Zeichen des Niedergangs
Rechthaberei, Verflachung, Verblödung – und dem Leser eins in die Fresse.
Die deutschsprachigen Medien, soweit Verallgemeinerungen zulässig sind, haben auf dem Weg nach unten Fahrt aufgenommen. Der «Spiegel» interviewt Cora Schumacher, ein deutsches Erotikmodel, über das Outing ihres Mannes. Wer gedacht hätte, dass es nach Anuschka Roshani oder Till Schweiger oder Rammstein nicht noch tiefer ginge, sieht sich getäuscht.
Der «Tages-Anzeiger» macht eine Kampagne aufgrund von ein paar Frauen, die sich in Zürcher Frauenbadis durch Glotzer (oder Spanner) belästigt fühlen. Ein Massenphänomen, immerhin vier Opfer von den letzten 11 Jahren konnten aufgefunden werden. Auch Probleme beim Hausbau einer nicht so komischen Komödiantin ist dem Organ einen Bericht wert. Dafür lässt es den Wechsel an der Spitze eines der grössten Konzerne der Schweiz weitgehend meldungslos vorbeigehen. Abrupter Abgang des CEO von Nestlé? Na und, was ist woke daran?
Der «Blick», sofern er überhaupt noch den Anspruch auf Relevanz erhebt, eiert in der Migrationsfrage vor sich hin. Wurden noch bis vor Kurzem alle Kritiker an Massenzuwanderung als hetzende Rechtsradikale, Rassisten und typische Anhänger der SVP, die in Deutschland sicher AfD wählen würden, abgekanzelt, muss nun nach einer weiteren Messerattacke schwer umgedacht werden.
Und selbst die NZZ ist vor Ausflügen in die Niederungen und das Nebensächliche nicht gefeit; im Feuilleton darf sich ein unbedarfter Schriftsteller über eine Taxifahrt mit Stefan Heym aussossen. Dabei interessiert ihn nur dessen Namenswechsel, kein Wort über das Monument von Werk, das dieser Schriftsteller hinterliess. Oder die Westentaschenphilosophin Barbara Bleisch darf ungebremst Flachheiten über die Lebensmitte, mit der sie persönliche Erfahrungen hat, herauspusten. Schliesslich darf Möchtegern Panzergeneral und Sandkastenstratege Georg Häsler Mal ums Mal kriegerische Fehleinschätzungen zum Ukrainekrieg blubbern.
Nur CH Media befleissigt sich eines Teflonjournalismus, der zwar keine Bäume ausreisst, dafür aber auch eigentlich nie unterirdisch wird.
Erwähnenswert noch die «Weltwoche», mit Packungsbeilage: ja, ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt dort gelegentlich. Täte er auch beim Tagi, nur hat er dort Schreibverbot. Dabei hat er Roger Köppel schon öfter und massiver kritisiert als die Chefredaktion von Tamedia. Aber dort sind die Damen aus Unsicherheit und Inkompetenz halt empfindlich und fühlen sich «diffamiert», ohne diese bösartige Unterstellung belegen zu können.
Die «Weltwoche» bietet, selbst neben den vorhersehbaren «worum geht es, egal, ich bin gegen den Mainstream, auch wenn ich keine Ahnung habe»-Artikeln noch genügend Geistesnahrung in einer Wochenausgabe, die den Output der Tageszeitungen in sieben Tagen locker egalisiert.
Ein kleines Licht, manchmal flackernd, selten strahlend, sendet noch die WoZ aus. In ihrer Art genauso vorhersehbar wir die WeWo, aber eben auch ab und an anregend, wenn die ideologische Brille nicht den Blick auf die Wirklichkeit behindert.
Ausser Konkurrenz läuft «Inside Paradeplatz». Eine One-Man-Show (mit ein paar Hilfstruppen), die mehr Primeurs hat als die Wirtschaftsredaktionen der Schweiz zusammen. Nicht immer ist alles first class (und ja, ZACKBUM-Autor René Zeyer schreibt auch hier gelegentlich), aber vieles ist um Längen besser als der Ausstoss der Tageszeitungen. Alleine die eigentlich artfremde Aufarbeitung des Zürcher Unispitalskandals ist herausragend.
Und alles andere? Sagt da jemand «Republik», «Nebelspalter», «Hauptstadt», «Saiten», «Schaffhauser AZ», «Die Südostschweiz», «Infosperber», «Zentralplus», «Tsüri», «Bajour», «Das Lamm» und so weiter? You’re kidding, wie da der Ami sagt.
Interessant höchstens, dass die einzige Tageszeitung, die in Journalismus investiert und geschickt nach Norden expandiert, die NZZ, durchaus Erfolg hat, sich in Deutschland 50’000 Abonnenten eroberte. Während der grosse Tamedia-Konzern seine Kopfsalatblätter von der «Süddeutschen Zeitung» abfüllen lässt und das seinen Lesern als Qualitätsjournalismus verkaufen will. Aber mit Leserverarsche ist noch nie jemand weit gekommen.
Wo soll das alles enden, ist die Vierte Gewalt am Ende? Quatsch. Die Gewohnheiten des News-Konsumenten haben sich einfach geändert. War früher Montag «Spiegel»-Tag, und wer den nicht las, konnte in Deutschland nicht wirklich mitreden, ist das vorbei, am Montag gibt es keinen «Spiegel» mehr, und am Freitag wird er nicht mehr wirklich ernst genommen.
Aber stattdessen muss sich der Konsument halt neu orientieren. Das ist ein wenig so wie beim Detailhändler. Früher ging man in den Tante-Emma-Laden um die Ecke, wurde bedient und hatte eine beschränkte Auswahl. Heute geht man in den Supermarkt, wird nicht bedient und hat eine Riesenauswahl. Früher ging man ins Geschäft für Herrenoberbekleidung oder für die modische Dame von Welt. Heute sitzt man vor dem Computer und bestellt online.
So ist’s auch bei News. Sie gibt es gratis, billig oder gegen Bezahlung im Netz. Dafür muss sich der Konsument kundig machen, welchen Anbietern er folgen will, er muss filtern und sieben. Darin besteht die neue Herausforderung, aber wo es Nachfrage gibt, gibt es immer Angebot, so ist das im Kapitalismus.
Nur das Modell Print und online, hergestellt von einer skelettierten Redaktion, Flaches, das man besser gratis haben kann, und Rechthaberei sowie Bauchnabelbetrachtung, auf die man verzichten kann, das ist zum Untergang verurteilt. Fort mit Schaden, wird niemand vermissen. Ausser den bislang überlebenden Journalisten, die grosses Geschrei und Gejammer anstimmen. Aber im Dienstleistungsbereich gibt es immer Jobs. Beefmaster bei McDonald’s, Velokurier, Taxifahrer, Kellner, Pizzabote, Briefträger; die Qual der Wahl.