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Das wüsste ich aber

«Blick» ist verwirrt.

Gut, das ist nichts wirklich Neues. Aber das Blatt mit dem Regenrohr im Titel überrascht ZACKBUM mit der Mitteilung:

«Liebe Abonnentin, lieber Abonnent
Dein Blick+-Abo ist seit gestern abgelaufen. Vielleicht hast du einfach noch nicht das richtige Angebot für dich entdeckt oder es gibt andere Gründe, warum du dich dagegen entschieden hast. Wir wollen uns dringend für dich verbessern.»

Das ist löblich, und ZACKBUM hätte tatsächlich ein paar dringliche Verbesserungsvorschläge.

  1. Man sollte wildfremde Menschen nicht duzen.
  2. Das Abo ist nicht gestern ausgelaufen.
  3. Es gibt tatsächlich jede Menge Gründe, wieso wir uns nicht für eine Umwandlung des Gratis-Abos in die Bezahllösung entschieden haben. Der wichtigste: das ist doch nicht Fr. 9.90 im Monat wert.

Hinzu kommt:

Das ist der wohl blödeste Werbeslogan, seit es den «Blick» gibt. Plussen ist der Dativ Plural von Plus. Auf Niederländisch bedeutet «plussen» hin und her überlegen. Rod Kommunikation hat für sicherlich unverschämt viel Geld ein richtig faules Werbeei gelegt:

Wer hat Lust auf etwas Werbergequatsche? Ist unsinnig, aber unterhaltsam:

«Ausgangslage: Blick erweitert das Angebot um Blick+ …Aufgabe: Blick+ mit einer grossen Lancierungskampagne als das Medium für exklusive Inhalte bekannt machen. Lösung: Wir bringen Blick+ nicht nur in die Köpfe der Menschen, sondern machen es gleichzeitig zu einem festen Bestandteil ihres Vokabulars. Und zwar, indem wir aus dem «+» ganz einfach ein Verb machen

Ganz einfach. Oder gänzlich einfältig. Oder einfach ganz blöd. Aber Rod hat sich sicherlich gedacht: wer sich so eine Plakatkampagne aufs Auge drücken lässt, dem kann man alles verkaufen:

Wird hier geplusst? Ich plus mir die Kabine? Oder ich blicke auf ein paar Kufen? ZACKBUM findet: plussen oder plustern, was ist der Unterschied zu minussen? Zehn Prozent Minus bei den Lesern. Wo ist da das Plus?

«Blick» im Tal der Beliebigkeit

Wie macht man Boulevard ohne Boulevard?

10 Prozent. Minus. Die Auflage von «Blick» und «Sonntagsblick». Der «Blick» verkauft noch etwas mehr als 80’000 Exemplare. Bei Zahlen gibt es in der «Blick»-Familie nur zwei Varianten. Sie zeigen nach unten – oder bleiben geheim.

Einschaltquote bei «Blick TV»? Sendepause. Erfolg der Bezahlschranke «Blick+»? Geheim. Ein Bild sagt da mehr übers Elend als viele Worte:

Dafür soll im Ernst jemand zahlen? Wenn das «Das Beste» ist, man wagt sich nicht vorzustellen, was dann das Schlechteste von «Blick+» wäre.

Verunglücktes, aber schweineteures Redesign des Logos – eine Übung, die man immer macht, wenn einem nix einfällt; siehe Post, siehe Sunrise.

Ein erfolgreicher Oberchefredaktor: mit nebulöser Begründung in die Zwangsferien geschickt, dann ganz abgesägt. Als Nachfolge ein Duo mit Quotenfrau, die sicher etwas von Sport versteht. Der Chefredaktor des SoBli wirft das Handtuch und wird durch einen Mikrophonständer ersetzt.

