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Wumms: Edgar Schuler

Spätes Bekenntnis zum Gendern.

Edgar Schuler hat’s nicht leicht. So musste er eine ganze Zeitlang den morgendlichen Newsletter gestalten – im Wechsel mit Salomé Müller, einer der Initiantinnen eines Brandbriefs erregter Tagi-Frauen, die sich über Sexismus, Diskriminierung und demotivierende Arbeitsatmosphäre beklagten. Belegfrei und wirkungslos. Müller ist längst abgeschwirrt, Schuler bleibt.

Als sich Bruchpilotin Sanija Ameti von der «Operation Libero» keinen SVP-Bundesratskandidaten «schöntrinken» wollte, fand er das unerhört.

Jetzt aber wirft er der Landesregierung «Arbeitsverweigerung in der Genderdiskussion» vor. Sie setze «kein Zeichen für eine moderne Gesellschaftspolitik. Wie mutlos, wie schade», kanzelt er die Bundesräte ab. Sie seien «weit weg vom Volk», behauptet Volksversteher Schuler.

Wie das? Der «Lame Duck»-Bundesrat habe eine «Abfuhr für die amtliche Anerkennung des dritten Geschlechts» beschlossen. «Wo lebt dieser Bundesrat», fragt sich der Tagi-Redaktor. Ist er von Elon Musk schon auf den Mars geschossen worden? Nach Kabul disloziert? Auf jeden Fall entgehe der Landesregierung, dass «diese Debatte» über mehr Geschlechter «längst geführt» werde. Zwar nicht an Stammtischen, aber «überall dort», wo man sich mit «Geschlechtsidentität und Gleichstellung» beschäftige. Also zum Beispiel beim Tagi.

Schlimmer noch: «Dabei verweigert er sich ebenso sehr den klaren Tatsachen: Es gibt nun mal eine – zugegebenermassen kleine – Minderheit, die diskriminiert wird, wenn sie sich nur entweder der Kategorie Frau oder der Kategorie Mann zuordnen darf.»

Das sei «für eine Mehrheit der Menschen in der Schweiz kein akzeptabler Zustand mehr», fantasiert Schuler. Und beruft sich dabei auf eine Untersuchung des einschlägig bekannten «Forschungsinstitut Sotomo». Offenbar in der irrigen Meinung, dass sich keiner seiner Leser durch diese schwafelige und weitscheifende «Untersuchung» kämpfe.

Wer’s dennoch tut, liest diesen Satz:

«99,6 Prozent der Befragten bezeichnen sich entweder als Frau oder als Mann. Nur 0,4 Prozent … bezeichnen sich explizit als nicht-binär.»

Bei einer 9-Millionen-Schweiz sprechen wir also von allenfalls 36’000 Eidgenossen. Zählen wir noch die 20 Prozent ab, die unter 20 Jahre alt sind, kommen wir auf 28’800 non-binäre Schweizer. Und für diese angeblich diskriminierte Minigruppe, die psychologischen Beistand braucht, wenn ihr Non-binär-Sein nicht im Pass verzeichnet ist, geht Schuler auf die Barrikaden?

Wirft dem Bundesrat Volksferne vor, wo dieses Thema doch fester Bestandteil jedes Gesprächs beim Feierabendbier ist? «Sage mal», meint Heiri und bestellt noch ein Bier, «das ist doch ein Skandal, dass die in Bern oben die Non-Binären so diskriminieren.» – «», sagt Sandro und nimmt Heiri vorsichtshalber Bier und Autoschlüssel ab.

Mein lieber Schuler, was haben Sie nur geraucht, und gibt es das wirklich rezeptfrei?

 

m/w/d, !*, erIn, -er und -innen, :in

Warum treibt einen das Gendern die Wände hoch?

Von Adrian Vernetz

Zum Aufwärmen einige aktuelle Beispiele aus Stelleninseraten: Mitarbeiter/in Controlling, Fachfrau*mann Gesundheit, Koch/Köchin, Fachspezialist Kreditprüfung (w/m/d), System-Adminstrator:in, Medizinische*r Masseur*In, Senior Manager (All Genders).

Das Wirrwarr zeigt vor allem eines auf: Ratlosigkeit. Wie lautet heute eine «korrekte» Berufsbezeichnung? Eine, die in unserer kunterbunten Welt niemanden ausschliesst? Firmen und HR-Abteilungen tun sich sichtlich schwer damit. Sogar der kleine Schreinerbetrieb im Dorf nimmt den Genderstern oder den Doppelpunkt ins Repertoire auf. Sicher ist sicher – man möchte ja niemanden vergraulen.

Schwer damit tun sich auch jene, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Zwei Syrer, mit denen ich mich regelmässig treffe, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, fragten mich kürzlich, welche Version korrekt ist. Sie mussten sich mit meiner Antwort begnügen, dass dies eigentlich niemand wisse. Ich riet ihnen, bei der Stellensuche und bei Bewerbungen die Sterne, Doppelpunkte und Schrägstriche einfach zu ignorieren.

