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Faktencheck: Swift

Zeichen setzen mal ganz absurd.

Alle Maulhelden, die auch von der Schweiz forderten, gegenüber Russland müsse ein Zeichen gesetzt werden, sind zufrieden. Der Bundesrat in seiner unendlichen Weisheit hat sich – Neutralität hin, Neutralität her – den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen.

Als besonders scharfes Schwert, als ausserordentlich schmerzhaft wird dabei der Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift gelobt. What a joke, wie da der Ami sagt. Dem versammelten Sachverstand der Schweizer Wirtschaftsjournis ist es nicht gelungen, ein paar banale und offenkundige Tatsachen zu erklären.

Was ist Swift eigentlich schon wieder?

Swift ist kein Zahlungssystem; über Swift finden keinerlei Finanztransaktionen statt. Wenn von Konto A etwas auf Konto B überwiesen werden soll, kann das per Telefon, per Fax (so wie das BAG die Pandemie bekämpfte) oder per Telex geschehen. Oder unter Verwendung von Swift. Die «Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication» (Swift) ist eine Genossenschaft, der weltweit rund 11’000 Banken angehören. Ihre Rechenzentren stehen in Holland, in den USA und – in der «neutralen» Schweiz.

Die Genossenschaft bietet ein Telekommunikationsnetz an, das besonders sicher sein soll und über das genormte Informationen verschickt werden. Pro Tag werden rund 30 Millionen solcher Datenübertragungen abgewickelt. Auch der kleine Teilnehmer am Zahlungsverkehr kennt den Swift-Code, der zur normierten Identifizierung einer Transaktion benutzt wird.

Der gross angekündigte Ausschluss russischer Geldhäuser von Swift trifft daher, wenn überhaupt, die Kleinen. KMU und Menschen, die anderen Menschen Geldbeträge schicken wollen. Auch dafür gibt es natürlich alternative Wege, aber die sogenannten Transaktionskosten sind höher. Eine normierte Überweisung kostet im Schnitt 2 Franken (oder weniger), wer sein Geld mit Western Union oder anderen solchen Dienstleistern überweist, muss schmerzliche 10 Prozent (oder mehr) dafür abdrücken.

Wer alles nicht von der Sanktion betroffen ist

Der Oligarch, die Clique um Präsident Putin, die grosse Staatsfirma, all die sind durch diesen Ausschluss kaum betroffen. Vollständig zum Witz wird dieses Zeichen dadurch, dass die beiden wichtigsten Banken Russlands davon nicht betroffen sind. Eine davon heisst Gasprombank, was darauf hinweist, dass ihr hauptsächlicher Daseinszweck die Abwicklung von Zahlungen rund um Erdgas- und Ölgeschäfte ist.

Da nicht nur Deutschland zu 40 Prozent von russischem Erdgas abhängig ist, will man zwar ein deutliches «Zeichen» setzen, aber bitte nicht so, dass der deutsche Bürger in seiner ungeheizten Stube sich den Hintern abfriert. Denn ein solches Zeichen würde wohl von der Bevölkerung nicht goutiert werden. Die Schweiz importiert übrigens 47 Prozent ihres Erdgases aus Russland.

Zudem leben wir schon lange nicht mehr in einer unipolaren Welt, was den internationalen Zahlungsverkehr betrifft. Neben Swift gibt es das Clearing- und Abwicklungssystem Cips. Die Abkrüzung steht für «Cross-Border Interbank Payment System». Für Chinas Clearing. Nun steckt Cips noch in den Kinderschuhen, lediglich rund 80 Banken sind ihm bislang angeschlossen. Das wird sich aber rasant ändern.

Finanzströme in einer multipolaren Welt

Denn bei Swift steht nicht zufällig eines der Rechenzentren in den USA. Deren Geheimdienste wollen natürlich auf dem Laufenden bleiben, welche Finanztransaktionen weltweit stattfinden. Früher wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, ein solches Datenvolumen zeitnah auszuwerten. Das ist heutzutage kein Problem mehr.

Nicht nur China ist daran interessiert, den USA diesen Einblick in Transaktionen zu verwehren. Solange die chinesische Währung Yuan noch nicht frei konvertibel ist, wird Cips nicht auf Augenhöhe mit Swift kommen. Aber alles ist im Fluss, China ist bekanntlich der grösste Handelspartner Russlands.

Gleichzeitig bieten die Sanktionen eine einmalige Gelegenheit, die Dominanz des Petrodollars zu brechen. Das Wort steht für die Tatsache, dass bis heute die meisten Ölgeschäfte in US-Dollar abgerechnet werden. Mit den USA natürlich, aber auch bilateral, selbst wenn die Ukraine und Russland Gaslieferungen fakturieren.

Daraus ergibt sich eine Abhängigkeit der Landeswährung ölexportierender Länder vom US-Dollar, die USA wissen über all diese Transaktionen Bescheid, grosse Dollarbestände fliessen in US-Tresore, alleine durch Seignoriage machen die USA nette Zusatzprofite.

Wenn nun Russland als wichtiger Rohstoffproduzent und China als wichtiger Rohstoffkonsument dazu übergehen, Cips zu benutzen und eine konvertible Währung (könnte auch virtuell auf Blockchain aufgebaut sein), dann wäre diese Sanktion vollständig ein Rohrkrepierer.

Aber solche Zusammenhänge sind für Pace-Fahnen schwingende Demonstranten, die «Stoppt Putin» rufen, viel zu kompliziert.