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Gegenwahrheiten, Teil 2

Mit der Androhung von Haftstrafen wird die Berichterstattung über den ukrainischen Terrorismus im Donbass zensiert.

Von Felix Abt

Hier geht es zu Teil eins.

Alina Lipps zog 2021, ein Jahr vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, aus reiner Neugierde nach Donezk, um dort eine Zeit lang zu leben und selbst herauszufinden, was im Donbass tatsächlich passiert. Zu diesem Zeitpunkt war die freie Journalistin aus Deutschland noch vergleichsweise unbekannt. Deutschland wollte sie dafür mit drei Jahren Gefängnis bestrafen, obwohl Berlin lautstark verkündet, die Demokratie und damit die Meinungsfreiheit in der Ukraine zu verteidigen (nota bene mit schweren deutschen Waffen, einschließlich Panzern, die wieder gegen Russland rollen)! Hier ist der erste Teil ihres neuen Dokumentarfilms über ihre Zeit im Donbass. Schauen Sie es sich an und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung darüber.

Von respektierten und geschundenen Minderheiten

Wenn es um die Rechte einer Minderheit wie LGBTQ geht, fordern die Megaphone des Wertewestens lautstark Unterstützung. Wenn es aber um die Minderheiten in der Ukraine geht, sind sie still wie die Lämmer. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto beklagte auf seiner Facebook-Seite, dass die Minderheitenrechte, einschließlich der Sprachrechte, der mehr als 150.000 ethnisch ungarischen Ukrainer durch das Kiewer Regime stark beschnitten wurden. So soll beispielsweise ungarisch sprechenden Kindern das Recht auf Unterricht in ihrer Sprache vorenthalten worden sein. Anders als im Fall der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang, wo eine internationale Protestwelle gegen einen ähnlichen kulturellen Genozid ausbrach (obwohl uigurische Kinder sowohl in Uigurisch als auch in Mandarin unterrichtet werden), hat es hier natürlich keinen Aufschrei gegeben.

Darüber hinaus wurden mindestens 19 Millionen russischsprachige Bücher aus dem Verkehr gezogen, wodurch der russischsprachigen Minderheit der Zugang zu Literatur in ihrer Muttersprache verwehrt wurde. Der NBC-Korrespondent Richard Engel wurde Zeuge der Verbrennung russischsprachiger Bücher an einem Kontrollpunkt in Kiew, darunter beispielsweise des kriegswichtigen Buches «Feuerbeständigkeit von Strukturen».

Die Partei, die bei den Präsidentschaftswahlen an erster Stelle hinter Selensky lag, wurde von diesem zusammen mit anderen Oppositionsparteien, die hauptsächlich russischsprachige Ukrainer vertreten, verboten. Kritische Medien, insbesondere solche, die Minderheiten nahestehen, wurden ebenfalls verboten oder an die staatliche Leine gelegt. Etlichen russischsprachigen Ukrainern, darunter einem demokratisch gewählten ehemaligen Präsidenten, wurde die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen und anderen wurde ihr Eigentum weggenommen. Die Liste ist nicht erschöpfend, da das Kiewer Regime dabei ist, so viel «russischen Einfluss» wie möglich zu eliminieren. Es scheint den Wunsch seines Nationalhelden, des in Deutschland begrabenen Nazi Stepan Bandera, nach einer «reinen» Ukraine erfüllen zu wollen.

Hat sich Russland zum Einmarsch in die Ukraine provoziert gefühlt?

Die Behauptung der NATO, «Russland will Europa erobern», ist unsinnig. Russland will Artikel 5 (Beistandsklausel im Falle eines Angriffs) des NATO-Vertrages eben NICHT auslösen: Erstens ist es die Ukraine eingedrungen, bevor die Ukraine offiziell der NATO beitreten konnte, um die Donbass-Frage militärisch zu lösen – wo die mehrheitlich russischsprachigen Ukrainer leben, die vom russophoben Kiewer Regime bedroht sind. Der Westen und Kiew waren zuvor nicht zu einer diplomatischen Lösung bereit gewesen; während Russland von westlichen Politikern und Medien beschuldigt wurde, die Minsker Vereinbarungen zur Lösung des Konflikts im Donbass nicht einhalten zu wollen, ist es eine Tatsache, dass diese Vereinbarungen nach Ansicht der Hauptakteure Angela Merkel, François Hollande, Petro Poroshenko und Wolodymyr Selenskykj überhaupt nicht eingehalten werden sollten, sondern nur den Zweck hatten, Zeit zu gewinnen, damit die ukrainische Armee von der NATO aufgerüstet und auf einen Krieg mit Russland vorbereitet werden konnte. Und zweitens kann man eben aufgrund des NATO-Artikels 5 davon ausgehen, dass Russland wohl kaum absichtlich in ein NATO-Land einmarschieren will und wird.

