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Jolanda Spiess-Hegglin: Sie klagt mal wieder

Dieser Artikel ist zuerst auf «Die Ostschweiz» erschienen. Nach haltlosen Behauptungen von RA Zulauf wurde er dort gelöscht – aus Angst vor «Androhung einer Klage». ZACKBUM ist gespannt …

«Im Oktober habe ich sie gebeten, zu einem Fragenkatalog Stellung zu nehmen.» Das ist ein Satz in Michèle Binswangers Buch über die Zuger Landammannfeier, bei der es zu einer intimen Begegnung zwischen zwei Politikern kam.

Der Laie könnte nun meinen, dass an diesem Satz nicht viel zu rütteln ist, vorausgesetzt, die in ihm enthaltene Tatsachenbehauptung ist richtig. Da täuscht sich aber der Laie. Denn dieser Satz muss laut der Anwältin von Jolanda Spiess-Hegglin (JSH) verboten werden.

Zusammen mit weiteren 195 Buchpassagen. Das fordert Anwältin Rena Zulauf in einer 88 Seiten umfassenden Klageschrift, plus Anhang von 34 Seiten. Plus jede Menge Beilagen.

Die Sache mit der Intimsphäre

Das Buch umfasst 219 Seiten und erschien nach einem jahrelangen Rechtsstreit, mit dem Spiess-Hegglin versuchte, juristisches Neuland zu betreten und ein ganzes Manuskript, dessen Inhalt ihr nicht bekannt war, präventiv zu verbieten. Das prozessierte JSH bis ans Bundesgericht hoch, erhob dort sogar noch Einsprache gegen das Bundesgerichtsurteil, dass das Buch selbstverständlich publiziert werden dürfe.

Als ob das nicht schräg genug wäre, ist nach dieser Kaskade von krachenden Niederlagen nun noch eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Schweiz in dieser Sache hängig.

Nun könnte man meinen, dass eine Person, die seit fast zehn Jahren behauptet, ihr wichtigstes Anliegen sei, dass ihre Intimsphäre aus der Öffentlichkeit verschwindet, es dann mal gut sein lässt.

Aber offensichtlich ist diese Intimsphäre nach Ansicht von JSH ungefähr drei Meter breit, fünf Meter lang und drei Kilometer hoch.

Dass den Juristen, die angesichts der Klagefreudigkeit von JSH das Buchmanuskript von «Die Zuger Landammann-Affäre. Eine Recherche» sorgfältig studierten, tatsächlich 196 Passagen, also faktisch auf jeder Seite eine, entgangen sein sollten, die Beanstandenswertes enthalten, ist abwegig.

20’000 Franken «Genugtuung»

Durch viele Niederlagen in dieser Sache unbelehrt, behauptet Zulauf nichts weniger, als dass die Persönlichkeitsrechte ihrer Mandantin 196-mal verletzt worden seien, also sozusagen zerfetzt. Zudem fordert sie den Gewinn aus dem Buchverkauf, samt fünf Prozent Zinsen. Zur genaueren Beurteilung soll die Buchautorin ihre Steuererklärung offenlegen. Zudem seien 20’000 Franken «Genugtuung» fällig, natürlich soll die Autorin die Verfahrenskosten und eine Entschädigung für die Bemühungen der Anwältin übernehmen.

Das würde sich läppern. In Anwaltskreisen geht man davon aus, dass die Erstellung einer Seite Klageschrift mit allem Drum und Dran mindestens eine Stunde in Anspruch nimmt. Bei einem gehobenen Stundenansatz von Fr. 600.- (konservativ geschätzt) wären wir bei 88 Seiten schon mal bei über 50’000 Franken.

Wie es so ihre Art ist, mäandert sich Zulauf mit nicht sachdienlichen rhetorischen Verirrungen durch die Seiten: «Die Aggressorin, die Beklagte, lässt jegliche Selbstreflexion missen.» Das könnte sich Zulauf an den Spiegel heften. Toll ist auch: «Die Beklagte nutzt Allgemeinplätze und abstrakte Einordnungen, die dazu dienen, die Klägerin in einem ungünstigen und herabsetzenden Licht darzustellen.» Genau das hat sich Zulauf vorgenommen. Den Höhepunkt an Nonsens erreicht die Anwältin aber hier: «Abermals wird auf Sokrates verwiesen: Wir wissen, dass wir nichts wissen.»

Schrotschussverfahren

Es ist nun tatsächlich die Frage, ob es reine Fürsorgepflicht nicht geböte, JSH von einer solchen Geldverschwendung abzuhalten. Denn es ist mehr als offensichtlich, dass hier einfach per Schrotschussverfahren losgeballert wird, in der Hoffnung, dass vielleicht eine oder zwei Schrotkörner treffen, was dann als grosser Sieg verkauft werden könnte.

Was ist dann das Motiv von JSH? Motivforschung ist in solchen Fällen sehr schwierig. Dass sich jemand, der eigentlich in Ruhe gelassen werden will, dermassen penetrant in die Öffentlichkeit drängt, ist widersprüchlich. Offensichtlich will JSH die Deutungshoheit über die Ereignisse an dieser Feier zurückgewinnen. Nur, was ihr akzeptabel erscheint, soll darüber veröffentlicht werden können.

Erschwerend kommt hinzu, dass JSH bislang gegen Ringier nur erreicht hat, dass die Ringier-Organe ihre Persönlichkeitsrechte verletzt haben. Es bleibt nur noch die Forderung nach Gewinnherausgabe gegenüber Ringier, wobei hier die Vorstellung von Millionenprofiten von JSH und ihrem Irrwisch-Berater Hansi Voigt ins Reich der Fantasie gehören.

Viele Mitkämpfer, darunter sogar mehrere Vereinspräsidentinnen, haben sich von ihr abgewandt. Die Veröffentlichung interner Mails hat gezeigt, dass die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet selbst eine üble Kampagne gegen die ihr unliebsame Journalistin und Buchautorin befeuerte: Das Ziel müsse sein, dass sie auswandere, verkündete JSH die Marschrichtung.

In welchem Zustand sich die Vereinsfinanzen befinden, wie korrekt JSH die Einnahmen aus ihren diversen Spendenaufrufen verbucht hat, wer eigentlich die horrenden Gerichtskosten in eigener Sache zahlt, das alles sind offene Fragen. Zudem wurde ein Mitarbeiter auf die ruppige Art entlassen, Dienstleistungen wurden eingestellt. Überhaupt sind JSH und «Netzcourage» weitgehend aus der öffentlichen Debatte verschwunden.

Opfer journalistischer Nachstellungen

Das muss nun also ein verzweifelter Versuch sein, viele Schneebälle von Anschuldigungen zu werfen, in der Hoffnung, dass sich daraus eine Lawine entwickelt. Was passieren wird, ist ein weiterer, recht sinnloser juristischer Schlagabtausch, mit dem absehbaren Resultat: ausser Spesen nichts gewesen.

JSH sieht sich als ewiges Opfer journalistischer Nachstellungen. Diesen Opferstatus will sie dafür missbrauchen, dass über sie nur so geschrieben werden darf, wie es ihrer Selbstwahrnehmung entspricht. Das ist verstörend, und für das Opfer ihrer masslosen juristischen Attacke bedeutet das weitere Geld- und Zeitverschwendung.

Sterben in den USA

Ein Doppelschlag von NZZaS und SoZ über die sinkende Lebenserwartung.

Die USA wollen Vorbild sein. Freiheit und Demokratie überall in die Welt bringen. Wenn die Ukraine dafür kämpft, sind sie zuvorderst dabei.

So das wohlgeölte Propagandabild. Die Realität ist eine andere. Zufällig haben sich sowohl die NZZaS wie auch die SoZ dem Thema «Geraubte Leben» in den USA angenommen. Die NZZaS etwas grundsätzlicher und umfangreicher. Erschreckende Bilanz: «Die Lebenserwartung in den USA fällt fast auf das Niveau von Kuba».

Ein gutes Stichwort. Schon 2007 kritisierte der US-Regisseur Michael Moore in seinem halb-dokumentarischen Film «Sicko» das marode US-Gesundheitssystem, in dem 16 Prozent der Bevölkerung nicht einmal eine Krankenversicherungen haben und weitere Millionen nur eine ungenügende, die ihnen Behandlungen verweigert oder happige Zuzahlungen verlangt. Als Kontrast dazu reiste Moore nach Kuba, an Bord hatte er erkrankte Freiwillige, denen in den USA eine Behandlung verweigert wurde. In Kuba wurden sie kostenlos verarztet.

