trump «viele Stimmen kosten» könnte. Das Pfeifen im Wald wird immer schriller. Auch der «Blick» pfeift mit: «Warum Vance zum peinlichsten Vize.-Kandidaten wird». Noch peinlicher als Danpotatoe») Quayle?

Man könnte allerdings auch das Buch von Vance lesen. Denn er hat eins geschrieben, und im Gegensatz zu dem meisten Gebrabbel dieser Korrespondenten ist das Literatur, beschreibt schonungslos den eigenen Lebenslauf von Vance. Der stammt aus einer typischen White Trash-Familie; Mutter drogenabhängig, ständig wechselnde Begleiter, Chaos, Misshandlungen jeder Art.

Bis seine Grossmutter beschliesst, den Jungen zu sich zu nehmen. Was der nur knapp besser als das Verbleiben bei seiner Mutter empfindet. Bis er für die Schule einen Taschenrechner braucht, und der kostet für seine Verhältnisse ein Vermögen von 84 Dollar.

Vance versucht linkisch, einen zu klauen, wird dabei erwischt und von seiner Großmutter gerettet – die ihm den Taschenrechner schenkt. Auch das vermag Vance, der sich selbst gegen so viel Rohheit und Aggressionen und Gewaltausbrüche mit gleicher Münze wehrte, nicht wirklich zu begeistern. Aber dann bekommt er mit, dass seine Großmutter sich dafür das Essen vom Mund abspart.

Und benützt den Taschenrechner, bringt beste Noten nach Hause, geht auf die Uni, verliebt sich in einen Menschen, der bedingungslos zu ihm steht – und macht Karriere. Hollywood. Natürlich, und Hollywood hat’s auch verfilmt. Nicht viel schlechter als das Buch geworden, mit einer grossartigen Glenn Close als Grossmutter mit bewundernswertem Mut zur Hässlichkeit.

Den hat auch der Ullstein Verlag, allerdings anders. Die Gebrüder Ullstein drehen sich im Grab um. Denn wie hiess noch im Gründungsjahr 1903 das Credo: «In diesem Haus wurden alle Strömungen eingefangen, alle Stimmen gehört, registriert und wie von einem riesigen Resonanzboden verstärkt der Öffentlichkeit wieder zugeführt.»

Ausgerechnet der Verlag, dessen jüdische Besitzer ihn zwangsweise an die Nazis verkaufen mussten, ausgerechnet der Verlag, der wie kein anderer unter Meinungsterror und Zensur gelitten hat, schmeisst den Autor J.D. Vance aus seinem Programm. Nachdem er sieben Jahre lang an der deutschen Übersetzung der «Hillbilly Elegie» satt verdient hat.

Der Autor vertrete inzwischen «eine aggressiv-demagogische, ausgrenzende Politik». Deshalb habe man ihn denunziatorisch ausgegrenzt. Nein, so formuliert es der Verlag nicht. Deshalb habe man die Lizenz nicht verlängert.

In der Tiefebene des deutschen Geists ist das eine unsägliche Verrohung der Sitten. Heinrich Heine kann froh sein, dass seine Werke im Suhrkamp Verlag erscheinen. Denn was würde Ullstein wohl davon halten, wenn er Hausautor wäre und geschrieben hat: «Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende Menschen

Sicher, die Bücher von Vance werden (noch) nicht verbrannt. Aber mindestens so erbärmlich wie diese Entscheidung ist das nur leise Gemurmel im deutschen Feuilleton. So ein Skandal müsste einen Aufschrei auslösen. Stattdessen da und dort leise Kritik. Bei Tamedia weiss die Literaturchefin Nora Zukker wahrscheinlich nicht einmal, dass es dieses Buch überhaupt gibt. Auf jeden Fall kein Wort dazu.

Den Vogel schiesst hier aber wieder einmal die «Süddeutsche Zeitung» ab. Ein Felix Stephan – angeblich «Kulturjournalist» und selber Schriftsteller – verdient es, dass sein Name auf ewig an einen Schandpfahl genagelt wird.

Unter dem Titel «Ist das schon Zensur?» schwurbelt er diese Zensur zurecht. Denn schliesslich, so sein grenzdebiles Argument, hätte Ullstein ja die Lizenz verlängern und dann nur eine kleine Auflage nachdrucken können: «So aber wurde die Lizenz für jeden Verlag frei verkäuflich, der sich ihrer erbarmen wollte.» Erbarmen?

