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Ach du dickes Ei

Päpstliches Geschenk für die Medien.

Ostern ist blöd. Medial gesehen. Wenn der Stau am Gotthard abgefrühstückt ist, dann herrscht normalerweise ziemlich tote Hose. Die Redaktionen sind ausgedünnt, denn auch der Redaktor möchte gerne schon am Mittwochabend aufbrechen, um dem Osterstau zu entgehen und kommt gerne erst am Dienstag im Verlauf des Tages wieder zurück.

Also bleibt das B- oder gar das C-Team, um die Spalten und die Online-Auftritte zu füllen.

Aber das war diesmal ganz anders. Der Papst bot ein Abend- und seitenfüllendes Programm. Zuerst die bange Frage, ob es sein Gesundheitszustand erlauben würde, am Sonntag den Segen «urbi et orbi» zu spenden. Und wenn nein, wer das dann an seiner Stelle tun könne und ob das überhaupt die gleiche Wirkung habe.

Das war schon Anlass genug, tiefschürfende Beobachtungen über den Krankheitsverlauf und die bereitstehenden Stellvertreter des Stellvertreters anzustellen.

Dann das Osterwunder, der Papst wurde ans Fenster gerollt und konnte tatsächlich, wenn auch in abgekürzter Form, die Menge segnen. Zuvor war es dem konvertierten US-Vizepräsidenten Vance noch gelungen, eine Audienz beim Papst zu erhaschen.

Was bösartige Spötter natürlich zur Vermutung verleitete, dass die nachfolgenden Ereignisse durch dieses Erlebnis des Papsts geprägt wurden.

Denn schon am Montag erschallte die traurige Nachricht durch urbi et orbi, dass der Papst nach tapferer Pflichterfüllung von uns gegangen ist. Ein Schlaganfall raffte ihn dahin, nachdem sich schon die katholische Christenheit Hoffnungen gemacht hatte, dass er weiterhin auf dem Weg der Besserung sei.

Aber eben, die Wege des Herrn sind unerforschlich.

Die Reaktion der Medien allerdings nicht.

Nun werden alle Register gezogen. Der Live-Ticker. Die Aufbahrung. Die Todesursache. Die letzten Tage. Die letzten Stunden. «Wer wird Papst? Das sind die aussichtsreichsten Kandidaten», zählt Tamedia auf. Und natürlich: «Wie Argentinien um seinen Papst trauert».

Der «Blick» schaut genau hin: «Erste Bilder von Papst Franziskus im offenen Sarg», dazu ein Ratgeber mit Nutzwert, obwohl das doch der SoBli-Chefredaktor gerade als «Klugscheisserei» kritisiert hatte: «So kommst du am besten nach Rom zur Beerdigung von Papst Franziskus».

Die NZZ spannt ihren didaktischen Muskel an:«Wer folgt auf Papst Franziskus? Die wichtigsten Fragen und Antworten». Dazu «Buenos Aires nimmt Abschied» und natürlich «Das Vermächtnis» des Papstes.

Auch CH Media betritt nicht gerade Neuland: «Die Welt ohne Papst Franziskus – seine Stimme wird fehlen», dazu vielleicht nicht mehr ganz aktuell: «Papst Franziskus ist tot: wie es im Vatikan weitergeht». Und aus dem Standardrepertoire: ««Intensiver Moment, als er mir in die Augen geschaut hat»: Regierungsrat Markus Dieth erinnert sich an Treffen mit Papst Franziskus».

Auch SRF tickert vor sich hin: «Kardinäle planen Papst-Bestattung – Schlaganfall war Todesursache», und natürlich der Blick in die Zukunft: «Kandidaten für Papstamt – «Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal heraus»». Und natürlich die Macht der Bilder: ««Mensch unter Menschen» Prägende Momente seines Pontifikats».

Da muss man ganz unchristlich festhalten: Der Einheitsbrei quillt überall über. Eigentlich bräuchte es in solchen Momenten gar nicht mehr vier Newsrooms. Ein einziger würde doch reichen. Oder noch besser: mit einem simplen Algorithmus, plus etwas AI, könnten sich eigentlich alle Journalisten ein paar Freitage gönnen, Ostereier suchen oder sonst etwas Nützliches tun.

Während die Konsumenten überall in der gleichen Sauce gebadet werden. Die Nacherzählung, die Stationen, der Tod, die Zukunft, die persönlichen Begegnungen, Himmel hilf. Originalität scheint vollständig ausgestorben zu sein.

Obduktion einer Ente

Der Wunsch war Vater des Gedankens: Ueli Maurer tritt ab. Oder doch nicht.

Im Biotop Bern passiert eigentlich nicht viel Aufregendes. 246 Parlamentarier und sieben Bundesräte tun wichtig und dies und das. Regieren, legislieren, intrigieren, lassen unter dem Siegel der Vertraulichkeit angeblich furchtbar heisse Informationen raustropfen.

Der erfahrene Bundeshausjournalist weiss zu unterscheiden. Besser: er wusste es. Aber in Zeiten, in denen ganze Horden von Redaktoren sich japsend mit gestohlenen Geschäftsunterlagen anfüttern lassen, ohne auch nur eine Sekunde über die Motive der Diebe nachzudenken, nimmt man jedes Gerücht gerne auf und serviert es brühwarm seinen Lesern.

