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Ein Opfer ihrer selbst

War es ein taumelnder Moment der Hemmungslosigkeit?

Wie fremdknutschen zum Geschäftsmodell umfunktioniert wurde. Und eine hasserfüllte Kämpferin gegen Hass zum Opfer ihrer selbst.

Lang ist’s her, seit der Zuger Landammann-Feier im Jahre 2014. Dort begegneten sich zwei Politiker, kamen sich näher, becherten, knutschten öffentlich, wurden zum Thema des Abends – und verschwanden für ein Weilchen in einen Nebenraum. Am Abend wurden sie fotografiert. Beschwingt, nah, sie schmachtet ihn an, mit einem Weinglas in der Hand.

Was verborgen in der «Captain’s Lounge» geschah – oder nicht – ist die Keimzelle einer Affäre, die bis heute nicht aufgearbeitet oder beerdigt ist. Für beide Beteiligten hatte sie dramatische Folgen. Der eine sah sich zu Unrecht der Schändung beschuldigt und stand unter dem Verdacht, seine Abendbegleitung mit k.o.-Tropfen gefügig gemacht zu haben.

Damit war seine politische Karriere erledigt, der mediale Sturm liess ihn beschädigt zurück; er versuchte vergeblich, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Wie viele Laien reagierte er aufrecht, aber ungeschickt. Der üble Verdacht, Täter zu sein, blieb trotz eindeutiger Unschuld an ihm kleben; dass er das Opfer der Affäre ist, hat sich nicht als Erkenntnis durchgesetzt.

Die andere Beteiligte hingegen machte aus dem Vorfall ein Geschäftsmodell. Sie brachte es fertig, sich als Opfer zu inszenieren – obwohl es keinen identifizierbaren Täter gibt. Den müsste es aber geben, sollte sie tatsächlich geschändet oder gar vergewaltigt worden sein, wie sie immer wieder insinuiert.

Damit ein intimes Geschehen zwischen zwei Erwachsenen zur Affäre, gar zum Skandal wird, braucht es einige Ingredienzien. Zwei unterschiedliche Auffassungen darüber, was sich abgespielt habe. Massenmedien, die davon Wind bekommen. Und ein Publikum, das voyeuristisch Anteil nimmt, Partei ergreift, jedes noch so unappetitliche Detail begierig aufsaugt – und gleichzeitig seinen Abscheu darüber bekundet.

Ein Mann wurde zu Unrecht beschuldigt

Bei solchen «er sagt – sie sagt»-Storys gibt es immer lebhafte Parteinahme. Der Mann, das Schwein, der Täter. Die Frau, das Opfer, das schuldig gesprochen werden soll. Oder umgekehrt, der Mann, das unschuldige Opfer eines Rufmords. Die Frau, die bösartig einen angetüterten Seitensprung weglügen will.

Dieses Thema –  hat er sie gegen ihren Willen oder war sie willig, bereute aber im Nachhinein – ist (Stichwort #metoo) dermassen aufgeladen mit gesellschaftlichen Konflikten bis hin zum Rollenverständnis von Mann und Frau, dass es kaum möglich ist, den Einzelfall als solchen zu betrachten. Schnell geht es um das grosse Ganze, um Sexismus, Unterdrückung der Frau, Männerherrschaft.

Auch ohne dass einer der Beteiligten aus einer intimen Annäherung ein Geschäftsmodell macht, ist es in der Öffentlichkeit kaum möglich, banale rechtsstaatliche Grundsätze in Erinnerung zu rufen. Die lauten hier: ein Mann wurde zu Unrecht der Schändung beschuldigt, zu Unrecht verdächtigt, er solle dafür k.o.-Tropfen benützt haben. Die Strafuntersuchung gegen den Mann wurde nach umfangreichen Ermittlungen, inkl. einer Nacht in U-Haft, eingestellt. Aber das ist blosse Theorie, schon während der medialen Aufarbeitung der Affäre war «es gilt die Unschuldsvermutung» nur eine leere Floskel.

Ein weiteres rechtsstaatliches Prinzip ist die Verwendung und Bewertung von Indizien, von Zeugenaussagen, von Umständen. Beide Beteiligten sagen bis heute, dass sie ab einem gewissen Zeitpunkt des Abends einen Filmriss gehabt hätten, sich an nichts mehr erinnern könnten, bis sie dann in ihrem jeweiligen Daheim aufgewacht seien.

Die Heisenbergsche Unschärferelation

Abgesehen von der Zeit, die die beiden unbeobachtet zusammen verbrachten und wo es zweifellos zu sexuellen Kontakten kam, gibt es aber genügend Zeugenaussagen über ihr Verhalten. Übereinstimmend wird von zunehmender Nähe berichtet, davon, dass die beiden sogar zur Ordnung gerufen wurden, weil sie ungeniert geknutscht hätten und man das im konservativen Zug zwischen zwei anderweitig verheirateten Menschen nicht gerne sah.

Die Beteiligte soll sogar kurz geflüchtet sein und gesagt haben, dass sie beide es nun verbockt hätten, alle hätten es gesehen und wüssten es nun. Es gibt ebenfalls Zeugenaussagen, dass die beiden gegen ein Uhr nachts gemeinsam ein Taxi bestiegen hätten, wobei keiner einen angeschlagenen, unkontrollierten oder betäubten Eindruck gemacht hätte.

Es ist völlig ungeklärt, was in den zwei Stunden zwischen der Abfahrt vom Fest und der vom Ehemann bezeugten Ankunft der Beteiligten geschehen ist. Normalweise dauert eine solche Taxifahrt nicht mehr als zehn, höchstens zwanzig Minuten.

Das ist bekannt, damit hätte es auch sein Bewenden haben können. Aber die Beteiligte – was ihr gutes Recht ist – setzte sich gegen die Berichterstattung zur Wehr und propagierte offensiv und aus eigenem Antrieb ihre Version des Ablaufs, bis hin zur Beschreibung intimster Details ihres Geschlechtslebens.

Durch das Granulieren des Ereignisses, durch unendliche Verästelungen in alles hinein, den Nachweis von Drogen, Alkohol, Geschlechtsverkehr, willig oder wehrlos, durch das unermüdliche Mahlen des Realitätssubstrats entstand das gleiche Phänomen wie in ähnlich gelagerten Fällen. Erinnert sei an die Affäre Kachelmann, wo sich das, was sich wirklich abgespielt haben mochte, wie in einer Heisenbergschen Unschärferelation verlor und auflöste. Oder der berüchtigte Toast Hawaii, wo das Herumbengeln auf einem einzelnen Glied einer Indizienkette sogar einen Mörder freischrieb.

Auch beim Vorfall während dieser Feier haben sich alle Indizien, Herleitungen, hat sich das Logisch-Plausible aufgelöst. Zwei Erwachsene kommen sich – wie genügend Zeugen bestätigen – an einem feuchtfröhlichen Fest näher, können nicht voneinander lassen. Knutschen ungeniert, ziehen sich zurück, tauchen wieder auf, wirken in keinem Moment derangiert, ausser Kontrolle, verhalten sich nicht wie ein Täter und sein Opfer, fahren gemeinsam im Taxi weg, verbringen nochmals Zeit miteinander. War der unbestreitbar stattgefundene sexuelle Kontakt einvernehmlich oder eine Schändung, eine Vergewaltigung gar? Kann es eine Tat ohne Täter geben? Gesunder Menschenverstand und Logik sagen das eine, die Beteiligte sagt das andere.

Mehr als das, sie gründete eine Organisation, die sich für Opfer von Belästigungen im Internet einsetzen will. Sie scharte einen Kreis von Fans und Anhängern um sich, die – oftmals aufgepeitscht von ihr – alle Kritiker ihrer Version des Geschehens wie ein hasserfüllter Mob verfolgten und beschimpften. Es entstand schnell einmal der typische Sektengroove: wer nicht für uns ist und unsere Heldin bewundert, ist gegen uns und böse.

Buchpublikation ausdauernd behindert

Die Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger wurde zum Lieblingshassobjekt, seit sie angekündigt hatte, die damaligen Ereignisse mit einem Buch aufzuarbeiten und darin insbesondere dem männlichen Opfer der Affäre Gelegenheit zur Erklärung zu geben.

Die Beteiligte setzte alle möglichen Hebel in Bewegung, um die Veröffentlichung dieses Buchs zu verhindern. Dabei geriet sie in die Fänge einer Anwältin, deren Selbstbewusstsein umgekehrt proportional zu ihren Fähigkeiten steht. Deren Honorarnoten exorbitant, ihre Erfolge für ihre Mandantin aber sehr überschaubar sind.

So gelang es ihr zwar, die Publikation des Buchs «Die Zuger Landammann-Affäre. Eine Recherche» um gut zwei Jahre zu verzögern, aber nicht zu verhindern. Auf sehr wackeligen Füssen steht auch ihre Klage nach Gewinnherausgabe gegen den Ringier-Verlag. Hier lehnte die Beteiligte ein Angebot zur Güte – 150’000 Franken Entschädigung, Entschuldigung plus zweiseitiges Interview mitsamt Werbung für ihre Organisation – ab. Schlecht beraten von einem Irrwisch, der behauptet, der Verlag habe mit seinen Artikeln über die Affäre einen Gewinn von rund einer Million Franken gemacht. Oder einen Umsatz, was für den Finanzlaien das Gleiche ist.

Zurechnungsfähige Berechnungen gehen von vielleicht 10’000 Franken aus. An diesem Beispiel zeigt sich, wie die Beteiligte immer mehr in einen von ihr nicht mehr kontrollierbaren Strudel von Folgewirkungen geraten ist. Der Verein und ihre rechtlichen Auseinandersetzungen brauchen Geld, dafür wurden immer wieder Spendenaktionen losgetreten. Die Buchhaltung des Vereins und das erratische und herrschsüchtige Verhalten der Beteiligten führte zum sofortigen Rücktritt zweier Vereinspräsidentinnen – und ihrer Nachfolgerin.