Unlängst ärgerte sich auf Twitter wieder mal jemand über den Genderstern. Worauf diesem Herrn dann vorgehalten wurde, es sei doch ein Armutszeugnis, wenn sich jemand über so Nebensächlichkeiten wie einem Sternchen aufrege, während anderorts ein Krieg tobe. Die klassische Argumentationslinie halt, die immer vorgebracht werden kann, wenn eine Kritik nicht gleich in einer weltbewegenden Globalanalyse mündet.

«Warum regen sich die Leute dermassen darüber auf?», lautete eine Frage an den Genderstern-Kritiker. Und diese Frage stelle ich mir auch: Warum gehe ich die Wände hoch, wenn ich ein von Gendersternen oder Doppelpunkten gespicktes Mail erhalte? Was ist denn so schlimm daran, ein Sternchen zu setzen? Oder, wie es vor einigen Wochen eine non-binäre Person namens Henrik Amalia von Dewitz in einem Blogbeitrag auf «Zentralplus» formulierte: «Wenn ich Ihnen mitteile, dass ein Begriff mich persönlich verletzt, warum ist Ihr Sprachgebrauch wichtiger?» Konkret: Bezeichnet jemand Henrik Amalia als Lehrer oder Lehrerin, verletzt ihn (oder sie) das, weil er (oder sie) weder Frau noch Mann ist. Unversehrt bleibt die non-binäre Person nur, wenn ihr non-binäres Wesen auch wohlgebettet in der Sprache liegt.

Doch genau die Frage von Henrik Amalia bringt das Problem auf den Punkt. Ein Problem, dessen Ursache nicht in der Frage liegt, ob man das Sternchen benutzen soll oder nicht, denn dies wäre in der Tat ein lächerliches, völlig belangloses Problem. Mir zumindest geht es so. Mich bringen nicht die Gendersterne und Doppelpunkte zur Weissglut, sondern die Haltung jener Grüppchen, welche die Verwendung dieser Symbole fordern. Es sind Mini-Mini-Grüppchen, welche die ganze Gesellschaft umerziehen wollen, und es sind – auch wenn es vordergründig anders erscheinen mag – sehr autoritäre, intolerante und egozentrische Mini-Grüppchen. Und genau deshalb reagiere ich allergisch auf den Genderstern: Weil hier eine winzige Minderheit verdammt viel Krach und Terror macht.

Klar, was man mir nun vorhalten wird: Ich verbreite Hass gegen non-binäre Menschen. Und die Tatsache, dass ich Gendersterne und Doppelpunkte nicht mag, zeigt nur, dass ich meine Abneigung gegen LGBTQ-Menschen erst noch überwinden muss. Aber das ist Unsinn. Beispiel: Ich bin Linkshänder. In der Primarschule wollte man mich noch umpolen – erfolglos. Ich verbringe mindestens einen Drittel meines Lebens vor Computern. Wie oft habe ich mir schon gewünscht, es gäbe auch für Linkshänder eine so reichhaltige Auswahl an wohlgeformten Computermäusen. Gibt es aber nicht. Nicht nur bei Mäusen. Jeder Linkshänder kann bestätigen: Wir leben in einer Welt für Rechtshänder.

Indessen: Schliesse ich daraus nun, dass ich diskriminiert werde? Dass alle Rechtshänder mich verachten? Dass Linkshänder – obwohl eine klare Minderheit – einen Anspruch darauf haben, keinerlei Benachteiligungen erleiden zu müssen? Nein. Ich sehe ein, dass ich in der Minderheit bin und dass die Gesellschaft sich nicht um jedes Problem von Minderheiten kümmern kann. Ich mache das, was ich auch den Sprachinquisitoren ans Herz lege: kein Theater.

Und deshalb, liebe non-binäre Menschen, liebe Queer-Community: Ich habe nichts gegen euch. Das schwöre ich bei allem, was mir lieb und teuer ist. Lebt euer Leben so, wie ihr es für richtig haltet. Fühlt euch wohl in eurer Haut. Das ist mein ehrlicher Wunsch an euch. Genauso ehrlich ist aber dieser Wunsch: Hört bitte auf, die Gesellschaft in Geiselhaft zu nehmen, nur weil nicht alles nach eurem Gusto läuft. Ihr müsst euch oft blöde Sprüche anhören? Werdet angefeindet? Deal with it. So ist das Leben. Jeder Mensch trägt seine Bürden. Fangt nicht an zu heulen. Wehrt euch, wenn euch wirklich Unrecht geschieht, aber reibt eurem Umfeld nicht ständig unter die Nase, wie gross euer Weltschmerz ist.

Jene, die am lautesten schreien, sind erfahrungsgemäss noch ziemlich jung. Und gerade diese Generation wird – wie schon die Generationen vor ihr – noch eine der wichtigsten Lektionen im Leben lernen müssen: dass die Welt sich nicht nur um sie dreht.