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X für ein U?

Kann Rebranding funktionieren?

Twitter gibt es seit 2006. Im Jahr 2022 gab es nach nicht finalen Zahlen 368 Millionen Nutzer. 2023 sollen es nur noch 354 Millionen sein.

Das ist eher ein Zwerg im Ranking der grössten Social Networks. Platzhirsch ist immer noch Facebook mit rund 3 Milliarden monatlich aktiven Nutzern (MAUs), gemessen im Januar 2023. Danach kommt Googles YouTube mit 2,5 Milliarden MAUs, dann WhatsApp mit zwei Milliarden.

Allerdings hat Twitter eine gewisse Bedeutung in politischen Auseinandersetzungen, Kampagnen und Wahlen. Berühmt und berüchtigt wurde es durch Debatten über Beeinflussungsversuche von ausländischen Mächten und natürlich durch die Verwendung (und den Rausschmiss) von Donald Trump.

Twitter und Tweet, das ist in den allgemeinen Wortschatz übergegangen. dafür wurde ganz hübsch Werbekohle ausgegeben. Apropos Ausgaben, 2021 machte die Plattform bei einem Umsatz von 5 Milliarden US-Dollar einen Verlust von über 220 Millionen.

Dennoch hat Elon Musk 44 Milliarden Dollar für den Kurznachrichtendienst ausgegeben. Anschliessend sorgte er mit einer gelinde gesagt erratischen Personal- und Plattformpolitik für ein schweres Erdbeben. Zurzeit wird der Wert von Twitter auf nicht einmal mehr die Hälfte seiner Investition geschätzt.

Da passt es irgendwie, dass Musk nun entschieden hat, auf Logo, Name und Begriff zu verzichten. Die Plattform heisst nicht mehr Twitter, der blaue Vogel ist auch weg, und statt eines Tweets soll man nun ein «X» absetzen.

Dahinter stehe der Plan, sagt Musk, aus Twitter, Pardon, aus X die berühmte Plattform für alles zu machen, von der viele Nerds schon lange träumen und die wohl vom chinesischen «WeChat» am ehesten realisiert ist.

Das würde bedeuten, dass nicht einfach alter Wein in neue Schläuche gegossen würde. Sonst wäre das Unterfangen etwa so wahnsinnig, wie Markennamen und Flaschenform von Coca-Cola zu ändern, aber immer noch die gleiche braune Brause anzubieten.

Rebranding ist meistens dann angebracht, wenn der Name einer Firma oder eines Produkts dermassen verbrannt ist, also negativ besetzt, dass er in einem Neustart nicht mitgenommen werden kann. Es ist nicht mal so selten. Aus Facebook wurde Meta, aus Google Alphabet, wobei aber die Trademarks beibehalten wurden.

Weniger günstig lief es für Karstadtquelle, das in Arcandor umbenannt wurde und dann pleite ging. Andere neue Namen entstanden aus Fusionen, wie Novartis aus Ciba-Geigy und Sandoz. AWD wiederum, der skandalumwitterte Finanzberater von Carsten Maschmeyer, wurde zuerst von Swiss Life für teures Geld aufgekauft, um dann als Namen zu verschwinden; das Produkt heisst heute «Swiss Life Select».

Also ist eine Namensänderung nicht von vornherein der Vorbote einer Katastrophe oder der Befreiungsschlag, der in ganz neue Dimensionen der Profite führt. Allerdings stellt sich bei Twitter tatsächlich die Frage, ob dieser Name und das Logo dermassen verbrannt waren, dass sie durch einen neuen Auftritt ersetzt werden mussten.

Zum Zweiten ist «X» offensichtlich eine Marotte von Musk, ob sich der Buchstabe allerdings tatsächlich für einen Kurznachrichtendienst eignet, ist fraglich. Während twittern lautmalerisch ist und als Begriff in viele Sprachen übernommen wurde, wird sich «x» wohl kaum als Bezeichnung für das durchsetzen, was für (fast) alle bis heute immer noch twittern heisst.

Nun kann man einwenden: als Musk mit der Behauptung antrat, dass er das Autogeschäft revolutionieren werde und das erste massentaugliche und erschwingliche E-Auto bauen, wurde er auch schallend ausgelacht. Er tat nicht nur das, sondern machte seine Produktion von Zulieferketten und Fremdpatenten unabhängig, indem er alles selbst entwickeln liess. Anfänglich ein Riesenaufwand, der sich aber bezahlt machte.

Trotz allem Lärm (und der damit verbundenen Gratis-Werbung) um das X ist und bleibt Twitter bislang ein Nischenprodukt. Nur wenn es Musk gelingt, zu den grossen Playern aufzuschliessen, hat er eine Chance, seine Investition wieder herauszuholen. Dass er das kann, hat bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Dass er etwas sprunghaft ist, auch. Tesla läuft schon länger nicht mehr so rund wie am Anfang, während er aber mit SpaceX weiterhin gutes Geld verdient.

Also wird’s echt spannend mit X. Weder die Unken, die eine Bauchlandung prognostizieren, noch die Musk-Fans, die davon überzeugt sind, dass er es schon wuppen wird, haben bislang Recht bekommen.

Da ZACKBUM im Besitz der Glaskugel ist, mit der wir in die Zukunft schauen könne, wollen wir es hier weltexklusiv verraten. X wird … (oh, diese Prognose wurde uns soeben mit einer Superprovisorischen verboten). Nein, mehr dürfen wir nicht verraten, sonst schickt jemand eine Kampfdrohne mit Gesichtserkennungssoftware.

 

Wumms: Igor Kravarik

Das kann auch dem besten Karikaturisten passieren.

Was für Journalisten gilt, gilt auch für Karikaturisten. Manchmal hat man einfach keine Idee, und dann will man sie trotzdem ausdrücken. Dabei kommt dann so etwas heraus:

Man kann nicht einmal von einer Fälschung des Originals sprechen:

Diese «pintura negra» des alten und desillusionierten Malers Goya zeigt, wie Gott Saturn eines seiner Kinder verspeist. Nach der Mythologie soll ihm geweissagt worden sein, dass er dereinst von einem eigenen Kind gestürzt werde. Was dann Jupiter auch gelingt, der diesem Massaker entkam.

Was will uns nun der Karikaturist sagen? Dass Putin auch seine Kinder verspeist? Dass er, was sich am einzigen eigenen Beitrag, Putins Kopf, überdeutlich zeigt, als Zeichner Goya nicht das Wasser reichen kann? Dass Kravarik mit so begriffsstutzigen Lesern rechnet, dass er noch einen Leichenberg mit ukrainischer Flagge ins Bild mechen muss?

Nein, es ist wohl viel banaler: Kravarik hatte keine Idee, also drückte er sie aus.