Inzwischen ist die Recherche von Binswanger erschienen, so mehr oder weniger. Es ist eine faktengetreue Darstellung all dessen geworden, was über die Affäre bekannt ist oder recherchiert werden kann. Das Buch wertet nicht, aber sein Inhalt macht sehr verständlich, dass die Beteiligte alle Hebel in Bewegung setzen will, seine Publikation zu verhindern. Laut der Autorin wird inzwischen auch ihr deutscher Verlag vom berüchtigten Medienanwalt Ralf Höcker bedroht. Da der genau wie die Schweizer Anwältin der Beteiligten für seine barocken Honorarnoten bekannt ist, erhebt sich wieder einmal die Frage, woher sie eigentlich all das Geld für diese Interventionen und Prozesse hat.

Hasserfüllte Kämpferin gegen Hass

Denn durch ihre Unbeherrschtheit und eigene Unfähigkeit verspielte sie sich sogar staatliche Subventionen, was angesichts der Sympathie amtlicher Stellen für ihre Anliegen erstaunlich ist. Kritiker daran, darunter sogar eine Ex-Präsidentin, wurden öffentlich diskreditiert und aus dem Verein ausgeschlossen – ein bei sektenähnlichen Gebilden typisches Vorgehen. Abgesehen von der Anerkennung einer Persönlichkeitsverletzung haben die Beteiligte und ihre Anwältin bislang alle Prozesse krachend verloren.

Um die Publikation dieses Buchs zu verbieten, rekurrierte die Anwältin sogar gegen eine peinliche Niederlage vor dem Bundesgericht – gegen das Bundesgericht beim Bundesgericht. Um unweigerlich eine weitere Klatsche abzuholen. Hier greift zunehmender Realitätsverlust um sich, ein klares Alarmsignal.

Während das männliche Opfer weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden ist und wohl auch durch diese Publikation nicht nochmal in den Fokus gerät, hält die Beteiligte mit der Behauptung, sie wolle eigentlich nur in Ruhe gelassen werden, mit ihren unermüdlichen Kampagnen auf den sozialen Plattformen und polemischen Stellungnahmen gegen alle ihre Kritiker sich selbst im Gespräch.

Auch wenn in der Öffentlichkeit zunehmend Ermüdungserscheinungen sichtbar werden; das hasserfüllte Verhalten der Kämpferin gegen Hass im Internet, ihre beratungsresistente Selbstgewissheit, die keinerlei Selbstkritik zulässt, stösst zunehmend ab.

Auf der anderen Seite hat sie diese Tätigkeit zu ihrem Lebensinhalt gemacht und ist auch finanziell davon abhängig. Also kann sie gar nicht aufhören, ist geradezu süchtig nach medialer Aufmerksamkeit.

Es bleiben nur Opfer zurück

Was auch immer in dieser Nacht in Zug geschah: es blieben zwei Opfer zurück. Eines wurde zuerst als Täter verdächtigt, dann von jedem Verdacht entlastet. Blieb zurück als beschädigtes Opfer ohne grosses Selbstverschulden. Die andere bezeichnete sich von Anfang an als Opfer, insinuierte zunächst, dass sie Opfer des namentlich bekannten männlichen Beteiligten sei. Als sich das nicht mehr halten liess, mutierte sie zum Opfer ohne Täter.

Sie glaubt dabei an Karma. In einer ihrer dunkelsten Stunden behauptete die Beteiligte vor laufender Kamera, dass zahlreichen ihrer Gegenspieler Übles widerfahren sei, Karma eben. Ein sie verleumdender Wirt habe einen schweren Unfall erlitten, ein gegnerischer Anwalt, «ein ganz, ganz böser Mensch, der ist sogar erschossen worden».

Sie spielte damit auf den «Weltwoche»-Anwalt an, der vor Gericht gegen sie angetreten war. Der wurde vor den Augen seiner Kinder als alleinerziehender Vater von einem Nachbarn getötet, worauf sich der Schütze das Leben nahm.

Solche Ausrutscher weisen darauf hin, dass sich die Beteiligte weitgehend in einer eigenen Welt verloren hat. Unabhängig davon, ob sie vor inzwischen 8 Jahren zum Opfer wurde oder nicht: seit vielen Jahren ist sie nun Opfer.

Opfer ihrer selbst.

SonntagsZeitung am Abgrund

Die aktuelle Ausgabe hat gute Chancen, als schlechteste aller Zeiten in die Geschichte einzugehen.

Ihr freiwilliger Beitrag für ZACKBUM

Es fängt schwach an, um dann stark nachzulassen:

Das sind die Schlagzeilen, auf die die Schweiz am Sonntag gewartet hat. Rösti ist der chancenreichste Kandidat für die Nachfolge von Ueli Maurer? Ein Primeur. Ein Brüller. Der Oberhammer. Damit war die SoZ sicherlich an vielen Orten ausverkauft.

Weil sich damit aber die nächsten zwei Seiten doch nicht restlos füllen lassen, werden dennoch die weiteren Kandidaten einem «Check» unterzogen. Ganze drei SVPler zieht das Blatt aus dem Hut, deren Wahlchancen: «mittel» bis «eher tief». Deren Eignung als Bundesrat: «genügend bis gut», «knapp genügend», «ungenügend». Aber schön, hatte es neben einem aussagelosen Riesenfoto auf der Seite noch Platz für diese wertvollen Informationen.

Dann eine Story über die Fraumünster-Posträuber (gähn) und ihre möglichen Verbindungen zur Mafia (doppelgähn). Eine Chance für Anwalt Valentin Landmann (nur noch gähn), etwas zur Verteidigung seines Mandanten zu sagen (schnarch).

Nachdem die NZZ den Publikumsschwund im Zürcher Schauspielhaus thematisierte und dafür ein zuschauerfeindliches Woke-Theater mit Verballhornungen von klassischen Theaterstücken verantwortlich machte, reicht die SoZ noch Mobbing-Vorwürfe nach. Abgeschrieben aus «Theater heute», wo ein Festangestellter über ein namentlich nicht genanntes Theater abblästert. Na ja.

Ein weiterer Höhepunkt als Tiefpunkt folgt auf Seite 15. Aufmacher: die Explosion auf der Verbindungsbrücke zur Krim. Mangels neuer Erkenntnisse ein Gähn-Stück. Aber nicht nur das. Der Autor Sebastian Gierke verdient sein Brot bei der «Süddeutschen Zeitung». SoZ-Eigenleistung: null. Daneben eine Meldung über das AKW in Saporischschja. Von der Agentur AFP. Eigenleistung null. Darunter eine Meldung über den Stillstand bei der Deutschen Bahn. Von der Agentur SDA. Eigenleistung null. Und dafür Geld verlangen?

«Endlich perfekt sehen auf nah und fern», verkündet ein redaktionell aufgemachter Artikel auf Seite 17. Nur: Das ist ein «Paid Post», ein «Commercial Publishing», zur Erlärung: «Commercial Publishing ist die Unit für Content Marketing». Für unsere reader, die des Englischen nicht so mächtig sind, you know: das ist ein bezahltes Inserat, das mit Hilfe von Tamedia möglichst ähnlich wie ein redaktioneller Artikel daherkommt.

Seite 17 beinhaltet eine echte Eigenleistung. Also die billigste Form des Journalismus: ein Interview. Mit «Christo Grotzev, Chefermittler von Bellincat». Nichts gegen dessen persönlichen Mut und seine investigativen Fähigkeiten. Aber kann er wirklich auch in die Zukunft schauen: «Wenn es so weitergeht, wird Putin innert eines Jahres stürzen». Wir merken mal den 9. Oktober 2023 vor …

Der Marianengraben im Pazifischen Ozean gilt mit knapp 12’000 Meter unter Meeresspiegel als tiefster Punkt der Erdoberfläche. Er wird neu konkurrenziert von Seite 20 der SoZ. «Keine Angst vor dem Älterwerden». Unter diesem Titel wird das Buch «Jetzt erst recht. Älterwerden für Anfängerinnen 2.0» rezensiert. Verfasserin ist die Tamedia-Redaktorin Silvia Aeschbacher. Lead: «Lebenshilfe. Sechs Jahre nach ihrem Bestseller «Älterwerden für Anfängerinnen» zeigt unsere Autorin in ihrem neuen Buch …»

Es ist inzwischen leider nicht unüblich, dass Bücher von Redaktoren im eigenen Blatt – überraschungsfrei wohlwollend – rezensiert werden. Hier allerdings wurde das in einer Art tiefergelegt, die den Marianengraben als seichte Pfütze erscheinen lässt. Denn die Rezensentin des Buchs von Aeschbacher ist – Aeschbacher selbst. Die schreibt dann über ihr Buch, also über sich selbst: «Ich selbst empfinde meinen Alltag nicht mehr wie früher ..

Sie schreibt aber nicht über Schamgrenzen, Peinlichkeiten, über Lächerlichkeit und den Versuch, jeden Anspruch auf ernsthafte Leserunterhaltung oder -belehrung aufzugeben. Da ihr selbst (und auch niemandem sonst in diesem Qualitätsmedium) auffällt, wie schräg, schreiend unkomisch als Leserverarschung das daherkommt, bleibt nur noch Fremdschämen. Redaktoren schreiben über sich selbst, ihren Bauchnabel, ihre Befindlichkeiten, ihre persönlichen Ergebnisse, ihre Haustiere, ihre Leseerlebnisse, ihre Filmeindrücke, ihre liebsten Kochrezepte und Lokale. Jetzt auch noch über ihre eigenen Bücher? Gut, wenn die Literaturchefin Nora Zukker heisst, ist das vielleicht besser so. Aber gut ist’s nicht.

Das alles ist so grottenschlecht, dass wir als kleinen Lichtblick «Die andere Sicht von Peter Schneider» zeigen müssen; immerhin lustig:

Als wäre das der SoZ auch unangenehm aufgefallen, will dieser Lichtblick von einem Gemäkel der sonst nicht schlechten Bettina Weber ergänzt: «Der Fluch der weissen Turnschuhe». Eher der Fluch: mir ist auch gar nichts eingefallen, aber ich bin dran. Nebendran führt Historiker Markus Somm seine historischen Kenntnisse spazieren, womit Schneider genügend eingenordet wäre.

