Ein Satz von erhabener Wahrhaftigkeit.
«Es gibt keinen Sieg in der Ukraine. Es sterben einfach jeden Tag mehr Leute.» Vielleicht braucht es die kumulierte Lebenserfahrung eines Adolf Muschg, um eine einfache Wahrheit gelassen auszusprechen. Natürlich gilt der Satz genauso für den Nahen Osten.
Der Mann wird 90, und ähnlich wie Jürgen Habermas auf seine Art zeigt er schmerzlich, was der Unterschied zwischen intellektuellem Niveau und dummem, pseudoschlauem Gewäffel ist.
Das sollten sich verantwortungslose Kriegstreiber mit Vernichtungsfantasien von Markus Somm aufwärts (abwärts geht kaum) hinter die Ohren schreiben. Allerdings, wenn zwischen den Ohren das blanke Vakuum dräuend herrscht, was soll das nützen?
Es gibt die Schreibtischtäter neuen Zuschnitts, die aus sicheren und wohlbeheizten Kammern allen Kriegsbeteiligten überheblich Ratschläge geben, was sie zu tun und zu lassen haben, welche Fehler sie begehen. Das greift leider auch in der NZZ immer mehr um sich, wo ein Obermilitärkopf mit seinen Prognosen ständig daneben liegt, was ihn aber nicht daran hindert, der Welt ungefragt neue Ratschläge zu erteilen. Der Qualitätskonzern Tamedia leiht sich seine Meinung von arroganten Schnöselschreibern aus München. Auch CH Media und der «Blick» bieten wohlfeil Geschwafel an.
Da wird mitleidlos das Sterben von russischem Kanonenfutter bejubelt, da wird gnadenlos das Sterben ukrainischer Soldaten für «unsere» Werte, für Freiheit und Demokratie gefordert. Aber keiner dieser apokalyptischen Kriegstreiber käme auf die Idee, für seine hehren Ideale anders als mit Worten einzutreten. Sterben und sterben lassen, aber bitte nur die anderen, und bitte weit weg, wo der Iwan sein schreckliches Haupt erhebt.
Der Leser wendet sich mit Grausen ab. Denn ihrer eigentliche Aufgabe, darzustellen versuchen, was wirklich ist, der sind diese Organe schon lange nicht mehr gewachsen. Sowohl in der Ukraine wie im Gazastreifen gibt es keine unabhängige Berichterstattung. Israel weiss, wieso es den Gazastreifen für off limits für unabhängige Journalisten erklärt hat, die Ukraine schurigelt und verfolgt Journalisten nicht viel weniger schlimm als das Putin-Regime, inklusive Todesfälle.
Ein Alt-Bundesrat entblödet sich nicht, mögliche Kriegsziele Putins in der Schweiz zu benennen, als wäre er immer noch verhaftet im Kalten Krieg, wo bei Sandkastenspielen immer Rot aus dem Osten angriff und von einer wehrhaften Schweiz mit Kavallerie und Radfahrerbataillon zurückgeschlagen wurde.
Wie eine Oase in der Wüste wirkt dagegen das Wort Muschgs, der sich nicht scheut, auf vermeintlich Banales hinzuweisen, was aber im hysterischen Gekreische in den Medien längst vergessen ist:
«Ich hätte mir nie träumen lassen, nach dem Ende des Vietnamkrieges oder nach der Gorbatschow-Ära, dass man wieder ein Wort wie «Wehrtüchtigkeit» im Brustton und nicht, wie ich es gewohnt war, ironisch aussprechen kann.»
Mit ruhiger Stimme sagt wenigstens er, was selbstverständlich sein sollte: «Was man suchen muss, sowohl im Nahen Osten wie auf dem Boden der ehemaligen Sowjetunion, ist eine verhandelbare Welt. Ein Staatsmann oder eine Staatsfrau wäre für mich jemand, der oder die den Weg dazu findet.»
Ob es solche Staatsmänner gibt, sei dahingestellt. Dass in den Medien niemand ein solches Format hat, ist beklagenswerte Tatsache.
Schon zu Beginn der Canceling Culture, die heutzutage in voller Blüte steht, meldete er sich zu Wort und ordnete 2021 ein:
«Man will Leute disqualifizieren, die Schwarze disqualifizieren. Das ist sehr ehrenwert. Aber diese Disqualifikation gerät ins genau gleiche faschistoide Fahrwasser des Ausschliessens der Anderen. Nur sind es jetzt andere Andere.»
Damit er gehört wurde, liess er es richtig krachen: «Die Canceling Culture, die wir heute haben (…) das ist im Grunde eine Form von Auschwitz.»
Da geriet die Cancel Kultur richtig in Wallungen und bestätigte aufs trefflichste das Urteil von Muschg. Als ausreichendes Beispiel sei nur der Westentaschenhistoriker Philipp Sarasin zitiert, der damals keifte: «Herr Muschg sollte sich in Grund und Boden schämen.» Aber nein, Sarasin sollte sich heute noch schämen, wenn er diesen hysterischen Ausrutscher liest.
Auf einer ganz anderen Flughöhe bewegt sich Muschg, der noch an eine weitere übersehene und verschüttete Wahrheit erinnert:
«Über die Welt, wie sie sein sollte, hat für mich Kant das Nötigste gesagt. Könnte man nach seinen Maximen leben, dann wäre alles, worüber wir reden, nicht möglich gewesen. Wenn wir unsere Tugenden messen an dem, was der kategorische Imperativ fordert, dann wären wir missratene Treuhänder dieses Planeten.»
Aber kehren wir einen Moment zu den wichtigen Dingen des Lebens und der Welt zurück, ein Ereignis, das breite Darstellung tun allen Massenmedien findet: Nemo ist zurück, sicher gelandet und kann es immer noch nicht fassen. Ausserdem will er in den Garten, was uns sicherlich atemlos dargeboten wird.
Das kann man wirklich nur mit homerischem Gelächter nehmen. Wie schrieb ein Kommentator so richtig: der einzige Vorteil des Sieges von Nemo ist, dass Putin aus Mitleid die Schweiz nicht erobern wird.