Schlagwortarchiv für: no pasarán

Schräge Vergleiche

Pazifismus und internationale Brigaden.

Oberhalb des anschwellenden Bocksgesangs, der jeden Zweifel an der binären Weltsicht «Putin böse, Selenskyj gut» niederbrüllen will, selbst wenn er von einer linken Grünen kommt, macht man sich in der NZZ Gedanken über linken Pazifismus oder Vergleiche zwischen den Internationalen Brigaden in Spanien und ausländischen Kombattanten in der Ukraine.

Exemplarisch für das Wendehalsmanöver in der Frage des Pazifismus stehen die Grünen im Speziellen und die Linke im Allgemeinen. Bis vor Kurzem wurde von einigen Exponenten sogar die Abschaffung der NATO gefordert, als der grösste Kriegstreiber und die grösste Gefahr für den Weltfrieden. Es ist auch noch nicht so lange her, dass die GSoA, die «Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee», einen Achtungserfolg mit der Initiative zur Abschaffung der heiligen Kuh in der Schweiz einfuhr.

Der Einmarsch Russlands in der Ukraine ist der Lackmustest für alle unreflektierten Maulhelden, die wie weiland Nicole einfach «Ein bisschen Frieden» wollen. «Stoppt Putin», «Bekämpft den Hunger in der Welt», «Rettet das Klima», «Nie wieder Krieg», das sind Slogans von einer strahlenden Dummheit. Wer wäre nicht dafür. Aber weil nicht allzu viele diesen Forderungen nachleben, vor allem nicht die, die sie skandieren, bleiben sie schal und hohl.

Es gibt eine illustrative Anekdote. Als der chinesische Steuermann Mao darüber informiert wurde, dass Martin Luther King, der grosse amerikanische gewaltfreie Kämpfer für die Gleichberechtigung der Schwarzen, ermordet worden war, sagte er: «So lernt man aus dem Leben.» Gewaltfreier Widerstand gegen Gewalt ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Pazifismus ist ein schöner Schein, eine Haltung, die sich Zeitgenossen leisten können, die auf einer der wenigen Inseln der Welt leben, wo nicht Willkür, Faustrecht und Rechtlosigkeit herrschen.

Im Ukrainekrieg kämpfen auch ausländische Unterstützer auf der Seite der ukrainischen Regierung. Für viele Kommentatoren liegt der Vergleich mit den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg nahe. Sie zeigen damit einmal mehr eine gravierende Unkenntnis der Geschichte. Die wird bekanntlich nicht nur immer wieder umgeschrieben. Sondern auch immer wieder für untaugliche Vergleiche missbraucht.

Genauso wie die Denunziation von Forderungen nach einer Verhandlungslösung in der Ukraine durch den Vergleich mit der Appeasment-Politik gegenüber Hitler reine Demagogie ist, entehrt der Vergleich mit den Kämpfern auf Seiten der Spanischen Republik den damaligen Heldenmut.

Auch Schweizer schlossen sich mit der Waffe in der Hand dem Kampf zur Verteidigung der gewählten spanischen Regierung gegen den Faschisten und späteren Diktator Franco an. Sofern sie diesen Einsatz überlebten, wurden sie in der Schweiz später verurteilt und geächtet. Wenn heutige Linke wie der Zeusler Fabian Molina den damaligen Schlachtruf «no pasarán» – sie werden nicht durchkommen – als Spruch gegen angebliche faschistische Attacken in Zürich missbraucht, sollte er dafür geächtet werden.

Mit «no pasarán» zeigten die ersten Interbrigadisten bei der Verteidigung der Hauptstadt Madrid gegen die anbrandenden faschistischen Horden Francos einen internationalistischen Heldenmut; sie waren die ersten bewaffneten Kämpfer gegen die braune Brut in Europa, denn Franco wurde sowohl von Hitler wie von Mussolini unterstützt. Auf der Seite der Spanischen Republik stand einzig, und auch sie nur zögerlich, die Sowjetunion.