ZACKBUM hat schon öfter bemängelt, dass einem auch inhaltlich immer dünnerem Textanteil immer grössere und meist aussagelose Fotos beigestellt werden. Aber das hier schlägt alles bislang Dagewesene:

Das Foto der Fairtrade-Chefin füllt Vierfünftel der Seite aus, daneben bleibt nur noch Platz für eine Textspalte. Wurde hier ein Artikel aufgeblasen, musste eine Doppelseite gefüllt werden? Jammert die SoZ nicht sonst über schrumpfende Umfänge? Ist auch das peinlich.

Schliesslich rezensiert im Gesellschaft-Bund Michèle Binswanger ihr eigenes Buch über die Zuger Spiess-Hegglin-Affäre. Wir erfahren endlich, was sich in der Captain’s Lounge wirklich abspielte, als die beiden Politiker in den dunklen Raum taumelten, um …

Nein, Scherz, sie rezensiert das neuste Buch von Richard David Precht. Der einstige Medienliebling wird in Deutschland in der Luft zerrissen, weil er zusammen mit dem Sozialpsychologen Harald Welzer zunehmendes Blasendenken und Gesinnungsterror in den Mainstream-Medien kritisiert.

Immerhin mit der nötigen Distanz, die man hat, wenn man das Buch nicht selbst geschrieben hat …

Bis in kleine Details macht sich die SoZ lächerlich. So preist sie die «kniehohen Gummistiefel des dänischen It-Labels Ganni» an. Die Gummierten sorgten für trockene Füsse, allerdings auch für feuchte Augen, wenn man den Preis hört, den die SoZ wohlweislich verschweigt: 270 Franken für ein wenig Gummi. Will man’s aus Leder (und noch hässlicher), dann ist man mit 420 Franken dabei.

Wir wollen, wir müssen noch das TV-Programm lobend erwähnen. Ein Lichtblick in der SoZ von konzisem, genauem und informativem Journalismus.

 

Die Brotz-Bronca

Spanisch für Krakeel, Gefuchtel und Geschrei.

Endlich mal eine Ablenkung vom Überthema. SVP-Nationalrat Thomas Aeschi sagt etwas Blödes. Aus einer mutmasslichen Vergewaltigung durch zwei afrikanische Flüchtlinge mit ukrainischem Pass, begangen an einer ukrainischen Flüchtigen, macht er einen Indikativ Plural. Und damit wird’s zum rassistischen Schwachsinn.

Das wiederum bringt die Grünen in die Gänge. Ihre NR-Präsidentin hat’s verschnarcht, Aeschi zu rügen, dafür boykottiert die Fraktionschefin die «Arena», weil dort auch Aeschi auftreten durfte. Politischer Schwachsinn.

Sandro Brotz, notorischer SVP-Basher, nimmt sich dann Aeschi zur Brust:

«Was Sie gesagt haben, ist rassistisch. Punkt. Ausrufezeichen.»

Das wiederum löst eine neuerliche Debatte aus. Über Brotz mangelhafte Kenntnisse der Interpunktion? Nein, ob er so oberlehrerhaft einen Politiker zusammenfalten darf oder nicht.

«Ein reines Schmierentheater», so teilt der Politchef von Tamedia in alle Richtungen aus. Denis von Burg watscht gerecht alle ab. Aeschi: «unappetitliches Süppchen» gekocht. «Arena»-Boykott von Aline Trede: «undemokratisch und auch nicht klug.» Schliesslich: «Brotz hat auf billige Weise Quoten gebolzt.»

Michèle Binswanger wäscht dann Brotz nochmal die Kappe: «Der Moderator auf Abwegen» bestätige «jedes Anti-SRG-Klischee». Nicht nur in der Sendung, auch auf Twitter betrachte Brotz gerne seinen eigenen Bauchnabel: «Eitelkeit ist zwar ein in Journalistenkreisen weitverbreitetes Laster. Aber diesmal ist Brotz zu weit gegangen.»

Brotz tritt den Beweis für alle Vorwürfe an

Als wolle er ihren Vorwurf beweisen, haute Brotz auf diesen kritischen Artikel von Tamedia gleich eine Salve von Tweets raus. Als beleidigte Leberwurst. Er räumte zwar ein, dass ihm Binswanger Gelegenheit zur Stellungnahme gab, auf die er aber 24 Stunden lang nicht zu reagieren geruhte. Aber: «Dann hast du deinen Text rausgehauen. Ohne mit mir zu reden. Ich kann damit umgehen. Bin mir deine „Recherche“ im Weltwoche-Stil gewohnt. Du magst finden: Brotz teilt aus, dann muss er auch einstecken. Fair enough. Nur hat das nichts mehr mit Journalismus zu tun.»

Tschakata. Also der Herr Journalist mag nicht antworten, aber dann beschwert er sich darüber, dass man nicht mit ihm habe reden wollen und will seinerseits Binswanger damit beleidigen, dass sie im «Weltwoche-Stil» recherchiere, was immer das sein mag. Also wer nicht geduldig wartet, bis Brotz dann doch ein Momentchen in seinem übervollen Terminkalender findet, betreibe keinen Journalismus mehr. Was für ein Haudrauf, der Moderator.

Apropos, keiner geht auf den «Weltwoche»-Kommentar des ausgewiesenen Recherchierjournalisten Alex Baur ein, der konstatiert: «Doch bei diesem Exzess geht es um mehr als Parteilichkeit: Sandro Brotz stellt sein Ego über seinen Auftrag

Weitere Journalisten beteiligen sich an der Schlacht

Auch die NZZ mischt sich ein und kritisert kühl einen «politisch aufgebauschten Rassismus-Streit». Katharina Fontana stösst den NZZ-typischen ordnungspolitischen Zwischenruf aus: «Die Rassismusdiskussion, die seit ein paar Tagen läuft, trägt so hysterische wie heuchlerische Züge.» Aeschi ist daneben, die Reaktion der Grünen ebenfalls, und Brotz, nun, «das öffentlichrechtliche Fernsehen scheint neuerdings auch ein Tribunal zu sein».

Haben wir uns dann alle wieder beruhigt? Keinesfalls, es fehlt noch Sandro Benini aus dem Hause Tamedia. Er nimmt sich Kollegin Binswanger zur Brust und stellt schon im Titel klar:

Denn: «Hinter der Kritik an Brotz steckt die Vorstellung, ein Moderator müsse ausserhalb der Sendung funktionieren wie ein Kaffeeautomat: möglichst geräuschlos in einer Ecke stehen und nur etwas absondern, wenn man ihn drückt – aber dann immer genau die gleiche Menge in identischer Qualität und immer mit der gleichen Temperatur.»

Much ado about nothing, hätte Shakespeare gesagt, wäre ihm dieses Gezänke überhaupt eine Bemerkung wert gewesen. Medienschaffende äussern sich zu Medienschaffenden, die sich wiederum zu Medienschaffenden äussern, was dann von anderen Medienschaffenden bewertet wird.

Am Schluss ist dann auch die SVP sauer und will bis auf Weiteres nicht mehr in der «Arena» auftreten.

Ach so, eigentlich ging es um den Krieg in der Ukraine. Aber der ist doch lange nicht so wichtig wie die Betrachtung des eigenen und fremder Bauchnäbel.

 

 

 

 

Nächste Klatsche für JSH

Sie hat nun auch vor Bundesgericht verloren.

Zwei voneinander unabhängige Quellen haben ZACKBUM informiert: Das oberste Schweizer Gericht hat das Urteil des Zuger Obergerichts bestätigt. Das von einer Tamedia-Journalistin geplante Buch über die Ereignisse an einer Zuger Politikerfeier anno 2014 kann veröffentlicht werden. Darin soll vor allem die Perspektive des zweiten Beteiligten an dieser Affäre geschildert werden.

Es wurde Geld gesammelt, unter anderem von «Fairmedia». Es wurde getönt, dass Jolanda Spiess-Hegglin das Urteil der zweiten Instanz unbedingt ans Bundesgericht weiterziehen wolle. Müsse.

Denn das Zuger Obergericht hatte die medienrechtlich problematische Massnahme, ein noch nicht geschriebenes Buch präventiv zu verbieten, gekippt. Mit einer glasklaren und logischen Begründung.

Das Bundesgericht ist in solchen Fällen nur dafür zuständig, nochmals zu überprüfen, ob alle Rechtsvorschriften eingehalten wurden. Es geht normalerweise nicht mehr materiell auf das Urteil der Vorinstanz ein.

Kann ein Buch präventiv verboten werden?

Bei dem ganzen Streit geht es darum, ob die Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger ein lange geplantes Buch über die berüchtigte Landammann-Feier in Zug schreiben darf. Dort war es überparteilich zu Übergriffen gekommen. Spiess-Hegglin hatte anschliessend daraus ein Geschäftsmodell gemacht und unter anderem den Verein «Netzcourage» gegründet.

Damit erlangte sie nationale Bekanntheit, bekam auch staatliche Unterstützung. Die hat sie sich nun selbstverschuldet wieder abgeschraubt. In letzter Zeit musste die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet diverse Nackenschläge einstecken.

Die Berufungsverhandlung gegen Ringier wurde haushoch und vollständig verloren. Der Prozess wegen Gewinnherausgabe dürfte auf ein neues Desaster hinauslaufen. Ihr Sprachrohr Pascal Hollenstein wurde zackbum bei CH Media entsorgt; man einigte sich auf eine sofortige «Auflösung» des Vertrags. Gründe? «Stillschweigen vereinbart

Nun offenbar auch noch das: mit allen Mitteln versuchte JSH zu verhindern, dass Binswanger ihre Recherchen über die Sichtweise des zweiten Beteiligten an dieser angeblichen Schändung publiziert. Sie unterstellte der Journalistin, dass damit unbezweifelbar eine Rufschädigung, eine Persönlichkeitsverletzung einherginge, die irreparablen Schaden verursachte und deshalb verboten werden müsse.

