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Go down with a smile

Zum Ende der «Medienwoche».

Es ist bezeichnend für den Zustand der Medienkritik in der Schweiz, dass nach 12 Jahren die «Medienwoche» eingestellt wird.

Es ist bezeichnend für den Zustand der «Medienwoche», dass gegen den Schluss nur noch zweitklassige und drittrangige Autoren dort publizierten. Wo ein Marko Kovic zu den ständigen Artikelschreibern gehört, ist es mit der Qualität nicht weit her.

Nun hat die Redaktion die letzte Folge ihrer Serie «The Good, The Bad and The Ugly» veröffentlicht. Eine Anspielung auf den grossartigen Western von Sergio Leone. Daher antwortet ZACKBUM mit einem Zitat von Joker aus «Batman».

Nick Lüthi war der Mastermind hinter der «Medienwoche», einer der wenigen verbleibenden Medienjournalisten der Schweiz. Immerhin hat die «Medienwoche» das Ableben der regelmässigen Medienseite (samt Entlassung des zuständigen Redaktors) bei der NZZ überlebt. Und den Niedergang des einstmals rührigen Magazins «Schweizer Journalist». Vom kläglichen «Edito» soll hier gar nicht die Rede sein.

Ausgerechnet in einer kriselnden Branche, die Plattformen für regen Meinungsaustausch, Reflexion, Analyse und Kritik bräuchte, gibt es nur noch wenig Gelegenheitsschreiber über Medien und – ohne Überheblichkeit sei’s konstatiert – ZACKBUM als Instanz und Medienkontrolle.

Immerhin, denn ZACKBUM entstand nicht zuletzt als Reaktion auf den sich abzeichnenden Niedergang der anderen Medienorgane.

Etwas merkwürdig mutet die Begründung der Einstellung an; weiterwursteln sei keine Option gewesen: «Kommt dazu, dass die Finanzierung in der bisherigen Form sowieso nur noch drei bis fünf Jahre gesichert gewesen wäre. So spontan wie die MEDIENWOCHE vor zwölf Jahren aufgetaucht war, so überraschend verschwindet sie nun auch.»

ZACKBUM wäre begeistert, wenn seine Finanzierung für die nächsten bis zu fünf Jahre gesichert wäre. Offenbar macht es am Schluss den Unterschied aus, ob man mit Herzblut oder als Lohnschreiber zur Sache geht.

Schreibende Sparmassnahme

Kaum etwas ist so billig wie ein pensionierter, aber immer noch mitteilungswilliger Journalist.

Leider ist billig oft auch wertlos. Besonders schön zeigt sich dieses Elend in der aktuellen Ausgabe der «NZZ am Sonntag». Die ersten drei Seiten des Bundes «Hintergrund» sind für Meinungen reserviert.

Vorne dürfen die Redaktoren selbst, auf der nächsten Seite wird nicht zu selten einem Gastkommentator das Wort erteilt. Und in einem knappen Streifen wird das abgefüllt, was früher mal eine kompetente Medienkritik war, betreut von einem erfahrenen und langjährigen Redaktor, einer Koryphäe.

Andere Zeiten, aber nicht bessere

Die Zeiten ändern sich, leider nicht immer zum Besseren. Ein Zusammenprall von Licht und Elend ist hier zu beklagen. Als Gastkommentator macht sich der Professor der Uni St Gallen, Caspar Hirschi, ein paar intelligente Gedanken zur Frage, wieso eigentlich in der Schweiz keine blutigen Revolten mehr stattfinden. Er beginnt mit der guten Feststellung:

«Man kann nur verurteilen, was man verstanden hat. … Es ist die Voraussetzung dafür, dass man auch jenen gerecht wird, die man ins Unrecht setzt.»

Wo dieser Grundsatz nicht gelte, herrsche «Willkür», resümiert Hirschi.