Kein Verlag hätte sich aber «an der Meinungsfreiheit in Deutschland vergangen, wenn er das Buch eines Autors nicht veröffentlichen wollte, der sich im amerikanischen Wahlkampf zwar in aussichtsreicher Position befindet, inhaltlich aber in vielerlei Hinsicht rechts von der AfD». Wie bitte? Sollte man also auch Bücher von der AfD nahestehenden Autoren nicht mehr veröffentlichen? Einer demokratischen und gewählten Partei? Nur weil das einem geistigen Grossinquisitor wie Stephan nicht ins ideologische Raster passt?

Der «Fall» erinnere an den Historiker Rolf Peter Sieferle, dessen durchaus lesbares und provokantes Buch «Finis Germania» nicht von Suhrkamp veröffentlicht wurde. Eine politische Abrechnung mittels über Jahre verstreuter Aufsätze und ein literarisches Werk im Vergleich?

Vielleicht erinnert sich Flachdenker Stephan nicht daran, dass auch «Finis Germania» zum Bestseller wurde – und dann vom «Spiegel» kommentarlos aus seiner Bestsellerliste gestrichen. Schon diese unerträgliche Zensur wurde damals von wenigen Mutigen wie Denis Scheck als «journalistischer Skandal» bezeichnet. Für Stephan war das sicher voll in Ordnung. Er würde wohl auch Literaturwissenschafter Rüdiger Safranski am liebsten zensieren, der die damalige «fahrlässige und hysterische Debatte» auf eine «schlampige und fahrlässige Lektüre» zurückführte.

Die Geschichte wiederholt sich, jedes Mal mehr als Farce, wenn selbst Geisteszwerge wie Stephan im Feuilleton der SZ geifern dürfen.

Schon ist der Autor beim nächsten geistigen Salto mortale: dass das Haus Ullstein, «das bis zu seiner Arisierung 1937 einer der größten Verlage der Europas war, sich künftig von einem Autor möglichst fernhält, der nicht nur Donald Trumps Agenda vertritt, sondern auch zum Leo-Strauss-Lesekreis des rechten Milliardärs Peter Thiel gehört, ist insgesamt eher keine Sensation». Ullstein wurde von den Nazis enteignet, wer von Thiel gelesen wird, darf deshalb dort nicht mehr erscheinen? Mit einem Buch, bei dem kein einziger Buchstabe geändert wurde und das sieben Jahre lang verkauft wurde? Der Mann, mit Verlaub, hat ein paar Schrauben locker.

Aber Stephan legt noch eine Volte drauf, denn die Trauben sind viel zu sauer: «Literaturgeschichtlich muss an dieser Stelle vielleicht dazugesagt werden, dass die Erzählkonstellation von „Hillbilly-Elegie“ schon altmodisch war, als das Buch 2016 erschien.»

Ein Feuilleton, das solchen Stuss veröffentlicht – und niemand in der SZ widerspricht – hat abgewirtschaftet, seinen Ruf verspielt, kann weg.

 

Dunkle Worte

Nora Zukker rezensiert Martin Suter. Kann nicht gutgehen.

Martin Suter ist der genderkompatible, fluffige Gebrauchsliterat der Schweiz. Die Texte des PR-Genies flutschen so wie eine feuchte Seife in der Hand. Kantenlos, glatt, gepflegt, unangenehm parfümiert, langweilig.

Der Literaturhäuptling (wieso gibt es davon keine weibliche Form, verdammte Diskriminierung) ohne Indianer von Tamedia, Nora Zukker, ist sonst eher für Abseitiges und Unterirdisches wie Simone Meier zuständig.

Nun versucht sie sich also mal am Schweizer Erfolgsautor, der zwecks Promotion nicht davor zurückschreckt, Privatestes wie den Tod seiner Frau larmoyant auszubreiten, wenn man ihm Gelegenheit dazu gibt.

Aber zur Sache. Schon der Titel der Rezension ist so dunkel wie holprig, Wie kann man zwischen Oliven und einem Drink die Geduld verlieren? Wo bleibt die dann ab? Findet man sie dann hinter einer Olive wieder?