Wer sich den internationalen Brigaden anschloss, stand links, war meistens Kommunist oder zumindest Sympathisant mit der UdSSR. Oder er war ein fragloser Gegner des Militärputschs von Franco. Die Entscheidung von insgesamt rund 35’000 Kämpfern, die Solidarität von Schriftstellern wie Ernest Hemingway, Arthur Koestler, Ilja Ehrenburg oder George Orwell, das war ein Heldenepos, das keinesfalls mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine zu vergleichen ist.

Zweifellos hat Russland die Ukraine überfallen und damit alle bindenden Vereinbarungen über die Unantastbarkeit der territorialen Integrität der Ukraine, die Russland unterzeichnete, zur Makulatur werden lassen. Damit hat Putin, neben vielem anderen, die Glaubwürdigkeit seines Regimes ruiniert. Denn wer verlässt sich noch auf einen Vertragspartner, der gezeigt hat, dass ihm die Einhaltung von internationalen Verträgen egal ist, wenn er meint, dass sie seinen Interessen im Wege stünden.

Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten, das ist nicht nur im Geschäftsleben, sondern insbesondere bei internationalen Verträgen Pflicht. Wer sich nicht daran hält, wird zum Paria, welche Gründe er auch immer für sein Verhalten anführen mag.

Dieses verächtliche Vorgehen des russischen Regimes macht aber die korrupte Regierung um die Oligarchen-Marionette Selenskyj nicht mit der Regierung der Spanischen Republik in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts vergleichbar. Manuel Azaña war ein Staatsmann von ganz anderem Format und intellektuellem Zuschnitt als der begabte Schauspieler Selenskyj.

Nur der allgemeinen Sittenverwilderung und historischen Unkenntnis ist es zuzuschreiben, dass solche untauglichen Vergleiche überhaupt gezogen werden. Aber wer in der saturierten und durch Faschismus absolut ungefährdeten Schweiz «no pasarán» grölt, macht sich ebenso lächerlich wie Publizisten, die internationale Kombattanten in der Ukraine mit den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg vergleichen.

Tagi-Qualität, Part II

Wenn demonstriert wird, gerät das Qualitätsmedium aus dem Tritt.

Am Samstag war hübsch was los in Zürich. Mehrere unbewilligte Demonstrationszüge marschierten durch die Stadt, es gab Gewalt gegen Sachen und Personen.

Da wäre man froh, wenn der «Tages-Anzeiger» das Geschehen einordnen und berichtend erklären würde. Stattdessen gibt der Tagi dem SP-Nationalrat Fabian Molina Gelegenheit, sich mal wieder öffentlich zum Deppen zu machen.

Aber das kann man noch als Beitrag zur unfreiwilligen Demontage durchgehen lassen. Etwas schräger wird’s bei der übrigen Berichterstattung. So kündigte das Blatt an, dass kommenden Samstag «Massnahmengegner und Rechtsextreme in Oerlikon auf die Strasse gehen».

Obwohl auch das sicherlich in der unerbittlichen Qualitätskontrolle von mindestens für Nasen gelesen wurde (kicher), musste der Tagi flugs ein «Korrekt» einrücken:

«Die Organisation (der Veranstaltung, Red.) legt Wert darauf, dass an ihrer Kundgebung weder Rechts-noch Linksextreme willkommen seien, und diese an der Demo – wenn nötig – weggewiesen würden.»

Peinlich, aber typisch. Gleich zwei Redaktoren wirft der Tagi in die Schlacht, um zu erklären,  «wie es zum Zürcher Kampf zwischen Antifaschisten und Neonazis kam».

Kampf, Antifaschisten, Neonazis? Schauen wir uns den Artikel kurz genauer an. Da haben wir die einen: «Später ziehen Tausende schwarz gekleidete Antifaschisten in zwei unterschiedlichen Demonstrationszügen durch das Limmatquai beziehungsweise das Langstrassenquartier. Ein kleiner, militanter Teil von ihnen sucht die Konfrontation mit Neonazis sowie der Polizei und randaliert.»