Als abschreckendes Beispiel führt er den bekennenden Wutmoderator Sandro Brotz von der «Arena» an. Seine Überlegungen sind wissenswert:

«Es folgte eine Schaltung nach Einsiedeln, wo ein bärtiger Mann im weissen Chutteli eine Krumme paffte und ruhig der Fragen harrte, die da kommen mochten. Nur: Es kamen kaum Fragen. Erst forderte Brotz den Treichler auf, sich von den Krawallbrüdern auf dem Bundesplatz zu distanzieren, dann geisselte er die Ausschreitungen als «undemokratisch» und «unschweizerisch», schliesslich warf er ihm vor, den Rechtsstaat zu missachten und das Land zu spalten. Sandro Brotz inszenierte ein Verhör samt Verurteilung. Er wollte nichts verstehen und hatte nichts verstanden. Das Ganze hatte den absurden Effekt, dass der Interviewte die präzisierenden Nachfragen stellte und der Interviewer wie ein Spalter wirkte.»

Natürlich kannte Hirschi den Inhalt der Spalte rechts von seinen Ausführungen nicht, selbstverständlich hätte er dazu auch nicht Stellung nehmen dürfen. Obwohl sich das Beispiel mindestens so gut wie Brotz eignet, um zu exemplifizieren, was passiert, wenn verurteilt wird, ohne verstehen zu wollen, wie willkürlich absurde Schlüsse gezogen werden.

Was mal Medienkritik war, ist nur noch Flachsinn

Denn hier fährt Felix E. Müller die einstmals angesehene «Medienkritik» bei der NZZ gegen die Wand. Der langjährige Chefredaktor der NZZaS hat inzwischen viel Zeit und ist mitteilungsbedürftig, da pensioniert. Eine schlechte Mischung.

Er hat ein These, dann biegt er die Realität zu ihr hin. Eine üble Masche. Seine These: Putin beeinflusse «die hiesige Politik». Der krumme Weg zum angeblichen Beweis: Es gibt den TV-Sender «Russia Today». Natürlich so regierungstreu wie die SRG in der Schweiz. Seine deutsche Variante wurde vor Kurzem von YouTube gesperrt.

Putins Fake News Schleuder.

Denn, so schliesst der kalte Krieger Müller messerscharf: «Für das Ziel, den Westen zu desta­bilisieren, kam Corona wie gerufen. RT Deutsch etablierte sich sofort als Plattform für die Verbreitung von Fake-News über das Virus.»

Seit den Zeiten des «Zivilverteidigungsbüchleins» und den Warnungen vor dem subversiven Treiben eines «Willi Wühler» hörte man solchen Unsinn nicht mehr. Nächster wackeliger Schritt in der Beweisführung: die schädlichen Auswirkungen der «Destabilisierung» sehe man in den «Kommentarspalten» von «Weltwoche», «Nebelspalter» und – erstaunlich – «20 Minuten».

Deutsch, aber Propaganda für Putin.

Eine blecherne Pointe nach kurzer Strecke

Nun ist der Platz für diese Kolumne sehr beschränkt, ist’s der Autor auch, muss er schleunigst zur krachenden Schlusspointe kommen: Es liesse sich «mit nur geringer Zuspitzung» nämlich sagen, dass

«die Freiheitstrychler in ihrer herzhaften Naivität dazu beitragen, hierzulande die Botschaft des Kremls lautstark zu verbreiten, und damit helfen, im Sinne Putins auch die schweizerische Regierung zu schwächen».

Echt jetzt? Wirklich wahr? Ein paar urchige Bauern mit umgehängten Kuhglocken verbreiten naiv nicht nur die Botschaft des Kreml, sie schwächen gar unsere Landesregierung und bekommen nächstens von Putin persönlich den Lenin-Orden verliehen?

Wird man das auf der stolzen Brust der Treichler sehen?