Ein Zuger Einzelrichter stimmte ihr zu und erliess eine superprovisorische Verfügung, die er später in eine Massnahme umwandelte, die Binswanger diverse Themenbereiche verbot. Das bedeutete, dass das Buch nicht erscheinen konnte.

Vergeblich ans Bundesgericht weitergezogen

Das Zuger Obergericht korrigierte dann diese Fehlentscheidung. Dagegen wandte sich Spiess-Hegglin ans Bundesgericht und war samt ihrem kleiner werdenden Fanclub euphorisch, als das oberste Schweizer Gericht verfügte, dass die vorsorgliche Massnahme bis zu seiner Urteilsverkündung aufrecht erhalten bleibe.

Das wurde als Indiz missinterpretiert, dass JSH hier obsiegen könnte. Dabei war es nur logisch; das Bundesgericht wollte verhindern, dass das Buch vor der Urteilsverkündung erscheinen könnte, was ein allfälliges negatives Verdikt sinnlos gemacht hätte.

Aber nun ist diese juristische Irrfahrt beendet. Das Urteil des Obergerichts bleibt gültig, das Buch kann endlich publiziert werden. Nach all diesem Tamtam dürfte es zu einem Bestseller werden. Ausser, die Öffentlichkeit hat von diesem Thema und ihrer Exponentin endgültig die Nase voll.

Es bleibt die Frage, wieso dafür Geld gesammelt werden musste. Und es bleibt die Frage, wieso die Anwältin von Spiess-Hegglin ihre Mandantin nicht vor all diesen Niederlagen schützt, indem sie ihr abrät, sich in solch aussichtslose Schlachten zu werfen.

Sollte nun auch noch der Kampf um eine Gewinnherausgabe wie das Hornberger Schiessen enden und eine minimale Summe herausschauen, dann muss eine neuerliche Spendensammlung lanciert werden. Damit JSH ihre Anwältin bezahlen kann.

Spiess-Hegglin: nächste Klatsche

Nachdem sie schon in anderer Sache vor dem Zuger Obergericht vollständig verlor, nun eine teure Niederlage gegen eine Tamedia-Redaktorin.

Es ist kein Anlass zu Häme, aber eine beruhigende Wiederherstellung der Rechtsordnung im Medienbereich.

In einem skandalösen Fehlurteil hatte ein Zuger Richter zuerst in einer superprovisorischen Verfügung, die dann sogar in eine Massnahme umgewandelt wurde, präventiv ein geplantes Buchprojekt über die leidlich bekannte Zuger Affäre verboten.

Genauer hatte er die Behandlung ganzer Themengebiete wie beispielsweise Alkoholkonsum untersagt, die aber für eine Aufarbeitung eines Sexualkontakts während einer Politikerfeier in Zug nötig wären. Während solche Superprovisorische gegenüber geplanten Artikeln immer wieder verhängt werden, betrat er damit Neuland, was ein noch nicht geschriebenes Buch betrifft.

Glücklicherweise hat nun das Zuger Obergericht korrigierend eingegriffen und mit klaren Worten diese Fehlmassnahme aufgehoben. Allerdings brauchte es fast genau ein Jahr, um zu diesem naheliegenden Entscheid zu kommen.

Kein Anlass, eine neuerliche Persönlichkeitsverletzung zu befürchten

Zwar sei die Veröffentlichung des «Blick» zum Thema Landammannfeier persönlichkeitsverletzend gewesen – der einzige Erfolg vom juristischen Feldzug Spiess-Hegglins bislang – aber:

«In den seither vergangenen sieben Jahren haben vielmehr andere Faktoren – etwa diverse öffentliche Gerichtsverfahren und die Medienarbeit von Jolanda Spiess-Hegglin selbst – diese Ereignisse allgemein bekannt gemacht und vor allem bekannt gehalten.»

Damit legt das Gericht den Finger auf den grössten Schwachpunkt der Position von Jolanda Spiess-Hegglin, die sich ständig über das Eindringen in ihre Privatsphäre beklagt, das aber damit selbst unermüdlich in der Öffentlichkeit hält und mit äussert fragwürdigen Aktionen wie der Denunziationsplattform «netzpigcock» auf sich aufmerksam macht.

In seiner 33-seitigen sorgfältigen Urteilsbegründung zerfetzt das Zuger Obergericht unter anderem einen zentralen Punkt der Behauptungen der Anwältin von Spiess-Hegglin:

«Diese verweist in der Berufungsantwort auf anonyme Quellen und behauptet neuerdings, sie wisse, dass das Manuskript der Gesuchsgegnerin bereits vorliege, es viele «intime und private Schilderungen» enthalte und die Gesuchsgegnerin an zahlreichen Stellen «spekuliere». Mit dieser Behauptung ist sie nicht zu hören. Im Rahmen der Beweis- bzw. Glaubhaftmachungslast trägt die Gesuchstellerin auch die Behauptungslast und hat demzufolge die Anspruchsvoraussetzungen zu substanziieren.»

Auf Deutsch: Diese Hilfsbehauptung müsste belegt und damit allenfalls auch bestreitbar vorgetragen werden; einfaches Behaupten ist lachhaft.

Das wird langsam ziemlich teuer …

Spannendes Juristenfutter wird nun, ob ein allfälliger Weiterzug ans Bundesgericht aufschiebende Wirkung haben könnte, also das Publikationsverbot weiterhin aufrecht erhalten bliebe.

Besonders schmerzlich muss für Spiess-Hegglin sein, dass das Gericht ihr Kosten von insgesamt 48’000 Franken auferlegte. Dazu kommen noch die sicherlich happigen Honorarnoten ihrer Anwältin, die zwar von Niederlage zu Niederlage prozessiert, aber dafür natürlich auch Rechnung stellt.

Unverdrossen hat sie bereits angekündigt, dieses Urteil ans Bundesgericht weiterzuziehen, obwohl die Aussichten, hier einen formalen Fehler erfolgreich zu bemängeln, minim sind. Der einzige Vorteil dieser weiteren Geldverschwendung: das Urteil des Zuger Obergerichts ist damit noch nicht rechtskräftig.

Merkwürdige Preisverleihung

Dass Spiess-Hegglin nebenbei soeben einen Preis für ihre Denunziationmaschine mit dem putzigen Namen «netzpigcock» verliehen bekam, ist eine weitere Peinlichkeit.

Anlass zur Häme ist, dass sich auch im Licht dieses Urteils die Veranstalter des #fembizswissawards mit der Verleihung an Spiess-Hegglin für ihr «NetzPigCock-Tool» in der Kategorie «Innovation» ziemlich lächerlich gemacht haben. Neben der Initiatorin Tijen Onaran ist wie meist, wenn ein Fettnäpfchen herumsteht, auch Patrizia Laeri dabei. Die Mitglieder der Jury sollten sich vielleicht ihr Engagement nochmals überlegen, ebenfalls die namhaften Partner, die auf das Buzzword Frauen und Business hereingefallen sind.

Wenn frau krampfhaft auf lustig machen will …

Spiess-Hegglin selbst bleibt überraschungsfrei unbelehrbar: «Das Gericht kommt zum Schluss, dass meine Intimsphäre nun zum Allgemeingut gehört, gerade weil ich mich gegen die krasse Verletzung dieser Intimsphäre juristisch und öffentlich gewehrt habe.»

Das ist verständlich, wenn man diese Obsession zum Lebensinhalt und zur Geschäftsgrundlage auf #netzcourage gemacht hat. Aber was meint denn nun der ehrenamtliche Lautsprecher von Spiess-Hegglin, der Heuchler Pascal Hollenstein, der auch schon mal eine Sperrfrist bricht, um der Erste zu sein, der einen angeblichen Triumph von Spiess-Hegglin vermeldet, der in Wirklichkeit eine krachende Niederlage war?

Natürlich versucht er – als leuchtendes Vorbild journalistischer Objektivität – dieses Urteil runterzumachen: «Das Zuger Obergericht hebt vorsorgliche Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Spiess-Hegglin auf.»

Diese Version wird dann aber schnell so verändert: «Gericht hebt vorsorgliche Massnahmen auf und gibt Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger recht.»

Offenbar ist es der journalistischen Leiter nach unten selbst aufgefallen, dass es bei der nun aufgehobenen erstinstanzlichen Massnahme keinesfalls um einen Schutz der Persönlichkeitsrechte ging – sondern um eine unerhörte präventive Zensurmassnahme ohne Beispiel.

Woher soll das Geld für all die Rechnungen kommen?

Auch Hollensteins Aufzählung der wenigen Erfolge von Spiess-Hegglin gegen den «Blick» und die «Weltwoche» ändert ja nichts daran, dass Spiess-Hegglin seither eine Klatsche nach der anderen einstecken muss. Ihre letzte finanzielle Hoffnung ist nun noch die Klage auf Gewinnherausgabe gegen den Ringier-Verlag. Da gibt es aber nur die absurde Hochrechnung des Geldverrösters Hansi Voigt, der mal kurz Umsatz und Gewinn gleichsetzt und behauptet, Ringier habe mit seinen Artikeln über den Vorfall rund eine Million Franken Umsatz – oder Gewinn – gemacht.

Ernstzunehmende Internet-Kenner gehen eher davon aus, dass es sich insgesamt um allerhöchstens 10’000 Franken handeln könnte. Selbst wenn Spiess-Hegglin eine solche Summe erstreitet: das würde nicht mal einen Bruchteil ihrer Anwaltskosten decken …

Selbstzerstörung?

Die «Republik» setzt wieder zum Rekordversuch an: wie tief runter geht’s im Journalismus?

Die wohlbezahlte Crew gönnt sich ein paar Tage Szenenwechsel: «Wir sind dann mal weg. Die Republik-Crew verabschiedet sich ab Montag für einige Tage in die Berge.»