Natürlich war das propagandistisch überspitzt. Aber in den USA sind Tod und Lebenserwartung extrem klassenspezifisch. Menschen mit Migrationshintergrund, die in ärmlichen Vierteln leben, tun das entschieden weniger lang als reiche Hellhäutige.

«Dabei haben Experten diese Flut des Todes schon lange kommen sehen. Aron und Woolf waren 2013 an der gross angelegten Vergleichsstudie «Shorter Lives, Poorer Health» beteiligt, die fundamentale Faktoren hinter dem Rückschritt Amerikas gegenüber anderen Staaten bei der Lebenserwartung identifiziert hat. Doch die Gesundheits-Bürokratie unter Präsident Barack Obama liess die Studie in der Schublade verschwinden.
Seither sinkt die Lebenserwartung immer schneller, aber die Politik schaut zu.»

Ein weiteres Versagen des Friedensnobelpreisträgers Obama, der trotz seinen vielen Vorschusslorbeeren wohl der überschätzteste US-Präsidenten der letzten 20 Jahre ist.

Weitere Faktoren sind der überhandnehmende Schusswaffengebrauch, Suizide und schwer im Kommen: Drogen.

Dabei wurden Klassiker wie Kokain, Heroin oder Crack durch synthetische Drogen abgelöst. Besonders heimtückisch ist Fentanyl. Eigentlich als Schmerzmittel entwickelt, gehört es zur Familie der Opioiden. Seit Anfang der 80er-Jahre trat es seinen Siegeszug in den USA als billige Droge an. Es wird vor allem in China hergestellt; heutzutage liefert China die Rohstoffe nach Mexiko, wo Fentanyl dann gebraut wird und in die USA geschmuggelt.

Das Teuflische an der Droge ist, dass sie unvergleichlich stärker ist als die klassischen Opiate. Bereits 2 Milligramm stellen für die meisten Menschen eine tödliche Dosis dar. Auf dem Schwarzmarkt sind solche Gewichtsabmessungen illusorisch, zudem wird natürlich auch Fentanyl gestreckt, also weiss der Konsument nie, in welcher Reinheit er den Stoff bekommt. Kein Wunder, dass Fentanyl auch Bestandteil des Cocktails ist, mit dem in den USA die Todesstrafe per Spritze vollzogen wird.

Schon 2019 veröffentlichte der US-Investigativjournalist Ben Westhoff sein Buch «Fentanyl. Neue Drogenkartelle und die tödliche Welle der Opioidkrise», in dem er minutiös den Weg der neuen Drogen von der Herstellung bis zum Konsumenten nachzeichnete. Es fand kaum Resonanz.

In der SoZ interviewt Michèle Binswanger den US-Journalisten Barry Meier. Der hatte bereits 2003 ein Buch darüber veröffentlicht, wie eine kleine Pharmafirma namens Purdue ein Schmerzmittel auf den Markt pushte. Es versprach, den Menschen Schmerzen zu nehmen, wobei die Gefahr der Entwicklung einer Sucht oder Abhängigkeit bei unter einem Prozent liege. Das Buch hatte kaum Resonanz.

Das Mittel heisst Oxycontin, es kostet hunderttausenden von Menschen in den USA das Leben, hat eine Spur der Zerstörung in Familien und ganzen Gemeinden hinterlassen. In einer geradezu brutalen Serie hat Netflix diesen Skandal nachgezeichnet. In «Painkiller» beginnt jede Folge mit der Schilderung von gebrochenen Menschen, die einen nahen Angehörigen wegen Oxycontin verloren haben. Ihre Geschichte sei echt, nachfolgend sei aus dramaturgischen Gründen Realität und Fiktion gemischt worden.

Es ist die Story, wie eine gnadenlos süchtig machende Droge über Jahrzehnte legal als Arzneimittel verkauft werden konnte. Wie kam Purdue damit durch? Meier:

«Mit schmutzigen Tricks brachten sie die Zulassungsbehörde, Ärzte und Apotheker dazu, das Suchtpotenzial ebenfalls herunterzuspielen. Daraus wurde dann eine grössere Story zum Thema, wie wir mit Schmerz umgehen, wie wir Schmerz behandeln, wie die Pharmaindustrie operiert und die Lügen, die sie erzählt, um ihre Produkte zu verkaufen. … Sie bestachen Politiker, bezahlten Lobbyisten wie der ehemalige Bürgermeister von New York und Trump-Unterstützer Rudy Giuliani, Ärzte und Apotheker.»

Ein typischer US-Skandal besteht darin, dass die Familie Sackler zwar nach vielen Jahren dazu gezwungen wurde, die Firma Purdue in Konkurs gehen zu lassen und eine vergleichsweise lächerliche Entschädigung von 2,5 Milliarden Dollar zu zahlen. Ihr Privatvermögen wird heute immer noch auf 11 Milliarden US-Dollar geschätzt.

In der Netflix-Doku werden Sacklers als Bande von psychopathischen Monstern gezeichnet, die skrupellos nur am Geldverdienen interessiert sind und alles dafür taten, um möglichst lange Profit mit dem Elend von Millionen machen zu können. Das Management wurde zwar angeklagt, aber kein einziger Sackler; niemand musste auch nur einen Tag in den Knast für all diese Untaten. Wie ist das möglich, wer ist dafür verantwortlich?

«Das Justizdepartement, ganz klar. Anstatt Purdues Führungscrew persönlich zur Verantwortung zu ziehen, setzten sie die lokalen Ermittler unter Druck, die Anklagen fallen zu lassen. Die kamen mit einer harmlosen Rüge davon.
Das hat in den USA Tradition. Wirtschaftskriminelle werden bei uns selten belangt. Auch hier gelang es den Anwälten grosser Anwaltsfirmen, sich beim Justizdepartement einzuschmeicheln. Da sitzen dann Kollegen zusammen, und der eine überzeugt den anderen, warum eine Anklage total unfair wäre und dass man die Sache doch lieber mit einem harmlosen Verweis erledigen solle.»

Zufall oder Absicht, mit solchen (seltenen) Lichtblicken versöhnt die Sonntagspresse. Gelegentlich. Selten. Sehr selten.

 

 

 

Massiver Druckversuch

«Bösgläubig und haftbar». Man ist fassungslos.

Die Anwältin von Jolanda Spiess-Hegglin tut alles, um das Buch «Die Zuger Landammann-Affäre» zu verhindern. Dabei greift sie sogar zu Abmahnungen.

«Durch dieses und das vorangehende Schreiben ist» der Empfänger «nunmehr darüber informiert, dass das Buch zahlreiche persönlichkeitsverletzende Aussagen beinhaltet, weshalb» der Empfänger «im Falle der Distribution … nunmehr bösgläubig wäre und deshalb auch finanziell haftbar gemacht werden könnte (Schadenersatz, Gewinnherausgabe, Genugtuung)».

Solche Schreiben versandte Anwältin Rena Zulauf als verzweifelten Versuch, die Publikation und den Verkauf des Sachbuchs von Michèle Binswanger doch noch zu verhindern. Zuvor war Zulauf vor Bundesgericht damit gescheitert. Wogegen sie nochmals rekurrierte – bei ebendiesem Bundesgericht – und nochmals scheiterte.

Um ihre Behauptungen zu untermauern, führt Zulauf an, «dass tatsächlich drei Gerichtsverfahren gegen die Autorin an verschiedenen Zivil- und Strafgerichten sowie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hängig sind». Zudem seien «weitere Klagen in Vorbereitung». Das ist absurd. Am Europäischen Gerichtshof klagt Zulauf nicht gegen Binswanger, sondern gegen die Schweiz – weil sie sich mit der Klatsche des Bundesgerichts nicht abfinden will.

Die «verschiedenen Gerichtsverfahren» beziehen sich nicht auf das Buch, sondern auf eine Äusserung von Binswanger ausserhalb des Buchs und auf eine Klage auf Gewinnherausgabe, die auch nichts mit dem Buch zu tun hat. Schliesslich fabuliert Zulauf noch, «dass zahlreiche Passagen im Buch von Michèle Binswanger persönlichkeitsverletzend sind».

Das ist eine reine Behauptung, nichts mehr. Tatsache ist allerdings, dass Zulauf bislang, mit einer Ausnahme, sämtliche Verfahren verloren hat, die sie im Namen ihrer Mandantin anstrengte. Nachdem sie die Publikation trotz aller Müh nicht verhindern konnte, bereitet sie nun offenbar weitere Klagen vor.

Der Ausdruck Zwängerei trifft es hier wohl nicht ganz. Das ist nicht nur unbelehrbar. Sondern auch teuer.

