Schlagwortarchiv für: Medienmanager

Bringt KI Intelligenz zurück?

Was unterscheidet einen Journalisten von einem Chatbot? Immer weniger.

Medienmanager haben es schwer. Geldzählen können sie. Sparmassnahmen können sie auch. Flunkern erst recht. Einen Aderlass von Hunderten von Journalisten in den letzten Jahren, ein Krankschrumpfen der Inhalte und Umfänge, all das wollen sie den Konsumenten als Verbesserung verkaufen.

Nur sind die Konsumenten nicht völlig verblödet. Sie reagieren mit Flucht, wenn man ihnen weniger Inhalt für gleichviel (oder sogar noch mehr) Geld anbietet. Das ist das Problem Nummer eins der Medienmanager.

Problem Nummer zwei ist, dass sie bis heute die Unterschiede zwischen Print, elektronisch und digital-virtuell nicht kapiert haben. Sie meinten jahrelang, der Online-Auftritt einer Zeitung sei das Gleiche wie Papier, nur halt ohne Papier. Und dafür gratis.

Neu kommt Problem Nummer drei hinzu: wie soll der Journalismus mit KI, mit Künstlicher Intelligenz, umgehen? Dafür müssten Medienmanager zuerst mal kapieren, was KI ist. Dafür braucht es aber ein wenig Intelligenz, und das ist in den Chefetagen der Schweizer Medienkonzerne ein rares Gut.

Ein Anwendungsgebiet der KI sind die Chatbots. Chatbots, liebe Manager, sind textbasierte Dialogsysteme. Ihr bekanntester Vertreter ist ChatGPT, ein Produkt von OpenAI. Auch da hat Elon Musk seine Finger im Spiel, aber das wäre ein anderes Thema.

Dialogroboter helfen in ihrer einfachsten Anwendung, Call Center zu entlasten. Da die Kunden mit einer überschaubaren Menge an Fragen anrufen, kann die ein entsprechend programmierter oder gefütterter Chatbot genauso gut wie ein realer Mensch beantworten. Zudem ist er unermüdlich 24 Stunden im Einsatz, wird nie sauer und erklärt auch zum dritten Mal gleichbleibend höflich, dass es bei zwei Antwortmöglichkeiten wirklich keine dritte gibt.

Aber auf einer höheren Stufe macht zum Beispiel ChatGPT etwas, was ein Journalist nicht immer gleichgut kann. Der Roboter kann aufgrund von ihm selbst aus dem Netz gesaugter Daten Texte generieren. Zusammenfassungen, Analysen, Vertiefungen. Er kann sie in jeder beliebigen Tonlage, als Reportage, Essay, Polemik, Nachricht oder Kommentar aufbereiten. Er macht das schneller und meistens besser als die meisten Journalisten.

Also kriecht der Chatbot langsam in die Kernkompetenzen der verbliebenen Redakteure hinein. Banale Sportberichterstattung, wo es um die knappe Zusammenfassung der Resultate geht und wie es dazu kam, wird heutzutage schon vielfach von Chatbots erledigt.

Nun ist es allerdings so, dass bei einem Chatbot nur das hinten raus kommt, was vorne reingesteckt wurde. Ohne uns auf die philosophische Frage einzulassen, was Intelligenz ist und wo sie anfängt (ausser, dass sie in Medienchefetagen ein rares Gut ist): umso mehr Input ein Chatbot hat, desto besser sind seine Antworten oder Ausführungen.

Nun steht ihm dafür der gigantische Wissensschatz des Internets zur Verfügung. Das sind schätzungsweise 33’000 Exabytes. Pro Tag kommen ungefähr 2,5 Trillionen Bytes an Daten hinzu. Wie viel das ist? Sehr viel. Wirklich viel. Ein Exabyte sind 1’000 Petabyte oder eine Milliarde Gigabyte. Zum Vergleich: man schätzt, dass alle Wörter, die jemals von der Menschheit gesprochen wurden, fünf Exabyte entsprechen.

Nun schwirren diese Daten nicht nur herrenlos herum. Und besonders interessant für Chatbots, die sich im Journalismus tummeln wollen, sind natürlich die Archive und aktuellen Publikationen der grossen Medienkonzerne. Dorthin schicken Chatbots am liebsten ihre Suchtrupps, sogenannte Crawler. Die pflügen durch die unendliche Weiten des Internets und sammeln und katalogisieren Daten, Informationen.

