«Spiegel»-Redakteur irritiert mit Auschwitz-Promo
Anleitung zum Bestseller.
Das Buch wird ein Bestseller, das ist jetzt schon klar. Noch bevor es im Handel ist (1. März), liegt es auf bei Amazon auf einem der vorderen Plätze. Es handelt sich um die Biographie von Noah Klieger, einem Auschwitz-Überlebenden, gestorben 2018 in Israel.
Geschrieben hat sie Takis Würger, ein «Spiegel»-Redakteur. In der vorletzten «Spiegel»-Ausgabe erschien ein Artikel von Würger, direkt neben der «Spiegel»-Bestseller-Liste (08/21).
Würger erinnert sich und die Leser an sein erstes Treffen mit Klieger («sonderbare Präsenz von Klieger») und wie er zweieinhalb Monate in Tel Aviv verbrachte, um die Lebensgeschichte aufzuschreiben.
Es ist nicht das erste Buch von Klieger, auch nicht das erste auf Deutsch. Das Besondere an Würgers Buch ist dessen Anspruch, ein testamentähnliches Werk verfasst zu haben. Würger schreibt im «Spiegel»: «Er hat das Manuskript gelesen und wollte, dass ich seine Geschichte so festhalte.»
Es ist natürlich auch nicht das erste Mal, dass «Spiegel»-Autoren das Magazin als Werbung für ihre Bücher benutzen. Normalerweise wird das aber so umschifft, dass der Leser nichts bemerkt. Zum Beispiel so: Der Mauerfall jährt sich wieder einmal und nächste Woche erscheint darum ein Sachbuch unseres Redakteurs.
Bei Noah Klieger ist es etwas komplizierter. Der Mann starb am 13. Dezember 2018. Das neue Buch erscheint am 1. März 2021. Einen Zusammenhang zwischen Todesdatum und Artikel gibt es aber nicht, ausser, dass der Spiegel-Redakteur sein Buch bewerben darf.
Würger wollte unsere Frage nicht beantworten. Auch nicht, ob er und sein Verlag ein schriftliches Einverständnis von Klieger erhielt.
Auch das irritiert. Würger schreibt in seinem Artikel: «Im Journalismus gilt die Regel, dass nur das als Fakt gelten darf, was zwei voneinander unabhängige Quellen bestätigt haben.»
Angeblich will Würger Kliegers letzte Tage im Krankenhaus begleitet haben. Dieser soll ihm kurz vor seinem Tod noch anvertraut haben: «Du brauchst nicht so viel Angst zu haben, Würger.»
Was ist wahr und was erdichtet? Würger wollte keine Antwort geben. «Es ist seine Geschichte», schreibt er im Artikel, «ich wünsche mir, dass die Erinnerung an ihn dadurch lebendig bleibt.»
Dann sollte Würger für etwas Transparenz sorgen. Gerade bei einem solchen Buch.