Eigentlich sollte man davon nicht viel merken; so viele der Artikel sind inzwischen eingekauft. Aber zuvor riskiert Daniel Ryser seine Reputation. Dazu brauchte er genau 23’477 Anschläge:

Wer diskreditiert wen?

Daniel Ryser hat ein mit starken Worten aufgepumptes Thesenstück abgeliefert. Er stellt die Frage: «Was sagt das über den Zustand des Schweizer Journalismus?» Das ist eine gute Frage, ZACKBUM hat Ryser insgesamt 25 Fragen gestellt; er hat bis Montagmittag Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Schon das unterscheidet seriösen Journalismus von seinen Methoden.

Im Sinne von Transparenz publizieren wir diese Fragen hier und heute; selbstverständlich morgen auch die Antworten von Ryser. Sollte er sich dazu aufraffen.

Sie schreiben einleitend, «diese Geschichte muss präzis erzählt werden, aus Fairness gegenüber Spiess-Hegglin …».
Das finde ich ein löbliches Ansinnen, sicher beziehen Sie diese Fairness auch auf alle anderen Beteiligten (hoffe ich). Da ich mich auch ein wenig mit dieser Affäre beschäftigt habe, überrascht mich allerdings die Anzahl von Ungenauigkeiten, Auslassungen, Übertreibungen und auch Fehlern in Ihrem Artikel.
Ich frage mich, ob das ein Akt der Selbstzerstörung Ihres Rufs als akkurater Rechercheur sein soll. Aber ich bin zwar Doktor, jedoch kein Psychiater. Daher möchte ich Ihnen gerne Gelegenheit geben, auf folgende Fragen zu antworten:

1. Ihr Titel lautet «Die Zerstörungsmaschine». Sie wollen damit insinuieren, dass es sich bei Tamedia darum handle, und das Ziel sei, zu zerstören, mutmasslich Spiess-Hegglin. Im Artikel mokieren Sie sich darüber, dass Michèle Binswanger wiederholt mit solchen Metaphern von Zerstörung und Hinrichtungen arbeitet. Wie erklären Sie diesen eklatanten Widerspruch?

2. Sie schreiben von einem «extremen medialen Druck», der aufgebaut worden sei. Ausser, dass der SVP-Amok Glarner eine Forderung erhoben hat: worin genau besteht dieser extreme Druck?

3. Sie schreiben, Spiess-Hegglin sei schon vor sieben Jahren zum «Opfer einer Medienkampagne» geworden. Damit spielen Sie offensichtlich auf die damalige Berichterstattung der Ringier-Medien an. Die beschränkte sich aber auf die Darstellung der Ereignisse rund um die inzwischen berüchtigte Zuger Feier. Worin soll damals die «Kampagne» bestanden haben?

4. Sie schreiben, dass Ringier dafür Genugtuung zahlen musste und sich entschuldigte. Warum lassen Sie aus, dass Spiess-Hegglin in zweiter Instanz auf ganzer Linie verloren hat, lediglich die Persönlichkeitsverletzung wurde aufrechterhalten? Genugtuung, Entschädigung wurden deutlich gekürzt, die Forderung von Spiess-Hegglin nach öffentlicher Entschuldigung zurückgewiesen. Ringier hat sich dann NACH diesem gewonnenen Prozess freiwillig entschuldigt. Wäre eine solche faktengetreue Darstellung nicht korrekter und fairer gewesen?

5. Sie schreiben, das Zuger Kantonsgericht habe eine superprovisorische Verfügung gegen Binswanger bestätigt. Wäre es nicht fairer gewesen, zu erwähnen, dass der gleiche Richter, der diese Superprovisorische erliess, sie dann als Massnahme bestätigte? Wogegen schon längst ein Rekurs beim Zuger Obergericht läuft, was sie auch zu erwähnen unterlassen.

6. Sie fahren fort, dass gegen Binswanger ein Strafbefehl erlassen worden ist. Sie erwähnen zwar, dass dagegen Einspruch eingelegt wurde, führen aber die Begründung von Tamedia nicht an. Wäre das aus Gründen der Fairness nicht geboten gewesen?

7. Da Sie sich nicht kritisch über diese skandalöse Superprovisorische gegen ein noch nicht vorliegendes Buch äussern, kann man davon ausgehen, dass Ihnen ein solch gravierender Verstoss gegen Presse- und Meinungsfreiheit egal ist, solange er sich gegen eine Person richtet, mit der Sie nicht gerade sympathisieren?

8. Sie behaupten, dass die TX Group «ihre erdrückende Meinungsmacht dazu einsetzt, die Interessen des Konzerns oder einzelner Konzern-Journalisteninnen zu vertreten». Können Sie dafür, ausser polemischen Behauptungen, auch nur einen einzigen Beleg anführen? Dass Tamedia juristisch eine Mitarbeiterin verteidigt, kann man wohl kaum als Beweis werten, oder nicht?

9. Sie behaupten weiterhin pauschal, dass diese neue «Kampagne» von «Verzerrungen, Falschbehauptungen und Unterschlagungen» geprägt sei. Spiess-Hegglin selbst hat in ihrer Gegendarstellung lediglich zwei Punkte moniert, wogegen Tamedia in einem Punkt an seiner Darstellung festhält. Ihre drei Anschuldigungen im Plural, worauf stützen die sich dann?

10. Sie behaupten, die Medienmacht Tamedia würde «mit allen ihr zur Verfügung stehender Macht selber «canceln»». Was meinen Sie damit, das ist unverständlich. Was genau «cancelt» Tamedia?

11. Sie führen weiter den Artikel von Binswanger über eine Flugbegleiterin an, als Beispiel eines peinlichen «handwerklichen Fehlers». Sie beziehen sich dabei auf eine flüchtige Recherche vom «Megafon» und bauschen die zu einem «journalistischen GAU» für Binswanger auf. Da ich im Gegensatz zu «Megafon» und sicher auch Ihnen mit dieser Flugbegleiterin gesprochen habe und mir ihre Sicht der Dinge bezüglich Nasenprobleme darlegen liess (was ich jedem Rechercheur empfehlen würde): Die Story stimmte; die etwas wirren Aussagen der Flugbegleiterin im Netz haben damit überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil, was sagen Sie als angeblich seriöser Journalist dazu, wenn man mit diesen Methoden Rufmord bei einer Person verübt, die mit einem ganz anderen Problem an die Öffentlichkeit ging?

12. Die Geschichte sei zusammengebrochen, behaupten Sie weiter. Tun Sie das wider besseres Wissen oder gar absichtlich? Haben Sie vor, diese falsche Tatsachenbehauptung zu korrigieren?

13. Dann setzen Sie zu einer nachträglichen Rechtfertigung der völlig inakzeptablen «Karikatur» an. Obwohl die von den Urhebern selbst gelöscht wurde, verteidigen Sie sie als die «satirische Darstellung des Selbstbildes einer Journalistin». Ernsthafte Frage: Ist das wirklich Ihr Ernst?

14. Halten Sie die Strafanzeige des «Tages-Anzeiger» gegen die anonymen Feiglinge vom «Megafon» für falsch? Was halten Sie überhaupt davon, auf diesen Aspekt gehen Sie nicht ein, dass hier anonyme Schmierer dummdreist Stimmung machen wollen, dann aber selbst zurückkrebsen?

15. Wenn Sie fair recherchiert haben, wissen Sie, dass Spiess-Hegglin immer wieder mit grenzwertigen Äusserungen auffällt, ein Höhepunkt war die Nominierung von Alex Baur für die «Arschloch des Monats»-Trophy. Es handelt sich also beim Liken des Kopf-ab-Tweets nicht um einen einmaligen Ausrutscher. Wieso erwähnen Sie das der Fairness halber nicht?

16. Sie stellen die Frage, ob Arthur Rutishauser, der «scheinbar so liederlich mit journalistischen Grundsätzen» umgehe, noch tragbar sei. Das «scheinbar» ist wohl juristischen Bedenken geschuldet, aber abgesehen davon: angesichts all dieser Liederlich- und Schludrigkeiten, die Ihnen hier unterlaufen sind, halten Sie sich selbst dann noch für tragbar?

17. Sie wollen einen Dreierbund zwischen Andreas Kunz, Lucien Scherrer und Alex Baur unterstellen und begründen das mit gemeinsamer Vergangenheit oder der Tatsache, dass Kunz Mieter bei Baur ist. Ist das wirklich Ihr Ernst? Haben Sie Belege dafür, dass es da Absprachen gibt? Oder dass Baur bspw. Kunz mit Kündigung gedroht hätte, sollte der nicht gegen Spiess-Hegglin schreiben? Wenn nicht, wieso behaupten Sie dann so einen Unsinn?

18. Sie geben Greta Gysin ausführlich Gelegenheit zur Stellungnahme. Wieso gehen Sie mit keinem Wort auf deren arrogante und sackfreche Antwort auf Fragen des für die Subventionierung des Vereins zuständigen Amtes ein? Wäre das nicht sinnvoll gewesen, Gysin mit diesen Antworten zu konfrontieren, statt ihr kritiklos Gelegenheit zum Jammern zu geben?

19. Sie behaupten, in der «Aargauer Zeitung» sei ein Text erschienen, der darlege, was in der «Sonntagszeitung» bis dato «alles falsch« sei. Haben Sie diesen Text wirklich gelesen? Was genau kann der belegt als «falsch» bezeichnen?

20. Sie schreiben gegen Schluss, dass Spiess-Hegglin vor Gericht gegen Ringier gewonnen habe. Wieso unterschlagen Sie dabei, dass sie im Rekursverfahren mit allen ihren Anträgen gescheitert ist? Wieso unterschlagen Sie, dass Ringier ihr eine bedeutende Genugtuungssumme und eine Entschuldigung angeboten hatte, was von Spiess-Hegglin aber zurückgewiesen wurde?

21. Wieso unterschlagen Sie, dass Spiess-Hegglin, gestützt auf eine absurde Berechnung von Hansi Voigt, von Ringier insgesamt eine Gewinnherausgabe von einer runden Million Franken erstreiten will?