Um die Frage zu beantworten, ob sich Russland zum Einmarsch provoziert gefühlt hat, muss man sich die Situation vor der eigentlichen Invasion vor die Augen halten, die sich wie folgt darstellte: Der von Kiew auf unmenschliche Weise – mit Flugzeugen, Artillerie und Panzern – geführte Bürgerkrieg gegen die russischsprachige Zivilbevölkerung in der Ostukraine hatte bis Mitte Februar 2022 zu mehr als 13.000 Toten, rund einer Million zur Flucht gezwungenen Menschen und unzähligen zerstörten Städten und Dörfern geführt. Von einer einer mit modernsten Waffen der USA ausgerüsteten Ukraine war keinerlei Zugeständnis in den Autonomiebestrebungen des Donbas zu erwarten; stattdessen gab es in Richtung Russlands die Drohung Selenskyjs, sich Atomwaffen zuzulegen. Auch die Weigerung des Westens, über legitime Sicherheitsgarantien für Russland und die russischsprachige Minderheit in der Ukraine zu verhandeln, spielte eine Rolle in Russlands Kalkül.

Und trotz des Völkermords – Stichwort «Genozid”» –, der durch den jahrelangen Beschuss und die Bombardierung der russischsprachigen Zivilbevölkerung in Donezk und Luhansk durch die ukrainische Armee, irreguläre Freiwilligeneinheiten und den «Faschisten, welche das Land überrannt haben”» Jerusalem Post»),verursacht wurde, hat der (vom Westen dominierte) UN-Sicherheitsrat nicht eingegriffen – obwohl er dies gemäß dem folgenden Absatz 6 des Völkerstrafgesetzbuchs hätte tun müssen:

«Wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören, ein Mitglied der Gruppe tötet, einem Mitglied der Gruppe schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt, die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen … wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.»

In seinem lesenswerten Buch «Ausnahmezustand – Geopolitische Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konflikts» erklärt der Jurist Wolfgang Bittner, dass sich umgekehrt Russland für die russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine durchaus auf seine Schutzverantwortung («Responsibility to Protect», R2P) berufen kann – eine allgemein anerkannte völkerrechtliche Forderung zur Verhinderung schwerer Menschenrechtsverletzungen. R2P ist jedoch eine problematische Doktrin, die ursprünglich von den Vereinigten Staaten und der NATO in das Völkerrecht eingeführt wurde – vor allem, um den Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu rechtfertigen.

Fortsetzung folgt.

m/w/d, !*, erIn, -er und -innen, :in

Warum treibt einen das Gendern die Wände hoch?

Von Adrian Vernetz

Zum Aufwärmen einige aktuelle Beispiele aus Stelleninseraten: Mitarbeiter/in Controlling, Fachfrau*mann Gesundheit, Koch/Köchin, Fachspezialist Kreditprüfung (w/m/d), System-Adminstrator:in, Medizinische*r Masseur*In, Senior Manager (All Genders).

Das Wirrwarr zeigt vor allem eines auf: Ratlosigkeit. Wie lautet heute eine «korrekte» Berufsbezeichnung? Eine, die in unserer kunterbunten Welt niemanden ausschliesst? Firmen und HR-Abteilungen tun sich sichtlich schwer damit. Sogar der kleine Schreinerbetrieb im Dorf nimmt den Genderstern oder den Doppelpunkt ins Repertoire auf. Sicher ist sicher – man möchte ja niemanden vergraulen.

Schwer damit tun sich auch jene, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Zwei Syrer, mit denen ich mich regelmässig treffe, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, fragten mich kürzlich, welche Version korrekt ist. Sie mussten sich mit meiner Antwort begnügen, dass dies eigentlich niemand wisse. Ich riet ihnen, bei der Stellensuche und bei Bewerbungen die Sterne, Doppelpunkte und Schrägstriche einfach zu ignorieren.

Unlängst ärgerte sich auf Twitter wieder mal jemand über den Genderstern. Worauf diesem Herrn dann vorgehalten wurde, es sei doch ein Armutszeugnis, wenn sich jemand über so Nebensächlichkeiten wie einem Sternchen aufrege, während anderorts ein Krieg tobe. Die klassische Argumentationslinie halt, die immer vorgebracht werden kann, wenn eine Kritik nicht gleich in einer weltbewegenden Globalanalyse mündet.

