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Ukraine und kein Ende

Der Krieg, der (noch) keiner ist. Taktische Rückzüge wechseln sich in den Medien mit Offensiven ab.

Nichts Genaues weiss man nicht. Das ist so, und das ist auch nicht verwunderlich. Auch wenn die Kreml-Astrologen und die Biden-Durchschauer zu wissen vorgeben, was in deren Köpfen vorgeht und was für Absichten die beiden haben: stimmt nicht.

Die Ukraine ist (mal wieder) ins Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit geraten. Nun ist die Ukraine das grösste europäische Land, was seine geographische Ausbreitung betrifft. Dennoch wissen wir herzlich wenig über die 1991 unabhängig gewordene ehemalige Sowjetrepublik.

Da war mal was mit orangener Revolution, ein Steinzeitkommunist konnte sich nicht länger an der Macht halten, wurde ersetzt durch grosse Hoffnungsträger – die dann schnell verglühten. Höchstens, dass ein Komiker zum neuen Staatspräsidenten gewählt wurde, sorgte zwischenzeitlich für Schlagzeilen.

Natürlich auch die Annexion der Halbinsel Krim, die im sozialistischen Überschwang 1954 der Ukraine zugesprochen wurde, obwohl es dafür keinen historischen Grund gibt. Schon bei der Aufzählung aller Staaten, die an die Ukraine grenzen, würde wohl so mancher an seine eigenen Grenzen kommen.

Sicher, Russland, Belarus, das ist einfach, Polen auch. Vielleicht weiss man noch Rumänien. Aber Moldawien? Schon mal davon gehört? Und wenn ja, von Transnistrien? Eben, da gibt dann wohl jeder auf, der nicht intimer Kenner der Sachlage ist.

Grenzen, Staaten tun immer so, als seien sie für die Ewigkeit gebaut. Das stimmt natürlich nicht. Gewisse Ethnien oder Nationen, die bleiben meistens über die Jahrhunderte intakt. Ausser, sie werden mehr oder weniger vollständig ausgerottet, wie die Inkas oder Mayas oder Azteken, wie die Indianer in Nordamerika.

Dann gibt es gemischte Staaten, wobei eigentlich jedes Gebilde, das grösser ist als Liechtenstein, meist mehr als eine Ethnie beherbergt. So ist das auch in der Ukraine, wobei hier Ukrainer und Russen tonangebend sind.

Komplizierte Geschichte, komplizierte Gegenwart 

Die Ukrainer kolonialisierten und beherrschten, auf dem heutigen Territorium und auch weiter im Westen. Sie wurden beherrscht, unter anderem von den Polen und den Russen. Man kann also von einer wechselhaften Geschichte sprechen, bei der nicht all zu viel zum «nation building» beitrug, zur Ausbildung einer klaren nationalen Identität. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, was man heute als Ukraine bezeichnet.

Wozu dieser kleine Ausflug? Ganz einfach. Das sind alles Mosaiksteine, Puzzleteile, die man zusammensetzen könnte, wenn man das Verständnis für die Ukraine befördern möchte. Natürlich gehen die meisten Medien zu Recht davon aus, dass das die Mehrheit ihrer Leser nicht sonderlich interessiert.

Sondern mehr die Frage, ob es nun Krieg gibt oder nicht. Ob Putin seine Truppen zurückzieht oder nicht. Ob Vorwände für eine Invasion gesucht werden oder nicht. Ob es wieder einen nicht erklärten Krieg geben wird oder nicht. Ob wieder «grüne Männchen» ohne Rangabzeichen oder staatliche Insignien die Dreckarbeit erledigen werden. Nun besteht das Problem der Medien darin, dass man das alles so oder so sehen kann.

Wie viele Truppen, welche und aus welchen Gründen Russland an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen hat, auch darauf wäre die ehrlichste Antwort: wir können doch auch nicht in den Kopf des russischen Präsidenten oder seiner Berater schauen.

Mangels Substanz Wiedergekäutes

Also werden fleissig Satellitenaufnahmen veröffentlicht und interpretiert, so wie es den Redaktoren vom US-Militär eingeflösst wird. So werden gute, wohlmeinende, kriegerische und andere Ratschläge en masse und gratis verteilt.

Der Westen soll Härte zeigen. Der Westen soll auf Diplomatie setzen. Der Westen darf nicht hinnehmen. Der Westen sollte doch wegen der Ukraine keinen Atomkrieg riskieren. Der Westen garantiert die territoriale Integrität der Ukraine. Der Westen garantiert sie nicht, weil er das gar nicht kann.

Die Ukraine fühlt sich von Russland militärisch bedroht, Oder doch nicht. Polen auch. Die baltischen Staaten sowieso. Rumänien weniger. Von Moldawien hört man nix. Belarus ist sowieso auf der Seite Russlands.

Es ist eine Kakophonie der Unübersichtlichkeit. Analysen politischer Konfliktgebiete, wo zudem die Interessen der verbliebenen Supermächte tangiert sind, das war noch nie ein einfaches Geschäft. Aber warum hat man den zunehmenden Eindruck, zunehmend schlecht, einseitig, oberflächlich, repetitiv, holzschnittartig, parteiisch, anspruchslos informiert zu werden?

Könnte das daran liegen, dass in den zu Tode gesparten Redaktionen mit immer weniger Korrespondenten schlichtweg die Dossiersicherheit fehlt? Sich der beschreibende Redaktor auch erst einmal mit Google Maps und Wikipedia aufrüsten muss, damit er ungefähr weiss, worüber er nun schreiben soll?

Das könnte sehr wohl so sein, ist aber auch nur eine Vermutung.