22. Wieso erwähnen Sie mit keinem Wort die mehr als zweifelhafte Absicht der Plattform «netzpigcock»?

23. Wieso haben Sie die mehr als undurchsichtigen finanziellen Hintergründe von «#netzcourage» und weiteren Organisationen, in die Spiess-Hegglin verwickelt ist, nicht untersucht?

24. Sie behaupten, nach Ringier führe nun auch Tamedia «eine Kampagne gegen diese Frau», dabei «aus politischen Motiven» flankiert von der «Weltwoche». Glauben Sie wirklich im Ernst, es gebe zwischen Tamedia und WeWo gemeinsame Absichten? Wenn ja, womit wollen Sie das belegen?

Vielleicht fällt Ihnen selber auf, Herr Ryser, dass Ihrem Artikel Fairness, Ausgewogenheit und vertiefte Recherche schmerzlich abgeht.

Daher noch eine letzte Frage:

25. Haben Sie Arthur Rutishauser, Michèle Binswanger, Alex Baur, Andreas Kunz oder Lucien Scherrer vor Publikation Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben? Wenn nein, warum nicht?

Gerne gibt Ihnen ZACKBUM Gelegenheit, hier Stellung zu nehmen; wir erwarten deren Eingang bis spätestens Montag, 9. August 2021, 12.00 Uhr mittags und danken bereits im Voraus.

Es darf gelacht werden: Feuer frei!

Knellwolf, übernehmen Sie! Es gibt noch mehr Gefahr, die von dieser Aufforderung zur Gewalt ausgeht.

Alles ist relativ. Ein SVP-Politiker, der sich nicht unbedingt nationaler Bekanntheit erfreut, verwendete in einer rund 100 Nasen umfassenden Chatgruppe den Spruch «Feuer frei!», um zur Gegenwehr gegen eine Forderung des Bundesamts für Gesundheit aufzurufen.

Das zwirbelte das Blatt der sensiblen Gewaltfreiheit zur Coverstory hoch und warnte in insgesamt drei Artikel davor, dass das brandgefährlich sei. Solche virtuellen Aufrufe könnten schnell real missverstanden werden, und dann könnte auf das BAG geschossen werden. Mit echten Kugeln.

Aber Thomas Knellwolf als ehemaliger Recherchier-Journalist hat natürlich nur an der Oberfläche gekratzt. Da wäre zum Beispiel die deutsche Band «Rammstein» mit ihrem Song «Feuer frei!». Schockierend: der wurde alleine auf YouTube bislang rund 140 Millionen (!) Male aufgerufen. Fast 600’000 Fans gaben ihm ein Daumen hoch.

Bitte nicht nachmachen: Videoclip von «Rammstein».

Wenn man sich vergegenwärtigt, was für ein Gewaltpotenzial hier wie Magma unter der Oberfläche brodelt: Knellwolf, es besteht dringlicher Handlungsbedarf. Das ist Faktor 1,4 Millionen mal mehr Gefährdungspotenzial als beim Aufruf zur Gewalt der SVP!

Hemmungslose Feuerorgie auf der Bühne. Ist das noch Kunst?

Es ist ja nicht nur der Schiessbefehl im Titel des Songs, auch das Lied selber enthält genügend Munition, um einem Knellwolf die Schweissperlen der Angst auf die Stirne zu treiben:

Wann fallen die ersten Schüsse, bei diesen Songzeilen?

Es ist bedauerlich, dass man einem so ausgewiesenen Recherchier-Journalisten weitere Fundstücke nachtragen muss:

Ein gut getarnter Aufruf zur Gewalt. Anleitung für Pyromanen.

Zumindest die Webseite im Aufbau könnte noch durch ein beherztes Eingreifen von Tamedia verhindert werden; dass selbst die NZZ, ja gar der Limmattaler mit dem Feuer spielt, ist so bedauerlich wie traurig; es wirft ein Schlaglicht auf den Sittenzerfall in unserer Gesellschaft, der nicht erst gestern begonnen hat.

Vielleicht könnte Tamedia – mit oder ohne Knellwolf – sein Recherche-Desk endlich mal für etwas Konstruktives einsetzen. Statt sinn- und zwecklos gestohlene Geschäftsunterlagen durchzuflöhen und absurd übertriebene Behauptungen aufzustellen, auf welche Abgründe man da wieder gestossen sei, wäre es doch verdienstvoll, der Gewalt im Internet den Kampf anzusagen.

«Feuer frei!» gegen «Feuer frei!», sozusagen. Die Folgen wären so unabsehbar wie segensreich. Endlich würde ein alter Traum wahr, Tamedia würde ein bisschen Frieden in die Welt bringen:

Damit ihr Traum endlich wahr wird …

Denn das bewegende Lied von Nicole ist bislang nur 6,5 Millionen mal aufgerufen und magere 32’000 mal gelikt worden. Das muss besser werden, damit die Welt eine bessere wird.

Alle können noch dazulernen

Aber nicht nur Knellwolf, auch sein oberer Vorgesetzter kann noch dazulernen, wie mehr Friede und weniger Feuer in die Welt kommt. Denn Arthur Rutishauser hat nach zweitägigem, vertieftem Nachdenken herausgefunden, dass eine kindische Karikatur, in der der Kopf seiner Mitarbeiterin Michèle Binswanger in eine Illustration der Hinrichtungen während der Französischen Revolution hineingemecht wurde, eine «Grenzüberschreitung» darstelle. Sogar eine «schwere».

Rutishauser gelangt in seinem mit langer Lunte entstandenen Kommentar zur Schlussfolgerung:

«Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt.»

Bittere und anklagende Worte des Oberchefredaktors von Tamedia. Nur: fällt ihm dieses Phänomen nicht in seinen eigenen Redaktionen auch auf? Existiert da dieser Teil der politischen Linken nicht? Und wenn wir schon dabei sind: kennt man dieses Phänomen bei der politischen Rechten nicht? Zumindest bei einem Teil davon?

Oder nochmal anders: Sind Grenzüberschreitungen in Richtung brunzdumm nicht noch besorgniserregender? Ein paar Knallköpfe aus dem Umfeld der Berner Reitschule werden mit einer Strafanzeige überzogen. Tamedia fällt wie das Jüngste Gericht über einen unbesonnenen Spruch eines SVP-Politikers her, weil der in der SVP ist.

Tiefergelegtes Niveau der Debatte

Allgemeines Wehgeschrei: die da sind ganz böse. Nein, selber böse. Nein, du böse. Nein, du mehr böse. Du Hetzer. Ha, du grosser Hetzer. Ich kein Hetzer, du aber. Ohne die Verwendung des Wortes Hetzer werden so Konflikte im Sandkasten ausgetragen, inklusive Zerstörung von Sandkuchen, Fuchteln mit Schäufelchen oder gar dem Ziehen an Haaren, Kratzen und Beissen, bis die Eltern eingreifen.

Kampfplatz, nach einer aktuellen Debatte …

Auf diesem ärmlichen Niveau ist ein Teil der politischen Debatte angekommen. Begleitet von Dialogverweigerung, Unfähigkeit, mit Kritik oder Gegenargumenten umzugehen. Mit Ballern aus dem Glashaus, aber feigem Wegducken, wenn zurückgeschossen wird. Rechthaberei und Belehrung ist hohl und lachhaft, wenn sie sich nicht der Debatte stellt. Wäffeln ist einfach, argumentieren anspruchsvoll.

Um nicht nur Männerriten und Pseudo-Martialisches wie von Rammstein zu denunzieren: auch die erregten Tamedia-Frauen haben nach ihrem Protestbrief bislang jede Gelegenheit ausgelassen, sich einer Debatte zu stellen. Auch so verzichtet man auf jeden Anstand.

Schiessscharte auf, rausballern, Schiessscharte zu und die Reaktion aussitzen. Das soll dann Erkenntnisgewinn durch Meinungsaustausch und Debatte sein?

 

Heuchler Knellwolf

SVP böse, blöd und gefährlich. Megafon der Reitschule nicht der Rede wert. Aschgrau.

Thomas Knellwolf war Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia und ist seit 1. Juli Mitglied der Bundeshausredaktion des Konzerns. Er habe nach 8 Jahren mal was Neues gesucht, liess er verlauten. Anstand und moralische Massstäbe gehören offenbar nicht dazu.

Mit seinem ersten Stück in seiner neuen Rolle haute Knellwolf zusammen mit einem weiteren Redaktor einen SVP-Provinzpolitiker in die Pfanne. Der hatte in seiner kleinen Chat-Gruppe stolz von einem Gespräch mit seinem SVP-Regierungsrat des Kantons St. Gallen berichtet. Man sei übereingekommen, sich gegen die Forderung des BAG nach obligatorischen Corona-Tests in Schulen zu wehren; «Feuer frei!», schrieb der Politiker nassforsch.

Das brachte ihm ein grosses Stück hinterfotziger Demagogie ein: vergangenen Samstag wurde diese Bemerkung von Tamedia zur Titelgeschichte hochgejazzt und im Blatt drin auf einer Seite nach allen Regeln der schwarzen Kunst hingerichtet. Hauptvorwurf: solche Aufforderungen könnten von Amoks als Handlungsanleitung missverstanden werden, also aus virtueller Hate Speech könne schnell reale Gewalt werden, wer im übertragenen Sinn «Feuer frei!» fordert, könnte dafür verantworlich sein, dass jemand tatsächlich auf einen Mitarbeiter des BAG schiesst.

Der medienungewohnte Politiker wurde vorgeführt; dass er zuerst eine Stellungnahme abgab, die dann wieder zurückzog, hämisch vermerkt. Natürlich auch, dass der mediengewandte SVP-Regierungsrat keinen Anlass sah, sich von diesem Gespräch zu «distanzieren», obwohl er von Tamedia dazu aufgefordert wurde.

Warum nicht nochmal draufhauen, wo’s so schön ist

Richtig Spass machte es natürlich, in einem Kommentar eine Breitseite nachzulegen:

«Der St. Galler Bildungsdirektor Stefan Kölliker will sich nicht von einer «Schiess»-Aufforderung auf das BAG in seinem Namen distanzieren. Das ist gefährlich.»