«Warum regen sich die Leute dermassen darüber auf?», lautete eine Frage an den Genderstern-Kritiker. Und diese Frage stelle ich mir auch: Warum gehe ich die Wände hoch, wenn ich ein von Gendersternen oder Doppelpunkten gespicktes Mail erhalte? Was ist denn so schlimm daran, ein Sternchen zu setzen? Oder, wie es vor einigen Wochen eine non-binäre Person namens Henrik Amalia von Dewitz in einem Blogbeitrag auf «Zentralplus» formulierte: «Wenn ich Ihnen mitteile, dass ein Begriff mich persönlich verletzt, warum ist Ihr Sprachgebrauch wichtiger?» Konkret: Bezeichnet jemand Henrik Amalia als Lehrer oder Lehrerin, verletzt ihn (oder sie) das, weil er (oder sie) weder Frau noch Mann ist. Unversehrt bleibt die non-binäre Person nur, wenn ihr non-binäres Wesen auch wohlgebettet in der Sprache liegt.

Doch genau die Frage von Henrik Amalia bringt das Problem auf den Punkt. Ein Problem, dessen Ursache nicht in der Frage liegt, ob man das Sternchen benutzen soll oder nicht, denn dies wäre in der Tat ein lächerliches, völlig belangloses Problem. Mir zumindest geht es so. Mich bringen nicht die Gendersterne und Doppelpunkte zur Weissglut, sondern die Haltung jener Grüppchen, welche die Verwendung dieser Symbole fordern. Es sind Mini-Mini-Grüppchen, welche die ganze Gesellschaft umerziehen wollen, und es sind – auch wenn es vordergründig anders erscheinen mag – sehr autoritäre, intolerante und egozentrische Mini-Grüppchen. Und genau deshalb reagiere ich allergisch auf den Genderstern: Weil hier eine winzige Minderheit verdammt viel Krach und Terror macht.

Klar, was man mir nun vorhalten wird: Ich verbreite Hass gegen non-binäre Menschen. Und die Tatsache, dass ich Gendersterne und Doppelpunkte nicht mag, zeigt nur, dass ich meine Abneigung gegen LGBTQ-Menschen erst noch überwinden muss. Aber das ist Unsinn. Beispiel: Ich bin Linkshänder. In der Primarschule wollte man mich noch umpolen – erfolglos. Ich verbringe mindestens einen Drittel meines Lebens vor Computern. Wie oft habe ich mir schon gewünscht, es gäbe auch für Linkshänder eine so reichhaltige Auswahl an wohlgeformten Computermäusen. Gibt es aber nicht. Nicht nur bei Mäusen. Jeder Linkshänder kann bestätigen: Wir leben in einer Welt für Rechtshänder.

Indessen: Schliesse ich daraus nun, dass ich diskriminiert werde? Dass alle Rechtshänder mich verachten? Dass Linkshänder – obwohl eine klare Minderheit – einen Anspruch darauf haben, keinerlei Benachteiligungen erleiden zu müssen? Nein. Ich sehe ein, dass ich in der Minderheit bin und dass die Gesellschaft sich nicht um jedes Problem von Minderheiten kümmern kann. Ich mache das, was ich auch den Sprachinquisitoren ans Herz lege: kein Theater.

Und deshalb, liebe non-binäre Menschen, liebe Queer-Community: Ich habe nichts gegen euch. Das schwöre ich bei allem, was mir lieb und teuer ist. Lebt euer Leben so, wie ihr es für richtig haltet. Fühlt euch wohl in eurer Haut. Das ist mein ehrlicher Wunsch an euch. Genauso ehrlich ist aber dieser Wunsch: Hört bitte auf, die Gesellschaft in Geiselhaft zu nehmen, nur weil nicht alles nach eurem Gusto läuft. Ihr müsst euch oft blöde Sprüche anhören? Werdet angefeindet? Deal with it. So ist das Leben. Jeder Mensch trägt seine Bürden. Fangt nicht an zu heulen. Wehrt euch, wenn euch wirklich Unrecht geschieht, aber reibt eurem Umfeld nicht ständig unter die Nase, wie gross euer Weltschmerz ist.

Jene, die am lautesten schreien, sind erfahrungsgemäss noch ziemlich jung. Und gerade diese Generation wird – wie schon die Generationen vor ihr – noch eine der wichtigsten Lektionen im Leben lernen müssen: dass die Welt sich nicht nur um sie dreht.