Aber das alles könnte man noch zur Not als Begleiterscheinungen einer allgemeinen Medienmisere schönreden. Aber dann hätten wir noch den Inhalt, moderndeutsch Content. Die Marke «Blick» hat Jahrzehnte daran gearbeitet, für Boulevard zu stehen. Für grosse Buchstaben, bunte Bilder, Sex, Crime und Kampagnen. Für Aufreger, für Volkes Stimme, für die Artikulierung all dessen, wozu der Arbeiter, der Angestellte sagt: so ist es, endlich sagt’s mal einer.

«Blick» stand für: wir zeigen’s denen da oben. Wir sagen es einfach und klar. Wir halten im Zweifelsfall den feuchten Finger in den Wind und richten uns danach, was Volkes Stimme so murmelt, um das als Lautsprecher weiterzutransportieren.

Natürlich hatte der «Blick» schon früher, nach den gloriosen Zeiten von Peter Übersax, kleinere Schwächeanfälle. Unvergessen die Einrichtung eines «Feuilletons» für den lesenden Lastwagenfahrer. Dann gab es den Flop «Blick Basel», aber seit der Einfluss des Hausgespensts Frank A. Meyer schwindet, sind solche Merkwürdigkeiten nicht mehr vorgekommen. Der Leser muss nur noch seine wöchentliche Kolumne überblättern.

Viel gravierender ist, dass dem «Blick» der Markenkern zerstört worden ist. Die oberste Verantwortliche mit extrabreiter Visitenkarte, Ladina «Resilienz» Heimgartner, hat es in einem Interview gnadenlos auf den Punkt gebracht:

«Wir nennen es nicht mehr Boulevard. Wir verstehen uns als Newsplattform, die schnell ist und auch komplexe Themen sehr einfach erklären und erläutern kann. Dabei stellen wir immer den Menschen ins Zentrum – das macht uns aus, dafür stehen wir.»

Dazu gebe es hinter der Bezahlschranke viel Service und Ratgeber – obwohl das Internet vor Gratis-Ratgebern geradezu platzt.

Man kann versuchen, aus Twitter X zu machen. Das geht, wenn der Markenkern von Twitter erhalten bleibt. Man kann einen Namen ändern, wenn er verbrannt ist. Aber ein Geschäftsmodell, eine USP, einen Markenkern, durchaus auch ein Erfolgsmodell ohne Not ändern – das ist fatal.

Das verunsichert den Leser und den Inserenten. Ständige Wechsel in der Führungsetage – ohne Erklärungen – verunsichert die Redaktion. Als Leser statt verstanden belehrt werden, statt kritisch die Mächtigen begleiten eine Standleitung zur Regierung haben, statt die Vorteile des Boulevard auszuspielen, kastrierte woke Storys abliefern: das ist alles das Gegenteil von richtig.

Dazu kommt noch Intransparenz. Die Ergebnisse der gross angekündigten Untersuchung gegen den scheibchenweise gekillten Oberchefredaktor Christian Dorer: bleiben geheim. Wie die «Blick»-Familie mit diesem Personal und dieser obersten Verantwortlichen aus der Abwärtsspirale herausfinden will: geheim. Wie der «Blick» weiterhin erfühlen will, was in der Bevölkerung so vorgeht, nachdem fast alle lokalen Korrespondenten und altgedienten Boulevard-Journalisten entsorgt und durch Kindersoldaten im Newsroom ersetzt wurden: unbekannt.

Wie ein Ein-Man-Investigativteam mit einem Journalisten, der über seine eigenen Füsse stolpert, Skandale aufdecken und Aufreger produzieren will: nicht nachvollziehbar. Weinwissen und Tipps für Hobbygärtner, keine Sex-Beratung mehr, inzwischen berichtet selbst der Tagi boulevardesker als der «Blick»: das ist Desaster mit Ansage. Weiblich, grün und lieb – statt männlich, kantig und böse: den «Blick» so zu enteiern, das macht ihn zum Eunuchen. Zum Zombie. Zum komatösen Patienten auf der Intensivstation. Bis dann jemand die Geräte abschaltet.