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Abgrenzungen

Wir im bequemen Sessel im ersten Rang mit Catering.

Früher, als es in Europa noch Linksterrorismus à la RAF oder Brigate Rosse gab, wurde jeder Linke inquisitorisch dazu aufgefordert, sich von solchem Tun deutlich zu distanzieren. Oder ihm wurde gleich «Moskau einfach» ans Herz gelegt.

Begründungen, Aufrufe zur friedlichen Lösung, gar das Bekunden klammheimlicher Freude konnten Karrieren vernichten oder die soziale Reputation.

Die Linksterroristen sahen ihre Taten als Ausdruck eines antiimperialistischen Kampfes, bei dem man eben im Gehirn des Monsters angreife, nicht die Helfershelfer bestrafe, sondern die eigentlichen Drahtzieher von so viel Elend und Ausbeutung auf der Welt. Dass dabei auch Unschuldige zu Schaden oder zu Tode kamen, war ein akzeptabler Kollateralschaden, weil per Definition jeder Bewohner der Ersten Welt mitschuldig an Verbrechen in der Dritten Welt war.

Im Kampf gegen die unbezweifelbar und bis heute vorhandene imperialistische Ausbeutung der Dritten Welt musste man sich abgrenzen von diesen Terroristen, die natürlich nichts erreichten, indem sie sogenannte Charaktermasken des Kapitals umbrachten.

Wer damals an einer Demonstration gegen den Imperialismus teilnahm, musste aufpassen, dass er nicht zu nahe in den Dunstkreis von Sympathisanten der Linksterroristen kam.

Genau das gleiche Problem sollte heute jeder haben, der an einer Demonstration für die palästinensische Sache teilnimmt. So wie früher «Nieder mit dem Imperialismus» eine eher inhaltsleere Phrase war, ist heutzutage «Free Palestine» ebenfalls ein Slogan, der sich nur schwer mit sinnvollem Inhalt füllen lässt. Hingegen ist «from the River to the Sea» eine kaum verklausulierte Negation des Existenzrechts eines israelischen Staates.

Wenn schon, müsste man sagen, sollten sich die Palästinenser zuerst aus der tödlichen Umklammerung durch fundamentalistische Wahnsinnige befreien. Denn die terroristischen Taten der Hamas sind genauso grausam und sinnlos wie früher das Wüten von Linksterroristen. Wobei der Vergleich hinkt, denn denen stand nicht das Waffenarsenal zur Verfügung, mit dem der Iran die islamistischen Terroristen aufgerüstet hat.

Natürlich ist nicht jeder Teilnehmer an einer Pro-Palästina-Demonstration im Herzen ein fundamentalistischer Wahnsinniger, der die Untaten der Hamas begrüsst oder gar bejubelt. Aber wie soll er sich von solchen Vollpfosten abgrenzen? Das scheint zurzeit nicht möglich zu sein.

Allerdings gibt es klare Anzeichen, dass alle bequem im Sessel sitzenden Zuschauer in Zentraleuropa sich nicht länger zurücklehnen können, während sie dem Gemetzel auf der Weltbühne zuschauen und gelegentlich nach Snacks und Erfrischungsgetränken rufen.

Zum einen gibt es eine zunehmende Militanz gegen jüdische Einrichtungen und Symbole. Ein kurzzeitig besetztes Hotel in Barcelona, das jüdische Besitzer haben soll, ein versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin, an Häuser geschmierte Davidsterne, die ersten eingeschlagenen Schaufenster jüdischer Läden – noch kein Anlass, düstere Erinnerungen an finstere Zeiten zu evozieren. Aber beunruhigend und schändlich.

Zum anderen: wer meint, das richte sich halt gegen Juden, also nicht gegen Nicht-Juden, irrt. Denn die Todeskrieger des fanatischen Islams kennen keine Gnade und sind nicht zu Differenzierungen fähig. Ihr Hass richtet sich nicht nur gegen Juden, sondern gegen alle in ihren Augen Ungläubigen.

Das Terrorattentat auf einen Zug bei Madrid mit 191 Toten liegt fast 20 Jahre zurück. Der LKW-Anschlag in Nizza mit 86 Toten fand 2016 statt, ebenso wie der Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit 13 Toten.

Diese unvollständige Liste, ergänzt durch eine Vielzahl von Anschlagsversuchen, die rechtzeitig vereitelt werden können, lässt erahnen, was auf uns zukommen wird. Zudem fanden die meisten dieser Anschläge noch vor oder erst kurz nach den grossen Flüchtlingswellen ab 2015 statt. Inzwischen gibt es in den meisten zentraleuropäischen Ländern islamistische Parallelgesellschaften.