Leider verbietet sich eine vertiefte Qualifikation dieses Vorgehens. Denn frau ist überaus klagefreudig. Das sollten auch allfällige Kommentatoren beherzigen.

Stumm wie ein Fisch

Was nicht mal stimmt, denn Fische geben Laut. Journalisten nicht.

Es ist eine zunehmende Unsitte. Journalisten verlangen lauthals Auskunft, Stellungnahmen und unterstellen flugs unlautere Absichten, wenn jemand einfach nicht auf ihre Anfragen antwortet.

Kurt W. Zimmermann macht sich völlig zu Recht in der aktuellen «Weltwoche» darüber lustig: «Dazu will ich mich nicht äussern», überschreibt er seine Medienkolumne. Als Paradebeispiel dient ihm Anuschka Roshani. Die hat im «Spiegel» ihren ehemaligen Chef und den Tamedia-Verlag in die Pfanne gehauen, dass es nur so gekracht hat.

Inzwischen musste der «Spiegel» bereits diverse Vorwürfe löschen, Prozesse sind hängig, und Roger Schawinski hat ein Aufklärungsbuch geschrieben, in dem – gestützt auf einen topseriösen Untersuchungsbericht – fast alle Vorwürfe von Roshani in der Luft zerrissen und ins Reich der (bösartigen) Fantasie verwiesen werden.

Wäre also durchaus sinnvoll, wenn sich Roshani nach ihrer Breitseite im «Spiegel» Anfang Februar erklären würde. Aber nein, sie sagt kein Wort. Oder nur zwei, drei, als sie von einer wohlgesonnenen Journalistin der «Süddeutschen Zeitung» Gelegenheit erhält, zu einer besonders peinlichen Tatsache Stellung zu nehmen. Nämlich der, dass sie vor ihrem internen und dann öffentlichen Mobbing sich um den Stuhl ihres Chefs schriftlich beworben hatte, obwohl der noch draufsass. Das sei eine «Vorwärtsstrategie» gewesen, darf sie unwidersprochen sagen.

Noch irrer war dann der «Literaturclub» des Schweizer Farbfernsehens, in den sie eingeladen wurde. Man habe entschieden, zum aktuellen Fall nichts zu sagen, sondern nur über Bücher zu sprechen. Geisterbahn ist noch ein sanfter Ausdruck für diese Art von Journalismus.

Aber es greift immer mehr um sich. Der ehemalige publizistische Leiter von CH Media ist offenbar und nachweisbar das Sprachrohr von Jolanda-Spiess-Hegglin gewesen, gab ihr seine Artikel vorab zur Durchsicht und koordinierte die Veröffentlichung mit ihr. Ob das stimme, und was das soll, wurde Pascal Hollenstein gefragt. Schweigen.

Bruchpilot Hansi Voigt ist Journalist und hält seinen Latz eigentlich überall rein. Welch üble Rolle spielte er eigentlich bei der Hetzkampagne gegen Michèle Binswanger? Schweigen. Welche Mitarbeiter hat eigentlich die «Republik» warum entlassen? Schweigen.

Die Beiräte von Hetzcourage, Pardon «Netzcourage» werden angefragt, ob sie nicht auch Zweifel an der charakterlichen Eignung der beiden Exponenten haben. Schweigen, mit Ausnahme eines Anwalts, der sagt, dass er nur mit dem Vorstand in dieser Sache rede, nicht mit der Öffentlichkeit.

Anfragen an Chefredaktoren und Journalisten, eine Anfrage an Fabian Urech von der NZZ, an Kaspar Surber von der WoZ, an Salome Müller von der «Zeit», an Renato Beck von der WoZ, statt einer inhaltlichen Antwort kommt bei ihm zurück: «Sind Sie jetzt im bürgerlichen Mainstream angekommen?» Sonst Schweigen, tiefes Schweigen oder höchstens mal ein flapsiger Spruch.

Schweigen oder Wurstigkeit, ein weiteres Symptom für den Niedergang des Journalismus. Wer soll denn noch Anfragen von Journalisten ernst nehmen, wenn die nicht mal selbst antworten?

Wer soll denn Journalisten noch ernst nehmen, wenn die nicht einmal rechtsgültige Verurteilung wegen eines einzigen Tweets aus dem Jahre 2020 über 70 Treffer in der Mediendatenbank SMD zeitigt, die Veröffentlichung erschreckender «#hateleaks», die Auswertung von tausenden von Mitteilungen, wird hingegen im Mainstream stumm übergangen?

Ist das noch ernstzunehmender Journalismus, betrieben von ernstzunehmenden Journalisten? Die sich über nebensächliche Themen wie Genderstern, inkludierende Sprache und das eifrige Nachführen von Listen von Wörtern, die man nur noch als N-Wort oder als M***kopf ausschreibt, ungehemmt und ungebremst verbreitern?

Sich unglaubwürdig machende Journalisten schreiben über Pipifax, antworten nicht auf Anfragen und legen überhaupt ein geistiges Niveau vor, bei dem sich selbst ein Schimpanse am Kopf kratzt. Das tragen sie zudem in einer Sprache vor, die auch ohne Genderstern mehr Geholper als Gekonntes ist. Sie summen im Chor die gleiche Meinung mit, wiederholen die ewig gleichen Scherenschnitte (Trump, au weia, Putin, sehr au weia, Xi, furchtbar au weia), fühlen mit jeder durch einen wollüstigen Blick belästigten Frau mit, scheren sich aber einen Dreck darum, wenn eine renommierte Journalistin durch eine Schmieren- und Hetzkampagne fertiggemacht werden soll.

Und dann wundern sie sich wirklich, dass die Lust des Publikums rapide abnimmt, dafür auch noch das Portemonnaie zu öffnen? Sich an die «Paywall heranführen» zu lassen, wie das die Chefredaktorin von Tamedia mit unübertroffener Einfalt radebrecht?

Newsblamage bei Hetzcourage

Erschreckendes über «Netzcourage». Die Mainstream-Medien schweigen.

In einer ganzen Serie hat Michèle Binswanger mit Hilfe eines Investigativteams Tausende von internen Äusserungen von Exponenten von «Netzcourage» ausgewertet. Ergebnis: Präsident Hansi Voigt und Gründerin und Geschäftsführerin Jolanda Spiess-Hegglin haben mit allen fiesen Tricks, «Drecksarbeit» und vielen Helfershelfern versucht, eine Buchpublikation zu verhindern und die Autorin so fertigzumachen, dass sie am besten «auswandern» sollte.

Ein Fall für «Netzcourage», der Fall von «Netzcourage». Das wäre eigentlich ein Anlass für die Mainstreammedien, die sonst jeden Furz einer angeblichen Diskriminierung einer Frau tief einatmen, breit zu berichten. Stattdessen: tiefes Schweigen im Blätterwald. Lediglich «20 Minuten» traute sich mit einer zerquälten Story an die Öffentlichkeit, die vor Konjunktiven und Möglichkeitsformen nur so strotzte.

Ringier? Will das Thema JSH weiträumig umfahren, solange der Prozess wegen Gewinnherausgabe läuft. Tamedia: hat lange Zähne, weil Binswanger dort in leitender Position tätig ist. NZZ? Will sich nach Ausflügen in den Themenbereich «Roshani/Canonica», die nicht sehr glücklich verliefen, lieber vornehm zurückhalten. CH Media? Will vielleicht ihren ehemaligen Leiter Publizistik, den JSH-Lautsprecher Pascal Hollenstein, schützen. Ob bei seinem abrupten Abgang Stillschweigen auch hierüber vereinbart wurde?

Natürlich schweigen wie gemeldet auch die Beiräte und natürlich JSH sowie Voigt auf entsprechende Anfragen.

Binswanger wurde am Mittwoch in Basel wegen Verleumdung verurteilt. Der Prozess drehte sich um einen einzigen Tweet, den Binswanger 2020 abgesetzt hatte und in dem sie JSH vorwarf, «einen Unschuldigen der Vergewaltigung zu bezichtigen». Das bewertete der Einzelrichter als «massiv ehrverletzend». Binswanger hat angekündigt, in Berufung zu gehen.

Darauf rauschte es im Blätterwald, die Mediendatenbank SMD zählt alleine am Tag des Urteils 47 Treffer. Eine fünfteilige Serie mit der Auswertung von Tausenden von Textnachrichten, die eindeutig belegen, wie hier eine hinterlistige Kampagne in Bewegung gesetzt wurde, um Binswanger unmöglich zu machen und die Publikation ihres geplanten Buchs mit allen Mitteln zu verhindern. Medienecho: nahe null. Vorläufiges, nicht rechtskräftiges Urteil wegen eines Tweets: grosses Kino.