Aber das soll ja den Leser nur vorwarnen, dass es anschliessend noch holpriger, dunkler und unverständlicher wird:

«Allmen bietet ihm seine Hilfe bei der Suche nach dem verschwundenen Kunstwerk an – und hofft, nicht schon wieder seine Kreditwürdigkeit improvisieren zu müssen. Es könnte für den «Pleitendandy» eine Zeit ohne den Duft schwarzer Bohnen kommen, denn er gehört nun ein bisschen dazu, zum Kreis der illustren Kunstfreunde von Weynfeldt.»

Wie improvisiert man seine Kreditwürdigkeit? Und was ist eine Zeit ohne den Duft schwarzer Bohnen? Meint sie damit Frijoles (würde zu den Margaritas passen) oder schlichtweg Kaffee?

Aber weiter im Geholper: «… der Adelstitel Johann von Allmen führt irrtümlicherweise zum Adel, ist aber bäuerlicher Herkunft. Carlos (ein Bediensteter, Red.) kann auch nicht zu oft die Mansarde hochsteigen und ein Bündel Banknoten holen und sie dem Johann Friedrich leihen». Hä?

«Allmen ist nämlich gut darin, die Wirklichkeit auszublenden. Das hat er in seiner Kindheit gelernt, als er die Augen schloss und sein Vater mit einem Stück Holz das Kaninchen Mimi vom kleinen Johann erschlug. Aber dann muss er die Augen aufschlagen, als es hupt und eine Bahre mit grauem Deckel geholt wird. Karin Winter ist tot.» Hä?

Wer’s bis zum Schluss durchsteht, wird hiermit bestraft:

«Da sind keine schnellen Schnitte, keine Spannung, die einem den Atem nimmt, aber Suters Dialogtalent bleibt konkurrenzlos. Mit «Allmen und Herr Weynfeldt» gewährt uns Suter wieder Einblicke in die Welt der Reichen. Und irgendwann trinkt Weynfeldt dann doch noch den Martini zur Olive. Aus Gründen.»

Hä?

Eigentlich sollte eine Rezension dem Leser Gründe an die Hand geben, einen Martini zu trinken. Nein, ein Buch lesen zu wollen oder nicht.

Hier sind die Fragen, ob man das Buch trotz dieser Rezension lesen sollte. Oder sich sinnlos besaufen. Ob es noch schlechter oder eventuell besser ist. Im Zweifelsfall ist aber die beste Entscheidung: weder Suter noch Zukker lesen. Das Leben ist zu kurz für solche Abschweifungen.

Ach, herrje

Nora Zukker rezensiert ein Buch. Volle Deckung!

Der neuste Lewinsky ist glücklicherweise noch nicht ganz ausgelesen und verschafft dringend nötige Labsal. Und gibt die nötige Stärke, die es braucht, wenn wir im Bruchpilotenblatt «Tages-Anzeiger» herumschmökern. Zuerst dachten wir, das hier sei der Gipfel der Dummheit:

Isabelle Jacobi sei immerhin «Chefredaktorin von «Der Bund» und Mitglied der Chefredaktion Bund/BZ». Zudem spreche sie mit «klugen Köpfen unterschiedlicher Couleur». Schon da hat man ein paar Fragen. Wozu braucht der «Bund» eine Chefredaktorin? Und wieso ist sie dann auch noch in der Chefredaktion Bund/BZ? Und wozu braucht die, aber lassen wir das. Dann die verschiedenfarbigen Köpfe. Soll das heissen, sie spricht auch mit Schwarzen oder Rothäuten oder Asiaten?

Aber gut, wer so einen Titel setzt, bei dem hat das Kluge dieser Köpfe garantiert nicht abgefärbt. Aber das ist noch nicht die Höchstleistung von Tamedia. Sondern die:

Das Gipfeltreffen Zukker/Meier. Aber immerhin, diesmal betüteln sich die beiden nicht auf einem Friedhof. Sondern anscheinend nüchtern versucht Zukker, das neuste Machwerk von «Juden canceln»-Simone Meier zu besprechen.

Dabei setzt Zukker einen Anfang ab, von dem sie dann selbst schreibt: «Klar, da sagen Sie jetzt: Nein danke, das muss ich nicht lesen.» Ein weiser Ratschlag, den ZACKBUM aber (leider) in den Wind geschlagen hat. Seither ist unserem Sprachgefühl sterbenselend, müssen wir viele Körpertreffer verarzten, die uns die Lektüre zugefügt hat.