Wohl nur der Platzmangel hielt Müller davon ab, mit der im Kalten Krieg üblichen Aufforderung zu enden: «Moskau einfach!» Vielleicht könnte die NZZaS auch noch etwas am Qualitätsmanagement arbeiten. Oder einfach Pensionäre in den wohlverdienten Ruhestand entlassen. Ruhe im Sinn von schweigen.

 

 

Aber hallo, liebe NZZ

Der neue Feuilletonchef Benedict Neff langt kräftig zu. Bravo.

Es herrscht Elend, Zähneklappern, Gewäffel und Gejammer auf dem Schweizer Medienmarkt. In einer seltsamen Volte werfen sich Linke und Alternative dafür in die Schlacht, dass schwerreiche Medienclans mit Steuermilliarden unterstützt werden.

Geschenke für Multimillionäre, was für eine Verwirrtheit, was für ein Verrutschen aller Massstäbe. Das ist bei der NZZ entschieden anders. In jeder Beziehung. Denn der NZZ-Verlag ist ausgesprochen für das verabschiedete Mediengesetz als «Kompromiss», und somit entschieden gegen das ergriffene Referendum.

Was bei Tamedia, CH Media oder Ringier völlig ausgeschlossen wäre, ist bei der NZZ offenbar gelebte Liberalität. Schon der zweite Redaktor knallt den Befürwortern der Steuermilliarde schwer eine vor den Latz.

Spitzenleistung an Klarsicht.

Der neue Feuilletonchef langt richtig zu

Diesmal ist es immerhin der frischgebackene Feuilleton-Chef Neff. «Die verlorene Glaubwürdigkeit der Schweizer Grossverleger», so lautet der Titel seines Kommentars, und in dieser Preislage geht es weiter.

Neff bringt die Schizophrenie auf den Punkt:

«Die geplante Förderung der Schweizer Medien droht an der Urne zu scheitern. Und dies zu Recht. Aus liberaler Sicht sind die Subventionen abzulehnen. Aber auch Linke dürfen sich fragen: Brauchen schwerreiche Unternehmer wirklich Staatshilfe?»

Natürlich nicht, erklärt Neff. Mehr noch; die Verlegerclans würden immer mit der Wichtigkeit ihrer Aufgabe hausieren gehen und damit, dass die Glaubwürdigkeit das grösste Kapital der Medien sei. «Umso mehr wundert man sich, dass der Verlegerpräsident und seine Verbandskollegen so fahrlässig mit der Glaubwürdigkeit des Journalismus umgehen.» Zack.

Im Gegensatz zum Gesülze von Linken und vom Verlegerverband bringt es Neff auf den Punkt:

«Bei den Familien Coninx (TX Group), Ringier (Blick) und Wanner (CH-Media) handelt es sich um reiche bis schwerreiche Familien, die über Jahrzehnte vorzüglich am Mediengeschäft verdient haben und immer noch gut verdienen.»

Neff zieht den Exponenten dieser schwerreichen Familien die Hosen stramm. Sowohl Ringier-CEO Marc Walder wie Pietro Supino von Tamedia sprächen von «primitivem Populismus» der Gegner der Mediensubventionierung, von «purer Polemik». Neff: «Mit Stilkritik reagiert oft, wer nicht in der Lage ist, die Argumente des Gegners auseinanderzunehmen.» Tschakta.

 

Clanbildung ist in Schottland gut, aber nicht in den Medien.

Neff verarbeitet die wenigen Argumente der Befürworter zu Kleinholz

Neff hat einen Lauf:  «Für die Glaubwürdigkeit privater Medienunternehmen ist die grösstmögliche Unabhängigkeit von zentraler Bedeutung.»

Der Coninx-Clan würde von der Medienförderung am stärksten profitieren, konstatiert Neff, dabei kontrolliere der Clan bereits 40 Prozent der veröffentlichten Meinung in der Deutschschweiz und 70 Prozent in der Westschweiz.