Schäbiges Kino. Die meisten Medien, darunter auch «Blick» oder «Tages-Anzeiger», übernahmen einfach die SDA-Tickermeldung zum Prozess. Die NZZ, die bislang eisern geschwiegen hatte, nahm die Enthüllung der Hetzkampagne auf. Aber wie: «Veröffentlicht worden sind die Auszüge in mehreren Beiträgen auf einem Blog von Binswanger, wobei nicht klar ist, wer die Sache recherchiert und verfasst hat.» Das ist wohl nebensächlich, da es sich unter der Verantwortung von Binswanger abspielt, die Authentizität der Belege für diese Schmierenkampagne wäre wohl wichtiger zu erwähnen.

Immerhin räumt Daniel Gerny dann ein: «Die zitierten Chat-Wortmeldungen sind teilweise krass und lassen sich mitnichten mit Spiess-Hegglins Ansinnen vereinbaren, Hass im Netz zu bekämpfen.» Um sofort zu relativieren: «Allerdings ist vorderhand vieles unklar oder bleibt ohne Kontext und wird von den Betroffenen teilweise gar bestritten.» Wer die Dokumentation durchgelesen hat, fragt sich, was wohl Gerny angeschaut hat.

JSH selbst gibt sich abgeklärt und ruft alle Beteiligten zur Mässigung auf. Was im leichten Widerspruch zur Ankündigung ihrer Anwältin steht, dass die Veröffentlichung der Chatprotokolle neue Verfahren nach sich ziehen werde. Vielleicht sollten sich die beiden absprechen.

Schmerzlich peinlich ist aber, dass dieses Urteil auf einem Nebenschauplatz dermassen publizistische Aufmerksamkeit erregt – während der aktuelle Skandal einer nachgewiesenen Hetzkampagne keiner Erwähnung wert war. Ausser in der «Weltwoche» und in einigen wenigen, kleinen Plattformen.

Noch peinlicher ist es, dass alleine ein kleines Organ über diese Affäre so berichtet, wie es auch den sogenannten Qualitätsmedien anstünde: die «Jungfrau Zeitung». Seit 2020 nur noch als Internet-Ausgabe erhältlich, die sich aber laut eigenen Angaben der Aufmerksamkeit von 400’000 Nutzern erfreut. Ausgerechnet die kleine Gossweiler Medien AG, inzwischen in vierter Generation inhabergeführt, zeigt’s den vermeintlich Grossen, wie Berichterstattung geht.

Man kann die Auseinandersetzungen zwischen JSH und Binswanger als Zickenkrieg abtun, man kann sich gelangweilt abwenden. Aber man darf nicht übersehen, dass die Berichterstattung hierüber einen weiteren Tiefpunkt des medialen Schaffens der verbliebenen Rumpfredaktionen von Tamedia, CH Media und Ringier darstellt. Selbst die NZZ macht hier keine gute Falle, wie schon im Roshani-Skandal.

ZACKBUM bleibt dabei: dieses Zwischenurteil über einen einzigen Tweet ist erwähnenswert, aber Kurzfutter. Die Abgründe, die die fünfteilige Enthüllungsserie über die beiden Protagonisten von «Netzcourage» und ihre Helfershelfer aufzeigt, notabene eines Vereins, der auch mit Steuergeldern alimentiert wurde, wäre eine breite Berichterstattung wert gewesen. Aber auch diesen Teil des Handwerks – gewichten, einordnen, priorisieren – haben die überlebenden Redaktoren in ihren Verrichtungsboxen längst vergessen.

Tamedia bricht sich über die mangelnde Akzeptanz der Gendersprache einen ab, plädiert für mehr Sichtbarkeit. Hier wird eine Frau übel gemobbt, dazu noch eine eigene Mitarbeiterin, ausgerechnet von der hasserfüllten Kämpferin gegen Hass im Internet, samt Adlatus und Büttel – und das ist Tamedia weder einen Kommentar, noch eine Erwähnung wert? Aber ein juristischer Zwischenbescheid, das gibt immerhin ein copy and paste von der SDA. Das ist nun wirklich, um es im Tamedia-Stil zu sagen, zum K***.

Schweigen über Schweinereien

#hateleaks? Gar nicht erst ignorieren. Obwohl der vierte Teil Abscheuliches aufzeigt.

Obwohl oder weil Jolanda Spiess-Hegglin unablässig die Öffentlichkeit sucht mit dem Argument, dass sie endlich einmal aus der Öffentlichkeit verschwinden wolle, ist das Verhältnis der Medien zu ihr kompliziert.

Nun hat die Tamedia-Journalistin und Buchautorin Michèle Binswanger die sogenannten «#hateleaks» angestossen. Eine Blog-Reihe, die aus ihr zugespielten Chats und internem Meinungsaustausch des Umfelds von JSH besteht. Ziel der Teilnehmer war offenbar, das «Scheissbuch» (die grüne Fraktionschefin Aline Trede) zu verhindern, bzw. die Autorin «zum Auswandern» zu bewegen, wie JSH unverblümt die Marschorder ausgibt. Dafür machte JSH mitsamt Gesinnungsgenossen gerne «die kleine Drecksarbeit».

Dabei waren auch Journalisten wie Pascal Hollenstein, Hansi Voigt oder Miriam Suter. Was hier alles an Hetze geplant wurde, widerspricht den hehren Zielen von «Netzcourage». Wenn JSH wie an der HSG als Spezialistin für «digitale Gewalt» auftritt, könnte sie eigentlich einfach aus dem Nähkästchen plaudern.

Nun haben aber die grossen Multiplikatoren ein Problem mit dem Thema. Ringier möchte sich überhaupt nicht äussern, schliesslich steht der Verlag in einem Rechtsstreit mit JSH, die eine Gewinnherausgabe der über sie im «Blick» erschienenen Artikel fordert.

Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» hat lange Zähne, weil Binswanger eine leitende Funktion einnimmt. Und für die NZZ ist das Ganze doch etwas zu boulevardesk, nachdem sie sich schon im Fall Roshani schwer die Finger verbrannt hat mit einer sehr einseitigen Berichterstattung, um dann anschliessend die übrigen Medien wegen zu einseitiger Berichterstattung in die Pfanne zu hauen.

Das Schweizer Staatsfernsehen, Pardon, der Zwangsgebührensender SRF hat auch Schlagseite in Richtung JSH (und Roshani), der fällt aus.

Also veröffentlicht ein Investigativ-Team eine Blogfolge nach der anderen – und es herrscht Schweigen. Abgesehen von der Mini-Plattform «inside-justiz» («Zickenkrieg»), persoenlich.comDokumente sollen Kampagne gegen Journalistin belegen») und dem Autor dieser Zeilen mit einem fleissig kommentierten Artikel in der «Weltwoche» («Verschwörung gegen eine Journalistin»).

Nun traut sich immerhin noch «20 Minuten» an die Sache ran, mit einem geeierten Titel: «Spiess-Hegglins Team: Chatgruppe gegen «Tagi»-Journalistin – prominente Politikerinnen lasen mit». So vorsichtig geht’s dann auch im Artikel weiter: «In einem Gruppenchat sollen Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin und ihre Mitstreiterinnen die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger beleidigt haben.»

Nicht wirklich, sie haben nachweisbar und eingestanden versucht, die Publikation von Binswangers Buch über die Zuger Landammannfeier mit allen schmutzigen Tricks zu verhindern. Dann wird ausführlich der Hintergrund des im Investigativ-Team mitarbeitenden Journalisten Stefan Millius beschrieben: «Er arbeitet daneben auch für das Radio «Kontrafunk» und den «Nebelspalter». Er will für die Corona-kritische Gruppierung «Aufrecht» in den Nationalrat.»

Als ob das bei seiner Tätigkeit hier eine Rolle spielen würde. Der «Politologe» der Wahl Mark Balsiger kann sich nur zu einem sanften «Geschmäckle» als Kritik aufraffen. Die mehr als fragwürdige Rolle des ehemaligen Leiters Publizistik von CH Media, Pascal Hollenstein,  wird gar nicht erwähnt. Auf Anfrage von «20 Minuten» blieben die Teilnehmerinnen Tamara Funiciello und Sibel Arslan genauso stumm wie JSH selbst.

«Eine weitere Teilnehmerin hat sich via Twitter öffentlich von der Gruppe distanziert», berichtet das Gratis-Blatt: ««Alles stimmt und hat so stattgefunden. Ich war ein Teil davon», schreibt sie. Und ergänzt: «Wenn einem die Vergangenheit über die Schulter schaut, wird es zuweilen peinlich.»