Der Leser halte seine Erste-Hilfe-Apotheke parat und stürze sich ins Gemetzel:

«Randbemerkung: Je mehr die Autorin ihre Figuren leiden lässt, umso leichtfüssiger liest es sich. Schön! … Das berühmteste Ohr der Geschichte wird in «Die Entflammten» bereits auf Seite 42 abgeschnitten … Jo heiratet einen Mann und bekommt zwei dafür … Während Jo noch einmal heiratet, ihr der zweite Mann ebenfalls davonstirbt, ein loser Liebhaber die Lücke füllt, kümmert sie sich darum … Jo, die im Alter – «ihre blossen Arme gleichen welken Blumenstielen» – weniger von Männern wissen will … Es macht übrigens nicht glücklich, die Fiktion arg faktenzuchecken. Aber das Personal und deren Lebensdaten stimmen mit der Wirklichkeit überein … Jo erscheint Gina öfter, die Leben der Frauen zwischen Kunst und Familie verschwimmen zunehmend ins Luzide … «Meine Seele weinte so sehr, dass ihre Tränen fruchtbares Ackerland wegschwemmten, Bäume entwurzelten und eine überflutete Welt zurückliessen», das ist melodramatisch, aber nicht bemüht altertümlich …»

Atmet noch jemand hier? Nun, dann nehmt das: «Der gewisse meiersche Schalk, den man in den vorherigen Büchern, aber auch in ihren journalistischen Texten antrifft, funktioniert auch in dieser Geschichte um 1900. «Der Sarg und ich setzten uns in den Zug nach Paris, nicht nebeneinander natürlich», man stellt es sich trotzdem vor und muss lachen.» Der Sarg setzt sich in den Zug? Darüber muss man lachen? Nicht über die sprachliche Unfähigkeit von Meier?

Aber wer all das vertragen hat, muss sich spätestens hier mit Grausen abwenden; wir verabschieden uns zuvor von den ganz, ganz unerschrockenen ZACKBUM-Lesern (und hoffen, sie morgen erholt wieder begrüssen zu dürfen). Aber zunächst dieser Versuch, widerwärtig und abstossend zu steigern:

«Ihr gegenüber eine Frau, die auf der abgestorbenen Zunge kaut, die Augenlider vom Eiter aufgelöst. Und dann «greift Ninette mit den Fingern in ihren Schädel hinein und streckt Jo einen Klumpen ihres Gehirns entgegen, das unter der Krankheit zu einer sülzeartigen Masse geworden ist, erst verflüssigt, dann wieder eingedickt» und schlürft genüsslich das eigene Hirn. Das ist so gruselig wie medizinhistorisch und sozialgeschichtlich interessant.»

Man reiche zunächst das Riechsalz, anschliessend den Kotzbeutel.

Kultur im Keller

Tamedia hat nachgelegt. Eine Würdigung von Jon Fosse …

Manchmal nutzt es doch, wenn ZACKBUM meckert. Inzwischen hat das Heim der hochstehenden Qualitätsmedien in Sachen Literaturnobelpreis nachgelegt. Statt der nicht gezeichneten Klebaktion wird nun Mensch und Werk angehimmelt.

Wunderbar. Ist die Leiterin (was leitet sie eigentlich?) der Literaturredaktion (was für eine Redaktion?) Nora Zukker aufgewacht, backt nicht mehr Kuchen, sondern tut ihre Pflicht?

Das wäre zu viel verlangt. Ein Felix Stephan greift für Tamedia in die Tasten. Stephan who? Na, der Autor der «Süddeutschen Zeitung» natürlich.

Auch er kämpft etwas unglücklich mit den Worten und beginnt merkwürdig: «In Jon Fosses siebenteiliger, aus einem einzigen Satz bestehender Romanreihe «Der andere Name» gibt es eine Szene …» Aber dann schwingt sich Stephan in den Olymp des Geschwurbels auf. Da muss nun der Leser durch:

« … den Bereich der monastischen Innerlichkeit, das transzendente Zwiegespräch mit dem Allumfassenden verlassen … Mit dieser Szene, einer kunsttheoretischen Mise-en-abyme, ist auch die Ästhetik des norwegischen Romanschriftstellers … Die Versuchung ist gross, die Heptalogie «Der andere Name» autobiografisch zu lesen … Neben Jacques Derrida ist Fosse vor allem von dem mittelalterlichen Mystiker Meister Eckhart beeinflusst … Diese Selbstverdopplung und die Erfahrung, in zwei Dimensionen gleichzeitig präsent zu sein, ist in seiner Heptalogie konstitutiv … Gilles Deleuze und Félix Guattari haben in ihrem berühmten Aufsatz über Kafka den «kleinen Literaturen» eine revolutionäre Kraft zugeschrieben …»