Nach der alten Devise: nur die Story, die man selbst erfindet, hat man exklusiv. Einen Gerüchtebrei reinzwängen muss der Urheber überhaupt nicht, wenn das Servierte sowieso den Wünschen, Hoffnungen, Vorlieben des Breifresser entspricht.

Ist das nicht eine wunderschöne Ente?

Ideal dafür geeignet ist zum Beispiel: Ueli, der Treichler, tritt zurück. Denn spätestens seitdem sich der SVP-Bundesrat ein T-Shirt der «Freiheitstrychler» überstreifte, ist er zum liebsten Feind der Mainstream-Medien geworden.

Zunächst wird die Küche angeheizt

Also heizte am 30. September der zu CH Media gewechselte ehemalige NZZaS-Journalist Francesco Benini die Gerüchteküche ein:

«Erklärt Ueli Maurer am Freitag seinen Rücktritt?»

Damit nicht der Eindruck aufkommen könnte, dass das eine persönliche Ente von Benini ist, die er hier spazierenführt, fügt er hinzu: «Aufregung in Bundesbern».

Welch ein Bild. Rund ums Bundeshaus rennen aufgeregte Politiker auf und ab, in der Wandelhalle spielen sich hektische Szenen ab, der Mobilfunk kommt an seine Belastungsgrenzen, sämtliche Hinter- und Sitzungszimmer sind gefüllt, Krisenstäbe tagen ohne Unterlass.

Denn, Benini brütete das Entenei natürlich nicht selbst aus. Keinesfalls, schon «seit zwei Tagen» verbreite sich das Gerücht, unkt er, um zu beweisen, mit welch übermenschlicher Zurückhaltung er bislang mit diesem Primeur zuwartete. Da gibt es dann den «Nationalrat», der natürlich nicht namentlich genannt sein will. Und die Indizien, eigentlich schon eine Beweiskette. Der Mann wird im Dezember 71. Ist seit 12 Jahren in der Landesregierung.

Der Beleg: der Mediensprecher sagt nichts

Und, fast schon der Beweis, sein Mediensprecher will sich zu diesem Thema «nicht äussern». Alles klar, wir sind natürlich schon einen Schritt weiter: «Im Bundeshaus sprechen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier bereits über mögliche Nachfolger Maurers.»

Denn was ist schon eine Ente gegen eine Entenfamilie. Die ersten Namen werden genannt, also eigentlich verbrannt. Die nächste, noch dickere Ente, die Benini watscheln lässt: Altmeister Blocher wolle Toni Brunner zu einer Kandidatur überreden.

Nach dieser Tat konnte sich Benini zurücklehnen, seine Entenschar wurde von aufgeregten Hühnern umflattert, also von den übrigen Medienschaffenden. Über 170 Treffer erzielt man im Medienarchiv SMD, wenn man mit den Stichworten Maurer + Rücktritt sucht.

Eine Ente kommt selten allein …

Beförderlich bei solchem Unsinn ist immer, dass die wenigen noch vorhandenen Blattmacher die wenigen noch vorhandenen Journalisten in ihren Verrichtungsboxen zu Höchstleistungen anspornen: was haben wir zusätzlich?

Es muss doch noch mehr dransein

Denn die reine Wiederholung bringt’s ja nicht. Entweder muss ein Knaller-Spruch her «Maurer: Kä Luscht?», das genügt dem «Blick». Tamedia muss weiter gehen, wohin? Richtig geraten, ins Gendern. Denn auch die Liste der Nachfolger wurde schon erstellt, aber Tamedia (wenn Philipp Loser an den Tasten ist, wird’s immer unfreiwillig komisch) kritisiert streng nach einem Blick zwischen die Beine: die möglichen Nachfolger sind «fast alles Männer». Tja, so ist halt die Machopartei SVP.

Nun hatte all das Geschnatter und Geflatter nur ein klitzekleines Problem. Der Freitag kam, der Freitag ging, und Maurer blieb einfach im Amt. Der Schlingel. Wie kann er nur. Unsere Qualitätsmedien hatten doch seinen Rücktritt verkündet und die Schar der Nachfolger aufgestellt, gebüschelt und zurechtgestutzt.

Also alles getan, was man einer vertrauenswürdigen, verantwortungsvollen Vierten Gewalt erwarten darf, die deshalb auch unbedingt mit einer Steuermilliarde abgefüttert werden muss. Ohne die könnte sie nicht mehr ihres Amtes walten, denn Quersubventionierung aus den sprudelnden Einnahmequellen der Medienclans von Tamedia, CH Media und Ringier, das ist natürlich nicht.

Schliesslich weiss doch der normale Leser und Abozahler gar nicht, wie kostspielig der Unterhalt von Yachten, Privatjets, Villen, Feriendomizilen und eines Fuhrparks ist. Wegen so einer kleinen Fake News – wenn sie nicht aus der Küche des pösen, pösen Putins stammt – sollte man doch kein Büro aufmachen.

Putzig, aber nur in der Badewanne.