Das gilt allerdings auch für die aktuelle Berichterstattung über diesen Skandal. Insbesondere, seit Teil 4 der «#hateleaks» publiziert wurde. Diesmal wird aufgezeigt, wie die «Kampagne» (JSH) ins Rollen kam, mit «Verleumdung, Provokation, Verhöhnung». Immer angeleitet von der grossen Kämpferin gegen Hasskampagnen und Shitstorms JSH, sollten Zweifel an der Person Binswanger gesät werden, zum Beispiel auch mit Fake-Accounts; nicht zuletzt von der Rädelsführerin selbst unterhalten:

«Das ist mein letzter (!) fakeaccount, der ist noch nicht blockiert», vermeldet JSH. Besonders widerlich war auch der Versuch, Binswanger zu provozieren und ihr Aussagen zu entlocken, die man dann gegen sie verwenden könnte.

So berichtet JSH ihren «lieben Frauen» triumphierend: «MB hat wieder Zeugs getwittert, was ihr enorm schaden wird vor Gericht. Das ist super. Und sie überlegt wirklich zu wenig. … Statements entlocken können … Ihr seid super. Alles kommt gut.»

Ist das lustig: Binswanger als kleiner Don Quijote …

Fake-Accounts verwenden, um eine missliebige Person zu ihr schadenden Äusserungen zu provozieren, das gehört wohl zum Abscheulichsten, was man im Internet machen kann.

Das wäre ein klassischer Fall für «Netzcourage». Wenn nicht die Gründerin und Geschäftsführerin selbst diese Widerwärtigkeiten orchestrieren würde. Und ihr Vereinspräsident Hansi Voigt entblödete sich nicht, der Journalistin Binswanger genau diese Methode zu unterstellen. In seinem Fall aber als blosse Behauptung. So wie er jetzt behauptet, all diese dokumentierten Zitate könnten Fälschungen sein.

Was für ein Paar. Selten haben sich zwei dermassen desavouiert wie diese beiden  – nun ja, da leider immer noch Geld für eine Anwältin vorhanden ist, die zwar gegen alles klagt und meistens verliert, aber dabei für alle Beteiligten hohe Kosten verursacht, überlässt ZACKBUM es seinen Lesern, hier die geeigneten Qualifikationen einzusetzen. Denn uns fällt nichts ein, was nicht einwandfrei justiziabel wäre.

 

Ein Opfer ihrer selbst

War es ein taumelnder Moment der Hemmungslosigkeit?

Wie fremdknutschen zum Geschäftsmodell umfunktioniert wurde. Und eine hasserfüllte Kämpferin gegen Hass zum Opfer ihrer selbst.

Lang ist’s her, seit der Zuger Landammann-Feier im Jahre 2014. Dort begegneten sich zwei Politiker, kamen sich näher, becherten, knutschten öffentlich, wurden zum Thema des Abends – und verschwanden für ein Weilchen in einen Nebenraum. Am Abend wurden sie fotografiert. Beschwingt, nah, sie schmachtet ihn an, mit einem Weinglas in der Hand.

Was verborgen in der «Captain’s Lounge» geschah – oder nicht – ist die Keimzelle einer Affäre, die bis heute nicht aufgearbeitet oder beerdigt ist. Für beide Beteiligten hatte sie dramatische Folgen. Der eine sah sich zu Unrecht der Schändung beschuldigt und stand unter dem Verdacht, seine Abendbegleitung mit k.o.-Tropfen gefügig gemacht zu haben.

Damit war seine politische Karriere erledigt, der mediale Sturm liess ihn beschädigt zurück; er versuchte vergeblich, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Wie viele Laien reagierte er aufrecht, aber ungeschickt. Der üble Verdacht, Täter zu sein, blieb trotz eindeutiger Unschuld an ihm kleben; dass er das Opfer der Affäre ist, hat sich nicht als Erkenntnis durchgesetzt.

Die andere Beteiligte hingegen machte aus dem Vorfall ein Geschäftsmodell. Sie brachte es fertig, sich als Opfer zu inszenieren – obwohl es keinen identifizierbaren Täter gibt. Den müsste es aber geben, sollte sie tatsächlich geschändet oder gar vergewaltigt worden sein, wie sie immer wieder insinuiert.

Damit ein intimes Geschehen zwischen zwei Erwachsenen zur Affäre, gar zum Skandal wird, braucht es einige Ingredienzien. Zwei unterschiedliche Auffassungen darüber, was sich abgespielt habe. Massenmedien, die davon Wind bekommen. Und ein Publikum, das voyeuristisch Anteil nimmt, Partei ergreift, jedes noch so unappetitliche Detail begierig aufsaugt – und gleichzeitig seinen Abscheu darüber bekundet.

Ein Mann wurde zu Unrecht beschuldigt

Bei solchen «er sagt – sie sagt»-Storys gibt es immer lebhafte Parteinahme. Der Mann, das Schwein, der Täter. Die Frau, das Opfer, das schuldig gesprochen werden soll. Oder umgekehrt, der Mann, das unschuldige Opfer eines Rufmords. Die Frau, die bösartig einen angetüterten Seitensprung weglügen will.

Dieses Thema –  hat er sie gegen ihren Willen oder war sie willig, bereute aber im Nachhinein – ist (Stichwort #metoo) dermassen aufgeladen mit gesellschaftlichen Konflikten bis hin zum Rollenverständnis von Mann und Frau, dass es kaum möglich ist, den Einzelfall als solchen zu betrachten. Schnell geht es um das grosse Ganze, um Sexismus, Unterdrückung der Frau, Männerherrschaft.

Auch ohne dass einer der Beteiligten aus einer intimen Annäherung ein Geschäftsmodell macht, ist es in der Öffentlichkeit kaum möglich, banale rechtsstaatliche Grundsätze in Erinnerung zu rufen. Die lauten hier: ein Mann wurde zu Unrecht der Schändung beschuldigt, zu Unrecht verdächtigt, er solle dafür k.o.-Tropfen benützt haben. Die Strafuntersuchung gegen den Mann wurde nach umfangreichen Ermittlungen, inkl. einer Nacht in U-Haft, eingestellt. Aber das ist blosse Theorie, schon während der medialen Aufarbeitung der Affäre war «es gilt die Unschuldsvermutung» nur eine leere Floskel.

Ein weiteres rechtsstaatliches Prinzip ist die Verwendung und Bewertung von Indizien, von Zeugenaussagen, von Umständen. Beide Beteiligten sagen bis heute, dass sie ab einem gewissen Zeitpunkt des Abends einen Filmriss gehabt hätten, sich an nichts mehr erinnern könnten, bis sie dann in ihrem jeweiligen Daheim aufgewacht seien.

Die Heisenbergsche Unschärferelation

Abgesehen von der Zeit, die die beiden unbeobachtet zusammen verbrachten und wo es zweifellos zu sexuellen Kontakten kam, gibt es aber genügend Zeugenaussagen über ihr Verhalten. Übereinstimmend wird von zunehmender Nähe berichtet, davon, dass die beiden sogar zur Ordnung gerufen wurden, weil sie ungeniert geknutscht hätten und man das im konservativen Zug zwischen zwei anderweitig verheirateten Menschen nicht gerne sah.

Die Beteiligte soll sogar kurz geflüchtet sein und gesagt haben, dass sie beide es nun verbockt hätten, alle hätten es gesehen und wüssten es nun. Es gibt ebenfalls Zeugenaussagen, dass die beiden gegen ein Uhr nachts gemeinsam ein Taxi bestiegen hätten, wobei keiner einen angeschlagenen, unkontrollierten oder betäubten Eindruck gemacht hätte.

Es ist völlig ungeklärt, was in den zwei Stunden zwischen der Abfahrt vom Fest und der vom Ehemann bezeugten Ankunft der Beteiligten geschehen ist. Normalweise dauert eine solche Taxifahrt nicht mehr als zehn, höchstens zwanzig Minuten.

Das ist bekannt, damit hätte es auch sein Bewenden haben können. Aber die Beteiligte – was ihr gutes Recht ist – setzte sich gegen die Berichterstattung zur Wehr und propagierte offensiv und aus eigenem Antrieb ihre Version des Ablaufs, bis hin zur Beschreibung intimster Details ihres Geschlechtslebens.

Durch das Granulieren des Ereignisses, durch unendliche Verästelungen in alles hinein, den Nachweis von Drogen, Alkohol, Geschlechtsverkehr, willig oder wehrlos, durch das unermüdliche Mahlen des Realitätssubstrats entstand das gleiche Phänomen wie in ähnlich gelagerten Fällen. Erinnert sei an die Affäre Kachelmann, wo sich das, was sich wirklich abgespielt haben mochte, wie in einer Heisenbergschen Unschärferelation verlor und auflöste. Oder der berüchtigte Toast Hawaii, wo das Herumbengeln auf einem einzelnen Glied einer Indizienkette sogar einen Mörder freischrieb.