Etwa verstanden? ZACKBUM musste auch Heptalogie nachschlagen, das ist ein banaler Siebenteiler. «Miss-en-abyme» muss man nicht kennen, man kann auch schlicht Bild-im-Bild sagen, aber das hört sich natürlich nicht so geschwollen an. Dann noch etwas abgelegene französische Philosophen wie Derrida oder Deleuze, wobei ZACKBUM sich wundert, dass Foucault und Althusser fehlen.

Zuerst liebloses Geschwätz, dann selbstverliebtes Geschwafel. Und wo ist Zukker? Wo bleibt die «Literaturredaktion» von Tamedia? Die ist wohl dorthin verschwunden, wo sich das «Kultur-Team» schon seit Monaten aufhält: im Abyme, im Abgrund.

Bis zu 759 Franken im Jahr für Schrott, für copy/paste aus der «Süddeutschen», für selbstverliebte Nabelschau von Kommentatoren, die keiner liest oder die gar nicht mehr schreiben? Für ein Organ, in dem «Persönlichkeitsschutz» jede Auskunft über die Befindlichkeit von gross angekündigten neuen Kolumnisten verbietet? Für ein Blatt, das unter weiblicher Leitung immer mehr vor die Hunde geht?

Das von einem inkompetenten Big Boss zum Skelett runtergespart wird, während sich der Coninx-Clan eine Sonderdividende gönnt? Wo Corona-Kreischen, SVP-Basher, Genderstern-Heros mit  ihren Hobbys die Leser quälen dürfen? Wo Digital-Chefs lauwarme Luft ausstossen? Wo «Digital Storytelling» gepflegt werden soll, davon aber nix zu sehen ist? Wo die verbleibenden Redakteure so zusammengepfercht werden, dass der Tierschutz schon längst auf der Matte stünde, wenn es sich um Nutzvieh handelte?

Da bleibt nur noch die Flucht in den «Bereich der monastischen Innerlichkeit», was immer das sein mag.

Wo ist Zukker?

Schon wieder eine Frage des Persönlichkeitsschutzes?

Einmal im Jahr greift so ziemlich jeder Literaturchef jedes Mediums in die Tasten. Nämlich dann, wenn der Literaturnobelpreis vergeben wird.

Dieses Jahr trifft es den nicht wirklich überragend bekannten Jon Fosse aus Norwegen. Nun gut, es gab schon Schlimmeres. Oder wer kennt schon Annie Ernaux, Abdulrazak Gurnah oder Mo Yan? Und wer hat schon verstanden, wieso Bob Dylan den Preis bekam – und nicht mal persönlich abholte?

Wie auch immer, Fosse ist nun nicht so abgelegen, dass der Literaturchef zuerst mal googeln müsste, bevor er zu einer Lobpreisung (oder Kritik) ansetzt. Das gilt auch für Literaturchefinnen.

Nun ist es aber so, dass der Bildungsrucksack von Nora Zukker von Tamedia nicht gerade randvoll gefüllt ist. Sie umgibt sich lieber mit Schwachmaten oder Tieffliegerinnen wie Simone MeierJuden canceln»). Oder findet Kim toll.

Nun ist es aber so, dass der Artikel im Reiche der Qualitätsmedien aus dem Hause Tamedia nicht mal gezeichnet ist, der eher lustlos den neuen Nobelpreisträger vermeldet, auf vergangene zurückblickt und überhaupt zusammenkehrt, was man nicht unbedingt wissen will. Zu vermuten steht, dass er aus Tickermeldungen zusammengeklebt wurde.

Drangeklebt ist noch eine etwas aufdringliche persönliche Betrachtung von Alexandra Kedves: «Als ich Fosse damals zur Offenheit der Besetzung in dem formal radikal verdichteten Zweistimmenstück befragte, lächelte er kurz und sagte …»

Formal radikal verdichtet, hm, kann der Kenner abschmecken, riecht allerdings etwas nach verhoben, verkrampft, verschweisselt, pseudo. Aber immerhin, Kedves kennt den Genobelten, wunderbar. Und hat sogar mal ein Stück von ihm gesehen, noch wunderbarer.

