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Mediale Vorsorge

Wenn die Ukraine mal vorbei ist …

Der umsichtige Medienlenker denkt an die Zukunft. Und weiss, dass es im heutigen Elendsjournalismus eigentlich immer nur ein einziges Überthema geben kann.

Das war lange Zeit natürlich die Pandemie. Als sich zunehmend Ermüdungserscheinungen bemerkbar machten, tat Kreml-Herrscher Putin den Medien den Gefallen, tatsächlich in die Ukraine einmarschieren zu lassen.

Fliegender Wechsel, nur noch einsame Corona-Kreischen wie Marc Brupbacher versuchten zunehmend verkniffen und verzweifelt, das komatöse Thema Corona wachzuknutschen. Viele Experten, Spezialisten, Wissenschaftler, Virologen, Epidemiologen wunderten sich, wieso sie weder mit Warnungen noch mit Entwarnungen gross in die Medien kamen.

Der Konsum von Beruhigungsmitteln und Antidepressiva soll in diesen Kreisen in den letzten Monaten deutlich angestiegen sein, aber wir warten noch auf genaue Zahlen.

Jetzt aber das. Der «Blick», das Blatt des Monothemas, zieht neben aller Berichterstattung über die Ukraine das Corona-Thema wieder an.

«Die Schweiz geht in die nächste Welle»,

lautet die unheilschwangere Zeile. Vorteil beim Thema ist natürlich, dass man vieles aus dem Stehsatz nehmen, kurz abstauben und rezyklieren kann: «Corona-Experten wegen steigender Zahlen alarmiert.» Schon wieder, die Armen. Aber während einige der bewährten Fachkräfte einen Fehlstart hinlegen und gar nicht wirklich alarmiert sind, nützt die einschlägig bekannte Isabella Eckerle die Gunst der Stunde und schiebt sich gnadenlos in die Pole Position.

Offenbar sind Frauen schneller als Männer, denn auch dieser verblassende Star der Corona-Hysterie meldet sich wieder zu Wort: «Auch Tanja Stadler (41), ehemalige Taskforce-Leiterin und Leiterin der ETH-Plattform CoV-Spektrum, macht auf die Verdoppelung der Zahlen …»

Man muss allerdings auch dem «Blick» einmal ein Kränzchen winden. Das ist vorausschauendes Thema Setting, damit wird das Blatt garantiert resilient, wenn in der Ukraine gerade mal nicht wirklich was los ist. Zudem pflegt es hier den klassischen Boulevard-Aufbau.

Experten sind (wie eigentlich immer) alarmiert, die nächste Welle kommt, das sagt nicht nur eine Expertin, sondern gleich zwei, dann muss es ja stimmen. Damit wäre sozusagen die Keimzelle gelegt, nun muss das Ganze nur noch abheben und viral gehen.

Wir sind gespannt, ob «Blick» auch diesen Teil des Boulevard-Journalismus beherrscht. Natürlich hofft das Ringier-Blatt dabei auf Unterstützung der anderen grossen Medienkonzerne. Denn man kann sich doch sicher sein, dass inzwischen bei diversen Themensitzungen der Chefredaktor mit gerunzelter Stirne in die Runde blickte und sagte:

Und was haben wir zum Thema? Das können wir doch nicht dem «Blick» überlassen. Nehmt den Finger raus, ich will Experteninterviews, wissenschaftliche Studien, Tabellen, Grafiken, was sagt die Politik, wie sieht’s auf den Intensivstationen aus, müssen wir wieder Maske tragen, braucht es den dritten, vierten und fünften Booster?