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Da war doch noch was?

Die schwindsüchtigen Medien können kein Multitasking.

Eigentlich ist der ukrainische Präsident Selenskyj fast zu bedauern. Da ist er extra nach Brüssel gereist, wird dort auch mit allem Brimborium empfangen, fordert wie immer mehr Geld und mehr Waffen, kann das sogar auf Englisch sagen – aber irgendwie verhält sich die Öffentlichkeit so wie der Teenager, der so tut, als würde er dem Vater zuhören, während er in Wirklichkeit seine Social Media Kanäle überprüft.

Richtig Schlagzeilen macht das nicht.

Dabei verging doch bis zum vorletzten Samstag kein Tag, an dem nicht neue Theorien über die Erfolge (oder Misserfolge) der ukrainischen Offensive aufgestellt wurden. Besonders blamiert hat sich dabei der ETH «Militärökonom» Marcus Keupp. Die «Weltwoche» haut ihm um die Ohren, dass er im November 2022 einen furchtbaren Fehler machte. «Russland wird den Krieg im Oktober verloren haben», wagte er eine Prognose mit Zeitangabe. Schwerer Fehler, so vom Oktober 2023 aus gesehen. Könnte man meinen. Der Nachfrage nach seinem «Expertenwissen» hat das aber keinen Abbruch getan.

Schade, früher wurde der Seher, der sich mit seiner Prognose getäuscht hatte, mit Schimpf und Schande in die Wüste geschickt – wenn er den Zorn seiner Gläubigen überlebte. Heute darf Quatschkopf Keupp einfach weiterfaseln. Sicher bald über Israel, Vorläufig diagnostiziert er aber eine «Woche des russischen Blechhaufens». Endlich wissen wir, woher der Ausdruck «Blech reden» kommt …

Aber das macht alles nix, die Ukraine ist einfach nicht sexy im Moment.

Das gilt aber eigentlich immer für die Schlachtereien in Gegenden der Welt, die nur von Schwarzen bewohnt werden, die nicht auf bedeutenden Rohstoffen hocken. Das gilt auch für Myanmar, wo die Militärdiktatur immer mal wieder ein Massaker an den Rohingya verübt. Das gilt für Afghanistan, wo nach Nachbeben ganze Landstriche völlig verwüstet sind, Tausende von Menschen gestorben und Hilfe nur ganz schwer zu den Einsatzorten gelangt, weil die Infrastruktur inklusive Strassen verkommen ist.

Das gilt für Millionen von Frauen, die in einer der wohl grausamsten und brutalsten Riten, die es gibt, verstümmelt werden. Rund 200 Millionen Mädchen und Frauen sollen nach Schätzungen weltweit beschnitten worden sein. Ihnen wurde mit oftmals primitivsten Werkzeugen die Klitoris ohne Betäubung herausgeschnitten.

In rund 30 Ländern Afrikas und des Nahen Ostens sowie in einigen Ländern Asiens und Lateinamerikas wird Genitalverstümmelung praktiziert. Im Sudan oder in Guina zum Beispiel sind über 90 Prozent aller Frauen verstümmelt; beschnitten kann man das nicht nennen.

Damit soll die Libido der Frau verringert werden und sichergestellt, dass sie vor der Ehe keine sexuellen Beziehungen hat und währenddessen treu bleibe. Wer das durchführt, duldet oder gar befürwortet, ist ein Verbrecher. Erfreut sich aber des weitgehenden Desinteresses der westlichen Medien.

Dann gibt es die lange Liste von korrupten, menschenverachtenden und ihre Bevölkerung in Armut haltenden Diktaturen oder Regimes, die aber eine Eigenschaft haben, weswegen sie mit Nachsicht rechnen können. Sie sind dem Westen zugetan und lassen westliche Transnationale mehr oder minder ungehemmt die Rohstoffe ausbeuten, die das Land hergibt.

Natürlich möchte kein Medienkonsument von morgens bis abends mit solchen Meldungen beschallt werden. Das wäre ja nur mit Aufhellern oder grösseren Mengen Alkohol zu ertragen.

Aber diese repetitiven, um die gleichen Fakten und Bilder herummäandernde Berichterstattung über das Grossereignis des Tages, der Woche, gar des Monats, das ist mindestens so schwer zu ertragen. Genau wie die sehr selektive Auswahl, was denn nun gerade der Riesenrumms ist.

Aber nicht nur das Gelärme ist schwer zu ertragen, auch das Schweigen ist oftmals widerwärtig. Während ein paar Todesmutige versuchen, noch etwas Verständnisvolles über die Hamas zu sagen, haben sich alle Palästinensertuchträger, alle Lagerbesucher, alle Solidaritätsredner mit der palästinensischen Sache in ihre Löcher verkrochen und hoffen, dass man nicht an alte Aussagen von ihnen erinnert.