Aber: wo ist Zukker? Schliesslich fragt sie auf ihrer Webseite: «Sie suchen eine Kulturvermittlerin, Moderatorin, Journalistin?» Und führt unter «Referenzen» an: «Tamedia: Nora Zukker übernimmt die Leitung der Literaturredaktion». Genau das suchen wir gerade, finden aber nichts.

Gut, sie fragt auch noch, ob man ihr «einfach so was Nettes schreiben» wolle. Ja, will ZACKBUM: Nora, wo sind Sie? Wurden Sie ein Opfer von Sparmassnahmen? Wurden Sie doch von einem schweren Buch erschlagen, das Sie im Bett lesen wollten? Ging das Internet nicht, also konnten Sie nicht nachschlagen, wer Fosse eigentlich ist und was der geschrieben hat?

Wir trauen uns nun nicht, die Medienstelle von Tamedia zu fragen. Nein. Denn wir befürchten, dass man uns aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes auch über Ihren Verbleib keine Auskunft erteilen wird. Was uns natürlich zur Frage führt: oder hüllen Sie sich zusammen mit Kim, dem Könner, in einem Schutzraum in Watte ein? Trösten Sie ihn nach einem neuerlichen Eier-Attentat?

Wir wissen es nicht. Wir werden es vielleicht auch nie erfahren. So rätselhaft kann eben Literatur sein. Schliesslich titelt in Ihrer Abwesenheit der Tagi, Fosse gebe «dem Unsagbaren eine Stimme». Was immer das bedeuten mag – ausser, dass es eine unsägliche Flachheit ist. Aber, wer weiss, vielleicht versagt Ihre Stimme vor dem Unsagbaren? Oder verstimmt Sie das Sagbare? Sagen, stimmen, schweigen, kritzelte so etwas Ähnliches nicht Kurt Tucholsky in sein Tagebuch? Wer das war? Ach, lassen wir das alles am besten.

 

Vermisst: die Kultur bei Tamedia

Sag mir, wo ist sie gebliehiben?

Immerhin 7 Fachkräfte umfasst das «Team Kultur» im Abfall-, Pardon, Sammelgefäss «Leben». Da gibt es auch das «Team Gesellschaft», dem auch wieder der eigentlich gefeuerte Jean-Martin Büttner angehört. Offenbar hat er sich die Rückkehr durch unerschrockene Peino-Artikel erschrieben.

Darüber thronen zwei Co-Leiter, ein «Content-Manager», ein Autor und eine Lisa Füllemann einfach so. Nochmals darüber gibt es die «Chefredaktion Tages-Anzeiger» (4 Nasen) und die «Redaktionelle Steuerung» (13 Nasen), wobei es teilweise zu Funktionsüberschneidungen kommt. So ist Kerstin Hasse hier in der «Tagesleitung», gleichzeitig aber auch in der Chefredaktion. An beiden Orten bleibt sie, nun, eher unauffällig

Aber was schafft denn diese geballte Kompetenz mit gewaltiger Führungscrew in Sachen Kultur; nicht ganz unwichtig für ein sogenanntes Qualitätsmedium mit unzähligen Kopfblättern? Nehmen wir die «Literaturchefin» Nora Zukker. Deren Ausstoss im letzten Monat bestand aus vier Wortmeldungen. Vielleicht will sie sich damit für eine Mitarbeit bei der «Republik» bewerben. Und bei genauerer Betrachtung waren das ein Sammel-Buchtipp (darunter Kim de l’Horizon, Claudia Schumacher und Martin Suter, also untere Etage) mitsamt launigen Bemerkungen (Rezept für selbstgemachte Glace) und dem Ratschlag, nicht «1000 Seiten Hardcover auf dem Rücken liegend» zu lesen.

Der Rest waren Interviews, die billigste Art von Journalismus, ohne Aufwand, ohne nix. Oder nehmen wir Alexandra Kedves (Ladies first). Sie schaffte in einem Monat ein Interview mit einer «legendären Feministin», etwas zum Theater Spektakel in Zürich und ein Sprachquiz.

Ebenfalls auf drei Werke brachte es Christoph Heim. Caspar David Friedrich in Winterthur, Käthe Kollwitz in Zürich und Fotografien aus Südafrika. Ein abendfüllendes Programm. Richtig im Schreibstau steckte Martin Ebel, ein einziges Werk in einem Monat.

