Schlagwortarchiv für: Musk

Brandmauern

Die Mauer zum Brandschutz ist in vielen Köpfen verbaut.

«Notfalls müssen X oder TikTok gesperrt werden», verkündet die ins Parlament gerutschte Grüne-Nationalrätin Meret Schneider in der «SonntagsZeitung». In Deutschland ist «Brandmauer» das politische Schlagwort des Wahlkampfs.

Der Grüne Abwrack-Minister Robert Habeck (bitte nicht einklagen) und Kanzlerkandidat weigerte sich, mit der Kanzlerkandidatin Alice Weidel zu debattieren. Dafür durfte der Noch-Kanzler Olaf Scholz gegen den CDU-Kandidaten Friedrich Merz antreten. Obwohl seine SPD etwas oberhalb der Grünen dahindümpelt und die AfD laut Umfragen nach der CDU mit 22 Prozent die wählerstärkste Partei ist.

Asylanten begehen Attentate in Deutschland, Brandmauer. US-Aussenminister Vance hält in München eine Rede. Brandmauer. Bundesrätin Karin Keller-Sutter vermag seinem Aufruf zu Demokratie und freier Rede etwas abgewinnen. Grosse Brandmauer. Der SP-Berufspolitiker und Funktionär Cédric Wermuth übertrifft sich wieder mal selbst: «Anbiederung an den Neofaschismus». Da fehlen die Worte vor so viel dumpfer Demagogie.

In den USA werden Auswüchse des Genderwahns zurückgeschnitten, es gibt wieder nur zwei Geschlechter. Grosse Firmen stellen ihre absurden Diversity-Programme ein. Ganz grosse Brandmauer.

Ursprünglich wurde der Begriff geprägt, um klarzustellen, dass keine der anderen Parteien etwas mit der AfD zu tun haben will. Als der CDU-Vorsitzende Merz im deutschen Bundestag mit den Stimmen der AfD einen Vorschlag zur Verbesserung des Asylchaos erfolgreich einbrachte, stürzten unzählige Brandmauern über ihm ein. Der Vorschlag sei zwar durchaus vernünftig, aber vergiftet und falsch, weil ihm die Bösen zustimmten.

Schon längst sind solche Brandmauern in den Köpfen vieler Journalisten angekommen. Wer ein Widerwort gegen ihre immer verzweifelteren Versuche wagt, mit wokem Geschwafel und der Sprachvergewaltigung Korrekt-Deutsch an den Lesern vorbeizuschieben, wird ausgegrenzt. Debatte war gestern, heute ist Brandmauer.

In der Mediendatenbank SMD gibt es alleine im letzten Monat 1415 Treffer dafür. «Kontoverse Debatte» hingegen kommt 209 mal vor. Sagt einer was, Brandmauer. Was hat er eigentlich gesagt? Völlig egal, er ist Teil der dunklen Seite der Macht.

Aus Verantwortung, weil es in der Schweiz nur zwei grosse Medienkonzerne mit einem wahren Kopfblattsalat gibt, die die öffentliche Debatte beherrschen (und noch ein wenig «Blick»), sie wenigstens als Podiumsorgane zu führen – vergiss es. Das wurde beim grossen Aufräumen und dem Ergiessen von Einheitssosse in alle Organe mit heiligen Eiden beschworen – es findet nicht statt.

Sexismus ist nach wie vor das Lieblingshobby von Tamedia. Dem «Fall Travis» wird online bereits eine eigene Rubrik gewidmet, ständig ausgebaut. «Was den Spitzenfussball so anfällig macht für sexuelle Gewalt», «Der FCZ holt sich mit Benjamin Wendy ein gewaltiges Problem ins Haus», «Unser Dokfilm zeigt, wie ein Zürcher Party.Influencer Frauen sexuell ausnützt». Aber natürlich gilt die Unschuldsvermutung, kicher.

Jenseits jeder Brandmauer ist auch alles, was mit einem Wort zu tun hat: Trump. «Wird die Schweizer Politlandschaft «trumpisiert»?», «Es wächst die Sorge vor einem perfiden Plan des US-Präsidenten». Eine gleichhohe Brandmauer wird um den zweiten Gottseibeiuns aufgezogen: Elon Musk.

Der Ton wird im Allgemeinen keifiger; immer vorne dabei Jacqueline Badran:

«Weshalb schreiben Journalisten lieber Schüleraufsätzchen über die vierte Staffel der Trump-Show, statt über dessen krasse Inkompetenz zu berichten

Berechtigter wäre die Frage: wieso schreiben Journalisten Schüleraufsätzen gegen alles vermeintliche Übel in der Welt, statt sich ihrer eigenen Inkompetenz bewusst zu werden?

Natürlich ist es für Flachköpfe hilfreich, die Welt in ein einfaches Raster zu pressen. Was auch immer Trump, Musk (von Putin ganz zu schweigen) tun, ist übel. Falsch. Gefährlich. Wenn die AfD irgend etwas zustimmt, dann wird das dadurch falsch, auch wenn es vorher vielleicht richtig war. Das macht die Navigation in einer unübersichtlichen Welt einfach. Überall schwimmen Heulbojen im Meer des Nicht-Verstehens, die vor Untiefen und Ungeheuern warnen.