Unterstellt, dass die überwiegende Mehrheit der Moslems friedliebende Menschen sind, die einfach in Ruhe ihren andersartigen Sitten nachleben wollen: hat irgend jemand eine Ahnung, was dort in den Brutstätten des Terrorismus, in Koranschulen, Moscheen mit Hasspredigern vorgeht, finanziert von fanatischen Wahhabisten aus Saudiarabien und Ayatollen aus dem Iran? Wie erfolgreich dort die gleichen Menschenfänger sind, die verzweifelte Palästinenser zu menschlichen Bomben machen?

Wenn schon ein Messer, eine Schusswaffe, ein Lastwagen in ein Tötungsinstrument umfunktioniert werden kann, was haben wir zu erwarten, wenn in diesen Parallelgesellschaften eine Infrastruktur entstanden ist, die Terrorattacken im viel grösseren Massstab erlaubt?

Leider ist es so: die Verklammerung mit islamistischem Fundamentalismus, einer Todes- und Verliererreligion, macht es schwierig, sich mit berechtigten palästinensischen Forderungen gemein zu machen. Leider ist es so: der strenggläubig praktizierte Islam ist nicht kompatibel mit unserer freiheitlichen Gesellschaft. Seine Anhänger sind auch nicht bereit, sich zu assimilieren oder die Gültigkeit unserer Gesetze und Regeln als oberste Richtschnur zu akzeptieren. Gelegentliche Lippenbekenntnisse sollten darüber nicht hinwegtäuschen.

Das Problem Israels ist, im Kampf gegen monströse Verbrecher nicht selbst zum Monster zu werden. Das Problem Kerneuropas ist, sich nicht im Klaren darüber zu sein, welches Monster unter uns herangewachsen ist.

Das wird uns noch gewaltig aus der beschaulichen Ruhe des Zuschauers im bequemen Sessel aufscheuchen. Trifft nicht jeden, aber unter welchen der Sessel tickt bereits die Bombe?

Der Monstertöter vom Dienst

Die angeblich neoliberale NZZ wird richtig böse.

Zuerst traut man seinen Augen nicht. Unter dem Titel «Wie man Monster zähmt: Die Politik ist gegenüber der UBS nicht machtlos», haut Eric Gujer richtig drauf:

«Banker sind gierig, siehe Bonus-Exzesse. Banker sind inkompetent, siehe das Debakel der Credit Suisse. Banker sind unbelehrbar, siehe Urs Rohner.»

Aber hallo, doch die Relativierung kommt sogleich: «Für jedes Klischee findet sich im Handumdrehen ein tatsächliches oder vermeintliches Beispiel. Keine Branche ist so sehr zur Projektionsfläche geworden für alle negativen Emotionen, zu denen Menschen fähig sind, wie die Banker und die Banken

Dann aber die Relativierung der Relativierung: «Sie sind selbst schuld dran

Nach diesem Rundumschlag mit dem Morgenstern kommt nun die UBS dran: «Ist die UBS eine Monster-Bank? Vielleicht. Wird man sie eines Tages wieder retten müssen? Vielleicht. Soll man aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen? Sicher nicht. Oberste Richtschnur für den Umgang mit Monstern aller Art muss der volkswirtschaftliche Gewinn sein, den die Schweiz aus ihnen zieht.»

Das nennt man mal einen ordnungspolitischen Zwischenruf. Monster müssen nicht getötet, aber benutzt werden. Dazu gebe es jede Menge Reformvorschläge, die natürlich von Gujer grösstenteils abgewatscht werden:

«Sie reichen von akademisch richtig, aber unrealistisch (drastische Erhöhung des Eigenkapitals bis zu neunmalklug und auch in ewiger Wiederholung nicht überzeugender (Trennbankensystem). Je kühner die Ideen sind, umso mehr gilt für sie die Chirurgenweisheit: Operation gelungen, Patient tot.»

Nun ist abwatschen einfacher als argumentieren. Was am richtigen und durchaus realisierbaren Vorschlag, die Schweizer Banken endlich mit genügend Eigenkapital auszustatten, was ihnen weltweit eine unvergleichliche USP verschaffen würde, unrealistisch sein soll? Und war nicht die neunmalkluge Aufhebung  des Trennbankensystems der Anfang der Finanzkrise eins?