Kein Wunder, muss man auf der Homepage weit, sehr weit nach unten scrollen, bis nach den Blogs endlich die Kultur kommt. Und was für eine:

Das ist durchaus repräsentativ. Der ewig laufende «News-Ticker Kultur», das Abfall-, Pardon, Sammelgefäss für alle Arten von Tickermeldungen. Die «besten Bücher des Monats» August verweilen hier bis zum allerletzten Tag des Monats. Dann noch «Unsere Streaming-Tipps im August» und schliesslich noch der lustige Leserwettbewerb «Stimmen Sie ab».

Mit Verlaub, das ist kein Kulturteil, das ist Leserverarsche. Immerhin traut sich Tamedia schon lange nicht mehr, das Ganze «Feuilleton» zu nennen. Das hier ist aber einfach erbärmlich. Hier gibt es gewaltiges Sparpotenzial nicht nur bei Andreas Tobler, der eigentlich nie in Kulturellem unterwegs ist, sondern die Bührle-Sammlung, die Band Rammstein und die ganze Welt mit seinen Ratschlägen, Forderungen und unqualifizierten Kommentaren belästigt.

7 Fachkräfte, die kosten im Monat mit allem Drum und Dran und Spesen und überhaupt so um die 100’000 Franken. Um auch hier fast alles von der «Süddeutschen Zeitung» zu übernehmen, bräuchte es eigentlich höchstens eine Fachkraft, die ß in ss verwandelt, ein paar Germanismen durch Helvetizismen ersetzt und gelegentlich mal ein Interview macht.

Der Qualität täte das keinen Abbruch, im Gegenteil. Umso schneller Nicht-Literaten, Möchtegerns, Eintagsfliegen und kampffeministische Autoren wieder verschwinden, desto grösser die Chance, dass bei Tamedia wieder so etwas wie ein Kulturteil wahrgenommen wird.

 

Kennen Sie Jule?

Jule Stinkesocke? Nein? Müssten Sie auch nicht.

«Alles nur geklaut?» So titelt die «Süddeutsche Zeitung» einen Bericht über eine Bloggerin, die über ihr Leben als querschnittsgelähmte Ärztin in Hamburg berichtet. Oder auch nicht, denn es gibt viele Indizien, dass das ein Fake ist:

Gleich zwei Autorinnen der SZ mäandern sich durch diese sehr deutsche Geschichte. Denn der Blog erregte im Norden Aufmerksamkeit, wurde schon 2012 zum «besten deutschsprachigen Blog» gewählt, in einer Abstimmung der «Deutschen Welle».

Nun scheint aber das Profilbild von einer australischen Pornodarstellerin zu stammen und die querschnittsgelähmte Ärztin gar nicht zu existieren. Auf jeden Fall sind Blog und Twitter-Account offline. Das ist natürlich für Deutsche in Deutschland, vor allem für Hamburger in Hamburg, eine Story. Falls die Leser nicht wegschnarchen bei der «Republik»-Länge des Artikels von über 11’000 Anschlägen.

Nun ist diese Story schon für München etwas sehr weit im Norden angesiedelt. Na und, sagt sich da der Qualitätskonzern Tamedia mit seinen Qualitätstiteln:

Anderer, schlechterer Titel, anderer, schlechterer Lead, der Rest ist nur geklaut. Also übernommen, wie man das vornehmer ausdrückt, wenn man dafür bezahlt, Artikel von der SZ zu übernehmen, die nicht das Geringste mit der Schweiz oder Schweizer Lesern zu tun haben. Sei das ein ehemaliger Münchner Oberbürgermeister, der über sein Verhältnis zu Katzen schreibt, sei das eine Unternehmerwitwe aus Nördlingen – oder sei das ein Fake-Profil einer norddeutschen Bloggerin.

Der Gipfel ist aber, dass Tamedia die Geschichte seinen Lesern nur hinter der Bezahlschranke serviert. Auch bei der SZ kommt man nicht gratis an ihn ran, aber mit einem «Probeabo Basis» für schlappe € 1.99 kann man ihn und alle weiteren Artikel der SZ vier Wochen lang lesen.

Bei Tamedia, also bei «Tages-Anzeiger», also für den «Tages-Anzeiger» kostet das «Basic Monatsabo» stolze 15 Franken. Allerdings ist bei Neuabschluss der erste Monat gratis. Eine weise Entscheidung, denn wer will ernsthaft für solchen Schrott etwas bezahlen? Für einen Stinkesockenartikel?