«Wer glaubt, dieses Zeitungskonglomerat habe sich in den letzten Jahren um den Journalismus besonders verdient gemacht, irrt. Obwohl sich der Verlag ein eigenes Korrespondentennetz gut leisten könnte und dies der Förderung von Schweizer Journalisten zweifellos dienen würde, stammt der Ausland-Teil bis auf wenige Artikel aus der «Süddeutschen Zeitung».» Zackbum.

Die TX Group habe dabei nach den Regeln des Kapitalismus gespielt, Marktanteile aufgekauft und die Kosten gedrückt. Alles erlaubt.

«Stossend und bigott wird es aber, wenn ein solches Unternehmen die hohle Hand macht und die Steuerzahler bittet, für die angeblich notwendigen Investitionen aufzukommen, die es selbst schon lange nicht mehr tätigen will.»

Dass hier die «Republik» und Tamedia vereint im Kampf für die Steuermilliarde seien, das ist in den Augen Neffs wirklich nur noch ironisch zu verstehen. «Die klassenkämpferische Attitüde der «Republik»-Journalisten ruht in diesem speziellen Fall aber: Gemeinsam mit Supino freut man sich auf die künftigen Millionen.»

Mit liebevoller Unterstützung der Klassenkämpfer von der «Republik».

Fazit: «Dass die Verleger nicht die Kraft haben, sich aus der Umarmung der Politik zu befreien, ist bedauernswert.» Das nennt man mal eine Breitseite, einen Blattschuss. Ein Kommentar zum Einrahmen.

Es ist auch mehr als ironisch, dass einzig die NZZ, von Linken gerne bis heute als Sprachrohr des Kapitals geschmäht, so klare Worte findet. Gegen die Interessen des Kapitals, gegen den eigenen Verlag, der sich auch auf Subventionsmillionen freut.

Die NZZ erledigt die Denkarbeit und kritisiert die Unterstützung reicher Clans mit einer Steuermilliarde. Linke Exponenten werfen sich für Multimillionäre in die Bresche. «World gone mad», so nannte der alte Weise Bob Dylan vor Jahren eine Song-Sammlung. Wie recht er doch hat.

Eine Medienkritik und ihre Geschichte

Dritte Lieferung. Hier werden Fundstücke obduziert, um ihre Todesursache zu finden. Heute die Medienkritik in der «Weltwoche».

Medienkritik hat sich zu einem Gefäss für gelegentliche Ausfälle denaturiert. Gilt es, einen neuen, ungeliebten Konkurrenten fertigzumachen, okay. Aber sonst? Traut sich keiner, will keiner, kann keiner.

Logisch, ausser ZA … nein, kein Eigenlob. Sondern: sozusagen der letzte Mohikaner der regelmässigen Medienkritik ist Kurt. W. Zimmermann. Inzwischen viel länger bei der «Weltwoche» unterwegs als beim «Schweizer Journalist» (SJ).

Sympathisch macht ihn, dass er ohne Rücksichten auf Verluste oder eigene Flops gegen alle und alles austeilt. Dabei liefert er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Frank A. Meyer, wer von beiden mehr Millionen verröstet hat. Der eine bei Tamedia, der andere bei Ringier.

Eine weitere Ähnlichkeit ist: beide neigen dazu, aus eigenem Antrieb oder auch aus fremdem Fertigmacherjournalismus zu betreiben. Frank A. Meyer musste nach der Borer-Affäre wegen übertriebener Härte kurzzeitig auf die Strafbank.

Die Hintergründe zum Wechsel Projers, brühwarm serviert

Das ist Zimmermann noch nie passiert. Aktuell – logisch – nimmt er sich natürlich auch DER News im Medienkuchen an. Wie kann es nur sein, dass Jonas Projer von Blick-TV direkt in den Olymp der Chefredaktion der NZZaS einzieht?