Auf einem Auge blind

Und die anderen: «Ein weiterer Demonstrationszug von sogenannten Corona-Massnahmen-Gegnern will am Limmatquai demonstrieren. Sie hatten all die Demonstrationszüge – von denen keiner bewilligt war – ausgelöst. Ob sich unter ihnen Neonazis befinden, ist nicht bekannt.»

Es bleibt dem Redaktionsgeheimnis unterstellt, wieso die einen «sogenannte» sind und die Chaoten und Krawallanten von links zwar den Namen Antifaschismus usurpiert haben, und geschichtsvergessen «no pasarán» grölen, während sie schwarzgekleidet wie Mussolinis Faschisten durch Zürich randalieren, kein «sogenannt» verliehen bekommen, obwohl sie nun wirklich nicht mal sogenannte Antifaschisten sind.

So nebenbei, obwohl die spanischer Republik im verzweifelten Kampf gegen die Faschisten die Losung «no pasarán» ausgab, wurde sie am Schluss besiegt. Wie ein Leichentuch senkte sich dann für Jahrzehnte der Franco-Faschismus über das Land. Ist es wirklich sinnvoll, die Losung eines Kampfes aufzunehmen, der mit einer bitteren Niederlage endete? Aber wer diesen Unsinn plakatiert, sich schwer anzieht und behauptet, gegen die «Faschisten» in Zürich zu kämpfen, hat sowieso einen an der Waffel.

Aber es wird noch peinlicher: «Die Junge Tat stehe auch in einem engen Kontakt mit sogenannten Identitären in Österreich, Belgien und Deutschland, zitiert das Onlinemagazin «republik» die Recherchegruppe Antifa Bern», zitiert das Qualitätsorgan Tagi eine dunkle Quelle, die sich ihrerseits auf eine noch dunklere Quelle bezieht.

Wir verstehen das richtig: statt eigene Recherchen anzustellen, quotet das Qualitätsorgan Tagi die Fake-News-Schleuder «Republik», die sich wiederum auf die «Antifa Bern» berzieht, eine nur auf Twitter existierende Blödeltruppe, ungefähr so seriös wie das «Megafon».

Geldwerte Schlussfolgerungen?

Wie lautet dann der analytische Schluss, welche Wirkkraft entfaltet hohe journalistische Kunst, die unbedingt wenn nicht mit einer Milliarde, dann doch mit ein paar hundert Franken fürs Abo honoriert werden sollte?

«Klar ist aber: Sowohl Neonazis als auch Antifaschisten werden versuchen, die Demonstrationen am vergangenen Samstag zu nutzen und weitere Menschen für ihre Anliegen zu gewinnen. Ob ihnen das – auch angesichts des nahenden Endes der Pandemie – gelingt, wird sich zeigen

Das ist klar wie Klosbrühe, wie man sagt. Klar wie banal. Klar wie blöd. Und «wird sich zeigen»? Das ist der Standardersatz für «Ich habe doch keine Ahnung und wage nicht mal eine Prognose

Also mal im Ernst, liebe Tagi-Journalisten, wollt Ihr wirklich so überdeutlich zeigen, dass ihr keinen Rappen wert seid und so was von überflüssig?

Toll ist auch eine damit nicht in Zusammenhang stehende Leistung. Der Jung-Redaktor Kevin Brühlmann, hatte sich an ein Porträt einer Kandidatin für den Stadtrat gewagt.

Die FDP-Kandidatin ist eine Frau – und jüdischen Glaubens. Der Journalist weiss, dass der ja nach der politischen Ausrichtung des Blatts im besten Fall Entschuldigungen serviert werden. Das passte also in diesem Fall jemandem ziemlich massiv nicht. Katastrophen-Sacha mischte sich ein und erklärt den Tagi kurzerhand zum «Stürmer an der Weststrasse», nach dessen Hauptquartier.

Alleine diese völlig überzogene Reaktion hätte Grund genug sein sollen, Fakten und Hypothesen genau zu untersuchen. Finde hier statt …