Auch beim Vorfall während dieser Feier haben sich alle Indizien, Herleitungen, hat sich das Logisch-Plausible aufgelöst. Zwei Erwachsene kommen sich – wie genügend Zeugen bestätigen – an einem feuchtfröhlichen Fest näher, können nicht voneinander lassen. Knutschen ungeniert, ziehen sich zurück, tauchen wieder auf, wirken in keinem Moment derangiert, ausser Kontrolle, verhalten sich nicht wie ein Täter und sein Opfer, fahren gemeinsam im Taxi weg, verbringen nochmals Zeit miteinander. War der unbestreitbar stattgefundene sexuelle Kontakt einvernehmlich oder eine Schändung, eine Vergewaltigung gar? Kann es eine Tat ohne Täter geben? Gesunder Menschenverstand und Logik sagen das eine, die Beteiligte sagt das andere.

Mehr als das, sie gründete eine Organisation, die sich für Opfer von Belästigungen im Internet einsetzen will. Sie scharte einen Kreis von Fans und Anhängern um sich, die – oftmals aufgepeitscht von ihr – alle Kritiker ihrer Version des Geschehens wie ein hasserfüllter Mob verfolgten und beschimpften. Es entstand schnell einmal der typische Sektengroove: wer nicht für uns ist und unsere Heldin bewundert, ist gegen uns und böse.

Buchpublikation ausdauernd behindert

Die Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger wurde zum Lieblingshassobjekt, seit sie angekündigt hatte, die damaligen Ereignisse mit einem Buch aufzuarbeiten und darin insbesondere dem männlichen Opfer der Affäre Gelegenheit zur Erklärung zu geben.

Die Beteiligte setzte alle möglichen Hebel in Bewegung, um die Veröffentlichung dieses Buchs zu verhindern. Dabei geriet sie in die Fänge einer Anwältin, deren Selbstbewusstsein umgekehrt proportional zu ihren Fähigkeiten steht. Deren Honorarnoten exorbitant, ihre Erfolge für ihre Mandantin aber sehr überschaubar sind.

So gelang es ihr zwar, die Publikation des Buchs «Die Zuger Landammann-Affäre. Eine Recherche» um gut zwei Jahre zu verzögern, aber nicht zu verhindern. Auf sehr wackeligen Füssen steht auch ihre Klage nach Gewinnherausgabe gegen den Ringier-Verlag. Hier lehnte die Beteiligte ein Angebot zur Güte – 150’000 Franken Entschädigung, Entschuldigung plus zweiseitiges Interview mitsamt Werbung für ihre Organisation – ab. Schlecht beraten von einem Irrwisch, der behauptet, der Verlag habe mit seinen Artikeln über die Affäre einen Gewinn von rund einer Million Franken gemacht. Oder einen Umsatz, was für den Finanzlaien das Gleiche ist.

Zurechnungsfähige Berechnungen gehen von vielleicht 10’000 Franken aus. An diesem Beispiel zeigt sich, wie die Beteiligte immer mehr in einen von ihr nicht mehr kontrollierbaren Strudel von Folgewirkungen geraten ist. Der Verein und ihre rechtlichen Auseinandersetzungen brauchen Geld, dafür wurden immer wieder Spendenaktionen losgetreten. Die Buchhaltung des Vereins und das erratische und herrschsüchtige Verhalten der Beteiligten führte zum sofortigen Rücktritt zweier Vereinspräsidentinnen – und ihrer Nachfolgerin.

Inzwischen ist die Recherche von Binswanger erschienen, so mehr oder weniger. Es ist eine faktengetreue Darstellung all dessen geworden, was über die Affäre bekannt ist oder recherchiert werden kann. Das Buch wertet nicht, aber sein Inhalt macht sehr verständlich, dass die Beteiligte alle Hebel in Bewegung setzen will, seine Publikation zu verhindern. Laut der Autorin wird inzwischen auch ihr deutscher Verlag vom berüchtigten Medienanwalt Ralf Höcker bedroht. Da der genau wie die Schweizer Anwältin der Beteiligten für seine barocken Honorarnoten bekannt ist, erhebt sich wieder einmal die Frage, woher sie eigentlich all das Geld für diese Interventionen und Prozesse hat.

Hasserfüllte Kämpferin gegen Hass

Denn durch ihre Unbeherrschtheit und eigene Unfähigkeit verspielte sie sich sogar staatliche Subventionen, was angesichts der Sympathie amtlicher Stellen für ihre Anliegen erstaunlich ist. Kritiker daran, darunter sogar eine Ex-Präsidentin, wurden öffentlich diskreditiert und aus dem Verein ausgeschlossen – ein bei sektenähnlichen Gebilden typisches Vorgehen. Abgesehen von der Anerkennung einer Persönlichkeitsverletzung haben die Beteiligte und ihre Anwältin bislang alle Prozesse krachend verloren.

Um die Publikation dieses Buchs zu verbieten, rekurrierte die Anwältin sogar gegen eine peinliche Niederlage vor dem Bundesgericht – gegen das Bundesgericht beim Bundesgericht. Um unweigerlich eine weitere Klatsche abzuholen. Hier greift zunehmender Realitätsverlust um sich, ein klares Alarmsignal.

Während das männliche Opfer weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden ist und wohl auch durch diese Publikation nicht nochmal in den Fokus gerät, hält die Beteiligte mit der Behauptung, sie wolle eigentlich nur in Ruhe gelassen werden, mit ihren unermüdlichen Kampagnen auf den sozialen Plattformen und polemischen Stellungnahmen gegen alle ihre Kritiker sich selbst im Gespräch.

Auch wenn in der Öffentlichkeit zunehmend Ermüdungserscheinungen sichtbar werden; das hasserfüllte Verhalten der Kämpferin gegen Hass im Internet, ihre beratungsresistente Selbstgewissheit, die keinerlei Selbstkritik zulässt, stösst zunehmend ab.

Auf der anderen Seite hat sie diese Tätigkeit zu ihrem Lebensinhalt gemacht und ist auch finanziell davon abhängig. Also kann sie gar nicht aufhören, ist geradezu süchtig nach medialer Aufmerksamkeit.

Es bleiben nur Opfer zurück

Was auch immer in dieser Nacht in Zug geschah: es blieben zwei Opfer zurück. Eines wurde zuerst als Täter verdächtigt, dann von jedem Verdacht entlastet. Blieb zurück als beschädigtes Opfer ohne grosses Selbstverschulden. Die andere bezeichnete sich von Anfang an als Opfer, insinuierte zunächst, dass sie Opfer des namentlich bekannten männlichen Beteiligten sei. Als sich das nicht mehr halten liess, mutierte sie zum Opfer ohne Täter.

Sie glaubt dabei an Karma. In einer ihrer dunkelsten Stunden behauptete die Beteiligte vor laufender Kamera, dass zahlreichen ihrer Gegenspieler Übles widerfahren sei, Karma eben. Ein sie verleumdender Wirt habe einen schweren Unfall erlitten, ein gegnerischer Anwalt, «ein ganz, ganz böser Mensch, der ist sogar erschossen worden».

Sie spielte damit auf den «Weltwoche»-Anwalt an, der vor Gericht gegen sie angetreten war. Der wurde vor den Augen seiner Kinder als alleinerziehender Vater von einem Nachbarn getötet, worauf sich der Schütze das Leben nahm.

Solche Ausrutscher weisen darauf hin, dass sich die Beteiligte weitgehend in einer eigenen Welt verloren hat. Unabhängig davon, ob sie vor inzwischen 8 Jahren zum Opfer wurde oder nicht: seit vielen Jahren ist sie nun Opfer.

Opfer ihrer selbst.

SonntagsZeitung am Abgrund

Die aktuelle Ausgabe hat gute Chancen, als schlechteste aller Zeiten in die Geschichte einzugehen.

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Es fängt schwach an, um dann stark nachzulassen:

Das sind die Schlagzeilen, auf die die Schweiz am Sonntag gewartet hat. Rösti ist der chancenreichste Kandidat für die Nachfolge von Ueli Maurer? Ein Primeur. Ein Brüller. Der Oberhammer. Damit war die SoZ sicherlich an vielen Orten ausverkauft.