Nach einem starken Antritt und einem starken ersten Teil geht nun aber Gujer lesbar die Luft aus:

«Niemand sieht gerne den Zusatz «Staats-» an sich kleben. Die Swisscom will kein Staatskonzern sein, die SRG kein Staatsfunk und die UBS keine Staatsbank. Dennoch trifft es auf alle drei Unternehmen zu. Die Politik steht daher vor einem Paradox. Einerseits ist sie der UBS ausgeliefert. Anderseits muss sie in Krisen entschlossener eingreifen als bisher. Denn alles, was Staatsunternehmen anrichten, fällt am Schluss auf die Politik zurück

Hier wird’s dann zu einem ordnungspolitischen Gequengel. Also was tun?

«Das politische System der Schweiz belohnt Zaudern, nicht resolutes Handeln. Entsprechend wird das Führungspersonal rekrutiert. Dennoch müssen Regierung und Regulatoren kein zahnloser Abnickverein sein.
Auch jenseits des Vorschriften-Dschungels zur Bankenregulierung verfügt der Bundesrat über ein unschätzbares Machtinstrument: die Öffentlichkeit

Nun schüttelt es alle Vertreter des FDP-Slogans «Weniger Staat, mehr Freiheit» kräftig durch: «Der Staat ist nicht nur der letzte Geldgeber, sondern auch die ultimative Quelle von Vertrauen und Legitimität. Firmen gehen unter, Staaten in der Regel nicht. Diese Art von Vertrauen kann sich keine Bank kaufen, es wird ihr vom Gemeinwesen geliehen.»

Am Schluss muss es natürlich wieder furios werden, und wir merken uns, was die UBS für Gujer ist: «Die Regierung besitzt erhebliche Macht, und sie sollte bereit sein, sie im richtigen Moment konsequent einzusetzen. Damit bringt man Monster nicht zum Verschwinden, aber man zähmt sie.»

Die UBS ist ein Monster, das man leider nicht killen kann, aber zähmen muss. Das werden Ermotti und Kelleher gar nicht gerne hören, denen Gujer sogar Triumphalismus vorwirft, warnt: «Dennoch pflegen Starallüren in der Schweiz nach hinten loszugehen. Im schlimmsten Fall siegen dann die Emotionen über das Nutzenkalkül.»

Und da behauptet doch die WoZ, die  NZZ vertrete die reine Lehre des Neoliberalismus. Was für ein Schwachsinn.

Newsletter des Schreckens

Lauter schlechte Nachrichten von der «Republik».

Wo wollen wir nur anfangen? Vielleicht beim ganz Schlimmen. Die «Republik» hat laut ihrem NewsletterSehr geehrte Frau Verlegerin, Sehr geehrter Herr Verleger – and everybody beyond!») neu nicht nur einen Chefredaktor, sondern gleich zwei:

«Nachdem Oliver Fuchs seine Rolle als Chef­redaktor aufs Jahresende abgegeben hat, übernehmen Bettina Hamilton-Irvine und Daniel Binswanger übergangs­weise die Chef­redaktion bis zum Abschluss des laufenden Rekrutierungs­prozesses.»

Von der «Co-Leiterin Inland» ist bislang keinerlei Strategisches bekannt, von der schreibenden Schmachtlocke ist bekannt, dass er von Zahlen, Wirtschaft oder Finanzen nicht den Hauch einer Ahnung hat.

Wieso könnte das nicht unwichtig sein bis zum möglichen schrecklichen Ende des «laufenden Rekrutierungsprozesses»?  Aus einem einfachen Grund, der sogar den Luftikussen der «Republik» echt «Sorgen» macht: «Die Zahl unserer Verleger ist bisher nicht gewachsen. Auch nicht während des wichtigen Weihnachts­geschäfts.»

Wir erinnern uns: weil die Zahl er Abonnenten schon länger stagniert oder leicht rückläufig ist, macht die «Republik» das, was jedes verantwortungslose Unternehmen macht: sie erhöhte die Ausgaben um ein paar Milliönchen und kündigte an, dafür ein paar tausend Abos mehr verkaufen zu wollen.

Die Ausgabenseite haben sie schwer im Griff, die Einnahmen weniger. Aber immerhin, ein wenig Selbstkritik darf kurz aufblitzen:

«Noch kommt man an uns vorbei. Doch für die nächsten 5 Jahre haben wir uns viel vorgenommen. Wir wollen die «Republik»-Stimme unüberhörbar machen. Nicht mit Lärm, sondern mit Relevanz und Schlagkraft – und gemeinsam mit Ihnen.»