Höhepunkt des Nachtretens ist ein vergiftetes Lob mit angeschnallter Giftspritze: «Alles wirkt etwas bieder. Aber ist Stefan Kölliker auch ein Brandstifter? Darauf lässt eine Aufforderung seines Kreisparteipräsidenten von vergangener Woche schliessen, die viel Aufsehen erregte.»

Zunächst: Der Tagi erregte so viel Aufmerksamkeit, wie er nur konnte. Sonst niemand. Aber: «Das Beängstigende an der «Schiess»-Aufforderung aus St. Gallen ist, dass sie von einem Kantonsparlamentarier kommt. Und im Namen eines Regierungsrats erfolgt.» Schlussfolgerung:

«Das ist gefährlich, denn jemand könnte die Aufforderung wörtlich nehmen.»

Nein, Herr Knellwolf, gefährlich ist etwas ganz anderes. Wie es der dumme Zufall wollte, veröffentlichte das «megafon» aus der Berner Reitschule einen Tweet, in dem sich diese Amoks über die Tamedia-Redaktorin Michèle Binswanger fürchterlich aufregten. Zur Illustration mechten sie ihren abgeschlagenen Kopf in eine Darstellung der Guillotine während des Terrors der Französischen Revolution, wo die Häupter der Geköpften dem johlenden Volk triumphierend entgegengestreckt wurden.

Neben Applaus oder wohlwollender Erwähnung – unter anderem von Jolanda Spiess-Hegglin, der grossen Vorkämpferin gegen Hass im Internet – löschte das «megafon» diese geschmacklose Entgleisung mit dem Ausdruck des Bedauerns, hielt aber an seiner Kritik fest. Immerhin. Es wäre ja nun auf der Hand gelegen, dass tapfere Kämpfer gegen Hate Speech und gefährliche Gewaltandrohungen im Internet sich vielleicht deutlich von dieser missverständlichen Aufforderung, Binswanger zu enthaupten, distanziert hätten.

Lustig? Kunst? Ironie? Nicht der Rede wert.

Als das nicht geschah, bot ZACKBUM den beiden Autoren des «Feuer frei!»-Anklagestücks und auch dem Oberchefredaktor Arthur Rutishauser Gelegenheit, sich zu erklären. Warum auf die SVP eingeprügelt werde, aber der Kopf-ab-Aufruf gegen eine eigene Mitarbeiterin einfach ignoriert. Und was Rutishauser im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zum Schutz von Binswanger zu unternehmen gedenke.

Ein Satz der Erklärung oder Rechtfertigung? Ach, was, niemals

Reaktion: keine Reaktion. Keine Antwort. Nicht mal eine Antwort, die dann zurückgezogen wurde. Dazu war sogar der SVP-Politiker in der Lage, die sonst so eloquenten Redaktoren von Tamedia nicht; sie schwiegen verbissen. Feige. Im Bewusstsein ihrer unsäglichen Heuchelei. Schwiegen sie tatsächlich?

Aber nein, Knellwolf fand noch die Zeit, mit diesem Kommentar nachzulegen und das Feuer auf den SVP-Regierungsrat zu verstärken. Wenn etwas wirklich gefährlich, beängstigend und mehr als fragwürdig ist, dann dieses Verhalten von Tamedia-Journis. Nach einer solchen offenkundigen Heuchelei, Doppelmoral, Einäugigkeit, Unfähigkeit, wenigstens überall die gleiche Position zu beziehen: wie wollen die erwarten, dass man irgend eine Äusserung von ihnen noch ernst nimmt?

Knellwolf schreibt vielleicht einen Artikel über die herrschende Doppelmoral in Bern, unter Politikern? Über deren opportunistische Parteilichkeit? Das kann doch nur mehr als Realsatire mit hohem Lächerlichkeitsfaktor wahrgenommen werden. Man kann Knellwolf eigentlich nur einen wohlmeinenden Karrieretipp geben: Gastspiel in Bern beenden, als Komödiant zum «Nebelspalter» wechseln. Ein weiterer Vorteil davon wäre: seine zukünftigen Publikationen fänden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

 

War auch mal so ein Versuch, Erfolg zu haben …

Knellwolf knattert weiter gegen die SVP, Rutishauser rafft sich immerhin zu einem Kommentar auf

Aber immerhin, nach längerer Bedenkzeit rückte Arthur Rutishauser noch kurz vor dem Fussballmatch einen «Kommentar zum Angriff auf eine Tamedia-Journalistin» ins Netz. Denn am Dienstagabend fällt ihm endlich auf: «Am Sonntag ist es gegenüber einer der profiliertesten Journalistinnen unserer Redaktion zu einer schweren Grenzüberschreitung gekommen.» Immerhin:

«Darum reichen wir trotz der Entschuldigung Strafanzeige gegen «Megafon» ein. Dass sich Jolanda Spiess-Hegglin, ehemalige Politikerin, Journalistin und selbst ernannte Kämpferin gegen Hass im Netz, nicht zu schade war, den Tweet auch noch zu liken, ist beschämend.»

Mein Mathematiklehrer am Gymnasium pflegte in solchen Fällen Schiller zu zitieren: spät kommt ihr, doch ihr kommt. Worauf sich verspätete Schüler mit rotem Kopf an ihren Platz begaben. Knellwolf kommt nicht zu spät, sondern schwänzt schlichtweg. Während Rutishauser, dafür muss man ihm gratulieren, zum Schluss seines Kommentars donnert:

«Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt.»

Vielleicht fällt ihm noch rechtzeitig auf, dass seine Redaktionen davon auch nicht ganz frei sind.

Terror von der Reitschule zu Bern

«Feuer frei!» von der SVP? Grosses Gebrüll. Kopf ab von der Reitschule? Schweigen. Diese Heuchler.

Tamedia ist bekanntlich ein liberaler, offener, fortschrittlicher Medienkonzern. Der freien Debatte verpflichtet, konsequent gegen Hetzer, Hate Speech im Internet, gegen das Schiessen mit Worten oder auf Personen.

Das haben gerade zwei Redaktoren deutlich zum Ausdruck gebracht. Da schrieb ein Provinz-Possli der SVP «Feuer frei!» in seiner Mini-Chatgruppe und meinte damit Kritik am BAG. Das brachte ihm (und einem SVP-Regierungsrat) eine Breitseite von Tamedia ein. Front plus länglicher Artikel, ein übles Stück Demagogie vom Unfeinsten.

Dass gleichzeitig der leitende und leidende Redaktor Marc Brupbacher ungehemmt Politiker beschimpfen und Verschwörungstheorien verbreiten darf, was soll’s.

Michèle Binswanger ist auch leitende Redaktorin bei Tamedia. Sie hat den bedeutenden deutschen Journalisten Stefan Aust anlässlich seines 75. und seiner Biografie interviewt. Wegen des Interviewten, aber auch wegen den Fragen ist das ein anregendes Gespräch geworden, das man gewinnbringend lesen kann. Ohne mit den Fragen oder gar den Antworten einverstanden sein zu müssen.

Aust ist ein typische Beispiel dafür, was Gesinnungstäter Amok laufen lässt. Hat was geleistet, war bei «konkret» (die meisten wissen gar nicht mehr, was das ist), hatte führende Positionen im «Spiegel», hat sich mit seinen Recherchen über die RAF (nachschlagen, einfach nachschlagen) verdient gemacht und in Gefahr begeben. Irritiert aber mit seiner unabhängig-kritischen Position.

Aust sagt so Sachen wie:

«Heilige Selbstverwirklichung finden wir bei Fridays for Future und auch bei den linken Revolutionären.»

Das finden linke Gesinnungslumpen in der Schweiz natürlich ganz furchtbar, aber Aust sitzt im fernen Hamburg und überhaupt. Gut, dass es die Interviewerin gibt. Binswanger ist näher und sagt so Sachen wie:

«Der Vorwurf, rechts zu sein, kann ein gesellschaftliches Todesurteil sein.»

Anlass für durchgeknallte Amoks von der Berner Reitschule, unter Pseudonym das hier ins Netz zu stellen:

Sicher nur künstlerisch-ironisch gemeint.

Wir wollen nicht Knellwolf und Co. imitieren und das als wörtlich zu nehmenden Mordaufruf denunzieren. Aber es ist natürlich Ausdruck einer widerwärtigen Geisteshaltung. Nämlich der Unfähigkeit, mit abweichenden Meinungen umzugehen. Darauf anders als mit Ablehnung, Abwehr, Anwürfen zu reagieren.

Die Kämpferin gegen Hass im Netz retweetet die Geschmacklosigkeit.

Gefestigt durch das vermeintlich sichere Wissen, selbst im Besitz der heiligen Wahrheit und im Kampf für das Gute und gegen das Böse zu allem berechtigt zu sein. Dazu wird sogar noch eine hanebüchen dumme Begründung geliefert:

 

Was meinen denn die Vorkämpfer von Tamedia dazu?

Nun macht es keinen Sinn, mit diesen Reitern der galoppierenden Dummheit ernsthaft in eine Auseinandersetzung zu gehen. Interessant könnte hingegen sein, was die beiden Tamedia-Autoren, die sich so fürchterlich über einen angeblichen Mordaufruf der SVP erregten, zu diesem geschmacklosen Angriff auf ihre Kollegin meinen. Interessant wäre es gewesen, was der Oberchefredaktor von Tamedia zu unternehmen gedenkt, um seine Mitarbeiterin vor solch primitivem Hate Speech zu schützen.

Das hätte vielleicht einen kleinen Erkenntnisgewinn für die Leser gebracht. Wenn einer der drei Herren geruht hätte, auf eine höfliche journalistische Anfrage zu reagieren. Aber auch hier gilt: austeilen gegen den politischen Feind, das geht immer, auch mit dem billigsten Vorwand. Aber gleiches Mass auch in der linksautonomen Szene anzuwenden: niemals. Da zeigt der Tamedia-Redaktor Tobler Verständnis für einem «Theatermord», wenn ein deutscher Amok dazu aufruft. Köppel zu töten, weil der angeblich auch töte.