Apropos, eine Momentaufnahme der Homepage vom Tagi am 12. April 2023, nachmittags. Aufmacher oben links: «Wie Panzer an die Front kommen», hinter Aboschranke. Übernommen von der SZ. Daneben «Kommentar zu US-Geheimdienst-Leak», übernommen von der SZ. «Italien verschwindet», übernommen von der SZ. «Promo für neuen Roman», NICHT von der SZ übernommen. Aber von Nora Zukker.

«Deutschland will Besitz und Anbau von Cannabis erlauben», NICHT von der SZ übernommen. Dafür von der SDA. «Myanmars Militär mit tödlicher Attacke», SDA. «Nach Trump-Anklage», NEIN, nicht SZ, auch nicht SDA. Sondern AFP.

«Wo sind die Milliarden der russischen Zentralbank?», wieder SZ. «Peking fürchtet sich vor künstlicher Intelligenz», AFP.  Und so weiter, und so fort.

Preisfrage: Will die Tx Group, Pardon, Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» mit angeflanschten Kopfblättern, will der Konzern mit diesem Angebot Leser gewinnen oder verjagen? Leser dazu animieren, Geld in die Hand zu nehmen oder Leser dazu motivieren, das Abo zu kündigen? Nur so als Hinweis zuhanden von Pietro Supino. Oder vielleicht möchte Raphaela Birrer darüber nachdenken. Das wäre aber sinnlos.

Sprachverbrechen

Nora Zukker rezensiert ein Buch. Hilfe.

«Ein Wurf von einem Buch», behauptet die Literaturchefin von Tamedia. Aber eigentlich sollte man aufhören, über diesen Wurf zu lesen, wenn man zu diesem Satz kommt: «Aber die Unterhose schlägt Alarm

Hä? Will man sich das vorstellen? Will man nicht. Oder wie die Autorin Sarah Elena Müller formuliert: «Man wird nie dazu gedrängt, etwas realisieren zu müssen.» Hä?

Es gehe anscheinend um Kindsmissbrauch. «Spät, zu spät, als ihn die Mutter der inzwischen jungen Frau fragt, was er mit ihrer Tochter über die letzten zehn Jahre gemacht habe, sagt Ege nur: «Je nachdem. Je nach Lust und Laune.» Aber: «Tempi passati.» Damit schliesst er jeden Gedanken», stolpert Zukker durch eine Art Inhaltsangabe.

Falls der Leser das einigermassen verstehen sollte, weiss Zukker sofort wieder Abhilfe: «Während eines Lehrauftrags in Berlin hatte ihm eine Studentin einen Sohn abgenötigt.» Abgenötigt? Hä? Und was macht denn nun dieser Sohn, wo es doch scheint’s um den Missbrauch eines Mädchens aus der Nachbarschaft geht?

Aber weiter im Geholper: «Was Ege tut, ist sein Lebenswerk. Auch wenn die Videos nie jemand anschaut, muss er seine Kunst mit Kinderkörpern vollenden.» Hä?

Der Leser hangelt sich verzweifelt zum nächsten Hä: «Wenn der Täter aber erbärmlich wirke, sei das eine implizite Form der Vergeltung, dass ihm dasselbe geschehe wie den Opfern: dem eigenen Erinnern nicht mehr zu trauen.» Eben, hä?

Dann endet Zukker mit einer echten Drohung: «Sarah Elena Müller leuchtet den toten Winkel aus. Dort, wo man vermeintlich nicht hinsehen kann. «Es wird ständig exzessiv ausgewichen», sagt die Autorin über alle Figuren im Roman. Diesem Debüt darf hingegen nicht ausgewichen werden. «Bild ohne Mädchen» gehört auf die Shortlist für den Schweizer Buchpreis 2023

Nun ja, das Schlimmste muss befürchtet werden, wenn man an den aktuellen Buchpreisträger denkt. Da will man vermeintlich gar nicht hinsehen. Wobei man sich gleichzeitig fragt, wie das funktionieren soll. Oder einfach: hä?

Mal wieder im Ernst, lieber Tagi: es gäbe doch durchaus so viele interessante, gut geschrieben Bücher zu rezensieren. Auf eine Art und Weise, dass der Leser sowohl das Buch wie die Rezension versteht. Ist das wirklich zu viel verlangt?