Genau darüber ist gerade ein Streit zwischen grossen US-Medienkonzernen und Microsoft entstanden, dem sich auch Axel Springer und Ringier angeschlossen haben. Nämlich um die Frage, ob die Verwendung dieser Informationen zwecks Wissenserweiterung und Training eine Verletzung des Copyrights darstellt oder nicht. Natürlich sagen die Konzerne ja, während Microsoft und andere Hersteller von Chatbots sagen, dass diese Daten ja nicht kopiert und veröffentlicht werden, sondern lediglich als Material verwendet. Und was der Chatbot daraus dann macht, ist eine neue, eigenständige Leistung, daher auch nicht eine Verletzung des Copyrights.

Um das aber zu verhindern, halten die Schweizer Medienkonzerne ihre Archive frei von solchen Crawlern, sie sperren sie aus. Beziehungsweise sie versuchen das. Mit einer Ausnahme, wie die NZZ berichtet: SRF hält ihr Internetangebot barrierefrei, hier sind solche Crawler willkommen.

Es ist absehbar, dass die Existenz von Chabots unsere Art des Medienkonsums, vor allem unsere Informationsaufnahme, entscheidend verändern wird. Wieso soll ich mir selbst in sozialen Medien (die Mehrzahl der U-20 konsumiert keine klassischen Newsmedien mehr) meine Infos filtern und abfragen, wenn ein Chatbot mir genau das, was mich interessiert, in genau der Form, Wertung, Färbung und Länge serviert, wie ich es gern habe? Als Text, Audio oder Video. Oder aggregierte Mischung von allem.

Was bedeutet das für die klassischen Anbieter von Informationen? Um darauf eine Antwort zu geben, müssten die Medienmanager einen Chatbot konsultieren. Wenn sie wüssten, wie man das macht.

Medienmanager sind blöd

Oder sagten wir das schon?

Relativ schnell, nach nur rund 25 Jahren, haben sie bemerkt: eine Ware im Internet gratis anbieten, für die man in der realen Welt Geld verlangt, das ist vielleicht keine so gute Idee.

Darüber brüteten sie dann eine ganze Weile. Und schauten zu, wie sich das Publikum gratis bediente. Migros oder Coop hätten nach 24 Stunden alle verantwortlichen Manager gefeuert, wären die auf die Idee gekommen: lieber Kunde, kauf dir den Liter Milch im Laden – oder bestell ihn gratis im Internet.

Aber in den Schweizer Medienhäusern geht’s anders zu. Erschwerend kommt  hinzu: Ziehsöhne oder Familienmitglieder der Besitzerclans kann man nicht feuern.

Also kamen die Medienmanager in ihrer unendlichen Weisheit auf die Idee, eine Paywall hochzuziehen. Sie gaben nicht mehr gratis ab, wofür sonst bezahlt werden musste. Das war dann aber blöd, weil damit der Traffic zusammenbrach. Und da die Medienmanager bis heute auch zu blöd sind, GoogleAds endlich mal die Butter vom Brot zu nehmen und eigene Inseratevermarktungen auf die Beine zu stellen, war das wieder schlecht für die Einnahmen.

Also eierten sie herum. Totale Paywall. Ein Flop. Hat die «New York Times» schon längst ausprobiert. Kein Grund für den «Nebelspalter», den gleichen Fehler nicht nochmal zu machen. Zurück zum totalen Gratis-Angebot, ausser dem Aktuellen. Hat die NYT schon längst ausprobiert. Ein Flop.

Also wird weiter herumgeeiert, wie und wo die Paywall hochgezogen wird, was der Eintritt kosten soll. Pay per View, Tagespauschale, Wochenpauschale, Grundgebühr plus Extrakosten, alles wird durchgespielt.

Aber die Medienmanager sind blöd, oder sagten wir das schon? Denn eine Paywall ist nur so gut wie ihre Wandstärke. Also ist sie unüberwindlich? Ist es so wie bei Coop und Migros, wo zwar ein gewisser Schwund durch Diebstahl nie ganz vermieden werden kann, sich aber doch in Grenzen hält? Oder ist die Paywall löchriger als ein Emmentaler, ist sie ein Papiertiger, braucht es nur wenige Handgriffe, um sie zu überklettern?

Nun, da gibt es zum Beispiel das hier:

Was ist denn das? Nun, der natürlich anonyme Hersteller erklärt sein Vorhaben so: «Ich glaube, Google Adwords hat das Web gekillt.»