Herausragend ist und bleibt der «Spiegel». «Chaos ist das neue Normal», ««Die Europäer sind feige»», «Eure Empörung hilft nur der AfD», «US-Regierung will gefeuerte Beamte wieder einstellen – hat aber keine Kontaktdaten mehr», «Die Kotzbrocken-Doktrin» (muss jemand raten, wer gemeint ist?), «Erleben wir gerade einen Staatsstreich, orchestriert aus dem Weissen Haus?», «Trumps Feldzug gegen die Wahrheit», «Warum Trumps Vize der AfD hilft», «Wer kann Donald Trump noch stoppen?»

Wie der Schwimmer, der mehrfach Hilfe schreit, und dann absäuft, weil ihn niemand mehr retten will, schreien diese modernen Grossinquisitoren «Faschist, Rechtspopulist, Rassist» bei jeder Gelegenheit, bis sich die Begriffe so abgenützt haben wie ein Reifen ohne Profil. Beliebt sind auch «instrumentalisieren, skrupellos» und «Hass schüren».

Es wird nicht mehr informiert, sondern vergeblich indoktriniert. Nach der alten Propagandamethode: wiederhole das ewig Gleiche immer wieder, und dann nochmal. Es bleibt hoffentlich in den Köpfen stecken.

Gegenseitiges Schulterklopfen in der Journaille ist die einzige Resonanz, die sie bekommen. Wer einem Beruf beim Verelenden zuschauen will, hier wird’s öffentlich aufgeführt.

 

Hello, Mr. President

Christof Münger hat nicht mal ein Proseminar besucht …

«Im Proseminar fürs Politologiestudium spricht man nicht von Bullys, sondern etwas vornehmer von revisionistischen Grossmächten, die den territorialen Status quo ändern möchten. China verfolgt im Südchinesischen Meer und gegenüber Taiwan eine solche Aussenpolitik. In Hongkong wurde sie umgesetzt, sie ist aggressiv und expansiv. Russland ist die zweite revisionistische Atommacht, siehe Ukraine. Am 20. Januar kommt eine dritte revisionistische Grossmacht hinzu, die USA von Donald Trump.»

Geschichte für Anfänger und den Auslandchef ohne Ausland und Verstand von Tamedia: Taiwan war jahrhundertelang unter chinesischer Herrschaft, dann von 1895 bis 1945 Teil des japanischen Kaiserreichs, 1949 zog sich Chiang Kai-shek nach seiner Niederlage gegen Mao hierher zurück. Anschliessend war Formosa oder Taiwan Bestandteil des Kalten Krieges und wurde lange Zeit bis 1971 vom Westen als einzige legitime Vertretung ganz Chinas anerkannt.

Welcher Status quo von wann hier geändert werden soll, das ist wohl die Frage. Und Hongkong? Wurde 1841 von England besetzt und 1843 zur Kronkolonie erklärt. 1997 wurde dieses Überbleibsel des Kolonialismus an China zurückgegeben.

Würde Christof Münger in einem Proseminar so einen Quatsch erzählen, die Fortsetzung seines Studiums wäre gefährdet. Hiermit wäre sie dann wohl beendet: «Europa muss nun schnell erwachsen werden und an Unabhängigkeit gewinnen, vor allem was die eigene Sicherheit betrifft. » Erwachsen werden, mehr Unabhängigkeit? Von der mit Abstand grössten Militärmacht der Welt? Die übrigen Teilnehmer des Proseminars schütteln verzweifelt die Köpfe ob eines solchen Stusses.

Aber da geht noch mehr. Der israelische Ministerpräsident Netanyahu habe erst jetzt einer Waffenruhe zugestimmt, das sei «ein Geschenk zum Amtsantritt seines alten Verbündeten: Der Deal liegt schon ein halbes Jahr lang unterschriftsbereit vor. Mehrere israelische Geiseln, zahlreiche israelische Soldaten und viele palästinensische Zivilisten würden noch leben, hätte der israelische Premier früher eingewilligt. Doch Netanyahu wollte verhindern, dass US-Präsident Joe Biden diesen Erfolg verbuchen konnte».

Diesen Geheimplan hat Netanyahu mitsamt des unterschriftsreifen Vertrags aber wirklich sauber im Giftschrank eingeschlossen und keinen rangelassen. Bei solchem Gefasel würde manch Verschwörungstheoretiker vor Neid erblassen.

Und Musk? Dem gehe es nicht um die Redefreiheit, sondern «um die Freiheit, lügen zu dürfen». Das ist nun aber auch Bestandteil der Meinungsfreiheit, schliesslich darf doch auch Münger so viel Unsinn erzählen, wie es ihm drum ist.