Fünfjahresplan? Nun ja, am 14. Januar feierte die «Republik» ihren 5. Geburtstag, also die Veröffentlichung des ersten, ellenlangen Artikels. Wie es sich für leicht Verwirrte gehört, teilt das das Magazin der Welt allerdings erst mit 5 Tagen Verspätung mit. Das muss vielleicht ein Kater gewesen sein.

Aber das Magazin hat noch eine weitere schlechte Nachricht. Seither nichts gelernt. Denn wie schreibt es launig: einer der ersten Artikel sei «ein Monster» gewesen: «Lesezeit: 34 Minuten». Damals ging’s um Facebook, nun habe die «Republik» fünf Jahre danach über Google recherchiert.

«Wir beleuchten diese Fragen in neun Teilen. Lese-(oder Hör-)zeit: ein paar Stündchen. Aber das wird Sie, liebe Verlegerin, nicht schrecken. Held wird man schliesslich, indem man Monster bezwingt.»

Ein paar Stündchen über Google? Wer will sich das antun? Wer hat soviel Zeit? Ist wenigstens ein Knaller drin, mit dem die «Republik» endlich mal wieder wahrgenommen wird? Niemand, keiner, nein.

Unerschrocken kündet das Magazin dann auch noch gleich vier Neuzugänge an. Auf journalistisch zentral wichtigen Positionen: «Backend-Entwicklerin, Frontend-Entwickler, HR» und immerhin ein neues «Mitglied der schreibenden Redaktion», also des Minderheitenprogramms.

Wieso befällt einen spontan Mitleid mit diesen Neueinsteigern? Vielleicht, weil sie wohl die nächsten fünf Jahre nicht an der gleichen Kostenstelle saugen werden?

 

 

 

Vincenz. Alles anders

Vincenz ist neuerdings für Ringier der Watschenmann. Das war schon mal anders.

Wenn Gieri Cavelty ein «Editorial» schreibt, lässt er selten die ganz grossen Fettnäpfe aus. Diesmal nimmt er sich einen jahrealten Lobestext eines Politikers auf Pierin Vincenz zur Brust: «Pirmin Bischof ist nicht der Einzige, auf den frühere Äusserungen bleischwer zurückfallen», schreibt er zur Hinrichtung von Vincenz im aktuellen SoBli.

Nix Neues, aber sauber in chronologische Reihenfolge gebracht.

Das erinnert an einen alten italienischen Polit-Thriller:

Knallt das Monster auf die Titelseite.

Nun zeichnet gerade den Boulevard-Journalismus aus, dass er über ein ausgesprochen schwaches Kurzzeitgedächtnis verfügt. Denn während sich die «Blick»-Familie über die angeblichen Untaten und das Spesenrittertum des gefallenen Raiffeisenstars gar nicht mehr einkriegt, war das vor nicht allzu langer Zeit noch ganz anders.

Das Gegen-Protokoll:

Lob und Hudel aus dem Jahre 2004.

2007 durfte Vincenz sogar den SoBli mitgestalten.

2009 punktete er «mit einem blendenden Jahresabschluss».

Auch 2011 durfte er ganz Mensch sein.

Noch 2012 konnte er «mit gutem Gewissen» in die USA reisen.

Hier war noch eitel Minne und Sonnenschein bei den Ehepaaren Vincenz und Marc Walder:

Natürlich sülzte auch die «Schweizer Illustrierte» kräftig mit, wo Vincenz regelmässsig zu den wichtigsten 100 Schweizern des Jahres gehörte:

«Von Erfolg zu Erfolg»,«mit sonnigem Lächeln», «im Herzen ein Bergler», der «wasserdichte Banker».

Vielleicht sollte Cavelty nicht so bleischwer mit Steinen auf andere werfen, angesichts dieser Strecke von Lobhudeleien aus der Vergangenheit des Hauses Ringier. Aber nirgends mehr als im Journalismus gilt natürlich: Was geht uns unser dummes Geschwätz von gestern an?

Wenn man allerdings schon ganze 9 Seiten darauf verbrät, Vincenz zwei Tage vor dem Prozess in die Pfanne zu hauen, nachdem auch der «Blick» monatelang die Recherchen von «Inside Paradeplatz» verschnarcht hatte, wäre eine klitzekleine Prise Selbstkritik vielleicht möglich gewesen. Als Bausteinchen zum Wiederaufbau von Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

Aber doch nicht bei Cavelty.