Nicht minder widerlich ist das kollektive Schweigen aller Kampffeministinnen. Geht es darum, die vermeintlichen Untaten eines Pop- oder Filmstars zu beklagen, dann sind ganze Chöre unterwegs, die sich vor Entrüstung nicht mehr einkriegen. Ungeachtet, ob die Vorwürfe auch nur einen Hauch von Plausibilität haben.

Nun hat es mehr als einen Hauch von Plausibilität, dass die Hamas-Horden in Israel nicht nur getötet haben, sondern auch massenhaft vergewaltigt. Nur: da schweigt das «#metoo»-Lager stille. Selbst bei angeblichen russischen Vergewaltigungen erhebt sich noch Protest, aber hier? Bislang null.

Das gilt im Übrigen auch für die islamischen oder islamistische Organisationen in der Schweiz. Natürlich wird die Gewalt verurteilt, ungefähr so butterweich wie vom Palästina-Freund Fabian Molina die «Gewalteskalation». Aber eine klare Aussage dazu, ob sich die Hamas zu Recht auf den Islam, auf den Koran beruft oder nicht? Schweigen.

Wie dichtete Bertolt Brecht in anderen Zeiten, in unseren nicht mal so fernen Zeiten an die Nachgeborenen:

«Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!»

Nur: vielleicht wollen die Klimakleber über Bäume sprechen, aber die anderen wollen lieber über alles schweigen, was ihnen nicht zupass kommt. Wie armselig.

Wumms: Frank A. Meyer

Geist und Geld, eins davon regiert die Welt.

Ringiers Hausgespenst, der Weltenlenker und Denker Frank A. Meyer führt im Blatt der gehobenen Intelligenz eine Kolumne. Aus Gründen, die nur ihm erfindlich sind, bemüht er sich um die Klärung Schweizer Probleme mit einem Autorenporträt, das ihn mit verdunkelten Brillengläsern vor dem Brandenburger Tor zu Berlin zeigt. Aber soll wohl den SoBli-Leser von seiner Weltläufigkeit überzeugen.

Ein Jugendfoto von Meyer in Berlin.

Aktuell nimmt er sich der «Politik des Friedens nach dem Motto «Wandel durch Handel», die neue Formel der zivilisierten Welt für den Umgang mit der unzivilisierten Welt, auf dass sich jene schliesslich ebenfalls zivilisieren möge» an. Als zivilisiert gilt für Meyer offenbar die Schweiz und Deutschland, unzivilisiert im Besonderen sind Russland und China. Etwas geschichtsvergessen, der Herr.

Eben «Business as sual». Das sei ein «Irrglaube», gar «eine gefährliche Praxis im Umgang mit Diktaturen und Despotien», donnert Meyer aus dem sicheren Schützengraben der deutschen Hauptstadt.

Da ist ihm offenbar etwas der Kontakt zur Geschäftsrealität in der Schweiz abhanden gekommen. Genauer zum «Business as usual» seines Brötchengebers. Denn Ringier ist inzwischen ein internationaler Konzern geworden, der in Ungarn freundlich mit dem Potentaten Orban umgeht. In Serbien gegen die Diskriminierung des Tenniscracks Djokovic schimpft.

2017 hat sich Ringier, aus rein geschäftlichen Gründen, von Ringier China Co. Ltd. verabschiedet. Man wolle sich mehr auf die Aktivitäten in Myanmar und Vietnam konzentrieren. Bekanntlich zwei lupenreine Demokratien, wie vielleicht Altkanzler Schröder sagen würde, den Meyer als teuren Berater zu Ringier lotste und gerne als Schmuckleiste bei seinen sogenannten «Dîner républicain» begrüsste.

Ringier ist auch in Ghana, Senegal, Nigeria, Kenia, Uganda oder der Elfenbeinküste tätig. Da ist es für den Medienkonzern sicher eine Erleichterung, dass Meyer am Schluss seiner Suada zum Ergebnis kommt: «Business mag Business sein. Politik jedoch ist mehr. Politik ist Verantwortung.»

Vielleicht könnte der Hauskolumnist auch mal Verantwortung in seinem eigenen Laden übernehmen. Aber das hat er in seiner jahrzentelangen Karriere dort immer gefliessentlich vermieden.

Flops produzieren ja, dafür geradestehen – niemals. Grosse Reden schwingen – immer. Praktisch umsetzen – niemals.