Da werden Seiten mit der völlig überflüssigen Debatte gefüllt, wie man denn weibliche und andere unterdrückte Teile der Gesellschaft sprachlich korrekt abbilden könne. Da werden viele Seiten mit Nabelschau, geklautem Leiden und Besserwissereien gefüllt. Aber wenn eine eigene Mitarbeiterin aufs übelste angegangen wird, dann herrscht heuchlerisches Schweigen.

Da salbadert auch Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, dass man bei Tamedia ein «Problem» mit Sexismus und Frauendiskriminierung habe. Aber hier? Ruhe. Da verwandeln sich die Redaktoren, nie um eine schnelle Verurteilung verlegen, in reine Toren, die die Kiefer nicht auseinanderkriegen und verkniffen schweigen, wenn sie Gelegenheit hätten, was zu sagen. Bei dem SVP-Lokalpolitiker machten sie sich noch darüber lustig, dass der eine erste Stellungnahme anschliessend zurückzog. Sie selbst sind nicht einmal dazu in der Lage.

Wer soll die Moral- und Tugendwächter von Tamedia noch ernst nehmen?

Liebe Leute von Tamedia, glaubt Ihr weiterhin ernsthaft, dass ins Internet abschwirrende Werbung plus Corona die ärgsten Feinde der Medien seien? Merkt Ihr nicht, dass Eure eigene Verlogenheit, Eure Heuchelei, Euer völliges Desinteresse an den Interessen Eures Publikums, Eurer Konsumenten, Eurer Brötchengeber der grösste Feind ist? Wer soll Euch denn noch irgendein Urteil, eine Verurteilung, eine Zurechtweisung glauben? Noch schlimmer: wer soll Euch denn noch ernst nehmen?

Inzwischen haben die anonymen Amoks der Reitschule ihren Blöd-Tweet gelöscht. Eiern aber  – samt ihrem Sympathisanten-Sumpf – herum:

 

 

 

Ausflüchte, schönreden, andere anonyme Idioten bedauern oder wollen es nicht gewesen sein.

 

Verschwörungstheoretiker gegen Binswanger

Michèle Binswanger von Tamedia hat sich im Dunstkreis von Jolanda Spiess-Hegglin unbeliebt gemacht. Da fliegt dann der Dreck tief.

Die juristische Auseinandersetzung darüber, ob es in der Schweiz wirklich möglich ist, ein erst geplantes Buch, dessen Inhalt nicht bekannt ist, präventiv verbieten zu lassen, ist noch nicht beendet. Ein ordentliches Gericht muss entscheiden, ob eine solche Massnahme Bestand haben kann.

Die beinhaltet, dass in einem Recherchewerk verschiedene, für die Zuger Affäre zentral wichtige Aspekte nicht geschildert werden dürfen. Aber solange das noch durch die Mühlen der Justiz getrieben wird, möchte man gerne jede Gelegenheit benützen, Binswanger eine reinzubrennen.

Verschärft wird das Bedürfnis noch dadurch, dass Binswanger als prominente Tamedia-Autorin das Protestschreiben der erregten Tamedia-Frauen nicht mitunterzeichnet hat, die sich über Sexismus, Diskriminierung und ein unerträgliches Arbeitsklima beschweren.

Jüngster Anlass: Binswanger hat eine Story über eine Flugbegleiterin veröffentlicht, deren Nase dauerhaft geschädigt ist. «Heute habe ich Panik vor jedem Test», wird sie zitiert, denn ihre Nasenscheidewand ist durch ständige Corona-Tests lädiert.

Ein unter Flugbegleitern bekanntes Problem. Während der normale Reisende in Corona-Zeiten eher selten fliegt und daher nicht ständig einen Tupfer in den Nasenrachenraum geschoben bekommt, ist das für die Crew natürlich anders.

Ein geradezu exemplarisch recherchierter und geschriebener Artikel

Binswanger baut die Story so auf, wie man es Anfängern als Beispiel vorführen könnte. Einstieg mit dem auslösenden Vorfall, dann Vorstellung der Betroffenen, die mit vollem Namen bereit ist, Zeugnis zu geben.

Dann zitiert Binswanger Aussagen von Fachleuten und eine Warnung der österreichischen Ärztekammer vor falschen «oder nicht idealen Abnahmetechniken». Auch einen Schweizer HNO-Facharzt, der ebenfalls Fälle aus seiner Praxis kennt und die Flugbegleiterin zu seinen Patienten zählt.

Hassobjekt: Michèle Binswanger.

Schliesslich kommt wieder die Betroffene zu Wort, die über die gesundheitlichen und psychischen Folgen dieser Erkrankung berichtet. Antriebslosigkeit, Müdigkeit, das Ausüben von Sportarten, die sie vorher liebte, ist nicht mehr möglich. Am schlimmsten: sie kann, mit Attest bestätigt, keine Maske mehr tragen. Das führt zu ständigen Anpöbeleien in der Öffentlichkeit, die laut eigenen Aussagen früher extrovertierte Frau geht kaum noch nach draussen.

Selbst einen Zwischenfall, als die Betroffene eine Freundin am Bahnhof abholte und sie von einem aggressiven Herrn angerempelt wurde, der sie anherrschte, sie solle sich sofort die Maske aufsetzen, liess sich Binswanger von Zeugen bestätigen.

Soweit also ein sauber recherchierter, nach allen Regeln der Kunst aufgebauter Artikel, an dessen Inhalt keinerlei Kritik möglich ist. Das finden natürlich Binswanger-Basher ziemlich blöd. Deshalb haben sie etwas gegraben und gewühlt und sind fündig geworden. Bei einem Beitrag auf den Social Media, den diese Flugbegleiterin letztes Jahr absetzte und in dem sie behauptet, auf Flügen dabei gewesen zu sein, bei denen unter Drogen gesetzte Kleinkinder oder Babys verschleppt worden seien.

Ein Post und seine Folgen

Das ist nun etwas speziell, keine Frage. Der Finder dieser Meldung hält sich noch leicht zurück und schlägt vor, die Flugbegleiterin solle sich in diesem Fall an die Kantonspolizei Zürich wenden. Aber wozu gibt es die alte Boulevardgurgel Hansi Voigt, der nach einem Erweckungserlebnis sich als tapferer Unterstützer von Spiess-Hegglin und allen Anliegen diskriminierter Frauen neu erfunden hat. Wenn er spricht, muss es aus seinem Mund stauben, so viel Kreide hat der gefressen.

Der zieht dann gleich gröber vom Leder:

«Quelle, die laut Tagi von maskenfanatischen Deutschen belästigt wird, hat Kinder in Kartons gefunden. Protipp: cancelt solche Kulturartikel.»

Laientipp: Es ist nie eine gute Nachricht, von Voigt unterstützt zu werden. Die «Quelle» die sogar einen Namen hat, wurde nachweislich von einem maskenfanatischen Deutschen belästigt.

Denn im Gegensatz zu Voigt checkt Binswanger so Sachen, bevor sie unbelegten Unsinn verzapft. Falsch ist hingegen, dass die «Quelle» Kinder in Kartons gefunden habe. Zusammenfassung: Voigt keift mit zwei Behauptungen los, beide falsch. Peinlich, aber da ist der Millionenverröster schamfrei. Unser Tipp: cancelt bajour, oder wenigstens Voigt.

Nachdem also genügend Verschwörungstheorie versprüht wurde, kommen dadurch benebelte weitere Twitterer aus ihren Löchern. Für @Megafon Reitschule Bern ist die Flugbegleiterin bereits «QAnon-Anhängerin». Das ist ein Beispiel dafür, was Twitter immer mehr in eine Jauchegrube verwandelt. Anonymes, unbewiesenes, dummes Gequatsche, das durch noch dümmeres getoppt wird.

Haben all diese Geiferer und Eiferer vielleicht mal nachgefragt?

Ob wohl einer dieser Rechercheriesen, die Binswanger handwerkliche Fehler unterstellen, sich die Mühe gemacht hat, mit Sara Macy direkt Kontakt aufzunehmen? Vielleicht könnte sie ja etwas zum Thema beitragen. Aber wieso denn, es zeichnet Verschwörungsidioten ja gerade aus, dass sie keine Gefahr laufen möchten, durch die Realität in ihrem Wahn widerlegt zu werden.

ZACKBUM hat das getan, was all diese Kläffer unterliessen. Die Betroffene gebeten, Stellung zu nehmen. Dass sie Anhängerin von QAnon sein soll, dementiert sie energisch. Und zu ihrem Tweet sagt sie:

«Ich habe eine Ausbildung, was Human Trafficking (mit Ausbildner, welche alle selber trafficked wurden) anbelangt, und habe schon in der ganze Welt mit eigenen Augen gesehen, wie Kinder prostituiert werden und mit Organisationen gearbeitet, welche die Kinder befreien und danach für sie sorgen. Die Kinder haben mir persönlich ihre Storys erzählt, was sie alles durchmachen mussten. Nichts Lustiges und definitiv nicht etwas, um damit einen Trend auf Twitter zu machen!»

Dem könnte man nachgehen, das könnte man zum Ausgangspunkt einer Story machen. Das so etwas existiert, ist unbestreitbar. Ich selbst habe schon Reportagen darüber gemacht, in Zentralamerika. Aber diese Flachpfeifen von Voigt abwärts haben schon längst vergessen, was Journalismus ist. Wenn sie es überhaupt jemals wussten.

Immerhin haben sie es geschafft, eine kranke Frau noch mehr einzuschüchtern. Sich dabei über etwas vom Widerlichsten, was es gibt – Kinderhandel – lustig zu machen. Bravo, das ist mal wieder echter Humanismus, Solidarität und Menschlichkeit, die diese Fanatiker nachleben wollen – und deren Fehlen sie anderen so lautstark vorwerfen. Unappetitliche, unfähige Heuchler, die sie sind.