Wofür sogar der dort amtierende und nichtsahnende Chefredaktor weggeräumt werden musste? Ideal für Zimmi, seine Muskeln spielen zu lassen und den bösartigen Insider zu geben. Allerdings mit Hygienemaske vor dem Mund, damit ihm keiner was kann. Weil’s durchaus raffiniert gemacht ist, eine kurze Obduktion.

Steht Zimi mehr auf Michael Mann und Al Pacino?

Der Einstieg muss schon alles klar machen. Projer habe sich mit seinem ersten Auftritt in einer Videobotschaft lächerlich gemacht. Er müsse noch viel lernen, habe er gesagt, seither werde er auf der NZZaS-Redaktion als Dilettant verspottet. Weiss Zimmermann. Weiss dort aber keiner. Ist halt immer so eine Sache mit anonymen Quellen.

Aber schliesslich stimme das auch, wetzt Zimmi das Messer. Projer habe in seinen 15 Jahren Journalismus keine Sekunde auf einer Zeitungsredaktion gearbeitet. Stimmt zwar nicht ganz, hört sich aber gut an.

Erste Zwischenbilanz: das sei so, wie wenn man einen Mann ins Cockpit setze, der vorher als Buschauffeur gearbeitet habe. Abgesehen davon, dass Christian Dorer immer noch als Buschauffeur arbeitet: diese Welten trennen die NZZaS von allen anderen Medien? Wow.

Nun noch die Frage: wieso denn eigentlich dieser Wechsel?

Also, Pfeife am Gerät. Nun zur Frage: warum bloss? Da war Zimmi offenbar das Mäuschen bei Gipfeltreffen in den Häusern NZZ und Ringier. Denn er weiss: die NZZ war angepisst, weil sich unter Luzi Bernet das Blatt immer mehr in ein «bunt-rot-grünes-Jekami» verwandelt habe. Weiss Zimmi, aber auch nur er.

Oder auf Gene Hackman und Francis Ford Coppola?

Auf diesem einsamen Weg geht er weiter durchs «soll doch einer das Gegenteil beweisen»-Gebüsch. Zunächst habe die NZZ Patrik Müller von CH Media und Christian Dorer vom «Blick» die Chefredaktion der NZZaS angeboten. Komisch, dass die beiden davon nichts wissen, und Dorer nun wirklich nicht in Frage gekommen wäre.

Jetzt kommt ein raffinierter Doppelschlag. Wieso hätten die beiden abgelehnt? Aus Loyalität zu ihren Verlagshäusern. Projer, als «zweite Wahl», habe hingegen «kein Problem mit Illoyalität».

Eine interessante, neue Definition dieses Begriffs. Wer bleibt, ist loyal. Wer selber kündigt, ist illoyal. Aha, und wie kann man dann das Verhalten des Ringier-Konzerns bezeichnen, der alleine in den letzten 20 Jahren eine beeindruckende Latte von «Blick»-Chefredaktoren verschlissen hat? Die haben loyal alle nicht gekündigt, die wurden – offenbar bei einem Konzern keinesfalls Ausdruck von Illoyalität – allesamt gefeuert.

Illoyal war das, aber was ist der tiefere Grund für die Kündigung?

Projer ist schlichtweg die erste Führungsfigur beim «Blick», die es gewagt hat, selber zu gehen. Obwohl doch Marc Walder Blick-TV als sein Herzensprojekt, als seinen Liebling bezeichnet. Da kann man dann nicht nur von Illoyalität, sondern geradezu von Liebesentzug reden. Aus der Sicht von Ringier.

Aber wieso ist nun Projer gegangen, er war ja (noch) nicht loyal gefeuert worden beim «Blick». Auch dazu hat Zimmermann eine steile These: er musste gehen, weil er sich «in einer charakterlichen Sackgasse» befunden habe.