Weil sich damit aber die nächsten zwei Seiten doch nicht restlos füllen lassen, werden dennoch die weiteren Kandidaten einem «Check» unterzogen. Ganze drei SVPler zieht das Blatt aus dem Hut, deren Wahlchancen: «mittel» bis «eher tief». Deren Eignung als Bundesrat: «genügend bis gut», «knapp genügend», «ungenügend». Aber schön, hatte es neben einem aussagelosen Riesenfoto auf der Seite noch Platz für diese wertvollen Informationen.

Dann eine Story über die Fraumünster-Posträuber (gähn) und ihre möglichen Verbindungen zur Mafia (doppelgähn). Eine Chance für Anwalt Valentin Landmann (nur noch gähn), etwas zur Verteidigung seines Mandanten zu sagen (schnarch).

Nachdem die NZZ den Publikumsschwund im Zürcher Schauspielhaus thematisierte und dafür ein zuschauerfeindliches Woke-Theater mit Verballhornungen von klassischen Theaterstücken verantwortlich machte, reicht die SoZ noch Mobbing-Vorwürfe nach. Abgeschrieben aus «Theater heute», wo ein Festangestellter über ein namentlich nicht genanntes Theater abblästert. Na ja.

Ein weiterer Höhepunkt als Tiefpunkt folgt auf Seite 15. Aufmacher: die Explosion auf der Verbindungsbrücke zur Krim. Mangels neuer Erkenntnisse ein Gähn-Stück. Aber nicht nur das. Der Autor Sebastian Gierke verdient sein Brot bei der «Süddeutschen Zeitung». SoZ-Eigenleistung: null. Daneben eine Meldung über das AKW in Saporischschja. Von der Agentur AFP. Eigenleistung null. Darunter eine Meldung über den Stillstand bei der Deutschen Bahn. Von der Agentur SDA. Eigenleistung null. Und dafür Geld verlangen?

«Endlich perfekt sehen auf nah und fern», verkündet ein redaktionell aufgemachter Artikel auf Seite 17. Nur: Das ist ein «Paid Post», ein «Commercial Publishing», zur Erlärung: «Commercial Publishing ist die Unit für Content Marketing». Für unsere reader, die des Englischen nicht so mächtig sind, you know: das ist ein bezahltes Inserat, das mit Hilfe von Tamedia möglichst ähnlich wie ein redaktioneller Artikel daherkommt.

Seite 17 beinhaltet eine echte Eigenleistung. Also die billigste Form des Journalismus: ein Interview. Mit «Christo Grotzev, Chefermittler von Bellincat». Nichts gegen dessen persönlichen Mut und seine investigativen Fähigkeiten. Aber kann er wirklich auch in die Zukunft schauen: «Wenn es so weitergeht, wird Putin innert eines Jahres stürzen». Wir merken mal den 9. Oktober 2023 vor …

Der Marianengraben im Pazifischen Ozean gilt mit knapp 12’000 Meter unter Meeresspiegel als tiefster Punkt der Erdoberfläche. Er wird neu konkurrenziert von Seite 20 der SoZ. «Keine Angst vor dem Älterwerden». Unter diesem Titel wird das Buch «Jetzt erst recht. Älterwerden für Anfängerinnen 2.0» rezensiert. Verfasserin ist die Tamedia-Redaktorin Silvia Aeschbacher. Lead: «Lebenshilfe. Sechs Jahre nach ihrem Bestseller «Älterwerden für Anfängerinnen» zeigt unsere Autorin in ihrem neuen Buch …»

Es ist inzwischen leider nicht unüblich, dass Bücher von Redaktoren im eigenen Blatt – überraschungsfrei wohlwollend – rezensiert werden. Hier allerdings wurde das in einer Art tiefergelegt, die den Marianengraben als seichte Pfütze erscheinen lässt. Denn die Rezensentin des Buchs von Aeschbacher ist – Aeschbacher selbst. Die schreibt dann über ihr Buch, also über sich selbst: «Ich selbst empfinde meinen Alltag nicht mehr wie früher ..

Sie schreibt aber nicht über Schamgrenzen, Peinlichkeiten, über Lächerlichkeit und den Versuch, jeden Anspruch auf ernsthafte Leserunterhaltung oder -belehrung aufzugeben. Da ihr selbst (und auch niemandem sonst in diesem Qualitätsmedium) auffällt, wie schräg, schreiend unkomisch als Leserverarschung das daherkommt, bleibt nur noch Fremdschämen. Redaktoren schreiben über sich selbst, ihren Bauchnabel, ihre Befindlichkeiten, ihre persönlichen Ergebnisse, ihre Haustiere, ihre Leseerlebnisse, ihre Filmeindrücke, ihre liebsten Kochrezepte und Lokale. Jetzt auch noch über ihre eigenen Bücher? Gut, wenn die Literaturchefin Nora Zukker heisst, ist das vielleicht besser so. Aber gut ist’s nicht.

Das alles ist so grottenschlecht, dass wir als kleinen Lichtblick «Die andere Sicht von Peter Schneider» zeigen müssen; immerhin lustig:

Als wäre das der SoZ auch unangenehm aufgefallen, will dieser Lichtblick von einem Gemäkel der sonst nicht schlechten Bettina Weber ergänzt: «Der Fluch der weissen Turnschuhe». Eher der Fluch: mir ist auch gar nichts eingefallen, aber ich bin dran. Nebendran führt Historiker Markus Somm seine historischen Kenntnisse spazieren, womit Schneider genügend eingenordet wäre.

ZACKBUM hat schon öfter bemängelt, dass einem auch inhaltlich immer dünnerem Textanteil immer grössere und meist aussagelose Fotos beigestellt werden. Aber das hier schlägt alles bislang Dagewesene:

Das Foto der Fairtrade-Chefin füllt Vierfünftel der Seite aus, daneben bleibt nur noch Platz für eine Textspalte. Wurde hier ein Artikel aufgeblasen, musste eine Doppelseite gefüllt werden? Jammert die SoZ nicht sonst über schrumpfende Umfänge? Ist auch das peinlich.

Schliesslich rezensiert im Gesellschaft-Bund Michèle Binswanger ihr eigenes Buch über die Zuger Spiess-Hegglin-Affäre. Wir erfahren endlich, was sich in der Captain’s Lounge wirklich abspielte, als die beiden Politiker in den dunklen Raum taumelten, um …

Nein, Scherz, sie rezensiert das neuste Buch von Richard David Precht. Der einstige Medienliebling wird in Deutschland in der Luft zerrissen, weil er zusammen mit dem Sozialpsychologen Harald Welzer zunehmendes Blasendenken und Gesinnungsterror in den Mainstream-Medien kritisiert.

Immerhin mit der nötigen Distanz, die man hat, wenn man das Buch nicht selbst geschrieben hat …

Bis in kleine Details macht sich die SoZ lächerlich. So preist sie die «kniehohen Gummistiefel des dänischen It-Labels Ganni» an. Die Gummierten sorgten für trockene Füsse, allerdings auch für feuchte Augen, wenn man den Preis hört, den die SoZ wohlweislich verschweigt: 270 Franken für ein wenig Gummi. Will man’s aus Leder (und noch hässlicher), dann ist man mit 420 Franken dabei.

Wir wollen, wir müssen noch das TV-Programm lobend erwähnen. Ein Lichtblick in der SoZ von konzisem, genauem und informativem Journalismus.

 

Die Brotz-Bronca

Spanisch für Krakeel, Gefuchtel und Geschrei.

Endlich mal eine Ablenkung vom Überthema. SVP-Nationalrat Thomas Aeschi sagt etwas Blödes. Aus einer mutmasslichen Vergewaltigung durch zwei afrikanische Flüchtlinge mit ukrainischem Pass, begangen an einer ukrainischen Flüchtigen, macht er einen Indikativ Plural. Und damit wird’s zum rassistischen Schwachsinn.

Das wiederum bringt die Grünen in die Gänge. Ihre NR-Präsidentin hat’s verschnarcht, Aeschi zu rügen, dafür boykottiert die Fraktionschefin die «Arena», weil dort auch Aeschi auftreten durfte. Politischer Schwachsinn.

Sandro Brotz, notorischer SVP-Basher, nimmt sich dann Aeschi zur Brust:

«Was Sie gesagt haben, ist rassistisch. Punkt. Ausrufezeichen.»

Das wiederum löst eine neuerliche Debatte aus. Über Brotz mangelhafte Kenntnisse der Interpunktion? Nein, ob er so oberlehrerhaft einen Politiker zusammenfalten darf oder nicht.