Aber Medienmanager sind blöd, oder sagten wir das schon. Also nützt diese Webseite folgende einfache Erkenntnis:

«Die Idee ist ziemlich einfach: Nachrichtenseiten möchten, dass Google ihre Inhalte indiziert, damit sie in den Suchergebnissen angezeigt werden. Sie zeigen dem Google-Crawler also keine Paywall an. Davon profitieren wir, da der Google-Crawler bei jedem Crawlen eine Kopie der Website zwischenspeichert.
Wir zeigen Ihnen lediglich die zwischengespeicherte, nicht kostenpflichtige Version der Seite.»

So einfach geht das, weil die Medienmanager, aber wir wiederholen uns.

Die Macht des Mittelsmanns

Hersteller und Verbraucher. Dazwischen sahnt der Middle Man alles ab.

Zwischen Produktion und Konsumtion liegt die Distribution. Das ist eine Binsenwahrheit. Oftmals ist es so, dass der Verteiler sich eine grosse Scheibe vom Verkaufspreis abschneidet.

In der Warenwelt zeigt sich das in aller Hässlichkeit zum Beispiel beim Allerweltsprodukt Jeans. Lassen wir einmal den enormen Wasseraufwand (ca. 8000 Liter), Färbe- und Bleichmittelprozesse, überlange Transportwege und auch mögliche Kinderarbeit beiseite.

Baumwolle, Garn, Stoff, Färben, Nähen, Waschen: das kann weltumspannend zwischen Kasachstan, der Türkei, Tunesien, China und Europa stattfinden. Auch das lassen wir beiseite.

In der Warenwelt kassiert der Verteiler am meisten

Der Jeanspreis im Laden setzt sich normalerweise so zusammen:

  • 1 % Lohnkosten.
  • 11 % Transport, Gebühren und Steuern.
  • 13 % Materialkosten.
  • 25 % Design, Entwicklung, Marketing, Werbung.
  • 50 % Einzelhandel.

Also kassiert der Detailhändler den Löwenanteil, unabhängig davon, ob er dafür physisch mit einem Laden präsent ist oder nur im Internet den Distributeur spielt. Der physische Warenverteiler, abgesehen von Gütern des täglichen Gebrauchs wie vor allem Lebensmittel, ist am Aussterben. Teure Lokalmieten, Personal, Lagerkosten, diese Präsenz wird immer mehr zum Statussymbol von Luxus- und Prestigemarken.

Grosse Warenhäuser wie Amazon oder Alibaba, Handelsplattformen wie Google oder Facebook übernehmen Macht, Verteilung und sacken die Gewinne ein. Natürlich bestimmen sie die Preise und können auch Geld fürs Listing verlangen, also dafür, dass ein Produkt überhaupt in das Angebot aufgenommen wird.

Amazon …

Das alles sind die üblichen kapitalistischen Mechanismen in einer globalisierten Wirtschaft, bei der die Distanz zwischen den Produktionsschritten und dem Endverbraucher keine Rolle mehr spielt. Wo die Reise hingehen soll, darüber zerbrechen sich genügend Fachleute die Köpfe, das ist nur für die Beteiligten und Betroffenen von Interesse. Dem Konsumenten kann’s egal sein.

In der Warenwelt heuchelt der Konsument am meisten

Sollten ihm Hungerlöhne, Kinderarbeit, weite Transportwege und umweltschädliche Herstellung nicht passen, kann er ja auf zertifizierte Produkte umsteigen. Das tut er auch zunehmend – allerdings nur verbal. In der reichen Schweiz sind offiziell eigentlich alle gegen Kinderarbeit und solche Schweinereien. Daher wird pro Kopf massenhaft Geld für zertifizierte Produkte ausgegeben. Nun ja, haargenau 103 Franken pro Mensch und Jahr für Fair Trade.

Soviel zur üblichen Heuchelei.

Es gibt allerdings ein Gebiet, auf dem die Rolle des Mittelsmanns mehr als problematisch ist. Bei der Herstellung und dem Verkauf von News. Der wurde seit seinen Anfängen von zwei Einkommensquellen gespiesen. Der Konsument bezahlte den Hersteller direkt, das Abonnement. Der Hersteller bot sein Produkt als Transportmittel für andere Produkte an, das Inserat.

Wir bewegen uns immer noch auf dem Gebiet der Binsenwahrheiten. Aber nicht mehr lange.

Frühes Porträt eines Medienmanagers.