Was ist denn das? Nun, Zimmi habe bei Ringier mit Krethi und Plethi geredet; das Urteil sei «so einhellig negativ, dass einiges daran sein muss». Woran? «Egozentrische Drama-Queen», beratungsresistenter «permanenter Besserwisser». Kein Wunder, kam es «regelmässig zum Knall». Bis zum bitteren Ende: «Am Schluss war der nicht teamfähige Projer im Newsroom des «Blick» völlig isoliert.»

Meiner Treu, was man aus Gesprächen mit einem einzigen Informanten, der auch mir ganz heissen Scheiss gegen Projer anbot, herausmelken kann. Ich lehnte ab, weil ich keine ausschliesslich auf anonymen Beschimpfungen basierende Artikel schreibe. Zimmi ist da offenbar schmerzfrei.

Und in welcher Sackgasse befindet sich Zimmermann?

Bleibt nur die Frage, in welche charakterliche Sackgasse sich Zimmermann selbst manövriert hat. Als ehemaliger Angestellter findet er es tatsächlich illoyal, wenn jemand kündigt, weil er etwas Besseres in Aussicht hat? Loyal hingegen sei, solange auf dem Stuhl sitzen zu bleiben, bis die Führungsetage der Besitzer beschliesst, dass da mal wieder eine Rübe runtermuss? Also wurde auch Zimmi loyal beim SJ gefeuert?

Was würde Zimmermann davon halten, wenn man über ihn eine solche Kloake aus nur anonymen Quellen geschöpft giessen würde? Wenn ich Zeit für so einen Quatsch hätte, könnte ich das locker zusammenfantasieren. Ich halte aber nichts von solchem Hinrichtungsstil. Weder bei Zimmermann, noch bei den erregten Tagi-Frauen, die schärfste Anschuldigungen öffentlich herumbieten – mit ausschliesslich unbelegten, anonymen, nicht verifizierten Beispielen.

Briefe und anonyme Zitate, zwei neue Hobbys der Journalisten

Leider stösst auch Michèle Binswanger ins gleiche Horn. Sie hat sich zwar tapfer vom Protestschreiben der 78 Tamedia-Mitarbeiterinnen distanziert, nimmt aber ein anonymes Schreiben, das in der NZZ herumgeistern soll, zum Anlass, auf den designierten Chefredaktor der NZZaS einzuprügeln. Unter Verwendung genauso anonymer, genauso abwertender Meinungszitate von einem angeblichen Headhunter, der Projer für das Allerletzte hält.

Gesprächspartner, die sich sehr positiv über Projer äusserten, lässt Binswanger unter den Tisch fallen, auch sie kennt den guten Satz: Lass dir nie von der Wahrheit eine gute Geschichte kaputtmachen. Auch die Tatsache, dass sie gegenüber Projer nun wirklich befangen ist, hindert sie nicht daran, über ihn herzufallen. Nun, dass Tamedia kein Frauenproblem hat, aber ein Qualitäts- und Qualitätskontrollproblem, das war schon vor diesem Artikel bekannt.

Medien ohne Kritik

Es gäbe schon einige Gründe, die Medien kritisch zu begleiten. Nur: Wo denn?

Der Konzentration aufs Wesentliche ist bei der NZZ die Medienseite zum Opfer gefallen. Was nach dem nicht ganz friedfertigen Abgang des langjährigen Medienredaktors Rainer Stadler nicht wirklich überraschen konnte.

Dass nicht sattelfeste NZZ-Journalisten dann auch noch eine die alte Tante immer furchtbar schmerzende Entschuldigung verursachten, indem sie wider besseres Wissen behaupteten, bei «20 Minuten» denke man ernsthaft über die Einstellung der Print-Ausgabe nach, beschleunigte das Ende zusätzlich.

Aber immerhin, bis letztes Wochenende gab es eine Medienseite in der NZZ. Denn man ist ja bescheiden geworden. Tamedia und CH Media haben sich schon lange von dieser Form der Selbstkritik oder der kritischen Begleitung des Medienalltags verabschiedet.