Dann kommt ansatzlos ein Salto mortale ins Zusammenhangslose: «Wer hingegen in Moskau den Angriffskrieg gegen die Ukraine öffentlich kritisiert, bekommt Besuch von der Polizei. Und Chinesen, die das Massaker auf dem Tiananmen-Platz nur schon erwähnen, verschwinden im Gefängnis. Dort geht es um die Redefreiheit – für Europas Populisten kein Thema.»

Trump, Musk, Redefreiheit im Westen. Dagegen die Zensur im Osten, wobei Münger die genauso strikte Unterdrückung jeder freien Meinungsäusserung in der Ukraine zu erwähnen vergisst. Und wieso sollten sich «Europas Populisten» darum kümmern?

Aber verflixt, dachte Münger mal wieder, jeder Kommentar hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Also woher eine Schlusspointe nehmen und nicht stehlen? Ach, lieber was zusammennageln als gar nicht schreiben:

«Die Wahl von Trump und die Wucht von Elon Musk haben Leuten wie Alice Weidel, Herbert Kickl, Viktor Orbán und Marine Le Pen einen Boost verliehen. Angesichts des anstehenden Comebacks ihres Paten in Washington scheinen sie vor Vorfreude fast zu platzen – Trump kann auf eine politische Fangemeinde in Europa zählen.»

Das könnte Münger nun, dank der Meinungsfreiheit, auch auf X oder Facebook posten. Inklusive der Verbalinjurie «Pate» für Trump, also Mafiosi, also sind auch die erwähnten europäischen Politiker Mitglieder der Mafia.

Allerdings hört für Münger Meinungsfreiheit dort auf, wo ein anderer eine andere Meinung hat. Und freie Wahlen kommen irgendwie an ihre Grenzen, wenn die Falschen gewählt werden. Da wird Tamedia endgültig zum Witzblatt, ohne komisch zu sein.

Wumms: Reza Rafi

Der Chefredaktor des «SonntagsBlick» lässt ungeahnte Bildung aufblitzen.

Ob ihm da alle seine Leser folgen können? Schon mit dem Titel seines Editorials begibt sich Rafi ins weite Gelände der nicht allen geläufigen Fremdwörter: «Sehnsucht nach der Disruption». Das versucht er immerhin, im Lead einzufangen: «Donald Trump und Elon Musk bewirtschaften geschickt das Bedürfnis nach einer Neuordnung der Gesellschaft.»

Allerdings ist Neuordnung nicht ganz das Gleiche wie Disruption. Aber item. Dann erinnert er sich gleich am Anfang an einen Film von Mel Gibson aus dem Jahr 2006. In «Apocalyptico», der zu Zeiten der Mayas vor 500 Jahren spielt und in der Originalsprache mit Untertiteln gedreht wurde, unglaublich brutale Szenen enthält und damit endet, dass während einer Verfolgungsjagd am Strand die Eingeborenen die ersten spanischen Schiffe am Horizont auftauchen sehen, erblickt Rafi ein Beispiel für Disruption:

«Das Auftauchen der Eroberer kündigt die brutale Umwälzung des herrschenden Gleichgewichts an – und steht sinnbildlich für einen Begriff, der besonders seit der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten als Modewort um den Globus geht: Disruption.»

Wow, das ist mal eine Flughöhe. Aber Rafi hat noch mehr Bildungsgut in seinem Rucksack: «Woher aber kommt dieser Wunsch nach abruptem Wandel, der in der Begeisterung für Trump mitschwingt? Aus einem Gefühl der Schwäche … derselben Sehnsucht, mit der die geknechtete Seeräuber-Jenny in Bertolt Brechts Dreigroschenoper davon singt, dass demnächst ein «Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen» ihre Unterdrücker vernichten wird.»

Im Gegensatz zur sogenannten «Kulturredaktion» des Tagi schreibt er auch den Namen des Stückeschreibers richtig.

Geknechtet? Nun, es sind die Fantasien einer Dienstmagd, aber nicht ganz daneben von Rafi. So spielt er gross auf, sozusagen mit vollem Orchester und Bezügen quer durch die Kunst-, Kultur- und sonstigen Geschichte. Mayas von Gibson, Dreigroschenoper von Brecht, und dann auch noch Trump und Musk, was für ein Bogen.

Da erwartet man als Schlusspointe nichts weniger als ein Feuerwerk, das Klopfen des Schicksals an die Tür wie bei Beethovens Fünfter. Aber leider, leider, nach dem Höhenflug folgt die unsanfte Landung:

«Möglicherweise gibt es lediglich ein Disruptiönchen – weit weg vom weltgeschichtlichen Einschlag durch die spanischen Konquistadoren.»

«Weltgeschichtlicher Einschlag»? Nur ein «Disruptiönchen»? Da fliegt dann doch der Bildungsrucksack ins Lüftchen. Und wieso erwähnt Rafi nicht, dass Disruption eigentlich die Abspaltung der schottischen Freikirche von der schottischen Kirche im Jahr 1843 bezeichnet? Wenn man schon beim Geistreicheln und Bildungversprühen ist, fehlt doch dieser Hinweis schmerzlich.

Also ist Rafi vielleicht doch kein Bildungsbürger, sondern ein Bildungsbürgerchen.