Alte Printwelt, nicht mehr so neue Digitalwelt

In der Printwelt kam ein Grossteil dieser Einnahmen dem Produzenten direkt zugute. Lediglich die Verteilung bspw. über Kioske bedeutete, dass er so einen Drittel des Verkaufspreises an den Verteiler abgeben muss. Zudem entstehen natürlich Unkosten durch Papiereinkauf, Druck und Distribution in jeder Form. Pro Stück Bedrucktes kann man im Normalfall, den Inhalt nicht inbegriffen, von einem Franken sprechen.

Das sind mehr oder minder Fixkosten, an denen nicht zu rütteln ist. Da die Newsproduzenten für sich eine besondere Stellung in der modernen Gesellschaft beanspruchen, wird in der Schweiz zum Beispiel die Zustellung staatlich subventioniert.

Ganz anders sieht es im Internet aus. Hier ist die direkte Wertschöpfung Produzent – Konsument durch den Verteiler unterbrochen. Der schneidet sich dafür natürlich, wir erinnern uns an das Beispiel Jeans, eine grosse Scheibe von der Wertschöpfung ab.

Genauer gesagt, er frisst den ganzen Kuchen auf. Online-Marketing, also alle Werbeformen im Internet, ist der am stärksten wachsende Werbemarkt in der Schweiz. Pro Jahr werden insgesamt rund 4,5 Milliarden Franken umgesetzt. Davon 40 Prozent im Internet, gefolgt von TV/Radio und schliesslich der Printbereich mit 21 Prozent.

Von diesen rund 2 Milliarden verfrühstücken die grossen Verteiler 90 Prozent. Also Google, Facebook & Co. Ihre Leistung dafür hält sich in bescheidenen Grenzen. Bei einem Umsatz von rund 90 Milliarden US-Dollar machte zum Beispiel Facebook 2020 einen Gewinn von 29,15 Milliarden. Das ist eine Profitrate von sagenhaften 32,4 Prozent.

Tarotkarte des Medienmanagers.

Was ist der Grund für so exorbitante Gewinne?

Wenn der «normale» Gewinn eines Verteilers bei 50 Prozent liegt, dann müssen die zusätzlichen 40 Prozent in der Schweiz einen anderen Grund haben. Der hat einen Doppelnamen. Dummheit und Unfähigkeit der Medien- und Verlagsmanager der grossen Familienclans der Schweizer Privatmedien.

Denen ist in all den Jahren, in denen das Internet existiert, keine Methode eingefallen, mit der der Hersteller des Produkts News sich einen akzeptablen Anteil an der Wertschöpfungskette zu sichern. Das kommerzielle Internet gibt es seit rund 25 Jahren. Das heisst, bald mal eine Generation von hochbezahlten Teppichetagenschlurfern haben «hm, ist nicht so gut» gemurmelt. Haben markig «da muss uns etwas einfallen» gefordert.

Das ist es auch. Sie krähen (heute!) nach einer Milliarde zusätzlicher Steuerknete, um unter anderem die «Digitalisierung» und «Transformierung» ihres Angebots besser bewältigen zu können. Das ist in der jüngeren Geschichte des Kapitalismus ohne Beispiel.

Das ist so, wie wenn die Benützer von Handwebstühlen 25 Jahre nach der Einführung mechanisierter Webstühle sagen würden: wir brauchen Staatshilfe. Das ist so, wie wenn die Hersteller von Dampfloks, die 25 Jahre lang dem Siegeszug der Elektroloks zugeschaut haben, sagen würden: wir brauchen Steuergelder.

Das Narrenschiff der Medienmanager.

Man kann Google, Facebook & Co. nicht den geringsten Vorwurf machen, dass sie sich dumm und krumm verdienen. Das ist das Versagen der Medien. Man kann ihnen auch keinen Vorwurf machen, dass sie mit den ihnen auferlegten Zensurvorschriften vor allem darauf achten, ihre eigenen Interessen zu schützen.

Die chinesixche Regierung findet Opposition nicht so toll? Zu Befehl, wird abgeschaltet. Das russische Regime ärgert sich über den Dissidenten Nawalny? Google und Apple entfernen seine App. In Deutschland ärgert man sich über die «Querdenker»? Stecker raus.

Dummheit und Unfähigkeit sind nicht gratis zu haben. Man muss bitter und teuer dafür bezahlen.

Medienmanager, porträtiert von Paul Klee als Narr.