«Ein reines Schmierentheater», so teilt der Politchef von Tamedia in alle Richtungen aus. Denis von Burg watscht gerecht alle ab. Aeschi: «unappetitliches Süppchen» gekocht. «Arena»-Boykott von Aline Trede: «undemokratisch und auch nicht klug.» Schliesslich: «Brotz hat auf billige Weise Quoten gebolzt.»

Michèle Binswanger wäscht dann Brotz nochmal die Kappe: «Der Moderator auf Abwegen» bestätige «jedes Anti-SRG-Klischee». Nicht nur in der Sendung, auch auf Twitter betrachte Brotz gerne seinen eigenen Bauchnabel: «Eitelkeit ist zwar ein in Journalistenkreisen weitverbreitetes Laster. Aber diesmal ist Brotz zu weit gegangen.»

Brotz tritt den Beweis für alle Vorwürfe an

Als wolle er ihren Vorwurf beweisen, haute Brotz auf diesen kritischen Artikel von Tamedia gleich eine Salve von Tweets raus. Als beleidigte Leberwurst. Er räumte zwar ein, dass ihm Binswanger Gelegenheit zur Stellungnahme gab, auf die er aber 24 Stunden lang nicht zu reagieren geruhte. Aber: «Dann hast du deinen Text rausgehauen. Ohne mit mir zu reden. Ich kann damit umgehen. Bin mir deine „Recherche“ im Weltwoche-Stil gewohnt. Du magst finden: Brotz teilt aus, dann muss er auch einstecken. Fair enough. Nur hat das nichts mehr mit Journalismus zu tun.»

Tschakata. Also der Herr Journalist mag nicht antworten, aber dann beschwert er sich darüber, dass man nicht mit ihm habe reden wollen und will seinerseits Binswanger damit beleidigen, dass sie im «Weltwoche-Stil» recherchiere, was immer das sein mag. Also wer nicht geduldig wartet, bis Brotz dann doch ein Momentchen in seinem übervollen Terminkalender findet, betreibe keinen Journalismus mehr. Was für ein Haudrauf, der Moderator.

Apropos, keiner geht auf den «Weltwoche»-Kommentar des ausgewiesenen Recherchierjournalisten Alex Baur ein, der konstatiert: «Doch bei diesem Exzess geht es um mehr als Parteilichkeit: Sandro Brotz stellt sein Ego über seinen Auftrag

Weitere Journalisten beteiligen sich an der Schlacht

Auch die NZZ mischt sich ein und kritisert kühl einen «politisch aufgebauschten Rassismus-Streit». Katharina Fontana stösst den NZZ-typischen ordnungspolitischen Zwischenruf aus: «Die Rassismusdiskussion, die seit ein paar Tagen läuft, trägt so hysterische wie heuchlerische Züge.» Aeschi ist daneben, die Reaktion der Grünen ebenfalls, und Brotz, nun, «das öffentlichrechtliche Fernsehen scheint neuerdings auch ein Tribunal zu sein».

Haben wir uns dann alle wieder beruhigt? Keinesfalls, es fehlt noch Sandro Benini aus dem Hause Tamedia. Er nimmt sich Kollegin Binswanger zur Brust und stellt schon im Titel klar:

Denn: «Hinter der Kritik an Brotz steckt die Vorstellung, ein Moderator müsse ausserhalb der Sendung funktionieren wie ein Kaffeeautomat: möglichst geräuschlos in einer Ecke stehen und nur etwas absondern, wenn man ihn drückt – aber dann immer genau die gleiche Menge in identischer Qualität und immer mit der gleichen Temperatur.»

Much ado about nothing, hätte Shakespeare gesagt, wäre ihm dieses Gezänke überhaupt eine Bemerkung wert gewesen. Medienschaffende äussern sich zu Medienschaffenden, die sich wiederum zu Medienschaffenden äussern, was dann von anderen Medienschaffenden bewertet wird.

Am Schluss ist dann auch die SVP sauer und will bis auf Weiteres nicht mehr in der «Arena» auftreten.

Ach so, eigentlich ging es um den Krieg in der Ukraine. Aber der ist doch lange nicht so wichtig wie die Betrachtung des eigenen und fremder Bauchnäbel.

 

 

 

 

Nächste Klatsche für JSH

Sie hat nun auch vor Bundesgericht verloren.

Zwei voneinander unabhängige Quellen haben ZACKBUM informiert: Das oberste Schweizer Gericht hat das Urteil des Zuger Obergerichts bestätigt. Das von einer Tamedia-Journalistin geplante Buch über die Ereignisse an einer Zuger Politikerfeier anno 2014 kann veröffentlicht werden. Darin soll vor allem die Perspektive des zweiten Beteiligten an dieser Affäre geschildert werden.

Es wurde Geld gesammelt, unter anderem von «Fairmedia». Es wurde getönt, dass Jolanda Spiess-Hegglin das Urteil der zweiten Instanz unbedingt ans Bundesgericht weiterziehen wolle. Müsse.

Denn das Zuger Obergericht hatte die medienrechtlich problematische Massnahme, ein noch nicht geschriebenes Buch präventiv zu verbieten, gekippt. Mit einer glasklaren und logischen Begründung.

Das Bundesgericht ist in solchen Fällen nur dafür zuständig, nochmals zu überprüfen, ob alle Rechtsvorschriften eingehalten wurden. Es geht normalerweise nicht mehr materiell auf das Urteil der Vorinstanz ein.

Kann ein Buch präventiv verboten werden?

Bei dem ganzen Streit geht es darum, ob die Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger ein lange geplantes Buch über die berüchtigte Landammann-Feier in Zug schreiben darf. Dort war es überparteilich zu Übergriffen gekommen. Spiess-Hegglin hatte anschliessend daraus ein Geschäftsmodell gemacht und unter anderem den Verein «Netzcourage» gegründet.

Damit erlangte sie nationale Bekanntheit, bekam auch staatliche Unterstützung. Die hat sie sich nun selbstverschuldet wieder abgeschraubt. In letzter Zeit musste die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet diverse Nackenschläge einstecken.

Die Berufungsverhandlung gegen Ringier wurde haushoch und vollständig verloren. Der Prozess wegen Gewinnherausgabe dürfte auf ein neues Desaster hinauslaufen. Ihr Sprachrohr Pascal Hollenstein wurde zackbum bei CH Media entsorgt; man einigte sich auf eine sofortige «Auflösung» des Vertrags. Gründe? «Stillschweigen vereinbart

Nun offenbar auch noch das: mit allen Mitteln versuchte JSH zu verhindern, dass Binswanger ihre Recherchen über die Sichtweise des zweiten Beteiligten an dieser angeblichen Schändung publiziert. Sie unterstellte der Journalistin, dass damit unbezweifelbar eine Rufschädigung, eine Persönlichkeitsverletzung einherginge, die irreparablen Schaden verursachte und deshalb verboten werden müsse.

Ein Zuger Einzelrichter stimmte ihr zu und erliess eine superprovisorische Verfügung, die er später in eine Massnahme umwandelte, die Binswanger diverse Themenbereiche verbot. Das bedeutete, dass das Buch nicht erscheinen konnte.

Vergeblich ans Bundesgericht weitergezogen

Das Zuger Obergericht korrigierte dann diese Fehlentscheidung. Dagegen wandte sich Spiess-Hegglin ans Bundesgericht und war samt ihrem kleiner werdenden Fanclub euphorisch, als das oberste Schweizer Gericht verfügte, dass die vorsorgliche Massnahme bis zu seiner Urteilsverkündung aufrecht erhalten bleibe.

Das wurde als Indiz missinterpretiert, dass JSH hier obsiegen könnte. Dabei war es nur logisch; das Bundesgericht wollte verhindern, dass das Buch vor der Urteilsverkündung erscheinen könnte, was ein allfälliges negatives Verdikt sinnlos gemacht hätte.

Aber nun ist diese juristische Irrfahrt beendet. Das Urteil des Obergerichts bleibt gültig, das Buch kann endlich publiziert werden. Nach all diesem Tamtam dürfte es zu einem Bestseller werden. Ausser, die Öffentlichkeit hat von diesem Thema und ihrer Exponentin endgültig die Nase voll.

Es bleibt die Frage, wieso dafür Geld gesammelt werden musste. Und es bleibt die Frage, wieso die Anwältin von Spiess-Hegglin ihre Mandantin nicht vor all diesen Niederlagen schützt, indem sie ihr abrät, sich in solch aussichtslose Schlachten zu werfen.

Sollte nun auch noch der Kampf um eine Gewinnherausgabe wie das Hornberger Schiessen enden und eine minimale Summe herausschauen, dann muss eine neuerliche Spendensammlung lanciert werden. Damit JSH ihre Anwältin bezahlen kann.