Einer dreht noch seine Runden

In der «Weltwoche» dreht Kurt W. Zimmermann seit Jahren zuverlässig seine Runden und sorgt mit seinem Erfahrungsschatz, seiner Vernetzung und seinem ungebrochenen Mut zu Prognosen für eine nicht umfassende, aber immerhin wöchentliche Mediensicht.

Aber sonst? Persoenlich.com tritt man sicher nicht zu nahe, wenn man konstatiert, dass sich dessen kritische Medienbetrachtung auf der Ebene Globuli abspielt. Soll angeblich was drin sein, aber ist so verdünnt, dass man nichts merkt. Dann gibt es noch 18 Seiten «Edito», dem man den grössten Gefallen tut, wenn man mildtätig den Mantel des Schweigens drüberbreitet.

Schliesslich gibt es die «Medienwoche», auch stark gerupft durch Corona. Ausser Nick Lüthi, immerhin ein alter Hase, schreiben hier nurmehr Leicht- und Fliegengewichte realitätsferne Ergüsse. Und den «Schweizer Journalist», der vor 15 Jahren antrat, mit seinem munteren Chefredaktor Markus Wiegand schnell zur Pflichtlektüre wurde, von Zimmermann mit Lust an der Provokation weitergeführt und schliesslich von David Sieber zu Grabe getragen wird.

Sinnvolle Sparmassnahme

Natürlich ist es nicht nur dessen Schuld, aber wer sich nicht dringend über die nordfriesische Medienszene, Betrachtungen aus Deutschland und Österreich interessiert, während die Eigenrecherche auf null krankgeschrumpft wurde und eine Kür von irgendwer «des Jahres» mit ganzen 150 Abstimmenden durchgeführt wird, kann sich die happigen 15 Franken problemlos sparen.

War’s das? Das war’s. Natürlich, glücklicherweise gibt es ZACKBUM.ch, hätten wir glatt vergessen zu erwähnen. Aber auch hier gibt es ein Problem. Stadler hat gerade die Fortsetzung seiner Tätigkeit auf «Infosperber» angekündigt. In einem 40-Prozent-Pensum will er auf dieser Randgruppen-Plattform weiterschreiben. Wo sich Pensionäre und Autoren mit Schreibstau ein Stelldichein geben.

Das Problem ist aber, dass es kaum Journalisten gibt, die sich zu Medienfragen äussern wollen, erst recht nicht kritisch. Bei den wenigen Arbeitgebern, die es in der Schweiz im Journalismus noch gibt, will man es sich nur ungern mit einem Verlag oder dem SRF verscherzen. Denn wer weiss, ob man die nächste Sparrunde im eigenen Haus nicht überlebt und dann dringend Ersatz bräuchte.

Ja keine Kritik äussern

Kritik an der Einheitssauce der Zentralredaktionen, an den beiden Überchefredaktoren, am Versagen der Verlagsmanager, an journalistischen Fehlverhalten, am Qualitätsverlust, an der absurden Idee, für weniger Leistung mehr Geld zu verlangen: lieber nicht, das könnte ja jemand in den falschen Hals kriegen.

Menschlich verständlich; wer heute 50 aufwärts ist und in (noch) ungekündigter Stelle bei einem Medienhaus arbeitet, weiss, dass es bis zur Frühpensionierung noch zu lange hin ist; sollte der Blitz demnächst einschlagen, bleibt nur der Gang aufs RAV und das Schreckgespenst der Sozialhilfe.

Keine guten Voraussetzungen für eine mutige und kritische Debatte. Auch den Interessensvertretungen der Medienschaffenden fallen zwar jede Menge Forderungen und Kritikpunkte ein, konstruktive Vorschläge haben sie nicht zu bieten.

Kritikfähigkeit wäre ein Lernfach für Journalisten

Es ist ein alter Hut, dass es kaum empfindsamere Wesen als Journalisten gibt, wenn es um Kritikfähigkeit geht. Austeilen immer gerne, einstecken immer sehr ungern. Mit dem zunehmenden Bedeutungsverlust der journalistischen Zunft und den zunehmenden Existenzängsten nimmt die Fähigkeit, Kritik anzunehmen, auch nicht zu.

Die Lage ist allerdings so kritisch, dass es mit sanftem Gesäusel nicht mehr getan ist. Sondern es braucht schon zack und bum. Denn wo, wenn nicht hier? Und wer, wenn nicht wir?

Wem’s nicht passt: her mit der Kritik. Wir sind so was von fähig, Kritik zu ertragen und zu publizieren, nach der Devise: wer austeilt, muss auch einstecken können. Aber trauen muss man sich halt.

 

Packungsbeilage: Der Autor hat in eigentlich allen erwähnten Organen schon publiziert; ausser im «Edito». 

ZACKBUM.ch startet: Die Rückkehr der Medienkritik

Die neue Plattform für alle Medienfragen. Recherche, Analyse und Meinung

Unzensiert, ungeschminkt und voll auf die Drei: ZACKBUM.ch.

Medien sind die vierte Gewalt im Staate. Medien sollen kontrollieren, informieren, aufdecken. Dazu analysieren und einordnen. Sie sollen die Welt und das Lokale den Lesern, Hörern, Zuschauern und Usern so vermitteln, dass die sich ein Bild von der Welt machen können.

Medien sollen nicht nur informieren, sondern auch Missstände aufdecken, Missbrauch anprangern, Politiker, Beamte, Mächtige kontrollieren. Aber wer kontrolliert die Medien? Wer kommentiert sie, wer macht sich Gedanken über ihre Zukunft?

Wer kann das machen, ohne Rücksichten auf Befindlichkeiten, ohne Abhängigkeiten, ohne Gefälligkeiten, ohne mit Geld und Beziehungskorruption zugedeckten blinden Flecken?

Wir drei natürlich. Lorenz Steinmann ist ein erfahrener Journalist. Beni Frenkel ist ein erfahrener Journalist. Beide legen Wert auf die Feststellung, dass sie ab Frühling 2021 zackbum ihre Mitarbeit eingestellt haben.

René Zeyer ist ein erfahrener Journalist.

Wichtiger noch: Er nimmt nicht einmal bei einer Blattkritik ein Blatt vor den Mund.

Anstatt in das Gejammer über den sich zu Tode sparenden Journalismus, über Mainstream-Medien, über Thesen-Journalismus und Nachplapper-Artikel einzustimmen, machten wir selber ein Fass auf. Genauer: eine Plattform. Seit Frühling 2021 ist sie eine One-Man-Show mit freien Mitarbeitern.

Der Name ist Programm: ZACKBUM. Die Medien-Show. Fundiert recherchiert, süffig präsentiert. News, Analysen, Klatsch und Meinungen. Alles, was den modernen Medienschaffenden interessiert.

Guter Journalismus ist ganz einfach. Klare Trennung von Meinung und Fakten. Gehör den Abgehandelten. Lob und Tadel. Also alles, nur nicht lauwarm.

Weil das bislang viele Kollegen interessierte: Wer das bezahlt? Ganz einfach: wir. Was ist unsere Position, sind wir links, rechts, oben oder unten? Ganz einfach: Wo wir sind, ist vorne. Gibt es Pflichtthemen, was ist der Publikationsrhythmus, welche Gefässe pflegen wir, was sind unsere Absichten? Ganz einfach: Wir wollen aufklären und unterhalten. Oder noch einfacher: Wir wollen Spass. Schreibspass und Lesespass.

 

Ab heute hat die kritische Begleitung der Medienarbeit wieder ein Heim. Es heisst ZACKBUM.©